Die Politik hat deshalb den dringenden Auftrag, ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz auf den Weg zu bringen, das der Privatwirtschaft klare gesetzliche Grenzen aufzeigt und die Überschreitung dieser Grenzen strafrechtlich sanktioniert.
Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat hierzu wichtige Formulierungen und Positionen festgehalten. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat als größte Arbeitnehmerorganisation längst Eckpunkte für ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz vorgelegt, dessen Kern ich hier bereits einmal vorgetragen habe. Der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag der neuen Bundestagsmehrheit aber bleibt in diesem Thema sehr vage, lediglich eine „praxistaugliche Regelung“ im Rahmen eines neuen Kapitels zum Bundesdatenschutzgesetz wird in Aussicht gestellt. Angesichts der Dimension der Datenskandale halte ich das für viel zu wenig. Die FDP wird, was dies angeht, ihrer Selbstbeschreibung als Bürgerrechtspartei nicht einmal im Ansatz gerecht.
Ich komme nun zu einzelnen Punkten des Berichts des Datenschutzbeauftragten und der Stellungnahme der Landesregierung für den öffentlichen Bereich des Datenschutzes, die meine besondere Aufmerksamkeit gefunden haben. Dem Einsatz von Herrn Prof. Ronellenfitsch und seiner Kolleginnen und Kollegen ist es wohl zu verdanken, dass sowohl größeren Gruppen negativ Betroffener als auch Einzelpersonen geholfen werden konnte. Die Beispiele machen deutlich,was Datenschutz im Einzelnen sehr konkret bedeuten kann. Ein besonders heikler Fall ergab sich in meinem Heimatkreis, dem Hochtaunus. Hier hat die bekannt gewordene Überprüfung einer Bezieherin von Arbeitslosengeld II durch den Außendienst der Arbeitsagentur, bei der die Bezieherin über ein halbes Jahr an insgesamt 89 Tagen observiert wurde, meine Aufmerksamkeit geweckt. Es ist dem Einschreiten des Datenschutzbeauftragten zu verdanken, dass der Landrat des Hochtaunuskreises – entgegen der Einschätzung des zuständigen Sozialdezernenten – nun Maßnahmen ergriffen hat, solche Unglaublichkeiten künftig auszuschließen. Entgegen der Stellungnahme der Landesregierung vertrete ich die Auffassung, dass die wichtigsten Aufgaben des Sozialgesetzbuchs II nicht in der Bekämpfung von Leistungsmissbrauch, sondern in der Unterstützung bei Arbeitslosigkeit liegen.
Bei einer so verstandenen Schwerpunktsetzung blieben die Leistungsbezieher von derart übereifrigen Außendienstmitarbeitern verschont.
Einigermaßen schockierend fand ich auch die Darstellung des Datenschutzbeauftragten zur Auseinandersetzung um die Speicherung von über 200 Datensätzen von Beteiligten an Studentenprotesten in Frankfurt. Es kann nicht sein, dass Demonstrationsteilnehmer, denen keinerlei Straftaten angelastet oder nachgewiesen wurden, mit den Angaben „Landfriedensbruch“, „gewalttätig“ und „linksmotivierte Straftäter“ bis zu zehn Jahre lang in gleich mehreren Auskunftssystemen der Polizei und des BKA gespeichert werden. Insbesondere die Argumentation der Landesregierung, wonach der bloße Verdacht und nicht die bewiesene Straftat derartige Einträge rechtfertigen,
Unterstützen möchte ich die Haltung des Hessischen Datenschutzbeauftragten in seiner Argumentation, wonach im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge öffentlichrechtliche Grundsätze auch dann gelten, wenn die Leistungen zur Daseinsvorsorge von Privaten erbracht werden. Plausibel erscheint mir die Argumentation deshalb, weil nach unserer Auffassung der privatrechtliche Charakter dann zurücktritt, wenn ein grundsätzliches und weitreichendes gesellschaftliches Interesse besteht. Dies ist im Bereich der Daseinsvorsorge zweifelsohne der Fall.
Nachdenklich haben mich die Ausführungen des Datenschutzbeauftragten zu einem hessischen Landkreis gemacht, der eine Fehlerquote von 25 % bei der Erteilung von Einreiseverboten in das Schengen-Gebiet aufweist und bei alten Datenständen eine Fehlerquote von 90 % hatte.Man muss sich einmal vor Augen führen,was das für die betroffenen Personen bedeutet. Ich sehe es weniger als Schelte an, aber der Eindruck, dass in einigen Kommunen mit dem Datenschutz eher lax umgegangen wird, sollte uns auch im Landtag weiterhin beschäftigen.
Ich fasse zusammen. Die Rolle des Staates bei den Herausforderungen des Informationszeitalters kann nicht darin bestehen, immer mehr Datensätze zu erheben, zu speichern und ohne erkennbare Zweckbestimmung zusammenzuführen und auszutauschen. Leider spricht einiges dafür, dass es so ist. Deshalb braucht man sich über Datenskandale in der Privatwirtschaft kaum zu wundern.
Wir werden bald über das HSOG beraten. Wenn ich mir die Diskussion um die ELENA-Datei ansehe, dann habe ich Zweifel, ob der Staat seine Datensammelwut in absehbarer Zeit in den Griff bekommen wird. Der Landtag wird deshalb mehr Anstrengungen für den Datenschutz unternehmen müssen,als dies bisher der Fall war.– Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter, lieber Herr Prof. Ronellenfitsch, wir reden in diesem Jahr in diesem Haus ungewöhnlich oft über das Thema Datenschutz. Am 18. Juni haben wir im Plenum den 36. Tätigkeitsbericht des Datenschutzbeauftragten beraten – aufgrund bestimmter hessischer Ereignisse etwas später als üblich. Am 1. Oktober wurde das Thema beim 17. Wiesbadener Datenschutzforum beraten. Heute steht bereits der 37. Tätigkeitsbericht auf der Tagesordnung. Dazwischen hatten wir im Innenausschuss mehrere Male Gelegenheit, Datenschutzaspekte zu diskutieren. Alle, die diese Diskussionen verfolgt haben, wissen, es gibt einen Namen, der mit all diesen Diskussionen verbunden ist, nämlich der unseres Datenschutzbeauftragten, Herrn Prof. Ronellenfitsch. Ihnen herzlichen Dank, nicht nur für die Arbeit an dem Tätigkeitsbericht selbst, sondern für die Arbeit, die uns hier im Hause ständig begleitet. Die Beratungen zum HSOG wurden bereits er
Meine Damen und Herren, ich finde es außerordentlich gut, dass wir in diesem Hause dem Datenschutz eine so wichtige zentrale Rolle zuweisen und so breiten Raum geben; denn gerade für uns Liberale ist der Datenschutz ein besonders wichtiges Thema. Weil dieses Thema bei uns den beschriebenen Stellenwert hat, hoffe ich, dass wir gemeinsam diese breite und ausführliche Diskussion nutzen, um in der Folge ein entsprechendes Ergebnis zu erzielen und den Datenschutz weiter zu verbessern.
Im Gegensatz zu den zuvor geführten Debatten gibt es heute allerdings eine Besonderheit. Herr Prof. Ronellenfitsch hat schon darauf hingewiesen, dass es im vergangenen Jahr in Berlin untaugliche und überstürzte Versuche gab, etwas am Bundesdatenschutzgesetz zu ändern. All das ist bekanntlich auf breiter Front gescheitert. Das bisschen, was geschehen ist, war wenig sinnvoll, um es vorsichtig auszudrücken.
Inzwischen liegt der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag vor. Frau Kollegin Enslin, ich hätte mir gewünscht, dass Sie auch einmal mit positivem Blick in dieses Werk hineinschauen. Wenn Sie das täten, dann würden Sie vielleicht feststellen, dass die Koalitionsfraktionen aus CDU/CSU und FDP im Bund den Datenschutz zu einem der größten Gestaltungsprojekte für die jetzt begonnene Legislaturperiode gemacht haben. Darauf bin ich als Liberaler ganz besonders stolz.
Damit werden in Deutschland die Grundsätze Verhältnismäßigkeit, Datensicherheit, Datensparsamkeit sowie Zweckbindung und Transparenz bei der Datenspeicherung noch mehr betont. Das Bundesdatenschutzgesetz wird lesbarer und verständlicher. Es wird zukunftsfest und technikneutral gestaltet. Ein ganz wichtiger Punkt ist in der Tat, dass die Informationspflichten erweitert und der Freiwilligkeit der Einwilligung zur Datenspeicherung größere Bedeutung beigemessen wird.
Ein besonders innovatives Projekt ist die Einrichtung der Stiftung Datenschutz. Dort werden Produkte und Dienstleistungen auf ihre Datenschutzfreundlichkeit geprüft.
Die Unterrichtung über den Datenschutz wird gestärkt und verbessert werden,insbesondere auch die Aufklärung über den Selbstdatenschutz.
Schließlich werden wir ein Datenschutzaudit einführen. Damit können Unternehmen zukünftig auch beim Datenschutz ein Gütesiegel erwerben und damit datenschutzfreundliche Technik aus Deutschland mit geprüfter Datenschutzqualität weltweit vertreiben.
Herr Prof. Ronellenfitsch hat ein weiteres Thema aus der Bundesdatenschutzgesetzgebung angesprochen, nämlich die Problematik im Zusammenhang mit dem ausreichenden Schutz von Arbeitnehmerdaten bzw. mit dem Schutz von Arbeitnehmerdaten vor der Speicherung, wenn dies nicht gerechtfertigt oder geboten ist.
Die neue Regierungskoalition auf der Bundesebene hat fest vereinbart, den Arbeitnehmerdatenschutz zu verbessern, und sie wird das auch umsetzen. Sie wird dafür sorgen, dass nur noch Daten, die für das Arbeitsverhältnis relevant sind, gespeichert werden dürfen und, vor allem, dass Daten, die nur etwas mit nicht dienstrelevanten Gesundheitsverhältnissen zu tun haben, nicht gespeichert
Meine Damen und Herren, ich räume den verschiedenen Maßnahmen auf Bundesebene deshalb so viel Raum ein, weil der Datenschutz auch und gerade im föderalen Bundesstaat in einem engen Kontext gesehen werden muss. Unabhängig von den Zuständigkeiten auf Bundes- oder Länderebene halten wir Liberale es für notwendig, dass die Daten eines Hessen auch dann geschützt sind,wenn er nach Berlin fährt, und dass der Datenschutz immer funktioniert, ganz gleich, ob ein Unternehmen privat ist, ob es sich um die Daten in einer öffentlichen Verwaltung handelt oder ob man eine der heute immer häufiger anzutreffenden Mischformen vor sich hat, z. B. Stadtwerke als eine klassische öffentliche Einrichtung, die aber in der Rechtsform einer privaten GmbH oder Aktiengesellschaft betrieben werden.
Diese Beispiele zeigen, dass der Datenschutz im öffentlichen Bereich und der Datenschutz im privaten Bereich immer näher zusammenrücken müssen. Wie das geschehen soll – auch das wurde heute schon mehrfach angesprochen –, haben wir in diesem Hause gesondert zu beraten.
Wie auch in vielen anderen Bereichen ist die Prävention eine der wichtigsten Komponenten des Datenschutzes. Auch da kann ich mich auf Prof. Ronellenfitsch beziehen. In diesem Bereich bedeutet das die Aufklärung der Bürger. Ein Stück weit ist dabei auch der Staat gefragt. Wir müssen bei den Bürgern ein stärkeres Bewusstsein für Datensparsamkeit schaffen, und wir müssen das Bewusstsein für die Gefahren durch den Datenmissbrauch schärfen.
Wenn man in die verschiedenen Verzeichnisse und Foren im Internet schaut, stellt man fest, dass es teilweise erschreckend ist, wer dort was von sich preisgibt. Daten, die ich nicht hergebe, können auch nicht missbraucht werden. Das ist eine zentrale Botschaft.
In unserem ureigenen Bereich der Gesetzgebung in Hessen haben wir unsere Hausaufgaben gemacht. Herr Prof. Ronellenfitsch, in Ihrem 37. Tätigkeitsbericht haben Sie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008 zu den Kennzeichenlesegeräten angesprochen. Wie Sie wissen, sind wir dabei – das wird in der nächsten Plenarrunde auf der Tagesordnung stehen –, die Entscheidung umzusetzen, also die Regelung umfassend zu verändern.Viele der Änderungen,die Sie vorgeschlagen haben, haben wir mit aufgenommen. Sie haben gestern weitere Vorschläge gemacht, die wir bis zur nächsten Ausschusssitzung, die am Donnerstag stattfinden wird, prüfen werden. Dann werden wir eine verfassungsmäßige Regelung verabschieden.
Wir sind auch in anderen Bereichen Ihren Mahnungen gefolgt. Frau Kollegin Enslin, auch da zeigt der Koalitionsvertrag in Hessen, dass wir hier erfolgreich sind. Dass wir in Berlin nicht alles abräumen konnten, was in schwarzgelben Zeiten oder auch früher, in rot-grünen Zeiten, ins Gesetz geschrieben worden ist, ist nun einmal so. Wenn Fakten erst einmal geschaffen worden sind, ist es schwierig, davon wieder wegzukommen.
Ich darf Sie aber daran erinnern: Wir haben beim HSOG dafür gesorgt, dass der Kernbereich privater Lebensgestaltung ausreichend geschützt und klar geregelt wird.
Ich will einen letzten Punkt ansprechen, wobei ich auf das Wiesbadener Forum Datenschutz zurückkomme. Hier wurden wichtige Aspekte des Datenschutzes ausführlich und aus den verschiedensten Perspektiven diskutiert.Wir haben von höchstrichterlicher Seite, von keinem anderen als dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Herrn Prof. Papier, Anregungen und Anmerkungen erhalten.
Besonders interessant finde ich einen Satz, der dort besprochen wurde, wonach nämlich die berechtigten Sorgen und Anliegen von Innenpolitikern bei der Gefahrenabwehr und dem Schutz der Bevölkerung berücksichtigt werden müssen. Ich finde es interessant, wie vieldeutig dieser Satz ist, und möchte ihn deshalb wiederholen: „die berechtigten Sorgen und Anliegen von Innenpolitikern im Bereich der Gefahrenabwehr und im Bereich des Schutzes der Bevölkerung“.
Dieser Satz ist mehr als vieldeutig, weil wir Politiker berechtigte Sorgen und Anliegen bei der Gefahrenabwehr sowohl in Bezug auf Straftaten zum Nachteil der Bürger als auch in Bezug auf Datenschutzverstöße zum Nachteil der Bürger haben müssen. Was den Schutz der Bevölkerung angeht, müssen wir die Bürger sowohl vor Straftaten gegen ihre Person als auch vor Datenschutzverstößen zu ihrem Nachteil schützen.
Im Ergebnis kommen wir also zu der Auffassung,dass beides, die präventive Kriminalitätsbekämpfung ebenso wie die Aufrechterhaltung des Schutzes von Daten, miteinander einhergeht. Wir dürfen nie zu der Abwägung Gefahrenabwehr oder Datenschutz kommen, sondern wir müssen Gefahrenabwehr und Datenschutz immer in ein ausgewogenes Verhältnis bringen.
Meine Damen und Herren, in diesem Hause herrscht Einigkeit darin, dass wir noch einiges optimieren wollen. Dabei haben wir in den letzten Wochen und Monaten vor allem nach Europa geschaut. Herr Prof. Ronellenfitsch hat schon auf das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof hingewiesen. Die Europäische Kommission wirft Deutschland vor, die Aufgaben des Datenschutzes nicht unabhängig genug wahrzunehmen.
Skeptiker, die die Notwendigkeit eines umfangreichen – auch eines umfangreicheren – Datenschutzes bezweifeln, haben gehofft, in Luxemburg würden ihnen Argumente an die Hand gegeben, warum man Verbesserungen beim Datenschutz nicht braucht. Befürworter haben gehofft, Luxemburg würde Deutschland für schuldig befinden, also der Klage stattgeben und ihnen damit Argumente an die Hand geben, warum Veränderungen beim Datenschutz unerlässlich sind.
Ich komme zum Schluss meiner Rede. Noch immer ist in Luxemburg kein Urteil gesprochen worden. Aber, wie schon erwähnt, der Schlussantrag des Generalanwalts liegt seit vergangenem Freitag vor. Das ernüchternde Ergebnis: Keine Seite bekam die Argumente an die Hand, die sie sich vielleicht erhofft hatte.
Der Generalanwalt kommt zu dem Schluss, die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass der Datenschutz in Deutschland nicht völlig unabhängig betrieben wird. Gleichzeitig wird aber auch gesagt, es könne nicht positiv festgestellt werden, dass die Stellen, die den Datenschutz wahrnehmen, von anderen Exekutivorganen, in die sie eingegliedert sind – Beispiel Hessen –, in gebotenem Maße unabhängig sind.
Das Ergebnis ist, dass wir in Hessen gefordert sind – in dem Land, in dem der Datenschutz erfunden wurde; ich glaube, das kann man sagen, jedenfalls wurde hier das erste Datenschutzgesetz verabschiedet –, endgültig zu einem Ergebnis zu kommen und zu entscheiden, wie wir den Datenschutz im privaten und im öffentlichen Sektor effektiv gestalten wollen.
Ich bin beim letzten Satz.– Das werden wir jetzt in Angriff nehmen. Herr Prof. Ronellenfitsch, wir hoffen auch hierbei auf Ihre weitere Unterstützung. – Vielen Dank.
Schönen Dank, Herr Kollege Greilich. – Für die Landesregierung erteile ich jetzt Herrn Staatssekretär Westerfeld das Wort.
Horst Westerfeld, Staatssekretär sowie Bevollmächtigter für E-Government und Informationstechnologie in der Landesverwaltung: