Von daher ist uns die Formulierung sympathisch, die die SPD-Fraktion im sechsten Spiegelstrich des zweiten Punktes ihres Antrags gewählt hat. Dort ist von den „an
gepassten Lösungen“ die Rede. Auch die Einrichtung eines runden Tisches ist sicher eine Möglichkeit, ein paar Schritte weiterzukommen.
Angesichts der Herausforderungen, denen sich der Landtag und die in ihm vertretenen Parteien offensichtlich stellen wollen, sollte die Chance wahrgenommen werden, das Verhältnis von Staat und Kirche zu überdenken und im Interesse der Integration und der gemeinsamen Verantwortung, die alle unsere Kinder bald für das Land Hessen zu tragen haben, dem nach Bekenntnis trennenden Religionsunterricht einen für alle verpflichtenden integrierenden Unterricht zur Seite zu stellen.
Auf die Details der vorliegenden Anträge werde ich nicht näher eingehen. Ich denke, dafür werden wir im Kulturpolitischen Ausschuss ausreichend Zeit haben. – Ich danke Ihnen.
Danke sehr, Frau Cárdenas. – Herr Greilich, Sie erhalten für die FDP-Fraktion das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich zunächst bei Herrn Kollegen Bauer für seine sehr ausführliche und detaillierte Begründung unserer Anträge bedanken, die insbesondere auch dargestellt hat, dass wir hier nicht isoliert über den Islamunterricht und den Aufenthaltsstatus von Kindern reden, sondern dass wir über Integrationspolitik sprechen und darüber, dass diese Landesregierung und die sie tragende Mehrheit angetreten sind, um den integrationspolitischen Weg Hessens fortzusetzen und es auf diese Weise in Deutschland ganz nach vorne zu bringen.
Ich will das nicht im Einzelnen wiederholen. Das, was gesagt worden ist, wird durch Wiederholung nicht besser. Vielmehr will ich mich auf den politischen Kern dessen, worum es hier geht, konzentrieren. Durch die Ausführungen von Herrn Bauer habe ich dankenswerterweise auch die Gelegenheit dazu.
Es gibt zwei höchst schwierige Themen. Zum einen geht es um die Einführung eines bekenntnisorientierten Islamunterrichts. Dieses Thema ist in mehrfacher Hinsicht höchst schwierig. Es ist schwierig in der Umsetzung. Darauf werde ich gleich noch zu sprechen kommen. Es ist aber auch ein Thema – das wissen Sie auf der linken Seite dieses Hauses –, das zwischen den Koalitionsfraktionen durchaus zu Diskussionen geführt hat. Wir sind aber in der Lage – das ist die Stärke dieser Mehrheit im Hessischen Landtag –, solche Schwierigkeiten konstruktiv zu lösen.
Das sehen Sie an der Regelung, die wir in unserem Koalitionsvertrag dazu getroffen haben. Sie ist völlig sachgerecht und am Thema orientiert sowie daran, die Entwicklung voranzubringen.
Sie versuchen hier schlicht und einfach,das wieder ein bisschen aufzubrechen. Es ist kein Zufall, dass Sie sich gerade das Thema Islamunterricht ausgesucht haben. Sie meinen nämlich, Sie könnten damit einen Keil zwischen die Koalitionsfraktionen treiben. Nur, das wird Ihnen nicht gelingen.
Das ist das Problem, das Sie zum wiederholten Mal haben und auch heute Morgen schon hatten. Das Anliegen Ihres Antrags – selbst wenn Frau Kollegin Öztürk das in aller Ruhe und in wirklich angenehmer Art und Weise begründet hat – ist nicht etwa die Einführung eines Islamunterrichts. Das Anliegen ihres Antrags ist vielmehr, einen Streit innerhalb der Koalition zu provozieren,
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
so, wie Sie sich auch heute Morgen wieder als „Lärmpartei“ dargestellt haben. Sie versuchen einfach nur, diese Themen anzubringen.
Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, unser Ziel ist eine deutlich verbesserte gesellschafts- und religionspolitische Integration der muslimischen Bevölkerung in Hessen. Wir wollen ein ausgewogenes Verhältnis von Integration und Identität bei der muslimischen Bevölkerung. Gleichzeitig wollen wir islamistischen Einflüssen entgegenwirken, sie möglichst von vornherein verhindern.
Herr Kollege Merz, daher müssen wir in der Tat verhindern, dass der Islamunterricht nur in Koranschulen auf Hinterhöfen – oder meinetwegen auch auf Vorderhöfen – erteilt wird. Der Islamunterricht gehört in die staatlichen Schulen, dorthin, wo wir dafür sorgen können, dass er – statt in den Koranschulen in den viel zitierten Hinterhöfen – mit in Deutschland ausgebildeten Lehrern in deutscher Sprache und unter Beachtung der Grundsätze unserer Rechtsordnung erteilt wird.
Damit werden wir dem Auftrag der Verfassung gerecht, und wir werden dies sehr genau zu prüfen haben. Deswegen ist der Antrag der GRÜNEN – abgesehen davon, dass er zwei sehr unterschiedliche Themen zusammenfasst; wir haben das mit unseren Anträgen differenziert – ein Antrag, der über das Ziel hinausschießt. Wir können heute nicht beschließen, den Islamunterricht einzuführen, sondern wir können nur das beschließen, was wir auch vereinbart und beantragt haben, nämlich der Landesregierung den Auftrag zu geben, sehr genau zu prüfen, ob und wie dies in Übereinstimmung mit den verfassungsmäßigen Grundsätzen Hessens und des Grundgesetzes geschehen kann.
Der erste Weg dorthin ist, dass wir Ansprechpartner auf der muslimischen Seite finden müssen, mit denen es möglich ist, verbindlich – das ist das Entscheidende – Vereinbarungen zu treffen. Was wir derzeit im Regelfall vorfinden, sind sehr locker verfasste Organisationen, die diesen Anforderungen nicht gerecht werden.
Meine Damen und Herren, am runden Tisch wird zu klären sein, ob es möglich ist,Ansprechpartner zu finden, die in der nötigen Verbindlichkeit, d. h. auch in der nötigen Verfasstheit, mit uns auf diesen Weg gehen. Das wird sich herausstellen, das werden wir im Ergebnis dieses Prüfungsverfahrens feststellen. Weil wir diesen runden Tisch wollen, weil wir das offene Gespräch wollen, deswegen ist auch der SPD-Antrag keine geeignete Grundlage, um voranzugehen. Denn hier werden genau die Ergebnisse dieses ergebnisoffenen Prozesses vorweggenommen. Das wollen wir nicht.
Ich will mich hier nicht mit den Einzelheiten auseinandersetzen. Aber Sie haben den Punkt angesprochen, dass eine öffentlich-rechtliche Körperschaft nicht Voraussetzung sein müsse.Das kann so sein.Das werden wir sehr genau zu prüfen haben.Aber ich sage Ihnen auch, es wäre mir sehr recht, wenn sich die eine oder andere islamische Religionsgemeinschaft in die Form einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft begeben würde. Denn dann hätten wir verfasste Strukturen, die in unserer Rechtsordnung verankert und begründet sind. Ob das auch außerhalb einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft geht, wird Ergebnis der Prüfung sein.
Meine Damen und Herren,in aller Kürze noch zu dem anderen Punkt, den wir richtig formuliert haben, im Gegensatz zu dem Antrag der GRÜNEN, der auch hier wieder zu kurz greift.In unserer Drucks.18/132 haben wir es richtig formuliert.Es ist in der Tat richtig,Bildung ist ein Menschenrecht. Das habe ich in der letzten Legislaturperiode auch schon gesagt.Darüber besteht absolute Einigkeit,offensichtlich auch hier im Hause, was uns erfreut. Das bedeutet in der Konsequenz, dass Kinder ohne gesicherten Aufenthaltsstatus nicht von Bildung ausgeschlossen werden dürfen. Das ist das Bekenntnis, das wir in diesem Antrag niedergelegt haben.Aber wir haben auch das Zweite dazugefügt, was richtigerweise gesagt werden muss: Dies darf nichts an dem Ziel ändern, illegalen Aufenthalt in Deutschland nachdrücklich zu bekämpfen.
Frau Kollegin Öztürk, Sie haben sich da sehr vorsichtig ausgedrückt. Aber es klang schon durch, da seien Personen illegalisiert worden.
Der Begriff war für mich sehr bezeichnend. Hier wird nichts illegalisiert, sondern hier ist etwas entweder illegal oder nicht illegal. Das ist eine Frage der Rechtsanwendung.
Was wir nicht wollen, dezidiert auch nicht auf dem Weg der Bildungspolitik und des Rechts der Kinder auf Bildung, ist, dass die Kinder quasi als Geiseln genommen werden, um die aufenthaltsrechtlichen Probleme der Eltern zu lösen.
Das ist der Grund,weshalb wir festschreiben,dass die aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen sichergestellt sein müssen.
Meine Damen und Herren, wir werden das im Ausschuss noch im Einzelnen zu beraten haben.Aber an den Grundsätzen, die wir in unseren beiden Anträgen festgelegt haben, wird sich nichts ändern. Dies werden wir so umsetzen. Die Unterstützung der Kultusministerin haben wir in der Tat gewährleistet. Wir sind gespannt, ob den Lippenbekenntnissen von der linken Seite des Hauses dann auch Taten folgen werden.
Vielen Dank, Herr Greilich. – Für die Landesregierung hat nunmehr Frau Staatsministerin Henzler das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Religionen haben heilige Schriften als Grundlage ihres Glaubens. Frau Kollegin Cárdenas, wer die Lehren der Bibel mit dem Marxismus gleichsetzt, der hat die Bedeutung von Glauben und Religion für die Menschen überhaupt nicht verstanden.
Schulen haben Lehrbücher als Grundlage ihres Unterrichts. CDU und FDP im Hessischen Landtag haben eine Koalitionsvereinbarung als Grundlage ihres Handelns.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist keine heilige Schrift! – Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Herr AlWazir, lesen Sie einmal die Heilige Schrift! – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Darf jetzt ich wieder sprechen? – Sie ist Grundlage und Arbeitsauftrag für die Handlungen der Regierung. Darin steht eindeutig:
Wir werden erneut prüfen, ob mit einem legitimierten Ansprechpartner eine Vereinbarung zur Erteilung islamischen Religionsunterrichts in deutscher Sprache getroffen werden kann.
Sollte dies nicht der Fall sein, werden wir im Fach Ethik eine verpflichtende religionskundliche Unterweisung in islamischer Religion einführen.
Das ist Schritt zwei. Genau diese beiden Schritte sind die Grundlage meiner Äußerungen und meines Handelns in den letzten vier Wochen, seitdem ich im Amt bin.
Seit Jahrzehnten leben junge Menschen muslimischen Glaubens in unserem Land, ohne dass sie an unseren Schulen die Möglichkeit haben, etwas über ihre Religion zu erfahren. Mittlerweile sind es in Hessen ca. 60.000 Kinder und Jugendliche. Seit dieser Zeit und auch heute noch werden sie am Nachmittag in Koranschulen unterrichtet:in ihrer Muttersprache – für die Mehrheit ist das Türkisch –, von Imamen, die vom Herkunftsland hierher geschickt werden, ohne Kenntnis unserer Sprache und ohne Verständnis für unsere Kultur. Diese sogenannten Lehrer werden bewusst nach ein oder zwei Jahren wieder abberufen und ausgetauscht, bevor ihre Integration überhaupt beginnen und stattfinden kann.