Protokoll der Sitzung vom 29.04.2010

Sie haben das Ganze unterstützt und mit der Begründung unterlegt, der Aufschwung in Nordhessen sei darauf zurückzuführen, dass es einmal eine rot-grüne Regierung in Berlin gegeben habe.

(Heiterkeit des Abg. Roland Koch (Eschborn) (CDU))

Das schlägt dem Fass nun wirklich den Boden aus.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Sie scheinen völlig vergessen zu haben, dass SchwarzGelb in Hessen in nicht unerheblichem Maß Verantwortung getragen hat.

Dann haben Sie sich auch noch hierhin gestellt und so getan, als ob Sie der Unternehmensgründer von SMA gewesen seien.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein, um Gottes willen!)

Dazu fällt mir nichts mehr ein.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich bin aber in der Lage, darüber nachzudenken. In der ersten schwarz-gelben Koalition haben der damalige Wirtschaftsminister Alfred Schmidt und der damalige Wissenschaftsminister Dr. Wolfgang Gerhardt ein Institut an der Hochschule in Kassel gegründet,das ISET.Diejenigen,die damals das ISET konzipiert haben, sind maßgeblich daran beteiligt, dass es heute SMA gibt. Meine Damen und Herren, tun Sie doch bitte nicht so, als sei das auf Ihrem Mist gewachsen. Es ist schlicht und ergreifend falsch.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Gestatten Sie Zwischenfragen?

Aber sich dann hinstellen und behaupten, unter RotGrün seien die Ursachen dafür geliefert worden, dass Nordhessen diesen Aufschwung genommen hat: Meine

Damen und Herren, Metakus, die Entwicklung der Universität Kassel – was hat das mit Rot-Grün zu tun? Das ist in der Zeit entstanden, als Schwarz-Gelb Verantwortung trug; in diesem Zusammenhang gebe ich sogar zu, unter der Alleinregierung der Union ist das gemacht worden. Die Veränderung der Universität Kassel zu einer naturwissenschaftlich-technisch orientierten Universität ist doch nicht zu Ihrer Zeit geschaffen worden. Das ist doch Geschichtsklitterung, schlimmer geht es nicht.

Herr Minister, gestatten Sie Zwischenfragen?

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage, weil ich mich mit diesen Themen im Zusammenhang auseinandersetzen will.

Herr Kollege Rentsch hat zu Recht darauf hingewiesen, bei einem solchen Projekt wie einem Flughafen muss ich zwischen betriebswirtschaftlichen Überlegungen und Schlussfolgerungen, was den Betrieb als solches anbelangt, und dem volkswirtschaftlichen Nutzen unterscheiden, der mit einem solchen Flughafen einhergeht. Ja, es ist richtig, wir haben heute eine beachtliche Situation – Sie haben richtige Daten genannt –, was die Arbeitslosenzahlen anbelangt.

Die Summe der unterschiedlichen Initiativen, dieTatsache, dass sich die nordhessische Region wieder als Industrieregion verstanden hat und darauf rekurriert, dass diese Dinge zu entwickeln sind, das Thema Mobilitätspolitik – hierauf ist zurückzuführen, dass wir heute nur eine Differenz von 0,3 Prozentpunkten hinsichtlich der Arbeitslosenzahl zwischen Süd- und Nordhessen haben. Das ist die Realität und nicht das, was Sie für Rot-Grün in der Vergangenheit reklamieren.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Dr. Walter Ar- nold (CDU))

Lassen Sie mich einen letzten Aspekt ansprechen. Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, könnten wir nicht von der Logistikregion Nordhessen sprechen. Dass wir einen internationalen Hub im Bereich der Speditionen und der Logistik haben, ist doch nicht mit Ihrer Unterstützung entstanden, sondern daraus, dass diese Unternehmen erkannt haben, dass die Mitte Deutschlands ein Logistikstandort par excellence ist.Wenn Sie gekonnt hätten, würden Sie jeden Lkw von der Autobahn herunterholen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Ach du je!)

Ich habe mit Spannung darauf gewartet, was die Europäische Kommission damals bei ihrer Beihilfeentscheidung gesagt hat. Die Europäische Union hat in ihrer Entscheidung vom 25.02.2009 dargelegt, dass Nordhessen ebenso wie die benachbarten Regionen Göttingen und Nordhausen zu den am schlechtesten an den Luftverkehr angebundenen Regionen in Deutschland gehört und dass die Luftverkehrsprognose Deutschland 2020 bestätigt hat, dass im Raum Nordhessen, Südostniedersachsen und Thüringen eine Erschließungslücke für Luftverkehrsdienste besteht, die durch den Ausbau des Regionalflughafens Kassel-Calden und den damit angebotenen Linienverkehr bis 2020 geschlossen würde.

Ich habe mit sehr viel Sorge gewartet, ob das die Europäische Kommission tatsächlich so sieht.Aber sie hat sich in diesem Zusammenhang nicht nur auf die beihilferechtliche Frage konzentriert, sondern hat zunächst die Ursache beurteilt und ist zu diesem Ergebnis gekommen.

Meine Damen und Herren, dass andere Airlines beispielsweise sagen, diesen Flughafen brauchten sie nicht, wundert mich nicht. Mich wundert auch nicht, was Herr Gaebges in diesem Zusammenhang sagt. Es geht um die Frage, ob wir den Luftverkehr ausschließlich über Hubs abwickeln wollen oder ob der Regionalflugverkehr in Zukunft eine größere Bedeutung bekommt.

Ich bin der Auffassung, in dem Moment, in dem sich Regionen herauskristallisieren – dazu gehören die Kasseler Region und Nordhessen –, müssen die Regionen untereinander im Regionalflugverkehr erreichbar sein. Das läuft den Interessen der Hubs entgegen – das ist richtig. Aber aus strukturpolitischen Gründen und aus Gründen der Entwicklung einer solchen Industrieregion ist es notwendig, dort einen Flugplatz zu haben. Deswegen betone ich, es geht nicht ausschließlich um die betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise und den volkswirtschaftlichen Nutzen eines solchen Flughafens in dieser Region.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dr.Walter Arnold (CDU))

Deswegen kommt dieser Entscheidung eine besondere Bedeutung zu. Ich will das wiederholen, weil das im Gegensatz zu Ihrer Einschätzung steht: Es besteht in der regionalen Wirtschaft ein Bedarf an einem Ausbau des Regionalflughafens. Der Flughafen Kassel-Calden – so die EU-Kommission – ist Bestandteil des transeuropäischen Verkehrsnetzes nach den gemeinschaftlichen Leitlinien für den Ausbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes. Es ist Ziel der Gemeinschaft, dass der Flughafen Kassel-Calden als Bestandteil des transeuropäischen Verkehrsnetzes ausgebaut wird. Da das Ausbauprojekt außerdem der Schließung einer Versorgungslücke im Zentrum Deutschlands dient und damit gemäß Art. 5 TEN-Entscheidung prioritär ist, kann es gemäß Art. 7 TEN-Entscheidung als Vorhaben von gemeinsamem Interesse eingestuft werden.

Meine Damen und Herren, ein deutlicheres Bekenntnis zur Bedeutung dieses Flughafens im europäischen System kann es überhaupt nicht geben. Deswegen gibt die Kostensteigerung für diese Landesregierung keine Veranlassung, dieses Ding zu begraben. Diesen Gefallen werden wir Ihnen nicht tun, auch wenn Sie es immer wieder nutzen, polemisch gegen diese Maßnahme zu Felde zu ziehen.

Meine Damen und Herren, Frau Kollegin Hofmeyer hat es angesprochen. Ja, es generiert ein zusätzliches Steueraufkommen. Die Werte sind hochgerechnet. Sie haben die Zahlen genannt. Für das Jahr 2015 stehen fiskalische Effekte für Bund und Länder zu erwarten. Diese belaufen sich auf 37,9 Millionen c. Bei dieser Berechnung sind die katalytischen Einkommens- und Beschäftigungseffekte des Flughafens durch Ansiedlung, Erweiterung und Aufrechterhaltung von Betriebsstätten in der Region noch nicht mit eingerechnet.

Meine Damen und Herren, auch wenn sich die Arbeitsmarktsituation insgesamt verbessert hat, bedeutet das nicht, dass man deswegen auf eine solche Maßnahme verzichten muss. Ich prognostiziere eines: Wir werden in der nordhessischen Region ab einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft Arbeitskräftemangel aufgrund der demo

grafischen Entwicklung haben. Dann werden wir froh sein, wenn wir neben der Straße und der Schiene einen Flughafen haben, der die Attraktivität dieses Raumes und insbesondere der Stadt Kassel und des Landkreises stärkt, um Industrieansiedlungen an diesem Standort zu ermöglichen.

Die Kostensteigerung. Darüber freut sich niemand. Der Finanzminister hat darauf hingewiesen, und Sie wissen, auf was diese Maßnahmen zurückzuführen sind. Im Übrigen ist das nichts Neues.Wenn ein Entscheidungszeitraum für eine solche Maßnahme über eine Dekade geht, ist es nicht verwunderlich, dass Kostensteigerungen entstehen. Insbesondere hat er auch darauf hingewiesen und in der Beantwortung des Berichtsantrags ausgeführt, dass diese Zahlen teilweise erst nach der positiven Entscheidung der EU-Kommission entstanden sind, nämlich nach den Ausschreibungen bzw. den konkretisierten Planungen.

Die Kostensteigerungen liegen in mehreren Positionen begründet und sind auf vielerlei Faktoren zurückzuführen – Frau Hofmeyer hat das genannt –: Grunderwerbskosten, Flugbetriebsflächen, technische Ausstattung, aber auch im Bereich der Hochbauten, Betriebsstraßen, Parkplätze etc. Meine Damen und Herren, das sind die Gründe. Aber das sind für uns keine Gründe, diese Maßnahme abzuschreiben.

Frau Kollegin Hofmeyer, ich sage Ihnen ausdrücklich zu – Kollege Arnold hat das in gleicher Weise getan –, Sie haben in Punkt 5 Ihres Antrags Dinge angesprochen, die wir durchaus im Ausschuss gemeinsam erörtern sollen und müssen, z. B. was die Kooperation mit der Universität Kassel und auch mit dem HoLM anbetrifft, weil wir ein Interesse daran haben, dieses HoLM nicht ausschließlich für den Ballungsraum Rhein-Main, sondern auch für Nordhessen nutzbar zu machen.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie des Abg. Dr.Walter Arnold (CDU))

Hierüber sollten wir im Einzelnen reden. Um das an dieser Stelle einmal zu sagen:Wir haben festgestellt, dass wir mittlerweile in Hessen im Bereich der Logistik einen Fortbildungsbedarf von ca. 5.000 Menschen haben. Wir wissen, dass Beschäftigte in Logistikunternehmen nicht nur im Bereich des Rhein-Main-Gebietes sind, sondern auch in Nordhessen. Deswegen bestehen Möglichkeiten, das HoLM in diese Arbeit einzubinden.

Ich komme zum Schluss und alles in allem zu einer völlig anderen Schlussfolgerung als der Kollege Al-Wazir. Dies ist volkswirtschaftlich eine Maßnahme, die in die Zukunft gerichtet ist und die Situation in Nordhessen weiter verbessern wird. Deswegen geben uns die von Ihnen zum Gegenstand des Antrags gemachten Argumente keine Veranlassung, an unserer Position rütteln zu lassen. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Schönen Dank, Herr Minister Posch. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich Frau Müller gemeldet. Fünf Minuten stehen Ihnen zur Verfügung.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mich nochmals gemeldet, weil es mich

ärgert, dass Sie hier immer so tun, als ob es Ihnen um die Region Nordhessen ginge.

(Dr.Walter Arnold (CDU): Um was denn sonst?)

Es geht Ihnen aber nicht um die Region Nordhessen, sondern es geht Ihnen – der CDU – darum, dass Sie überhaupt keine Abgeordneten aus Nordhessen mehr haben oder nur ganz wenige; und der SPD geht es darum, ihre Position in Nordhessen zu stärken. Sie haben es einmal versprochen und ziehen es jetzt durch – mit windigen Erklärungen zur Kostensteigerung. Sie nennen hier die EURichtlinie und Sicherheitsmaßnahmen.Diese EU-Richtlinie gab es bereits im Jahr 2002.

(Karlheinz Weimar (CDU): Um was geht es denn?)

Bei der Anpassung im Jahr 2008 ging es lediglich um eine Vereinheitlichung – um bekannte und unbekannte Empfänger und um die Sicherheitsabteilung, aber das war schon vorher bekannt. Um die erhöhten Planungskosten kann es auch nicht gehen, auch die waren vorher bekannt. Das Raumordnungsverfahren wegen der Variante C, das neu gemacht werden musste, war ebenfalls bekannt.

Ihnen geht es nicht um Nordhessen, denn sonst würden Sie die IHK-Studie einmal aufmerksam lesen. Dort steht nämlich, was die Region für die 78 Unternehmen braucht: Das sind Forschung, Entwicklung und Bildung – nicht einen Flughafen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau das hat Universitätspräsident Postlep schon im Jahr 2004 in der „Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen“ gesagt: Die Lösung ist nicht Calden, sondern das, was wir brauchen, sind Investitionen in Forschung und Entwicklung, in qualifizierte Arbeitsplätze.

Jetzt muss ausgerechnet diese Universität noch für den Antrag der SPD herhalten, ebenso das deENet. Wollen die etwa ihre 20.000 Arbeitsplätze im Bereich erneuerbare Energien am Flughafen aufbauen? Für wie dumm verkaufen Sie uns hier eigentlich?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Dann reden Sie doch einmal mit VW. VW ist einer der größten Arbeitgeber in Nordhessen.Was die brauchen, ist Unterstützung bei der E-Mobilität. Dieses Geld aber geht nach Südhessen, nicht nach Nordhessen.