Protokoll der Sitzung vom 28.09.2010

Frau Henzler, Sie haben in Ihrer ganzen Rede nichts zu den Eltern gesagt, die sich für ihre Kinder längeres gemeinsames Lernen wünschen. Das kam in Ihrer gesamten Rede überhaupt nicht vor.

Wir GRÜNE sind sehr dafür, die Schulkämpfe der Vergangenheit in Hessen Vergangenheit sein zu lassen.

(Zuruf von der FDP)

Aber das ändert nichts daran, dass unsere Gesellschaft in der Frage: „Was ist das richtige pädagogische Konzept für die Mittelstufe?“, gespalten ist. Es gibt Eltern, die sagen: „Das dreigliedrige Schulsystem ist das richtige pädagogische Konzept, um Schülerinnen und Schüler optimal zu fördern.“ Aber es gibt in etwa gleich viele Eltern, die sagen: „Wir wollen für unsere Kinder ein anderes pädagogisches Konzept.“

(Mario Döweling (FDP): Dafür gibt es die IGS! Wie oft sollen wir es Ihnen noch sagen?)

Wir haben gerade gehört, wie Sie mit Schulen umgehen, die sich in eine IGS umwandeln wollen. Herr Kollege Döweling, vielen Dank für Ihren Zwischenruf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Döweling,weil Sie es ansprechen:Die einzig reale Änderung des Schulgesetzes, die Sie bislang gemacht haben, war die Verschlechterung der Rahmenbedingungen für die integrierten Gesamtschulen – damit auch das noch einmal erwähnt ist. Jetzt erzählen Sie nicht, Sie seien für Schulfreiheit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Schulen sich umwandeln wollen, genehmigen Sie das nicht, und das Schulgesetz verschlechtern Sie.Warum räumen Sie keine echte Wahlfreiheit ein, so, wie es viele andere Bundesländer, übrigens ganz unterschiedlich regiert – durch Große Koalitionen regiert,rot-rot regiert,Jamaika-regiert, schwarz-grün regiert –, machen?

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Warum räumen Sie diese Wahlfreiheit nicht einfach ein? Stattdessen führen Sie die Mittelstufenschule ein und sagen: ein Eingang, zwei Ausgänge. Meine Damen und Herren, es gibt überhaupt keinen pädagogischen Grund, warum man nicht sagen sollte: ein Eingang, drei Ausgänge. – Das wäre nämlich das, was wir mit neuer Schule beschreiben.Warum enthalten Sie das den Eltern weiter vor?

(Mario Döweling (FDP): IGS!)

Herr Kollege Döweling, ich kann Ihnen gerne den Unterschied zur IGS sagen.

(Wolfgang Greilich (FDP): „Oberlehrer“ nennt der Günter das immer!)

Herr Kollege Greilich, wenn Sie über Oberlehrer reden, ist das geradezu entzückend.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Herr Kollege Greilich, nehmen Sie mich denn in Ihren Klub auf? Es ist ja geradezu entzückend, wenn Sie von Oberlehrer sprechen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Marius Weiß (SPD))

Herr Kollege Döweling, wir halten einmal fest: Die Schulen,die integrierte Gesamtschulen werden wollen:Das genehmigen Sie nicht. – Die einzig reale Schulgesetzänderung, die Sie gemacht haben, war eine Verschlechterung für die Rahmenbedingungen der integrierten Gesamtschulen.Aber ich will Ihnen auch sagen:Auf dem Weg hin zur neuen Schule müssen sich auch die integrierten Gesamtschulen ändern. Bei den neuen Schulen – in anderen Bundesländern wird das Gemeinschaftsschule genannt – ist die Idee, dass man tatsächlich länger gemeinsam lernt, dass man, soweit das irgendwie geht, von dem Kurssystem wegkommt – das die integrierten Gesamtschulen im Moment noch machen müssen; Herr Kollege Döweling, die meisten wollen das aus pädagogischen Gründen nicht; sie müssen es machen –, dass man die Freiheitsgrade tatsächlich nutzt,die die Kultusministerkonferenz in dieser Frage mittlerweile eingeräumt hat. Herr Kollege Döweling, das ist der Unterschied. Viele Länder um uns herum machen das. Sie enthalten es den Eltern vor. Ich habe eine einfache Frage: Warum? Was ist der Grund dafür, dass Eltern dieses pädagogische Konzept nicht bekommen, wenn sie es wollen? Meine Damen und Herren, das ist meine einfache Frage.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention hat die Frau Ministerin ein paar Ankündigungen gemacht, was in dem Schulgesetz alles stehen soll, das zumindest die Vertreter in diesem Hause noch nicht kennen. Sie haben jetzt einen Satz gesagt – ich bin gespannt, ob Sie den so gemeint haben –: Darüber, ob ein Kind an einer Regelschule oder an einer Förderschule unterrichtet wird, entscheidet künftig abschließend der Förderausschuss beim Staatlichen Schulamt. Das heißt auf Deutsch: Das entscheiden nicht die Eltern. – Ich bin sehr gespannt, ob Sie es tatsächlich ernst gemeint haben, dass Sie auch in dieser Frage den Elternwillen ignorieren wollen. Es wird sehr spannend, was tatsächlich in Ihrem Schulgesetz stehen wird. Frau Ministerin, das, was Sie hier als frohlockende Ankündigung zum Thema Inklusion erklärt haben, klingt für die Eltern auf jeden Fall ziemlich erschreckend. Das kann ich Ihnen an dieser Stelle schon einmal sagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Herr Kollege Rentsch, ich muss leider zum Schluss kommen. Ich würde sonst gerne noch ausführlicher auf Sie eingehen.

Ein letztes Stichwort: islamischer Religionsunterricht. Meine Damen und Herren, seit zehn Jahren beschäftigt

uns dieses Thema in der Landespolitik. Seit zehn Jahren gibt es die Empfehlung, übrigens auch getragen von den christlichen Kirchen, dass es gut wäre, einen islamischen Religionsunterricht an unseren Schulen einzuführen.

(Mario Döweling (FDP):Wir setzen es um!)

Herr Kollege Döweling, Sie rufen dazwischen, Sie setzten es um. Ich frage Sie: „Wo denn?“ Herr Kollege Döweling, seit einem Jahr ist überhaupt nichts passiert. Seit sich Herr Kollege Hahn des Themas angenommen hat, gibt es keinen Unterschied zur Vorgängerregierung. Es ist überhaupt nichts passiert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Herr Wagner, Sie müssen zum Schluss kommen. Die Redezeit ist beendet.

Jetzt kann man sich weiter dahinter verstecken, dass es keine Vereinbarung mit den Verbänden gibt. Ich glaube aber, der richtige Weg wäre, so, wie das andere Bundesländer auch machen, sich auf den Weg zu islamischer Religionskunde als Zwischenschritt zu machen.Das könnten Sie konkret machen. Machen Sie es endlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich habe mit Helmut Kohl angefangen. Ich will mit Helmut Kohl schließen, vielleicht auch als Grußbotschaft an die CDU.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Helmut Kohl hat nicht nur bemerkenswerte Neujahrsansprachen gehalten, die die ARD dann auch zweimal gesendet hat.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Helmut Kohl hat auch den Satz geprägt: „Entscheidend ist, was hinten herauskommt.“ Frau Henzler, bei Ihnen kommt entscheidend zu wenig hinten heraus. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Wagner. – Als Nächste hat sich Frau Cárdenas für die Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin Henzler, nach der Lektüre Ihrer Regierungserklärung war ich ernstlich versucht, darauf erneut mit der gleichen Rede zu antworten, wie ich sie hier im Vorjahr vorgebracht hatte. Die gleichen hohlen Selbstbelobigungen,bei Bildungsaufgaben wird um 45 Millionen c gekürzt: Aber damit wollen Sie die Rahmenbedingungen für die Schulen weiter verbessert haben. Frau Henzler, wer soll das denn glauben?

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Die gleichen Ankündigungen, dass das Schulgesetz jetzt aber auch wirklich komme, dass ein Qualitätshandbuch zur Übertragung der Erfahrungen aus den SV-plus-Berufsschulen in Arbeit sei, dass das Lehrerbildungsgesetz den ersten Kabinettsdurchgang durchlaufen habe: Wem außer sich selbst und vielleicht Ihren Kabinettskollegen wollen Sie mit diesen immer neuen Ankündigungen denn weismachen, an Hessens Schulen ginge es tatsächlich voran? Man kann das Ganze nur als vollmundigen Stillstand bei den Bildungsinvestitionen und den wirklich notwendigen Reformen bezeichnen. Die Landesregierung stiehlt sich unseres Erachtens mit Phrasen aus der Verantwortung.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu den guten Rahmenbedingungen. Lassen Sie mich feststellen: Die Landesregierung versagt grundlegend bei der dringend notwendigen Ausweitung der Bildungsinvestitionen.

Sie als zuständige Kultusministerin versuchen ungeniert, dies auch noch als Erfolg zu verkaufen.Das ist doch ein alter Taschenspielertrick: linke Tasche rein – rechte Tasche raus.Während 500 Stellen geschaffen werden,wird ein hoher Millionenbetrag, 17 Millionen c, bei den Vertretungskräften gekürzt. Fakt ist: Wer wie Sie, Frau Ministerin Henzler, im unterfinanzierten hessischen Schulsystem an den Vertretungskräften spart, erhöht massiv die Belastung der übrigen Lehrkräfte und verschlechtert somit die Qualität des Unterrichts.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie sparen an Abendschulen, an Förder- und Integrationsmaßnahmen. Die Schere bei den Bildungschancen zwischen Kindern aus benachteiligten und privilegierten Familien wird so weiter auseinandergehen. Die soziale Herkunft wird weiter über den Bildungserfolg von Kindern entscheiden, nicht deren individuelle Fähigkeiten und Interessen.

Die schwarz-gelbe Landesregierung und speziell Ihr Ministerium, Frau Henzler, kapitulieren vor der Aufgabe, die strukturelle Unterfinanzierung des Bildungswesens in Hessen zu überwinden.

Lassen Sie mich noch einmal an die wirklichen Rahmenbedingungen erinnern: Deutschland liegt bei den Bildungsausgaben weit unter dem Durchschnitt der Mitgliedsländer der Europäischen Union.Von den Bildungsausgaben, die Spitzenländer wie Finnland investieren, ist Deutschland meilenweit entfernt. Im Vergleich der deutschen Bundesländer schneidet Hessen seit Jahren ebenfalls deutlich unter dem Durchschnitt ab und ist das letzte aller Flächenländer.Allen vollmundigen,aber folgenlosen Ankündigungen der Landesregierung zum Trotz ist keine Veränderung dieser Situation absehbar.

Selbstverständlich haben alle die recht, die darauf hinweisen, dass Geld allein kein demokratisches und sozial durchlässiges Bildungssystem schafft. Aber eine Landesregierung, die erkennbar nicht die notwendigen Anstrengungen unternimmt, die auf bundesweiten Bildungsgipfeln selbst verkündeten Bildungsziele in die Tat umzusetzen, schafft noch nicht einmal die Grundvoraussetzungen oder eben Rahmenbedingungen, die für ein modernes Bildungssystem notwendig sind.

Meine Damen und Herren, wir brauchen dringend Rahmenbedingungen, die eine gute Pädagogik erst möglich machen: Bedingungen, die es erlauben, tatsächlich kein Kind zurückzulassen und jedes entsprechend seinen Fä