Heute steht eine ganze Palette von Anträgen auf der Tagesordnung. Die LINKEN wollen sich allgemein mit der Laufzeitverlängerung beschäftigen. Die GRÜNEN wollen die Offenlegung eines Berichts, von dem sie behaupten,ihn nicht zu kennen,aber gleichzeitig sagen,dass er zu den richtigen Ergebnissen komme – was mich wiederum verwundert. Es gibt einen weiteren Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Darin wird ein Ereignis in Biblis beurteilt, obwohl die GRÜNEN gestern gesagt haben, dass sie eigentlich gar nicht wissen, um was es genau geht. Letzten Endes gibt es noch den Antrag der SPD, in dem ein Gutachten schon vorab beurteilt wird, indem man zu dem Ergebnis kommt, dass in Biblis unverantwortliche sicherheitstechnische Mängel vorliegen. Das behauptet die SPD, ohne sich intensiv mit dem Gutachten beschäftigt zu haben.
Lassen Sie mich auf mehrere Punkte eingehen. Da Sie ein Informationsbedürfnis haben,gehe ich davon aus,dass Sie aufmerksam lauschen werden. Besten Dank.
Zunächst eines vorweg. Die GRÜNEN haben so getan, als werde das Gutachten, das vom Öko-Institut erstellt wurde,als Geheimpapier behandelt.Das ist mitnichten so. Zum einen ist, wie ich gestern schon gesagt habe, das Gutachten öffentlich. Sie können es im Internet nachlesen.
Zweitens. Selbstverständlich sind wir von unserer Seite mit diesem Gutachten immer transparent umgegangen. Deshalb haben wir das Gutachten, nachdem es bei uns eingegangen ist, allen Verfahrensbeteiligten zur Verfügung gestellt, die dazu Stellung nehmen werden. Wir haben es dem TÜV zur Verfügung gestellt, und wir werden entsprechende Stellungnahmen bekommen.
Hören Sie doch bis zum Ende zu. Sie haben nachher noch Redezeit. Lassen Sie mich einfach ausreden. Das erleichtert das Geschäft.
Zum anderen ist dieses Gutachten nicht von der Landesregierung in Auftrag gegeben worden. Auftraggeber war der Bund. Selbstverständlich haben wir ein Interesse daran, dass ein solches Gutachten öffentlich verhandelt wird – das sage ich Ihnen deshalb ganz klar –, weil Sie ein solches Gutachten natürlich dann am besten interpretieren können, wenn es kein Mensch kennt und Sie auf anderem Wege davon Kenntnis bekommen.
Wir haben ein Interesse daran,dass man offen über solche Dinge reden kann. Deshalb haben wir mit dem Auftraggeber, dem Bundesministerium, Kontakt aufgenommen. Wir haben mit dem Bundesministerium geklärt, dass wir das Gutachten veröffentlichen dürfen. Ich habe veranlasst, dass es Ihnen zur Verfügung gestellt wird. So viel zur Transparenz.
Nein, nicht nach drei Monaten. Uns wurde es Ende Juli zur Verfügung gestellt.Anfang August haben wir es an die Verfahrensbeteiligten weitergegeben.
Wir haben jetzt September. Ich denke, dass wir unsererseits unverzüglich gehandelt haben. Ich habe Ihnen außerdem gerade erklärt, dass nicht wir die Auftraggeber waren, sondern der Bund, und dass wir Ihnen das Gutachten in Vereinbarung mit dem Bund zur Verfügung stellen werden.
So weit, so gut. Lassen Sie mich ein Stück weitergehen, weil ich denke, man muss sich bezüglich des Gutachtens ein bisschen die Historie anschauen. Wie ist dieses Gutachten überhaupt zustande gekommen? – Sie fangen schon an, es zu bewerten, und behaupten, dass sicherheitsrelevante Mängel vorhanden seien, die eine sofortige Stilllegung von Biblis erforderlich machen würden. Das ist schlicht und einfach falsch. Ich möchte Ihnen erst einmal erklären, um welches Gutachten es sich überhaupt handelt, was der Auftrag des Gutachtens war und wie es zustande gekommen ist.
Über die Historie brauche ich Sie nicht weiter aufzuklären. Die ist Ihnen mehr als ein Stück weit bekannt. Die Organisation „Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs“ hat im Jahr 2005 den Antrag gestellt, Biblis sofort stillzulegen. Damals hat man das mit 169 angeblichen Sicherheitsdefiziten begründet, die die Notwendigkeit der sofortigen Stilllegung erklären sollten.
Dieser Antrag ist ordentlich abgearbeitet worden. Die Vorwürfe sind geprüft worden, wie die Atomaufsicht das immer verantwortungsvoll macht.Die Atomaufsicht ist zu dem Ergebnis gekommen,dass der Antrag abzulehnen ist. Am 10. April erging ein ablehnender Bescheid. Gegen diesen ablehnenden Bescheid wurde Klage eingereicht – und zwar wurden nicht 169 Gründe genannt, inzwischen waren es 210 Gründe geworden. Man muss aber wissen, dass die Gründe, die da genannt wurden, nicht aufgrund einer gutachterlichen Untersuchung vor Ort in Biblis zusammengestellt wurden, sondern dass es hier um allge
meine Einschätzungen und um Bewertungen von Akteneinsichten aus dem Zeitraum 2005 und früher sowie 2008 und früher ging.Alle Vorwürfe waren also alles andere als aktuell.
Die Sicherheitsaspekte in diesen 210 Bereichen, die dort genannt werden, sind für die Atomaufsicht übrigens alles andere als neu. Das sind eigentlich alte Hüte. Sie sind entweder bereits in den entsprechenden Nachrüstungsprogrammen berücksichtigt worden, oder sie sind in die Forderungen eingeflossen. Es ist überhaupt nichts Neues dabei.
Wenn Sie jetzt sagen, es sei irgendetwas Neues gefunden worden, ist das erstens falsch. Zweitens sind das Bewertungen, die nicht aufgrund von Untersuchungen vor Ort erfolgt sind.
Im Verlauf des Gerichtsverfahrens, in dem gegen den ablehnenden Bescheid geklagt wurde, hat das Bundesministerium den Auftrag erteilt – das ist durchaus richtig –, die Gründe, die dort genannt wurden, auf ihre Relevanz hin zu untersuchen. Was bedeutet Relevanz? – Relevanz heißt, es soll daraufhin überprüft werden, ob das, was dort genannt worden ist, eine wichtige Rolle spielen würde, wenn es der Realität entspräche. Es heißt nicht, dass inhaltlich geprüft wurde, sondern es wurde lediglich auf die Relevanz hin geprüft: Wenn das, was da behauptet wird, stimmt, welche Relevanz hat es dann?
Ich lege Wert darauf,zu betonen,dass das Gutachten nicht auf der Grundlage einer aktuellen technischen Anlagenüberprüfung erstellt wurde. Deshalb wundert es mich, wenn Sie jetzt schon zu dem Ergebnis kommen, da seien Mängel festgestellt worden, und deshalb bestehe Handlungsbedarf.
Das Öko-Institut selbst, das das Gutachten erstellt hat, weist darauf hin, dass es sich lediglich auf Aussagen und Feststellungen der Kläger bezieht. Wie die Aussagen zustande gekommen sind, habe ich Ihnen gerade erklärt.
Die Ergebnisse sind durchgängig unter dem Vorbehalt einer möglicherweise nicht in allen Punkten vollständigen aktuellen Informationslage zu sehen.
Das Öko-Institut schränkt also selbst die Ergebnisse seiner Untersuchung ein. Ich wiederhole meine Worte: Es hat nicht auf die inhaltliche Richtigkeit, sondern auf die Relevanz hin untersucht.
Die Endfassung der Untersuchungsergebnisse des ÖkoInstituts wurde uns vom Bundesministerium zugeleitet; ich habe es vorhin angesprochen.Sie ist bei uns am 20.Juli eingegangen; das ist richtig. Auftraggeber war der Bund. Von den 210 Untersuchungspunkten besitzen nach Einschätzung des Öko-Instituts 130 keine Sicherheitsrelevanz. In Bezug auf die verbleibenden 80 Untersuchungspunkte wird in dem Gutachten festgestellt – ich bitte Sie, genau hinzuhören –, dass die Beherrschung der Auslegungsstörfälle „nicht grundsätzlich infrage gestellt wird“. Dass man sagen könnte, man sitze auf einem Pulverfass, ist also völlig falsch. Die Einschränkung nimmt das ÖkoInstitut in seinem Gutachten selbst vor.
Deshalb weise ich noch einmal deutlich darauf hin, und ich werde das auch stets wiederholen: Das Öko-Institut hat nur auf Relevanz geprüft. Es gibt keinerlei gutachterliche Stellungnahme des Öko-Instituts zum aktuellen Stand der technischen Anlagen. Ich bitte Sie, das in der Öffentlichkeit seriös zu bewerten.
Das Umweltministerium hat die 210 genannten Punkte begutachten lassen. Wir haben sie unter technischen Gesichtspunkten begutachten lassen,nämlich vom TÜV Süd, der über den technischen Sachverstand verfügt. Der TÜV Süd hat die Prüfung anhand der Zwischenentwürfe des Gutachtens des Öko-Instituts und – das ist entscheidend – anhand des aktuellen sicherheitstechnischen Zustands der Anlage vorgenommen.
Dabei wurden alle Punkte nach zwei Relevanzkriterien untersucht. Erstens. Besteht eine Relevanz für die sofortige Stilllegung des Kernkraftwerks? Zweitens. Ist der Punkt relevant für Maßnahmen zur weiteren Erhöhung der Sicherheit?
Nach dem Stand der jetzigen Überprüfung wurden keine sicherheitsrelevanten Punkte festgestellt, die ein sofortiges Handeln der Aufsicht erforderlich machen würden. Schon gar nicht ergab sich daraus,dass eine sofortige Stilllegung der Anlage gerechtfertigt wäre, wie sie die Opposition fordert. Auch das BMU als oberste Atomaufsicht sah sich aufgrund der bisherigen Ergebnisse nicht veranlasst, das hessische Umweltministerium anzuweisen, die Anlage stillzulegen.
(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) – Weitere Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nein, hören Sie zu. Ich habe Ihnen sehr deutlich gemacht, dass die hessische Atomaufsicht in ihrer Verantwortlichkeit alle Punkte, die hier festgestellt worden sind, inhaltlich-sachlich geprüft hat. Das werde ich, wenn es sein muss, noch dreimal wiederholen. Insofern ist die hessische Atomaufsicht zu jedem Zeitpunkt ihrer Pflicht nachgekommen.
Da in der öffentlichen Diskussion ein paar Begriffe herumschwirren, mit deren Hilfe behauptet wird, dass das Kernkraftwerk Biblis unsicher sei,möchte ich auf ein paar konkrete Punkte eingehen. Ich will das in der gebotenen Kürze machen; aber auf ein paar Stichworte muss ich eingehen.
Zum Beispiel wird in der Presse immer wieder das Thema Erdbebensicherheit aufgegriffen. Es wird behauptet, dass das Kernkraftwerk Biblis nicht erdbebensicher sei. Der Block B des Kernkraftwerks Biblis wurde bereits bei der Errichtung gegen Erdbeben gesichert. Ab dem Jahr 2000 wurde der Schutz gegen Erdbeben weiter verbessert. Das gilt übrigens auch für den Block A des Kernkraftwerks.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Tarek Al-Wa- zir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit Tonnen von Dübeln! Superdübel!)
Ein weiteres Thema sind brennende PVC-Kabel. In der Öffentlichkeit wird darauf hingewiesen, dass davon eine
Gefahr ausgehe. Das wird selbstverständlich immer wieder geprüft, und durch vorsorgliche Austauschmaßnahmen wird dafür gesorgt, dass hiervon keine Gefahr ausgeht. Ich darf feststellen – das ist auch für die Öffentlichkeit wichtig; deswegen mache ich das in aller Deutlichkeit klar –: Es gibt keine Hinweise auf werkstoffspezifische Defizite.
Gerade an dem Beispiel können Sie sehr deutlich erkennen, was der Unterschied zwischen einer Relevanzprüfung und einer gutachterlichen,sachlichen Prüfung ist.Bei einer Relevanzprüfung wird geprüft, ob von irgendetwas theoretisch eine Gefahr ausgehen könnte. Im Ergebnis kann man also sagen,von irgendetwas könnte eine Gefahr ausgehen. Mithilfe einer gutachterlichen Prüfung kann man feststellen, ob in einem speziellen Fall tatsächlich eine Gefahr davon ausgeht.Wir haben eine gutachterliche Prüfung durchführen lassen, und wir können sagen, dass es dort keine werkstoffspezifischen Defizite gibt.
Damit kommen wir zu dem Thema Schweißnähte, über das in der Öffentlichkeit ebenfalls ganz gern diskutiert wird. Es wird behauptet, davon gehe eine Gefahr oder zumindest eine Unsicherheit aus. Die Schweißnähte wurden nicht nur bei der Fertigung kontrolliert, sondern sie werden selbstverständlich laufend, im Rahmen wiederkehrender Prüfungen mit hoch wissenschaftlichen Methoden untersucht, z. B. mit Ultraschallverfahren. Auch von diesen Schweißnähten geht keine Gefahr aus.