Protokoll der Sitzung vom 17.11.2010

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) – Zurufe von der FDP: Oh!)

Herr Präsident, wir haben dies einmal in einer Abbildung dargestellt.

(Unruhe)

Diese zeigt sehr klar, wie die Zahlen sind. Sie können sie gern durchrechnen. Wenn man berücksichtigt, wie die Preissteigerungen waren, also die Inflation, und den An

wuchs der Studierenden ebenfalls berücksichtigt – Sie können beim Statistischen Landesamt ganz einfach nachschauen, wie sich die Studierendenzahl entwickelt hat –, dann stellt man fest, dass die Mittel pro Studierenden sinken. Dann wird auch klar, warum die Hochschulen schon jetzt über eine so angespannte Situation klagen.

(Beifall bei der LINKEN – Anhaltende Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich kann verstehen, dass der Redebedarf mit fortschreitender Zeit größer wird. Aber ich bitte doch, der Rednerin zuzuhören.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich verstehe die Unruhe auch gar nicht, weil es bis zum Anpfiff noch 1,5 Stunden sind. Von daher haben wir noch jede Menge Zeit, uns hier dem wichtigen Bereich der Hochschulpolitik – nicht wahr, Herr Bellino – zu widmen.

(Holger Bellino (CDU): Deswegen geben wir auch so viel Geld aus!)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung verschweigt, dass die Hochschulen trotz der sinkenden Mittelzuweisungen zusätzliche Aufgaben erfüllen sollen: die Zahl der Studienplätze erhöhen, neue Studiengänge einrichten, die Bologna-Reform umsetzen und die Studienorientierung verbessern. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Die Aufgaben sind schon heute nicht zu bewältigen; geschweige denn, mit den drastisch gekürzten Mitteln. Ab 2012 kommen durch die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit – Stichwort: G 8 – die sogenannten Doppeljahrgänge an die Hochschulen. Zudem soll die Wehrpflicht ausgesetzt werden. Das heißt: Die Studierendenzahlen werden stark ansteigen, obwohl wir schon jetzt eine Situation haben, wo eine Hochschule wie die Hochschule Rhein-Main zu 150 % ausgelastet ist.

Herr Büger, wir haben in der letzten Woche im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst die Berichte von Herrn Prömel von der Technischen Universität Darmstadt gehört, der gesagt hat, bei ihm sei die Situation so, dass auf 5.000 Studienplätze 25.000 Bewerberinnen und Bewerber kämen. Er hat wörtlich gesagt: „Die Grenze der Kapazität ist erreicht, und das, bevor die G-8-Jahrgänge an die Hochschulen kommen.“ Die Kapazität ist schon jetzt erreicht. Trotzdem kürzen Sie der TU Darmstadt 4,5 Millionen €; und da ist völlig klar, dass das zu einer Verschlechterung der Ausbildung führen wird.

Von den Hochschulen wird bundesweit erwartet, dass sie die niedrige Studienanfängerquote steigern; aber dafür müssen sie auch eine entsprechende finanzielle Ausstattung haben. In Hessen gibt es das Problem, dass der Hochschulpakt vorsieht, dass die Hochschulen um die knapper werdenden Mittel konkurrieren müssen. Das heißt, trotz Überlast müssen sie weitere Studierende aufnehmen; Frau Sorge hat das ausgeführt. Ich finde, was hier organisiert wird, würden Ökonomen als einen „ruinösen Wettbewerb“ bezeichnen, denn das Gesamtbudget ist gedeckelt. Wenn die Hochschulen mehr Studierende aufnehmen, wird das dazu führen, dass nicht ihr Budget steigt, sondern dass die Clusterpreise langfristig sinken – und damit auch die Qualität der Ausbildung.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dazu kommen die Tarifsteigerungen. Das will ich wenigs tens noch ansprechen, weil es für die Hochschulen auch ein Problem ist. Die Tarifsteigerungen werden zu großen Teilen von den Hochschulen selbst getragen werden müssen. Das heißt, Ihre Vorstellung von Hochschulautonomie sieht so aus, dass die Hochschulen ihren Mangel selbst verwalten müssen, und das in Konkurrenz zu anderen Hochschulen.

Die Ministerin hat dann vorgeschlagen, die Hochschulen könnten an der Verwaltung sparen. Damit unterstellen Sie natürlich indirekt, dass die Beschäftigten dort ineffizient arbeiten. Das finde ich, ehrlich gesagt, eine ziemlich dreis te Unterstellung, denn das Gegenteil ist der Fall. Die Zahl der Studierenden steigt; die Zahl der Beschäftigten stagniert, und jetzt wird der Hochschulpakt dazu führen, dass Hunderte von Stellen an hessischen Hochschulen abgebaut werden müssen. Das heißt, wir finden an den hessischen Hochschulen noch schlechtere Bedingungen vor, und das ist ein Riesenproblem.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Finanzdruck lässt sich auch nicht durch Drittmittel ausgleichen, wobei wir der Meinung sind, dass Hochschulfinanzierung eine staatliche Aufgabe ist und auch bleiben muss. Die Hochschulen brauchen eine bedarfsdeckende Finanzierung, die es ihnen ermöglicht, langfristig zu planen und ihre Aufgaben zu erfüllen – eben keine Bildungspolitik nach Konjunktur und Kassenlage. Ich denke, dass die angespannte Situation, wie wir sie haben, auf Folgendes hinsteuert: entweder auf eine weitere Verschlechterung der Ausbildung und drastische Zulassungsbeschränkungen durch Aufnahmestopps und NC, oder aber – meine Damen und Herren, ich glaube, darauf will die Ministerin eigentlich hinaus – auf die Wiedereinführung von Studiengebühren.

Sie haben die Studiengebühren eingeführt. Diese wurden dann mit einer parlamentarischen Mehrheit und einer breiten Studierendenbewegung wieder abgeschafft. Ich denke aber, dass Ihr Ziel ist: Wenn der Hochschulpakt 2015 ausläuft, werden viele Hochschulen finanziell so ausgeblutet sein, dass die Rücklagen aufgebraucht sind. Dann wird die FDP kommen und den großmütigen Vorschlag machen, dass man es den Hochschulen doch jetzt überlassen könne, auf eigene Faust – jede Hochschule, wie sie es meint – Studiengebühren einzuführen. Dann werden Sie das FDP-Modell vorschlagen und sagen: Das müssen die Hochschulen ja nicht machen; das sollen sie nur machen, wenn sie das wollen. – Als hätten die Hochschulen dann noch eine Wahl, wenn das die einzige Möglichkeit ist, dies noch als zusätzliche Einnahmequelle zu haben. Dann laden Sie den ganzen Ärger über die Einführung von Studiengebühren bei den Hochschulen ab, Sie sind aus der Verantwortung, und die Hochschulen dürfen sich mit den Studierenden auseinandersetzen. Ich sage Ihnen aber: Wenn das Ihr Plan ist, dann werden die hessischen Studierenden das auch diesmal nicht hinnehmen.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU: Ach ja!)

Für die Eliteförderung findet diese Landesregierung immer irgendwo ein Töpfchen. Es wird ja nicht überall gespart; für Eliteförderung wollen Sie mehr Geld bereitstellen. Die geplanten 30 Millionen € an Einsparungen finden nur im Grundbudget statt, zugleich werden weitere 20 Millionen aus dem Grundbudget ins Erfolgsbudget umgeschichtet, davon 17 Millionen direkt in „exzellente“ Forschung. Davon hat die Mehrheit natürlich überhaupt

nichts; auch die Fachhochschulen haben davon überhaupt nichts. Eliteförderung für eine kleine Minderheit und Bildungskürzungen in der Breite, das ist genau die Stoßrichtung Ihrer Hochschulpolitik, meine Damen und Herren.

Zudem unterstützt das Land dann auch noch die private European Business School; wir haben darüber schon beim letzten Haushaltsplan geredet. Hier werden über 30 Millionen € Steuergelder locker gemacht, für 200 Jurastudierende pro Jahrgang. Das entspricht ungefähr der Summe, die den staatlichen Hochschulen pro Jahr weggenommen wird, und das für eine Hochschule, wo man 12.000 € an Studiengebühren bezahlen muss und wo die Kinder reicher Eltern exklusive Studienbedingungen vorfinden.

Meine Damen und Herren, wir wollen keine Privatisierung von Bildung. Bildung ist eine öffentliche Aufgabe und darf nicht zur Ware werden, die man teuer einkaufen muss.

(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Warum haben Sie denn in Brandenburg die Mittel gekürzt?)

Auch im Haushalt 2011 kommen die sozialen Belange der Studierenden zu kurz, und das trifft vor allem die Studierenden, die auf ein Studentenwohnheim und auf eine Mensa angewiesen sind, weil sie sich eben keine schicke Wohnung und keine teuren Restaurants leisten können. Die Studentenwerke sind seit Langem unterfinanziert. Die Erfüllung der Kernaufgaben ist in Gefahr. Wohnheime können nicht renoviert werden, und vor allem können sie der notwendigen Bereitstellung von Wohnraum nicht nachkommen.

Deshalb ist es notwendig, analog zum staatlichen Hochschulbauprogramm HEUREKA ein Sanierungsprogramm für Studentenwohnheime aufzulegen. Ich halte es für wichtig, dass man den Zuschuss für die Studentenwerke erhöht. Studierende brauchen nicht nur gute Bedingungen an den Hochschulen. Vor allem brauchen sie preisgünstigen Wohnraum. Den gibt es im Rhein-MainGebiet kaum. Deshalb ist die Situation zu Semesterbeginn für viele Erstsemester dramatisch.

Zu Beginn des Wintersemesters wandten sich alle drei Frankfurter Hochschulen und das Studentenwerk in einem Aufruf mit dem Titel „Dringend gesucht: Wohnraum für Studierende“ an alle Bürgerinnen und Bürger in Frankfurt mit der Bitte, den Studenten eine Chance zu geben, bezahlbaren Wohnraum in Frankfurt zu finden. Ein ähnlicher Appell wurde in Wiesbaden gestartet. Auch in Wiesbaden und in anderen Hochschulstädten ist die Situation angespannt. Deshalb denken wir, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht, damit die Studierenden gute Lern- und gute Lebensbedingungen in Hessen vorfinden.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, der Landeshaushalt 2011 wird diesen Bedingungen nicht gerecht. Es finden weitere Kürzungen im Bildungsbereich statt. Im Kulturbereich wird die „Operation düstere Zukunft“ nicht rückgängig gemacht. Das wäre aber nötig, damit Kunst und Kultur in diesem Land den Stellenwert bekommen, den sie eigentlich verdient hätten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Schönen Dank, Frau Wissler. – Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Kühne-Hörmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Haushalt 2011 für das Wissenschaftsministerium zeigt, dass es einen deutlichen Schwerpunkt für Bildung, Forschung, Wissenschaft und Kulturpolitik gibt. Wenn man den Haushalt richtig liest, dann kann man feststellen, dass der Zuschuss des Landes von 2010 auf 2011 nominal um 24 Millionen € erhöht worden ist. Schon alleine diese Summe zeigt, dass dieser Bereich ein Schwerpunkt der Landespolitik ist.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Wir haben einen Hochschulpakt beschlossen. Diesen Hochschulpakt haben alle Präsidenten freiwillig unterschrieben.

(Lachen bei der SPD und der LINKEN)

Wenn hier gesagt wird, sie seien erpresst worden, dann frage ich zurück, ob wirklich jemand glaubt, dass sich selbstständige und exzellente Wissenschafter erpressen lassen. Sie haben alle freiwillig unterschrieben, und sie haben damit erreicht, dass sie für fünf Jahre Planungssicherheit haben. Diese fünfjährige Planungssicherheit bietet kein anderes Bundesland seinen Hochschulen. Der Betrag, den die hessischen Hochschulen bekommen, ist eindrucksvoll; es ist nämlich der zweithöchste Betrag, den Hessen je an die Hochschulen gegeben hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dabei sind das Programm HEUREKA – das gibt es in keinem anderen Bundesland – und auch das Forschungsprogramm LOEWE mit 410 Millionen € für diese Legislaturperiode nicht hinzugerechnet. Das hessische Programm LOEWE ist einmalig. Bei jeder Veranstaltung, egal wo man hinkommt, loben die Hochschulpräsidenten dieses Programm ausdrücklich. Frau Wissler, Sie müssten eben auf mehr Veranstaltungen an den Hochschulen gehen, damit Sie sich das anhören können.

(Zurufe von der LINKEN)

Wenn man diese Mittel hinzuzählt, kommt man auf Beträge, die so hoch sind, wie sie in der hessischen Hochschulpolitik noch nie waren. Deswegen geht es den hessischen Hochschulen sehr, sehr gut. Sie werden von den Hochschulen anderer Bundesländer regelrecht beneidet.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der LINKEN)

Von den wichtigen Projekten, die in schwieriger Zeit initiiert und vorangebracht werden, will ich einige nennen, die so groß sind, dass man sich überlegen kann, ob man sie sein lässt oder angeht. Wir haben uns entschlossen, sie anzugehen. Die Baumaßnahme Senckenberg mit einem Gesamtvolumen von bis zu 117 Millionen €, die Baumaßnahmen des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit in Höhe von 14 Millionen €, die Erweiterung des DIPF mit Gesamtkosten von 31 Millionen € und das Georg-SpeyerHaus will ich hier nennen.

Ich will auch neue Investitionen im Kulturbereich erwähnen, die dadurch möglich wurden, dass es ein Investitions

programm für die Welterbestätten gab, das 2011 fortgeführt und um 2,2 Millionen € aufgestockt wird. Hiervon profitieren das Welterbe Oberes Mittelrheintal mit 7,5 Millionen € – davon bezahlt das Land zwei Drittel –, die Saalburg mit rund 455.000 € und das Kloster Lorsch mit 600.000 €.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht nur im Bereich der Wissenschaft, sondern auch im Bereich der Kultur ist Hessen das einzige Bundesland, das keine Kürzungen hinnehmen muss, sondern das die Ansätze im Haushalt überrollt hat und für diese Programme sogar noch Geld draufgelegt hat. Deshalb sind Kultur und Wissenschaft in Hessen bei CDU und FDP in guten Händen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dazu gehört natürlich auch das Besucherinformationszentrum Messel, das wir eröffnen konnten. 2011 werden wir das Keltenmuseum am Glauberg eröffnen – auch das eine Maßnahme, die in schwieriger Zeit nicht einfach zu verwirklichen ist, die wir aber durchführen werden.

(Beifall bei der CDU)

Ich will noch auf den Punkt eingehen, der den Wohnraum und die Heimplätze betrifft, die Frau Wissler angesprochen hat, und darauf hinweisen, dass wir in den letzten drei Jahren – vielleicht ist Ihnen das gar nicht aufgefallen und bewusst geworden – allein in Frankfurt insgesamt 672 neue Wohnheimplätze geschaffen haben. Weitere 500 Plätze sind in Planung, sodass wir am Ende in einem Zeit raum von fünf Jahren insgesamt 1.170 Wohnheimplätze geschaffen haben werden. Das ist eine Steigerung gegenüber dem Bestand im Jahr 2007 um 30 %.

(Zurufe von der LINKEN)

Wir sind uns sehr wohl der Situation im Rhein-Main-Gebiet bewusst. Wir tun alles, um diese Situation zu verbessern. Innerhalb von fünf Jahren 30 % mehr Wohnheimplätze zu schaffen ist aber eine stattliche Leistung, die kein anderes Bundesland vorweisen kann.