Protokoll der Sitzung vom 14.12.2010

Die 5-%-Hürde ist willkürlich gewählt. Genau deshalb sind wir der Überzeugung, dass diese Hürde so gewählt werden muss, dass sie vor Gericht Bestand hat. Deshalb beziehen wir uns auf das Handelsrecht. Das geht davon aus, dass nur die Beteiligungen auszuweisen sind, die einen ökonomischen Einfluss ermöglichen. Das sind 20 %.

Genau vor diesem Hintergrund, nämlich dass wir in diesem Landtag verantwortungsvoll agieren wollen und dass das vor dem Verfassungsgericht halten muss, haben wir die 20-%-Regelung vorgeschlagen. Wir glauben, dass dieser Vorschlag für das Pressegesetz gerichtsfest wäre. Die 5 % hingegen sind gegriffen. Deshalb bitte ich um Unterstützung unseres Änderungsantrags zu diesem Pressegesetz. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Siebel, vielen Dank. – Das Wort hat Herr Abg. Dr. Wilken für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Siebel hat es schon angedeutet: Interessant an diesem Gesetzentwurf ist nicht das, was mit ihm geregelt werden soll, sondern das, was alles wieder nicht geregelt werden wird. Insbesondere betrifft das die Frage, wie Standards bei den Printmedien gesichert werden können, die sich in einem starken Strukturwandel befinden.

Wir begrüßen die vorgesehenen Offenlegungspflichten der Beteiligungen an den Printmedien. Zum Quorum hat mir Herr Siebel gerade eben sehr aus der Seele gesprochen.

Überhaupt nicht wird die Stärkung der inneren Pressefreiheit angesprochen. Dabei geht es um eine Pressefreiheit, die es nicht nur ausschließlich den Verlegern, sondern ausdrücklich auch anderen Mitarbeitern und insbesondere den Redakteuren ermöglicht, in den Printmedien verantwortlich zu arbeiten. Bisher ist dies nahezu ausschließlich einseitig den Verlegern garantiert. Der Verleger als alleiniger Träger der Pressefreiheit steht aber in

dem Widerspruch, einerseits ökonomisch und andererseits verantwortungsvoll für die Informationsfreiheit arbeiten zu müssen.

Unsere Fraktion fordert deswegen eine Überarbeitung des Pressegesetzes hinsichtlich einiger wichtiger Eckpunkte. Erstmalig soll festgelegt werden, was die grundsätzliche publizistische Haltung eines Presseerzeugnisses ist. Die Änderung der publizistischen Haltung soll der Zustimmung der Mehrheit der Redakteurinnen und Redakteure bedürfen. Die Änderung in der publizistischen Haltung soll mit Begründung veröffentlicht werden.

Die inhaltliche Gestaltung des redaktionellen Teils soll im Rahmen der Grundhaltung ausschließlich Sache der Re daktion sein. Vor allen Dingen sollen keine Journalistin und kein Journalist veranlasst werden dürfen, Beiträge zu verfassen, die ihrer oder seiner Überzeugung widersprechen.

Der Entwurf eines Pressegesetzes mit solchen Inhalten würde unsere Zustimmung finden. Dieser findet sie nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege Dr. Wilken, vielen Dank. – Das Wort hat Herr Abg. Al-Wazir, der Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich habe hier in einem dicken Packen alles mitgebracht, was hinsichtlich der Frage der Transparenz und der Veröffentlichungspflichten beim Hessischen Pressegesetz in den letzten sieben Jahren angefallen ist.

Herr Kollege Wilken, ich möchte Ihnen sagen: Es stimmt, es steht in dem Gesetzentwurf nicht alles, was man sich wünschen könnte. Aber wir sind zumindest an einem Punkt, nämlich hinsichtlich der Frage der Transparenz und der Veröffentlichungspflicht, weiter, als wir es vor sechs Jahren waren.

Zur Erinnerung: In dem Regierungsprogramm der CDU aus dem Jahr 2003 – das Stichwort dazu lautet: Alleinregierung – stand schon, dass es eine Veröffentlichung der Inhaber- und der Beteiligungsverhältnisse geben solle, und zwar hinsichtlich der Unternehmen, der Organisationen und der Parteien. Dementsprechend gab es einen Entwurf der Landesregierung. Der Referentenentwurf, der da in der Debatte war, war noch in Ordnung.

Nachher kam es wundersamerweise zu einer Intervention, die dazu geführt hat, dass die CDU und die FDP gesagt haben, sie wollten nicht, dass dort Unternehmen genannt würden. Außerdem wollten sie auch nicht mehr, dass Organisationen genannt würden. Das Einzige, was sie noch interessiert hat, waren die Parteien.

Herr Kollege Bauer, ich bedauere es deshalb ein wenig, da Sie vor allem von der SPD und der „Frankfurter Rundschau“ geredet haben. Denn da weiß es jeder. Da gilt die Veröffentlichungspflicht übrigens schon.

Mich interessiert eher die Frage, wem denn die anderen Zeitungen gehören und welche Verpflichtungen und wirtschaftlichen Interessen es dort gibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Insofern ist das, was wir vorliegen haben, übrigens fast wortgleich mit dem, was der Referentenentwurf im Innenministerium vom 8. April 2004 schon einmal vorgeschlagen hatte. Ich stelle fest – vielleicht liegt es daran, dass Volker Hoff nicht mehr intervenieren kann –, dass CDU und die FDP gemeinsam nicht nur für mehr Transparenz bei der Frage sorgen wollen, welche Parteien beteiligt sind, sondern auch bei der Frage, welche Unternehmen, Einzelpersonen, Organisationen, also quasi wem die Zeitungen gehören.

Ich finde es gut, dass FDP und CDU nach fast fünf Jahren selbst zu dieser Einsicht gekommen sind. Ich stelle fest, dass die FDP im März 2004 noch per Dringlichem Antrag verbieten wollte, dass überhaupt Parteien Beteiligungen an Verlagen haben. Ihnen ist wohl später aufgefallen, dass auch die FDP einen Verlag besitzt, nämlich den Universum Verlag

(Leif Blum (FDP): Besaß!)

oder besaß. Inzwischen habt ihr ihn nach bestimmter Beratung vielleicht abgestoßen.

Ich sage ausdrücklich: Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN waren auf eurer Seite, als es um die Frage ging – Stichwort: Beteiligung an FFH –, ob man in die Eigentumsrechte per Gesetz eingreifen darf. Es war ausdrücklich falsch, was passiert ist. Aber bei der Frage der Veröffentlichungspflicht, dass man sagen muss, wem das gehört, wer wo beteiligt ist, verstehen wir nicht, warum ihr das ausgerechnet jetzt, wenn CDU und FDP einmal für wirkliche Transparenz sind – Stichwort: Beteiligung von 5 % oder mehr –, wieder auf 20 % hochziehen wollt.

Deswegen bin ich froh, dass wir wenigstens in diesem Punkt der Transparenz und Veröffentlichungspflicht eine Regelung bekommen werden, mit der klar ist, dass nicht nur Parteien, sondern alle Beteiligungen auf den Tisch müssen.

Herr Kollege Bauer, mich interessierte immer schon, wer eigentlich hinter dem klugen Kopf steckt, den Sie angesprochen haben. Ich nehme an, die SPD wird es nicht sein. Aber das wird eine spannende Erfahrung sein, wenn dieses Gesetz in Kraft ist, wem das eigentlich gehört.

In diesem Sinn sage ich für meine Fraktion: Wir werden den Änderungsantrag der SPD-Fraktion ablehnen, und wir werden am Ende dem Gesetz zustimmen. Alles das, was nicht in diesem Gesetz steht, können wir noch bei der nächsten Evaluation des Hessischen Pressegesetzes hineinschreiben. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollege Al-Wazir. – Das Wort hat der Abg. Greilich, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Man sollte einmal daran erinnern, dass wir hier nicht über irgendein technokratisches Gesetz sprechen, wie wir es in großer Zahl im Parlament zu behandeln haben, sondern dass es um ein Gesetz geht, das einen ganz wichtigen

verfassungsmäßig garantierten Bereich tangiert und ausgestaltet, nämlich den Bereich der Pressefreiheit.

Herr Kollege Al-Wazir, deswegen habe ich nicht geschaut, wie viel Papier man in diesem Haus dazu schon gefüllt hat, sondern ich bin ein Stück weiter zu den Wurzeln dessen zurückgegangen, was Grundlage unserer Entscheidung sein muss, nämlich zur „Spiegel“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. August 1966. Das ist schon ein paar Jahre her. Ich darf aus meiner Sicht den entscheidenden Satz – vier Zeilen – zitieren:

Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates;... Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muss er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen kennen und gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, worüber wir heute zum wiederholten Mal in diesem Haus diskutieren, ist die Frage, wie wir das konkret ausgestalten, wie wir den Stellenwert der freien Presse zur Information und Willensbildung der Bürgerinnen und Bürger im Einzelnen ausgestalten und betonen können. Das ist das Wichtige und die Botschaft dieser Gesetzesberatung. Dazu gehört auch die Kenntnis der Strukturen der unterschiedlichen Presseorgane. Der Bürger, der politische Entscheidungen aufgrund von Meinungen treffen will und soll, muss auch wissen, wo diese veröffentlichten Meinungen herkommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb ist die Offenlegung von Inhaber- und Beteiligungsverhältnissen, wie wir sie in diesem Gesetz vorsehen, ein wesentlicher Schritt zu mehr Transparenz, zur Offenlegung von Einflüssen aus der Wirtschaft, von allen möglichen Organisationen, aber – Herr Kollege Al-Wazir – gerade natürlich auch von Parteien; denn das ist im Bereich der politischen Willensbildung ein besonderer Faktor, wenn sich Parteien an der Bildung öffentlicher Meinung, sprich: an Pressever öffentlichungen, entsprechend beteiligen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Seit wann sind Sie für die Offenlegung von Einflüssen aus der Wirtschaft?)

Wir haben keinerlei Nachhilfe nötig. Schon vor fünf Jahren haben meine Kollegen Posch und Hahn hier sehr klar für Transparenz geworben. Das ist der entscheidende Punkt. Wir bleiben bei einer Einschränkung. Herr Kollege Siebel, wir sagen, nicht jede winzige Beteiligung spielt eine Rolle, sondern wir haben uns darauf konzentriert, dass nur wesentliche Beteiligungen eine Rolle spielen sollen.

Wir halten es für richtig, eine Anteilsgrenze von mindestens 5 % am Kapital oder auch an den Stimmanteilen zu wählen, ab der die Inhaber- oder die Beteiligungsverhältnisse veröffentlicht werden müssen. Wir setzen auf eine niedrige, aber sachgerechte, an der Wesentlichkeit anknüpfende Schwelle, die dem notwendigen Informationsbedürfnis gerecht wird.

Herr Kollege Siebel, dass Sie diese Grenze auf 20 % aufweichen wollen, ist bezeichnend. Ich darf auf die Anhörung verweisen. Dort gab es einen einzigen Vertreter, der meinte, 5 % sei eine zu geringe Grenze, man müsse auf 20 % gehen. Das war der von Ihnen benannte Vertreter Ihrer SPD-Beteiligungsgesellschaft, die als Einzige die Position vertrat, man müsse bei 20 % landen. Herr Siebel,

der Versuch, das mit Rücksicht auf das Handelsrecht zu begründen,

(Michael Siebel (SPD): Sagen Sie doch als Jurist etwas dazu!)

ist zumindest eine etwas müde Veranstaltung. Warum nehmen Sie nicht das Steuerrecht? Sonst ist die SPD doch immer gern dabei, wenn es darum geht, das Steuerrecht entsprechend heranzuziehen.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Im Steuerrecht ist die wesentliche Beteiligung bei 1 % definiert, Herr Siebel. Das erscheint uns eine etwas zu geringe Beteiligung, um die Grenze zu ziehen. Die 5 %, die wir mit Zustimmung der Sachverständigen aus der Anhörung gewählt haben, sind der richtige Punkt, um diese Grenze zu definieren. Damit schaffen wir Transparenz auf ganz breiter Ebene – auch bei den Organen, die dem wesentlichen Einfluss der SPD unterliegen, bei der „Frankfurter Rundschau“, den Zeitungen der Madsack-Gruppe, oder wo das sonst noch der Fall sein mag. Was spricht dagegen, Herr Kollege Siebel? – Nichts spricht dagegen.

Meine Damen und Herren, wir haben auch Vereinfachungen in dieses Gesetz hineingebracht. Wir verzichten z. B. zukünftig auf die Angabe der Privatanschrift des Verlegers. Wir sind der Auffassung, dass zum Schutz des Persönlichkeitsrechts des Verlegers diese Angabe verzichtbar ist. Es reicht, wenn die Geschäftsanschrift bekannt ist. Die ist im Impressum bekannt. Also ist das der entscheidende Punkt.

Lassen Sie mich in aller Kürze zu einem letzten Punkt etwas bemerken, damit es nicht vergessen geht. Wir verändern in diesem Gesetz noch etwas anderes Wichtiges, nämlich die Verjährungsfristen für die Straftatbestände Gewaltpornografie, Kinder- und Jugendpornografie. Anstatt bisher sechs Monaten gilt zukünftig eine Verjährungsfrist von bis zu zehn Jahren nach Beendigung der Tat. Das ist heute ein sehr wichtiges Zeichen, das wir nicht untergehen lassen sollten.

Ich bitte deshalb um Zustimmung zu diesem hervorragenden Gesetzentwurf der Landesregierung und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Günter Ru- dolph (SPD): Ach du lieber Gott! Jetzt muss er sich schon selber loben!)

Vielen Dank, Herr Kollege Greilich. – Das Wort hat der Staatsminister Rhein.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem, was Herr Bauer, Herr Tarek Al-Wazir und Herr Greilich gesagt haben, ist nach meiner Sicht der Dinge nicht viel hinzuzufügen. Deswegen will ich Sie an diesem Nachmittag nicht über Gebühr strapazieren. Auch die Anhörung hat uns sehr deutlich gemacht, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ganz glasklare Aussagen haben ergeben, dass wir genau den richtigen Gesetzentwurf vorgelegt haben. Aus diesem Grunde ist es schwierig, dem Änderungsantrag der SPD zu folgen, der auf dem Pressegesetz des Bundeslandes Brandenburg fußt.