Protokoll der Sitzung vom 14.12.2010

Wenn man sich anschaut, wie hoch die Überlastung in den Pflegeberufen ist, und wenn man sich klarmacht, dass in der Intensivpflege jede dritte Mitarbeiterin oder jeder dritte Mitarbeiter an einem Burn-out-Syndrom leidet, dann wird uns vielleicht deutlich, dass ein Krankenhausgesetz an dieser Stelle regulierend eingreifen muss. Denn Arbeitsschutz im Krankenhaus ist Patientenschutz. Wer die Qualität vor die wirtschaftlichen Interessen und den wirtschaftlichen Ertrag stellen will – das dürfte doch beim Krankenhaus völlig außer Frage stehen –, und wer will, dass die Qualität der Versorgung immer an erster Stelle kommen muss, der muss dafür sorgen, dass die Krankenhäuser über genug Personal verfügen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir freuen uns an dieser Stelle sehr, dass die LINKE das auch so gesehen und bei uns abgeschrieben hat. Sogar den Titel der Pressemitteilung der SPD-Fraktion und die Konzepte der SPD-Fraktion wurden abgeschrieben.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Es gibt nicht so viele Möglichkeiten, wie so ein Änderungsantrag aussehen kann!)

Wir finden es begrüßenswert, dass jemand das so sieht. Man kann dann allerdings darüber diskutieren, ob man noch eine Fraktion DIE LINKE braucht. Das wollte ich nur am Rande sagen.

Auch die GRÜNEN haben inzwischen, leider allerdings erst sehr spät, die Notwendigkeit von Mindeststandards für das Personal in Krankenhäusern eingesehen. Wäre diese Erkenntnis etwas früher gereift, hätten wir das schon vor zwei Jahren ins Krankenhausgesetz hineinschreiben können, anstatt das erst jetzt zu versuchen. Wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben.

Eines muss ich an dieser Stelle allerdings sagen. Das ist das einzig Gute an den Änderungen, die jetzt stattfinden sollen. Da geht es um die Korrektur einer Änderung durch die CDU und die FDP. Das betrifft die Zusammensetzung der Leitung der Krankenhäuser. Ich freue mich, dass Sie eingesehen haben, dass in dem Konflikt zwischen Ökonomie und Versorgung die Krankenhausleitung nicht ans Patientenbett gehört. Deshalb müssen Ärzte, Pflege und Geschäftsführung gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Die Vertreter der ökonomischen Interessen dürfen keineswegs gegenüber den anderen eine Weisungsbefugnis erhalten.

Mit Verlaub, damit wird es ein Stückchen besser, als es der erste Entwurf war. Das reicht aber beim besten Willen nicht aus, um diesem Gesetzentwurf in dieser Form zuzustimmen.

Bei der Frage der Personalzahlen – ich freue mich über die Aktivitäten der Landesregierung, die uns an der Stelle einer sachlichen Erkenntnis der langfristigen Notwendigkeiten deutlich näher bringt; das will ich ausdrücklich sagen – ist Bewegung in der Sache, die uns klüger machen wird. Allein, bis es Ergebnisse geben wird, kann man nicht warten. Deshalb sind wir der Ansicht, dass ein durchaus altes – aber nicht das schlechteste –, auch erprobtes und seinerzeit wohlfundiertes Instrument eine Brücke bilden kann, bis wir zu präzisen, modernen, zeitgemäßen Zahlen für hessische Krankenhäuser kommen. Deshalb fordern wir, die Pflegepersonalregelung, die einen sicheren, im grünen Bereich befindlichen Personalstandard vorgibt, für die hessischen Krankenhäuser wieder einzuführen.

Ein zweiter Punkt. Auch der ist für die Frage der Qualität in Krankenhäusern von erheblicher Bedeutung. Das ist die Durchsetzung arbeitsschutzrechtlicher Regelungen. Wer sich die Geschichten aus den Krankenhäusern über schon rechtsmissbräuchliche Verweigerung beim Umgang mit real geleisteter Arbeitszeit anhört, dem wird klar, dass die Forderung nach automatisierten Zeiterfassungssystemen dringender denn je ist und unmittelbar hineingebracht gehört.

Meine Damen und Herren, die Arbeitsbedingungen im Pflegebereich sind ein wichtiger Hinderungsgrund, warum wir zunehmend Schwierigkeiten mit Pflegepersonal bekommen. Angesichts aktueller Zahlen, die uns in 15 Jahren 150.000 fehlende Pflegekräfte prognostizieren, ist es mehr als nötig, für ordentliche Arbeitsbedingungen zu sorgen, weil das die Arbeitsmotivation, die Qualität der Arbeit und nebenbei noch die Attraktivität der Berufe verbessert und jedenfalls ein wichtiger Baustein in der Richtung ist.

Meine Damen und Herren, dann sollten wir angesichts der langsamen, aber immerhin um sich greifenden Erkenntnis, dass Qualitätssicherung etwas ist, um das man sich im Krankenhausbereich mehr kümmern soll, den Krankenhäusern vorgeben, genau das zu tun, und zwar

nicht im Interesse einer externen Kontrolle. Externe Kontrollen der Qualität im Krankenhauswesen sind außerordentlich schwierig und sehr empfindlich für Manipulationen, für Umdeutungen usw. Nein – Systeme, in denen das Krankenhaus sich selbst hilft, müssten allerdings verbindlich sein.

Deshalb glauben wir, dass zur Sicherung der Qualität im Krankenhausgesetz vorgeschrieben sein muss, dass jedes Qualitätsproblem, jeder Zwischenfall und jeder Beinahezwischenfall dokumentierbar sein muss, zur Not auch anonym, damit das Krankenhaus die Fragen selbst klären kann und an der Verbesserung der eigenen Arbeit arbeitet, ohne gleich den üblichen Qualitätssicherungsverfahren äußerer Kontrolle unterworfen zu sein.

Ein Letztes finde ich von besonderer Bedeutung und besonders ärgerlich, das bislang nicht berücksichtigt worden ist und das die Landesregierung in ihrem Entwurf und CDU und FDP in ihrem Änderungsantrag übersehen haben. Wir reden seit 15 Jahren in allen Sonntagsreden, in Pressemitteilungen der Landesregierung und, und, und von patientenzentrierter Medizin und davon, dass der Patient im Mittelpunkt stehen soll.

Wer den Patienten aber in den Mittelpunkt stellt, der muss jenseits der biologischen Medizin auch die Seele des Patienten in das Blickfeld nehmen. Dass die Psychotherapie, die Rolle der Psychotherapeuten und Psychologen im Bewusstsein der Landesregierung ob ihrer Krankenhäuser noch mit keinem einzigen Wort vorgekommen sind und deshalb in diesem Krankenhausgesetz an keiner einzigen Stelle eine Erwähnung erfahren, ist ein Armutszeugnis. Wenigstens das sollte sie dringend korrigieren.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, Sie müssten zum Ende kommen. Die Redezeit ist abgelaufen.

Angesichts der erheblichen Mängel hat die SPD einen umfangreichen Änderungsantrag vorgelegt. Wir beantragen die Durchführung einer dritten Lesung, damit auch die Mehrheit Gelegenheit hat, sich diesen Verbesserungen anzuschließen und aus diesem Krankenhausgesetz ein zumindest ordentliches Krankenhausgesetz zu machen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Schönen Dank, Kollege Spies. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN jetzt Frau Schulz-Asche. 7:30 Minuten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Spies, bei aller Wertschätzung

(Florian Rentsch (FDP): Oh!)

glaube ich, dass es notwendig ist, sich Gedanken darüber zu machen, in welcher Situation sich die Krankenhäuser in Hessen befinden. Das, was Sie vorgetragen haben, war doch sehr kurz gesprungen. Wenn wir uns die Landschaft

anschauen, sehen wir eine Gesundheitswirtschaft, die gerade dabei ist, sich global aufzustellen, wo sich Großkonzerne und Konsortien zusammenschließen – von verschiedenen Anbietern bis hin zum letzten Dienstleister von kleinsten Medizinleistungen –, wo sich große Konsortien bilden, die alle schon einmal Geld zur Seite legen, um zu warten, was es z. B. an Krankenhäusern in Hessen aufzukaufen gibt, mit denen man Profit machen kann.

Herr Kollege Spies, das, was die SPD vorlegt, ist leider überhaupt nicht geeignet, um sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Auch die Landesregierung greift meiner Meinung nach zu kurz.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen ganz dringend – meine Fraktion hat entsprechende Änderungsanträge vorgelegt – Grundlagen für unsere Krankenhäuser, damit diese in die Lage versetzt werden, wirtschaftlich zu arbeiten. Wir brauchen eine Krankenhauslandschaft, die an Patienteninteressen orientiert ist. Wir brauchen effizientere Zusammenarbeit und Kooperationsformen. Wir brauchen ein Gesamtkonzept, das umgesetzt wird. Es reicht nicht, wenn wir hier vorne – sei es die SPD und später die Linkspartei, aber auch Herr Rentsch und Herr Bartelt werden das tun – wie die Teletubbies der eigenen Klientel in der Hoffnung zuwinken, damit die Kommunalwahl zu überstehen.

Unsere Krankenhäuser haben Besseres verdient. Sie haben es verdient, dass man ihnen die Möglichkeiten gibt, im Wettbewerb zu bestehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weil Sie so erstaunt schauen: Es ist egal, ob es sich um ein neu gebautes Klinikum in einer verschuldeten Kommune handelt, ob es sich um ein altes Klinikum handelt, in dem ein Betriebsrat jede Reform verhindert, oder ob es sich um eine andere Stadt handelt – ich will den Namen nicht nennen –, wo Kommunalpolitiker zusammen mit den Chefärzten jede vernünftige Reform des Krankenhauses verhindern. Das sind die Probleme, vor denen unsere Krankenhäuser aktuell stehen, und wir müssen ihnen per Gesetz die Möglichkeit geben, wirtschaftlicher zu agieren.

Meine Damen und Herren, für uns GRÜNE sind die kommunalen Krankenhäuser ein ganz wesentlicher Teil der Daseinsvorsorge. Uns geht es darum, diese zu retten. Sie brauchen ganz dringend bessere Voraussetzungen, miteinander zu kooperieren, sich zusammenzuschließen, wirtschaftlicher zu arbeiten, freier zu entscheiden, was wirtschaftlich notwendig ist.

Wir brauchen dazu eine Änderung des Kartellrechts, weil das jetzige Kartellrecht die kommunalen Krankenhäuser gegenüber den Konzernen benachteiligt. Und – da bin ich teilweise mit dem zusammen, was Herr Spies gesagt hat – wenn wir auf der einen Seite sagen, das Krankenhaus müsse selbstständig und wirtschaftlich entscheiden können, müssen wir auf der anderen Seite Qualitätsstandards vorgeben, bei denen klar ist, dass der Verbraucherschutz, die Patienteninteressen und die Qualität der Versorgung gesichert sind.

Wir haben seit Jahren eine Hygieneverordnung gefordert und freuen uns darüber, dass es endlich auch die Landesregierung einsieht. Kollege Spies hat zu Recht darauf verwiesen, auch wir halten Personalstandards für notwendig. Auf diesen Punkt möchte ich ausführlicher eingehen.

Es ist ohne Zweifel so, dass wir in den Krankenhäusern im Pflegebereich eine enorme Arbeitsverdichtung haben. Sie

wissen, dass ich selbst Krankenschwester bin. Wir haben eine fast gleichbleibende oder sogar steigende Zahl der Fallzahlen. Wir haben eine Abnahme der Verweildauer, und wir haben einen Rückgang der Bettenzahl. All dies zusammen führt dazu, dass im Bereich der Pflege die einzelnen Arbeitsabläufe stärker verdichtet werden. Ich halte es für notwendig, in diesem Bereich darauf zu schauen, welche Personalstandards gesetzt werden müssen.

Das, was die SPD und die Linkspartei machen, ist, eine Vorgabe aus dem Jahre 1992 für Personalstandards zu nehmen. In der Zwischenzeit hat sich die Krankenhauslandschaft völlig verändert. Ich habe es gerade mit den Fallzahlen, den Bettenzahlen und der Arbeitsverdichtung dargestellt. Die einen sagen: Wir nehmen einfach diese Standards von 1992 und sagen 90 %. – Der Linkspartei ist das wie immer zu wenig, sie sagt: Wir nehmen jetzt 100 %.

Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen versichern: Wenn diese banale Form von Personalstandards umgesetzt wird, die sich ausschließlich nach der Quantität und nicht nach der Qualität der Pflege richtet, dann werden die kommunalen Krankenhäuser alle in die Knie gehen, alle pleitegehen. Die großen privaten Konzerne warten nur genau auf diese Situation, weil sie dann mit dem Einkauf der kommunalen Krankenhäuser beginnen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Die Einnahmen!)

Ich weiß, dass Sie das alles aufregt. Aber es reicht eben nicht, wenn man Leuten nur nach dem Mund redet und nicht einmal nachdenkt, wie man die Patientenversorgung tatsächlich verbessern kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Vizepräsident Lothar Quanz übernimmt den Vor- sitz.)

Deswegen begrüßen wir ausdrücklich, dass in diesem Krankenhausgesetz vorgesehen ist, nicht nur den Krankenhausbereich selbst in den Blick zu nehmen, sondern auch zu sehen, wo wir Doppelstrukturen im ambulanten Bereich, vor allem im fachärztlichen Bereich, haben. Es geht darum, zu sehen: Wie ist eigentlich die Krankenversorgung vor Ort? Was haben wir an Hausärzten und was an Fachärzten vor Ort? Wie ist die Struktur in den Krankenhäusern? Wie können wir diese ganzen Bereiche so zusammenfassen, dass es am Ende tatsächlich eine gute Versorgung für die Patienten gibt? Das gilt natürlich besonders für den ländlichen Raum, wo wir jetzt schon Versorgungsengpässe haben.

Deswegen begrüße ich ausdrücklich, dass die Landesregierung sagt: Wir wollen hier einen Schritt machen, wir wollen besser koordinieren, wir wollen gemeinsam planen. – Das reicht für mich noch nicht aus, weil es nicht genügt, so etwas allein im Krankenhausgesetz zu regeln, sondern da müssen auch andere Gesetze geändert werden, z. B. im Bereich des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Aber es ist ein richtiger Ansatz, um zu sehen: Wie können wir denn perspektivisch die Gesundheitsversorgung tatsächlich anders aufstellen?

Deswegen mein großer Appell, sich hier nicht hinzustellen, ver.di nachzuplappern oder den Beschäftigten in den Krankenhäusern vorzumachen, man müsste nur das Personal verdoppeln, und dann wäre die Welt schön. Nein, meine Damen und Herren, wir müssen dafür sorgen, dass wir eine kommunale Krankenhausversorgung haben, die tatsächlich gut ist,

(Dr. Thomas Spies (SPD): Schön, dass die GRÜNEN nicht mehr für Privatisierung sind!)

die in Zukunft wirtschaftlich überlebensfähig ist und die nicht den großen privaten Konzernen vorgeworfen wird. Das ist genau das, was Sie mit solchen banalen Vorschlägen machen. Damit gewinnen Sie keine Kommunalwahl, Sie retten aber vor allem kein einziges kommunales Krankenhaus.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Aber selbstverständlich. – Deswegen hoffe ich, dass die Fraktionen von FDP und CDU unserem Änderungsantrag heute in der Ausschusssitzung zustimmen werden. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Schulz-Asche. – Als Nächste spricht Frau Schott für die Fraktion die LINKE.