Hinzu kommt – das hat die Kollegin Dorn schon angesprochen –, dass die Stipendien direkt über die Hochschulen abgewickelt werden. Deshalb haben wir das Problem, dass viele Studierende ihre Hochschule nicht mehr wechseln können, weil sie Angst haben müssen, ihr Stipendium zu verlieren. Das ist natürlich hanebüchen angesichts des
sen, dass Sie immer predigen, wir benötigten mehr Mobilität bei den Studierenden, und junge Menschen müssten dynamisch und flexibel in alle Länder der Welt ziehen können. Sie machen mit diesem Stipendienprogramm die Flexibilität und die Mobilität junger Menschen kaputt.
Stipendien sind bezüglich Chancengleichheit und sozialer Öffnung der Hochschulen nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Sie verschärfen die vorhandenen Ungerechtigkeiten, indem Sie den Privilegierten noch mehr Privilegien zubilligen. Hier werden Steuermittel vergeudet, die an anderer Stelle ganz dringend notwendig wären.
Das Stipendiengesetz ermöglicht Dritten de facto Zugriff auf öffentliche Gelder. Die Unternehmen – die private Seite – übernehmen nur rund ein Drittel der Kosten – den Rest bekommen sie nämlich über ihre Steuerabschreibungen zurück –, entscheiden aber über das Studienfach mit und reden auch bei der Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber mit. Natürlich suchen sie sich auch ihre Hochschulen selbst aus, und das, Herr Büger, ist nicht nur unsozial, sondern vor allen Dingen auch völlig undemokratisch.
Dann sollen sich die Hochschulen selbst darum kümmern, Spender einzuwerben. Es ist zu befürchten, dass die Hochschulen auf einem großen Teil der Kosten sitzen bleiben; denn die Kosten für die Einwerbung von Sponsoren und für die Verwaltung sind von der Bundesregierung viel zu niedrig angesetzt worden. Es wird geschätzt, dass 20 bis 25 % der Spendensumme allein für die Verwaltung und das Einwerben von Spenden anfallen.
Lieber Herr Büger, ich will noch etwas erwähnen: Hinter dieser Idee steckt ein mittlerweile abgewählter FDP-Politiker namens Andreas Pinkwart. Bis zur letzten Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen war er Hochschulminister bzw. – so hat er sein Ministerium getauft – Innovationsminister. Eine seiner sogenannten Innovationen ist das Stipendienprogramm, das außer ihm eigentlich niemand so richtig innovativ fand. Über ein Jahr war Andreas Pinkwart nämlich auf der Suche nach Verbündeten und hat für sein Programm geworben, bevor er es im Alleingang eingeführt hat. 3.400 Studierende, nicht einmal jeder Hundertste, sollten davon profitieren. Es wurden dann noch weniger: gerade einmal 1.400 Studierende in NordrheinWestfalen, also gerade 0,3 %.
Deshalb frage ich Sie: Weshalb ist Annette Schavan nach den Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen eigentlich so scharf auf dieses Programm, und warum will sie es gegen alle Widerstände und trotz massiver Kritik durchsetzen? Ich sage Ihnen: Es geht hier um mehr als nur um dieses Programm; es geht um einen grundlegenden Umbau der Studienfinanzierung. Die Bundesregierung will sich sukzessive aus der Verantwortung für eine sozial gerechte Studienfinanzierung zurückziehen.
In Zukunft bestimmen Unternehmen durch ihre Spendenbereitschaft in wachsendem Maße, wie viele Studierende ein Stipendium bekommen. Sie bestimmen, welche Studiengänge und Fachrichtungen eingerichtet werden. Sie suchen sich die Hochschule ihres Vertrauens selbst aus. Es ist doch klar, dass dies die regionale Differenzierung der Hochschulen weiter vorantreiben wird. Wer soll denn in strukturschwachen Gebieten Stipendien verge
Wenn die Wirtschaft zahlt, wird sie auch nur das finanzieren, was ihr direkt nutzt. Die Erfahrungen aus NordrheinWestfalen zeigen, dass die Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften viel zu kurz kommen. Ein Drittel des Gelds ging an Ingenieure. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Natürlich sind wir LINKE dafür, dass sich die Unternehmen an der Finanzierung von Bildung beteiligen. Aber wir sind der Meinung, dass wir sie nicht darum anbetteln, sondern sie endlich gerecht besteuern und sie darüber an der Finanzierung von Bildung beteiligen sollten.
Der Vorteil ist nämlich, dass wir dann demokratisch über das entscheiden können, was mit dem Geld passiert, und es werden nicht einzelne Unternehmer nach Gutdünken entscheiden, wen sie fördern, und so über die Zukunftschancen junger Menschen verfügen können.
Sie machen sich abhängig von der Spendenbereitschaft der Unternehmen. Herr Büger, von Ihrem Programm ist die Wirtschaft auch nicht so richtig begeistert. Bisher gibt es ganze 1.000 feste Zusagen von Unternehmen, die sich daran beteiligen wollen. Herr Büger, wenn Sie dieses Jahr noch auf 10.000 Stipendien kommen wollen, dann müssen Sie noch ein paar Klinken putzen. Das müssen Sie tun, wenn Sie dieses geschrumpfte Programm überhaupt noch hinbekommen wollen.
Logisch weitergedacht hat Ihren Ansatz eine Initiative namens „studienaktie.org“. Sie haben eine eigene Form der Bildungsfinanzierung entwickelt. Ein sogenannter Bildungsinvestor kann sich einen Studierenden als Aktie kaufen. Er finanziert dann dessen Studium.
Auf der Homepage heißt es, die Bildungsinvestoren würden sich anhand eines anonymisierten Profils entscheiden. Mit seinem Profil gibt man einen Einblick in das, was man mit seinem Bildungsprojekt und seinem späteren Leben erreichen will. Dann kann man sich zu einem Treffen verabreden und gemeinsam überlegen, ob man eine sogenannte Bildungspartnerschaft eingehen will.
Der Bildungsinvestor kann dann eine bestimmte Anzahl Studienaktien kaufen. Sie sichern ihm einen Anteil an dem späteren Gehalt des Studierenden. Rechtlich handelt es sich dabei übrigens um ein Darlehen mit Erfolgsbeteiligung.
Das klingt natürlich skurril, ist aber von der Logik her leider gar nicht weit von dem entfernt, was Sie machen. Die Studierenden werden zur Kapitalanlage. Sie werden zu Humankapital – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Ausbildung hängt am Ende davon ab, ob man einen Bildungsinvestor findet oder ob man ein von einem Unternehmen gesponsertes Stipendium erhält. Damit verkommt das vom Grundgesetz garantierte Recht der freien Berufswahl vollkommen zur Farce.
Meine Damen und Herren, statt nun einen Cent in dieses unsoziale und unsinnige Stipendiumprogramm zu stecken, sollten Sie sich lieber für eine Erhöhung des BAföGs einsetzen, die mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Die letzte Erhöhung des BAföGs hat deren Beziehern im Durchschnitt 7 € gebracht. Herr Büger, diese Erhöhung des BAföGs wollten Sie im Bundesrat noch blockieren. Diese Erhöhung des BAföGs ist völlig
Deswegen möchte ich nur noch einige wenige Sätze sagen. – Ab dem Jahr 2012 schaffen Sie den Bildungsbonus ab. Er hat den besten 25 % der BAföG-Bezieher die Möglichkeit gegeben, dass ihnen ein Teil ihrer BAföG-Schulden erlassen wird, wenn sie gute Studienleistungen erbrachten.
Spätestens das zeigt, dass es ihnen überhaupt nicht um die Förderung der Leistung geht. Vielmehr geht es Ihnen nur um die Förderung der Kinder reicher Eltern. Sie wollen diesen Bonus abschaffen. Damit wurden mehr Leute gefördert, als es mit dem Stipendienprogramm möglich sein wird.
Wir werden deshalb für Ablehnung Ihres Antrags stimmen. Denn das wäre einfach eine vollkommen einseitige Förderung der Elite. – Vielen Dank.
Frau Wissler, danke sehr. – Ich darf Herrn Grumbach für die SPD-Fraktion und zur Begründung des Dringlichen Antrags das Wort erteilen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Büger, ich freue mich, dass Sie Jefferson zitiert haben. Das ist bei Mitgliedern der FDP heutzutage ungewöhnlich. Ich darf ihn dann noch einmal, ich glaube, es ist aus demselben Schriftstück, zitieren. Denn er hat einen Finanzierungsvorschlag gemacht. Thomas Jefferson hat zu seiner Zeit als Liberaler geschrieben:
Ich halte Erbschaften für leistungsloses Einkommen. Dafür gibt es nur einen vernünftigen Steuersatz: 100 %.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Heiter- keit des Abg. Norbert Schmitt (SPD) und bei Abgeordneten der LINKEN)
Wer anfängt, Jefferson zu zitieren, muss auch überlegen, wo das endet. Diese Bosheit am Anfang meiner Rede wollte ich mir gestatten.
Im Kern ist das dann nicht mehr nur lustig. Sie müssen sich entscheiden, welche Argumentation gilt. Bei der Einführung der Studiengebühren haben Sie davon geredet, dass die Menschen, die später gut verdienen, nicht noch subventioniert werden müssen, dass denen nicht auch noch die Hochschulausbildung bezahlt werden muss.
Jetzt, nachdem wir die Studiengebühren wieder abgeschafft haben, reden Sie davon, dass die Menschen, die später offensichtlich gut verdienen werden, wenn sie leistungsfähig sind, zusätzlich gefördert werden sollen. Nur
Ich will noch einmal das verstärken, was Frau Wissler am Schluss ihrer Rede ganz schnell sagen musste. Da gibt es ein zeitliches Zusammentreffen, das man sich schon auf der Zunge zergehen lassen muss.
Für diejenigen, die bedürftig sind, gab es lange Zeit eine Regelung, mit der die Rückzahlung ihres Kredites geregelt wurde. Wenn Sie besonders gut oder schnell waren, haben sie große Teile ihres Kredites erlassen bekommen.
Drei Monate, nachdem das Stipendienprogramm auf den Weg gebracht wurde, ist diese Regelung glatt gestrichen worden. Das heißt, für diejenigen, die bedürftig sind, wird Leistung nicht mehr im normalen System belohnt; und für die, die nicht bedürftig sind, wird es eine zusätzliche Förderung geben. Genau das ist Politik nach Art der FDP und der CDU. Das ist falsch.
Dritter Punkt. Wovon Sie reden, ist irreal. Sie reden davon, dass Private 300 Millionen € in Stipendien stecken sollen. Das ist das Ziel des Endausbaus. Das wäre das Verdoppeln dessen, was derzeit bei der Lehre an privaten Investitionen vorhanden ist. Das wäre das Verdoppeln dessen. Diese Verdoppelung würde bedeuten, dass Sie alle sonstigen Studienförderprogramme, die es über private Stiftungen oder über anderes gibt, zu 100 % einstellen müssten.
Dass das irreal ist, ist offensichtlich. Deswegen ist auch aus der Ankündigung – das hat Frau Dorn schon gesagt – nicht so richtig viel geworden. 160.000 waren angekündigt, 10.000 sind das Ergebnis. Denn kein Mensch, angefangen von der Volkswagenstiftung bis hin zu den anderen großen Stiftungen, wie etwa der Studienstiftung des deutschen Volkes, will Bewährtes dadurch gefährden, dass man sozusagen ein Sonderprogramm macht, das die bewährten und mit Unterstützungsstrukturen versehenen Stiftungen durch einfache Geldleistungen ersetzen würde.
Das ist der zweite zentrale Unterschied. Sie hängen dem Glauben an, dass Geld alles machen würde. Die großen Studienstiftungen wissen, dass sie zwei Teile leisten müssen. Sie müssen die Menschen finanziell in die Lage versetzen, studieren zu können. Sie müssen menschliche Unterstützung leisten, damit die Studierenden das gut bestehen. Das taucht bei Ihnen überhaupt nicht auf.
Viertens. Da sind wir dann wirklich bei dem sozial selektiven Punkt. Alle finanziellen Stipendienprogramme, die es auf der Welt gibt, sind untersucht worden. Sie wurden alle ausnahmslos untersucht. Sie wurden alle darauf untersucht, wer von ihnen eigentlich profitiert und wer nicht.
Bei allen Programmen ist es so, dass diejenigen, die sowieso den leichteren Zugang haben, weil ihre Eltern die bessere Ausbildung haben oder weil ihre Eltern das bessere Einkommen haben, deutlich überdurchschnittlich profitieren, wenn es keine Einschränkung hinsichtlich der Bedürftigkeit gibt. Das heißt: Im Kern haben Sie sich hier für ein System entschieden, bei dem die, die etwas haben, etwas dazubekommen, aber für denjenigen, die Probleme
Ich glaube, da werden Sie sich noch einmal entscheiden müssen, was Sie wollen. In unserem System ist doch der entscheidende Punkt: Sind wir in der Lage, unsere Leistungsreserven auszuschöpfen? Sind wir in der Lage, Frauen, junge Männer, junge Migrantinnen und junge Migranten in die Lage zu versetzen, an den Hochschulen zu studieren?