Die Menschen werden sich nicht von Erdogan aus der Türkei fernsteuern lassen. Das werden sie nicht zulassen.
Er muss endlich damit aufhören, mit seinen Auftritten zu Wahlkampfzwecken einen Keil in unsere Gesellschaft zu treiben.
Mein Grundsatz ist und bleibt: In dem Land, in dem man lebt, muss die Landessprache immer Vorrang haben.
Es geht ja nicht darum, die türkische Sprache herabzuwürdigen. Sondern es geht darum, dass die deutsche Sprache hier in unserem Land der Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe ist. Die deutsche Sprache ist der einzige Weg zu einer erfolgreichen Integration. Wir haben nichts dagegen, wenn Menschen neben der deutschen Sprache als ihre Muttersprache noch andere Sprachen beherrschen. Im Gegenteil – das halten wir für sehr begrüßenswert.
Gerade im Hinblick auf einen globalisierten Arbeitsmarkt ist das wichtig. Wir leben in einem weltoffenen Land, das seinen Einwohnern größte Freiheiten gewährt – sei es die persönlichen Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit, die Gleichheit vor dem Gesetz oder die Religionsfreiheit. Besonders das Letztere ist nicht überall auf der Welt selbstverständlich. Daher wende ich mich entschieden gegen den Auftritt und die Forderungen des türkischen Ministerpräsidenten. Das Ziel der CDU ist es,
Wir wollen keine Parallelgesellschaften hier im Land haben. Nach den verschenkten Jahren von Multikulti in der Integrationspolitik gibt es noch viele Baustellen. Es ist aber eine Erfolgsgeschichte, dass rund 16 Millionen Menschen mit unterschiedlichstem Migrationshintergrund in Deutschland sehr gut integriert wurden.
Wir – und dabei meine ich insbesondere unsere ausländischen Mitbürger – können daher auf die kontraproduktiven Vorschläge eines Herrn Erdogan verzichten. Er sollte sich an seinen Europaminister Egemen Bagˇis¸ halten, der richtigerweise gesagt hat: Lernt Deutsch, passt euch den Sitten und Gebräuchen eurer neuen Heimat an, und achtet die Gesetze. – Ich glaube, dem ist nichts weiterhin hinzu zufügen, Herr Präsident. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es würde mich interessieren, ob ich jetzt zukünftig als Mensch, der die deutsche Sprache, nämlich das Hochdeutsche, auch erst in einem mühsamen Prozess erlernt hat – ich komme aus dem Odenwald –, auch eine Minute zusätzlicher Redezeit beanspruchen kann.
Ich bin dem Kollegen Tipi dankbar, dass er mir eine Frage schon beantwortet hat, die ich fast immer stelle, wenn ich mir die Titel der Aktuellen Stunde vornehme. Ich frage mich, was der Autor mir damit sagen will. Kollege Tipi hat hier gleich am Anfang gesagt, dass er hier gegen Erdogan reden will. Das hatte ich mir eigentlich gedacht. Aber er hat das hier auch in aller wünschenswerten Klarheit von vornherein so gesagt. Da es also offensichtlich keinen in
neren Zusammenhang zwischen dem Musterland-Teil der Überschrift und dem Erdogan-Teil der Überschrift gibt und es offensichtlich darum geht, hier wieder einmal eine Gespensterstunde zu veranstalten, will ich auch gar nicht erst versuchen, einen solchen Zusammenhang zu thematisieren.
Ja, das sind die zwei Gespenster, die Sie haben: Der Kommunismus und der Türke. Das sind die zwei Gespens ter, die Sie haben.
(Lachen und Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von der CDU: So ein Unfug! – Anhaltende Zurufe von der CDU)
Diese Gespenster treiben Sie mit schöner Regelmäßigkeit während der letzten drei Jahre durch diesen Plenarsaal. Das ist doch die reine Wahrheit.
Und zwar sind das Sachkomplexe, die im Zusammenhang mit der Erdoganrede in Düsseldorf zu debattieren sind. Das sind: Wie verhalten sich die Fragen nach der Integration und Assimilation zueinander? Wie verhalten sich der Erwerb der Muttersprache und der der deutschen Sprache zueinander? Und wie sind die Äußerungen des Ministerpräsidenten zur Frage des Staatsangehörigkeitsrechts zu bewerten?
Ich will mit Letzterem anfangen. Es ist hier eben erneut beklagt worden, dass der türkische Ministerpräsident hier auf deutschem Boden eine Wahlkampfrede gehalten hat.
Das ist auch so. Das wird auch nicht bestritten. Die spannende Frage ist aber doch: Warum kann er das eigentlich mit einiger Aussicht auf Wirkung in diesem Lande tun? – Stellt man die Frage so, dann ist man doch relativ schnell bei einigen gravierenden Versäumnissen bundesrepublikanischer Integrationspolitik, deren Wurzeln durchaus auch hier im Musterland Hessen liegen.
In Deutschland wird es gerade türkischen Staatsangehörigen nach wie vor schwer gemacht, die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben.
Das ist mit Sicherheit einer der Gründe, warum es nach wie vor eine so große Gruppe türkischer Staatsbürger in
Deutschland gibt, die der Ministerpräsident der Türkei als seine Staatsbürger und als seine Leute bezeichnen kann.
Denn sie sind türkische Staatsangehörige. Deshalb kommen sie als Adressaten solcher Wahlkampfveranstaltungen überhaupt erst infrage, weil sie nämlich in Deutschland nicht wahlberechtigt sind. Das ist doch der Punkt. Wer also will, dass sich das ändert, der muss den Weg für die Einbürgerung türkischer Staatsangehöriger leichter machen, der muss die Frage der doppelten Staatsangehörigkeit neu regeln und der sollte auch das Signal, das Ministerpräsident Erdogan türkischerseits in dieser Frage gegeben hat, nicht ganz geringschätzen.
Die Integrationsbeauftrage der Bundesregierung, Frau Römer, hat zumindest da Recht, wo sie in diesem Zusammenhang von einem interessanten Vorschlag spricht.
Wie dem auch immer sei – ich bin überzeugt, dass jede Regelung, die es den türkischen Staatsbürgern in Deutschland leichter macht, sich für die deutsche Staatsangehörigkeit zu entscheiden, dazu beitragen würde, solchen Auftritten wie denen von Herrn Erdogan in Düsseldorf die Geschäftsgrundlage zu entziehen. Es würde, über die Frage der Staatsangehörigkeit hinaus, sicher dazu beitragen, dass sich die nun deutschen Staatsangehörigen mehr mit deutscher als mit türkischer Politik beschäftigen und mehr zu deutschen als zu türkischen Wahlkampfveranstaltungen gehen würden. Ein Beitrag dazu könnte jetzt schon das kommunale Ausländerwahlrecht sein.
Jetzt möchte ich noch in der verbleibenden Zeit ein paar Bemerkungen zur Frage des Spracherwerbs machen. Die Äußerungen von Herrn Erdogan zu dieser Frage sind zweideutig und entsprechend auch unterschiedlich interpretiert worden. Ich will vor dem Hintergrund der Anhörung und der sehr intensiven Debatten in der Enquetekommission Folgendes sagen, was unstreitig zu sein scheint oder was mir zumindest in der Wissenschaft und der Sprachpädagogik unstreitig zu sein scheint: