Protokoll der Sitzung vom 14.09.2011

Der sagt uns doch das genaue Gegenteil von dem, was er uns vorgelegt hat.

(Beifall der Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Norbert Schmitt (SPD))

Was ist aus dem immer wieder lautstark betonten Willen zur Haushaltskonsolidierung eigentlich geworden? Im

Ergebnis, schwarz auf weiß in den Haushaltsplan geschrieben, bleiben vergebliche Anstrengungen, mit faulen Tricks die eigene Rat- und Planlosigkeit zu vertuschen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Aber an den nüchternen Daten, Herr Finanzminister, erkennen wir die Fortsetzung des desaströsen weimarschen Verschuldungskurses.

Sie glauben es nicht? – Dann schauen Sie sich doch die Entwicklung des Schuldenbergs einmal genauer an. Wir haben es Ihnen hier in schwarzer bzw. schwarz-gelber Verantwortung dargestellt.

(Der Redner hält eine Grafik hoch.)

Sie merken durchgängig ein deutliches Ansteigen des Schuldenbergs. Damit Sie den Unterschied deutlicher erkennen können, verehrter Kollege Milde, haben wir die schrägen weimarschen Schuldenstreifen auf der Grafik für die neuen Planjahre durch schwarze Schäfchen ergänzt, um den Hinweis auf den jetzt verantwortlichen Schuldenmacher zu geben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eines ist klar: Die Entwicklung bleibt dieselbe. Der Schuldenberg wächst weiter. Sie sehen es.

Meine Damen und Herren, doch statt die um 1.500 Millionen € steigenden Steuereinnahmen als Ansporn zu nehmen, die Konsolidierung aktiv zu betreiben, plant der Finanzminister – wir hörten es bereits – eine zusätzliche Neuverschuldung von ebenfalls rund 1.500 Millionen €. Das ist nicht mehr der absolute Rekord wie in der Vergangenheit, aber immer noch deutlich oberhalb der Olympianorm, nach dem Motto: „Citius, Altius, Fortius“. Es gehört schon eine gehörige Portion an Dreistigkeit dazu, wenn Herr Schäfer auch noch per Pressemitteilung behauptet – ich zitiere –:

Wir haben den Abbaupfad ausgebaut zu einem gefestigten Weg, der zum Ziel Nettoneuverschuldung null führt.

Meine Damen und Herren, bislang gibt es weder von der Regierung und erst recht nicht von irgendeiner Regierungsfraktion ein Konzept zur Umsetzung der Schuldenbremse. Wir vernehmen nichts als dümmliche Sprüche – das haben wir gerade erlebt –, und Sie wissen gewiss, wer dabei den Vogel abgeschossen hat: „Das Geheimnis des Sparens liegt im Verzicht.“ Mehr muss man dazu nicht anmerken; denn diese Aussage aus dem Regierungslager wird wohl eher als Verzicht auf das Nachdenken verstanden. Daher rührt auch die konzeptionelle Leere.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Wolfgang Greilich (FDP): Wie schwach, wie schwach!)

Allein wir GRÜNE haben bereits zwei Konzepte – „Hessens Weg aus der Schuldenfalle“ im Januar 2010 und „Hessen tritt auf die Schuldenbremse“ im Oktober 2010 – vorgelegt. Die Absicht war, dass andere, insbesondere von der Regierungsseite, ihre Vorstellungen dagegenstellen, um dann in einem konstruktiven Streit Lösungen zu erarbeiten. Stattdessen sieht sich der Finanzminister in der Rolle des Pflasterers, der einen Pfad zu einem gefestigten Weg ausbauen will, der aber kein Konzept zur Schuldenbremse hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Finanzminister, in Wahrheit haben Sie bisher nichts ausgebaut. Sie haben sich wegen der sprudelnden Steuereinnahmen zufrieden zurückgelehnt, nach dem Motto: „Die fleißigen Hessinnen und Hessen werden meine Haushaltsprobleme durch ihre Arbeit schon beseitigen.“ Das wurde vorhin als Leistungsfähigkeit der hessischen Finanzpolitik bezeichnet. Das ist blanker Hohn. Es ist die Leistungsfähigkeit der Hessinnen und Hessen, die Ihnen Steuereinnahmen besorgen, aber nicht Ihre eigenen Tätigkeiten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Offensichtlich herrscht die Meinung: Ich brauche als Finanzminister nichts zu tun, außer weiterhin meine Sprüche zu klopfen und mir eine gute neue Presse zu verschaffen. – Ein solches Vorgehen mag als PR-Maßnahme taugen, hat aber nichts, und zwar gar nichts mit Konsolidierung zu tun.

Meine Damen und Herren, falls Sie Zweifel an meinen Aussagen haben sollten, schauen wir uns doch gemeinsam die Zahlen an. Im Finanzplan des vergangenen Jahres – es wurde schon darauf Bezug genommen – waren als Eckdaten folgende Zahlen genannt: Steuereinnahmen 13.324 Millionen €, Neuverschuldung 2.400 Millionen €. – Im jetzigen Finanzplan, der uns mit vorliegt, lauten dieselben Zahlen für 2012: Steuereinnahmen 14.891 Millionen €, Nettoneuverschuldung 1.536 Millionen €. – Da der Finanzplan immer den gesamten Ausgabenbedarf und die zu erwartenden Einnahmen gemeinsam bilanziert, kann man durchaus den Vergleich machen und feststellen, dass die Steuereinnahmen zwischen den beiden Betrachtungszeiträumen um 1.567 Millionen € steigen, die Nettokreditaufnahme aber nur um 864 Millionen € verringert werden soll. Also gehen mindestens die restlichen zusätzlichen Einnahmen, also gut 700 Millionen €, in zusätzliche, neue Ausgaben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Die sprudelnden Steuereinnahmen provozieren den Finanzminister zum zusätzlichen Geldausgeben. Das Wachstum der bereinigten Gesamtausgaben um die rund 700 Millionen € ist das Maß Ihres Fehlers. Obendrein ist offenkundig, dass die von Ihnen und den Koalitionsrednern mit triefendem Eigenlob präsentierte Senkung der Neuverschuldung – nicht wahr, Herr Kollege? – einzig und allein auf die steigenden Steuereinnahmen zurückzuführen ist. Eine gestaltende Aktivität des Finanzministers ist auch mit der Lupe nicht zu erkennen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Die Steuereinnahmen wirken auf den Finanzminister wie Stickoxidul – das ist Lachgas: Es nebelt ein und macht ihn fröhlich. Was indes dabei herauskommt, ist keineswegs zum Lachen.

Deshalb stelle ich fest: Der Haushaltsentwurf 2012 beweist, das lautstark verkündete Versprechen auf Haushaltskonsolidierung wurde gebrochen – wie so manche Versprechen dieser Regierung und der sie tragenden Koalition. Die Regierung und ihr famoser Finanzminister haben viel Erfahrung in großmäuligen Ankündigungen, aber keinerlei Plan, das Verkündete auch Wirklichkeit werden zu lassen: nichts als Nebel, Schall und Rauch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, damit sind wir bei einer weiteren Aussage des Finanzministers. Er hat sie schon bei der Vorstellung des Haushaltsplans vor der Presse hervorgehoben. Vorhin wurde sie auch schon länger thematisiert: Es geht darum, dass sich die Nettokreditaufnahme erstmals wieder innerhalb der „aktuellen Regelgrenze der Verfassung“ gehalten hat.

(Norbert Schmitt (SPD): Der aktuellen!)

Achtung, meine Damen und Herren, stutzen Sie bitte. Dies ist ein übler Trick. Die „aktuelle Regelgrenze“ ist nämlich eine ganz neue, eigene Definition des Finanzministers.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wenn wir den Maßstab der Verschuldungsgrenze gemäß Art. 141 der Verfassung des Landes Hessen anlegen, den wir gemeinsam verabredet hatten – das wurde bereits diskutiert –, dann überschreitet die für 2012 vorgesehene Nettokreditaufnahme diese Grenze deutlich, ganz egal, ob Sie den Wert kameral, wie es die SPD getan hat, oder doppisch aus der Bilanz entnehmen, wie wir das tun. Die Kreditaufnahme überschreitet die Summe der anrechenbaren, in der Verfassung sogenannten „werbenden“ Ausgaben um mehr als 50 %.

Herr Finanzminister, Ihre Formulierung „aktuelle Regelung der Verfassung“ meint also doch offensichtlich nicht den Bezug auf den noch gültigen Verfassungstext, sondern den Bezug auf eine neue, schuldenfördernde Interpretation dieser Vorschrift.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Was ist das anderes als der Versuch des Nebelwerfens, mit diesem Formulierungstrick? Glauben Sie wirklich, es merkt keiner? Sie tricksen und täuschen. Darin sind Sie eifrig. Viel sinnvoller wäre es, wenn Sie Ihren Eifer in die Konsolidierung investieren würden.

Meine Damen und Herren, ich lege allerdings Wert auf die Feststellung, dass ich dem Finanzminister Foulspiel und Unwahrhaftigkeit bei der Darstellung vorwerfe – aber nicht Verfassungsbruch, und deshalb auch keinen Rechtsstreit empfehle.

(Lachen der Abg. Judith Lannert (CDU))

Tatsächlich gibt es unter Juristen durchaus – und zwar häufig – die Auffassung, dass man auch Zuschüsse für Investitionen Dritter mit Kredit finanzieren kann,

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

sodass man notfalls die gesamte Nettokreditaufnahme noch unter diese Investitionssumme quetschen könnte. Dass dies alles – oder vieles davon – für das Land keine „werbenden“ Ausgaben sind und damit dem Geist der Verfassung nicht entspricht, das allerdings sollte unstrittig sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich stelle fest: Der Haushaltsentwurf beweist, der selbst ernannte Vorkämpfer der Schuldenbremse greift unverfroren zum Täuschungsmanöver, um seine faktische Verweigerung von Konsolidierungsanstrengungen bemänteln zu können. Das, was wir in Hessen immer als die Verfassungsgrenze der Neuverschuldung definiert haben, und zwar gemeinsam, wird je

denfalls von diesem Haushaltsentwurf deutlich überschritten – und das bei gleichzeitig sprudelnden Steuereinnahmen in Rekordhöhe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Norbert Schmitt und Lisa Gnadl (SPD))

Meine Damen und Herren, in gewisser Weise kann man ja nachvollziehen, warum der Finanzminister bei der Bewertung der Kreditaufnahme sein Heil in der Täuschung sucht. Es war im Frühjahr dieses Jahres, genau am 11. Februar, also sechs Wochen vor der Kommunalwahl und vor dem Volksentscheid zur Schuldenbremse, da ist er mit seinem Aufstellungserlass für den Haushalt 2012 kraftvoll als Konsolidierer aufgetreten. Aus dem nunmehr vorliegenden Haushaltsentwurf erkennen wir, dass hier der berühmte springende Tiger wieder einmal als Bettvorleger gelandet ist. Herr Finanzminister, rund 90 % Ihrer Sparvorgaben aus dem genannten Erlass sind verpufft.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Das heißt, es wurden nicht weniger, sondern mehr Ausgaben veranschlagt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wenn man dazu noch den Vergleich mit der Finanzplanung macht – ich habe das bereits angesprochen –, dann lautet die ernüchternde Bilanz, dass die Regierung im kommenden Jahr nunmehr knapp 850 Millionen € mehr ausgeben will, als sie noch vor zwölf Monaten geplant hatte. Dafür aber gibt es keine erkennbaren sachlichen Gründe.

(Norbert Schmitt (SPD): Ja!)

Daran erkennt man lediglich deutlich, dass die Zuwächse der Steuereinnahmen bei der Regierung zum Anziehen der Spendierhosen geführt haben. In diesem Kleidungsstück vergisst man wohl, dass tatsächlich noch erheblicher Konsolidierungsbedarf besteht.