Protokoll der Sitzung vom 21.04.2009

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt ist das Vermögen bis auf einen kläglichen Rest weitestgehend verschleudert und auch gegenwärtig unverkäuflich. An Rücklagen ist kaum noch etwas Nennenswertes vorhanden, sieht man einmal von der zweckgebundenen Rücklage aufgrund der Neubewertung des Sondervermögens Wohnungswesen und Zukunftsinvestitionen ab, die von Herrn Weimar auch schon einmal zur kurzfristigen Verringerung des Kreditbedarfs im Haushalt versenkt werden sollte.

Wenn die Einnahmeseite also derart schlecht aussieht, dann geht es nicht mehr um die Darstellung virtueller Einnahmen und Darstellungen zur Vertuschung, sondern dann geht es um mehr. Herr Finanzminister, dann hilft Budgetmanagement in Form eines Fantasieabenteuers überhaupt nicht mehr weiter. Hier muss in der Wirklichkeit gespart werden.

Deswegen muss sich ein Finanzminister in einer solchen Situation zuallererst die Ausgabenseite vornehmen und für wirksame Einsparungen sorgen. Herr Weimar, dies wurde von Ihnen trotz Mahnungen nicht nur von der Opposition dieses Parlaments stets unterlassen, weil die Harmonie im Kabinett und die Bedienung der eigenen Klientel offensichtlich wichtiger waren als eine wirksame Haushaltskonsolidierung. Der Finanzminister Karlheinz Weimar hat es sich mit seiner Finanzwirtschaft nämlich längst in der schönen virtuellen Welt der Blasenökonomie bequem gemacht. Dabei raucht er geruhsam sein Pfeifchen.

Angesichts dieser Situation gibt es für die gesamte Regierung und für den Finanzminister nur noch eine Rettung: die Krise. Sie kommt ihm wie gerufen. Sie allein rettet ihn nämlich nicht nur vor dem endgültigen finanzpolitischen Untergang.

Klar und deutlich ausgesprochen heißt das also: Nicht Weimar rettet uns, die hessischen Bürgerinnen und Bürger und die heimische Wirtschaft, vor der Wirtschaftskrise und ihren Folgen. Nein, die Finanzkrise rettet Finanzminister Weimar vor dem Offenbarungseid infolge seiner jahrelangen desaströsen Verschuldenspolitik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Norbert Schmitt und Nancy Faeser (SPD))

Meine Damen und Herren, wenn Sie das nicht glauben wollen, erinnern Sie sich bitte an das Unternehmensstabilisierungsgesetz, das wir am 19. November letzten Jahres an einem Tag durch das Parlament bringen und verabschieden mussten. Der Grund für die Eilbedürftigkeit bestand darin, dass in Hessen ohne dieses Gesetz ab Beginn dieses Jahres überhaupt keine Bürgschaften für die Wirtschaft mehr hätten vergeben werden können, weil die Landesregierung und bei ihr insbesondere der zuständige Finanzminister es offensichtlich schlichtweg übersehen hatten, dass die Vergabe von Bürgschaften vom Haushaltsgesetz abhängt, dessen Bearbeitung Herr Weimar nach dem Motto eingestellt hatte:„Ich bin dann mal weg.“

Der rettende Anlass für dieses Gesetz, das Unternehmensstabilisierungsgesetz, war dann unstrittigerweise die gemeinsame Sorge um die Entwicklung bei Opel, sodass in der damaligen Debatte Herr Kollege Al-Wazir schon völlig zu Recht feststellen konnte:

Opel rettet Weimar, nicht andersherum.

Aktuell ist es noch sehr viel deutlicher: Unter dem Vorwand, gegen die Wirtschafts- und Finanzkrise aktiv werden zu müssen, wird ein Schulden-Tsunami produziert, der alles wegspült. Er überflutet auch das weimarsche Finanzdesaster, sodass man es in den trüben Fluten nicht mehr ohne Weiteres erkennen kann. Allerdings beseitigt er es nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Gegenteil, der Schulden-Tsunami verursacht gewaltige zusätzliche Schäden, die sehr bald danach ans Licht kommen werden. Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, deshalb nützt es Ihnen am Ende auch nichts, wenn Sie jetzt die Kritik an der neuen Rekordverschuldung verleumden, wie es der Kollege Blum versucht hat.

Es ist natürlich sinnvoll, in der Krise gegenzusteuern und Investitionen zu fördern. Wichtig wäre dabei allerdings, dass diese Investitionen nachhaltig und auch rentierlich wirksam sind, was man bei dem Programm der Landesregierung leider nicht so ohne Weiteres bestätigen kann. Wichtig wäre obendrein,dass man tatsächlich antizyklisch agiert, dass man in guten Zeiten Vorsorge getroffen, für Wirtschaftskrisen Vorräte angelegt und Reserven aufgefüllt hat. Doch genau das ist nicht der Fall. Jahrelang wurde nach dem Motto der Marquise de Pompadour „après nous le déluge“ gelebt. Sie haben es heute Morgen in der „FAZ“ gelesen. Herr Lückemeier hat es im Deutschen „Und nach uns die Sintflut“ bereits sogar zum Thema seines Kommentars genommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses eher herablassend absolutistische Motto wurde von Weimar praktiziert, sodass man sich jetzt wirklich nicht zu wundern braucht, wenn die Sintflut der Schulden tatsächlich kommt.Wir werden noch zu betrachten haben, inwieweit die neuen Schulden zur Finanzierung der Konjunktur in Wirklichkeit erforderlich sind oder vielleicht ganz anderen Zwecken dienen.

Meine Damen und Herren, im Rahmen der Beratung des Landeshaushalts in erster Lesung stehen traditionell die finanzwirtschaftlichen Aspekte des Zahlenwerks und die dazugehörige Finanzplanung im Vordergrund. Deshalb will ich heute hier von mir aus die inhaltlichen Aspekte eher hintanstellen.Auch dazu wäre allerdings vieles anzumerken – die Zeit würde nicht ausreichen.

Allein die finanzwirtschaftlichen Daten sind schon niederschmetternd genug. Und was einen besonders empört, ist der beim Finanzminister überhaupt nicht erkennbare Wille, seines Amtes zu walten. Ein Finanzminister hat in der harten Realität der Zahlen und Fakten zu arbeiten und sich nicht zum Zwecke der Selbstbelobigung in Fiktionen zu flüchten. Denn, es ist noch nicht lange her, seit der Präsentation des Jahresabschlusses für das Haushaltsjahr 2008 – das war genau heute vor vier Wochen – kennen wir einen neuen Begriff aus der weimarschen Trickkiste: die fiktive Nettokreditaufnahme. Dies hat jetzt nichts mit der weltweiten Bankenkrise zu tun, sondern heißt nur, dass Karlheinz Weimar ein ganz toller Kerl ist. Beifall?

(Minister Karlheinz Weimar: Das ist wahr!)

Er stimmt zu. – Weil er eigentlich noch viel mehr Schulden hätte machen können, vielleicht auch wollen, und er aus Versehen davon abgelassen hat. Hinter dieser vermeintlichen finanzpolitischen Großtat verbirgt er geschickt die Tatsache, dass er das vom Haushaltsgesetzgeber für 2008 genehmigte Kreditvolumen mal eben um fast 350 Millionen c überschritten hat. Doch die Leute sind ja froh. Sie sollen froh sein, denn es hätte nach der weimarschen Fiktivrechnung noch viel schlimmer kommen können.Es hätten locker insgesamt 1,5 Milliarden c sein können. Das heißt eine Überschreitung von fast 1 Milliarde c bezüglich der Genehmigung.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen dazu: Wer als Finanzminister eine solch dramatische Überschreitung der Kreditermächtigung des Haushaltsplanes zu verantworten hat und auch noch bejubelt, dass er seine selbst ermittelte fiktive Nettokreditaufnahme nur zu 59 % ausgeschöpft hat, der ist als Taschenspieler entlarvt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Herr Finanzminister, warum nehmen Sie nicht noch eine höhere fiktive Nettokreditaufnahme an? Mit der vom Landtag genehmigten Höhe hat dies alles sowieso nichts zu tun. Dann könnten Sie z. B. feststellen, dass dank Ihrer exzellenten Finanzwirtschaft nur ein Drittel der fiktiven Kredite benötigt wurden.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Dies wäre doch dann Anlass zu noch größerem Jubel bei der CDU. Kollege Milde, ich schlage Ihnen deshalb die Schaffung einer neuen Haushaltskennzahl vor.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Gut!)

Wir definieren sie als die Differenz des Verhältnisses von realer zu fiktiver Nettokreditaufnahme zur Zahl 1 – die fiktive Nettokreditaufnahme, selbstverständlich eine Definition des Finanzministers –, und wir nennen diese neue Kennzahl am besten WEQ,Weimareffizienzquotient.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er bewegt sich immer zwischen null und eins, je nach Größe der Fiktion.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Meine Damen und Herren,ich denke,auch Ihnen ist deutlich geworden, dass zurzeit der völlig falsche Mann auf dem Stuhl des Finanzministers sitzt. Die fiktive Nettokreditaufnahme hat das eindrucksvoll nachgewiesen. Es be

stätigt sich weiterhin nachdrücklich, wenn man in die weimarsche Finanzplanung genauer hineinschaut und sich vor Augen führt, was denn seine Absichten für 2009 und die folgenden Jahre sind.

Diese Frage beantwortet äußerst deprimierend die Abbildung 18 im Finanzplan auf Seite 49. Dort wird einmal wieder – wir bleiben im Fiktiven – die real nicht gegebene, also auch nur fiktive Beziehung der Belastung des Landes Hessen durch den Länderfinanzausgleich einerseits zu der Nettokreditaufnahme im Haushalt andererseits dargestellt.

Wir haben es heute schon mehrfach gehört. Für die vergangenen zehn Jahre der weimarschen Residenz und die aus seiner Sicht noch einmal fünf Jahre nebeneinandergestellt: Bislang stiegen die Schulden unter Weimar pro Jahr durchschnittlich um rund 1 Milliarde c, nämlich in zehn Jahren um 10,43 Milliarden c, während in den Länderfinanzausgleich durchschnittlich 2,19 Milliarden c zu zahlen waren. Also wurden nur rund 47 % der Leistung in den LFA auf Pump finanziert und damit 53 % aus eigenen Mitteln.

In den kommenden fünf Jahren sollen es allerdings schon fast 63 % sein, denn Weimar plant im Durchschnitt eine Nettokreditaufnahme von 1,64 Milliarden c bei einer Zahllast in den Länderfinanzausgleich von durchschnittlich 2,62 Milliarden c.

Die Zahlung in den Länderfinanzausgleich finanziert das Land also unter seiner Verantwortung mit einem wachsenden Anteil von Krediten.Der Kollege Blum hat vorhin darauf hingewiesen, dass man für das Jahr 2009, das wir unmittelbar beraten, von einer nahezu 100-prozentigen Finanzierung ausgehen kann. Meine Damen und Herren, jeden Privaten, der seine Steuern aus Bankkrediten bezahlt,führt eine solche Finanzplanung binnen Kurzem vor den Insolvenzrichter, möglicherweise gar ins Gefängnis.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Der Finanzminister glaubt offensichtlich, dass er sich dies erlauben kann und mit ihm die ganze hessische Bevölkerung, die es am Ende zahlen muss.

Meine Damen und Herren,ein Weiteres zeigt uns auch die schon zitierte Abbildung in brutaler Klarheit. Am Ende des Jahres 2012, also am Ende des Finanzplanungszeitraumes und noch knapp vor dem regulären Ende dieser Legislaturperiode, wird der Finanzminister Weimar, so er so lange durchhält und nicht wieder vorher weg ist, mehr als eine ganze ungekürzte Jahressteuergesamteinnahme an eigenen Schulden gemacht haben. Das heißt, alle Steuereinnahmen Hessens innerhalb eines Jahres reichen dann nicht mehr aus, um die Schulden abzutragen, die Weimar als Finanzminister zu verantworten hat.

Meine Damen und Herren, wie wenig ernsthaft der Wille zur tatsächlichen Haushaltskonsolidierung aufseiten der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen tatsächlich ist, wird doch aus den Ausflüchten deutlich, die Weimar bei der öffentlichen Präsentation des Haushalts vortrug. Er präsentierte unter anderem einen Chart, auf dem man lesen konnte: Reduzierung der Neuverschuldung um 1 Milliarde c würde bedeuten, 25.000 Stellen in der Landesverwaltung zu streichen oder 18.000 Lehrer zu entlassen oder den Steuerverbundsatz für den KFA von 23 auf 15 % zu reduzieren. So steht es im Chart.

Das heißt, es werden Horrorszenarien präsentiert, um die Unmöglichkeit der Sparforderung vermeintlich zu bele

gen. Herr Finanzminister, da frage ich aber: Warum denn so zaghaft? Wenn Sie 2.500 Millionen c, also 2,5 Milliarden c, Schulden eingeplant haben, dann müssten Sie, um diese zu vermeiden, 62.500 Stellen in der Landesverwaltung streichen oder 45.000 Lehrer entlassen oder den KFA-Satz um 20 auf 3 % reduzieren. Warum sagen Sie dies nicht gleich? – Ich kann nur sagen: Willkommen in Absurdistan, Herr Finanzminister.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jedem ist doch sowieso klar, dass dies alles offenkundiger Unfug ist und nur den Ausweis der Feigheit darstellt, für das eigene Tun einzustehen. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass noch nicht einmal alle Pflichtaufgaben vollständig in der Finanzplanung berücksichtigt sind. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur einmal an den Tarifabschluss und seine Übertragung auf die Beamtinnen und Beamten des Landes, was noch einzupreisen wäre. Der Kollege Blum hat dies schon bestätigt.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er hat es nicht gewusst, aber bestätigt!)

Meine Damen und Herren – damit meine ich mehr das Publikum als die verehrten Kolleginnen und Kollegen hier im Rund –, wann endlich hat die Mär ein Ende, dass die Schwarzen sorgfältig mit Geld umgehen könnten?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ist denn die weltweite Finanzkrise nicht auch ein offenkundiger Beweis dafür, dass die Konservativen – ich erinnere an solche Galionsfiguren der Konservativen wie den speziellen Freund unseres Ministerpräsidenten, den ExUS-Präsidenten George W. Bush – ebenso wie die Marktliberalen wirklich keinerlei Vertrauen bezüglich ihres Umgangs mit Vermögenswerten verdienen? Deshalb mahne ich dringlich: Beenden Sie unverzüglich Ihren Irrglauben an solide Grundwerte im konservativen Finanzgebaren. Meine Damen und Herren, da werden Sie nicht geholfen, sondern abgezockt und hinters Licht geführt, auch und gerade beim Umgang mit öffentlichen Geldern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Meine Damen und Herren, dass dies alles so schlimm ist und dass auch die Hessische Landesregierung nicht bereit ist, ihren seit Jahren nicht nur von uns GRÜNEN kritisierten Kurs der finanzpolitischen Verantwortungslosigkeit endlich zu verlassen, liegt auch an der vollständig fehlenden Ernsthaftigkeit bei der Vorgabe der eigenen Ziele.

Für die Landesregierung und ihre Parlamentsmehrheit ist das alles nur eine Frage der Darstellung – und die glauben Sie mit einer hinreichenden Zahl von Mätzchen und sonstigen coolen Sprüchen so gestalten zu können, dass Sie sich dahinter wirklich alles erlauben.