Antrag der Abg. Decker, Frankenberger, Grumbach, Siebel, Warnecke, Waschke (SPD) und Fraktion betreffend „Guter Lohn für gute Arbeit“ muss auch für Bodenverkehrsdienste gelten – Deregulierung der Bodenverkehrs
Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Bodenverkehrsdienste am Flughafen Frankfurt – Drucks. 18/4705 –
Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Bodenverkehrsdienste am Flughafen Frankfurt – Qualität und Sicherheit der Bodenverkehrsdienste haben höchste Priorität – Drucks. 18/4715 –
Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE betreffend CDA-Vorstoß zum Mindestlohn weist in die richtige Richtung – Drucks. 18/4668 –
Für die gemeinsame Debatte sind zehn Minuten Redezeit je Fraktion vereinbart. Zuerst hat sich der Kollege Decker von der SPD-Fraktion gemeldet.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der November ist der Monat des Nebels. Genau in diese Jahreszeit passt der Beschluss, den die CDU am Montag auf ihrem Parteitag zum Mindestlohn gefasst hat.
Die Kanzlerin und ihre CDU-Flügel haben sich mit viel Bedacht und aus machtstrategischen Gründen in diese Nebelschwaden geflüchtet, in denen von einem einheitlichen Mindestlohn leider gar nichts mehr zu erkennen ist. Diese Strategie war offenbar wichtiger als die Interessen von Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die für einen Hungerlohn arbeiten müssen.
Zwar hat die CDU das Problem mit den Dumpinglöhnen erkannt, gleichzeitig auch begriffen, dass man endlich etwas dagegen unternehmen muss, so wie die SPD das seit Jahren fordert. Das ist zu loben, es ist ein Schritt nach vorne. Immerhin wollen wir das konzedieren.
Aber von dem ursprünglichen Vorstoß der Kanzlerin für einen einheitlichen Mindestlohn, der die Republik aufhorchen ließ, ist nicht mehr viel übrig geblieben. Die Kanzlerin ist als Tigerin gesprungen und als Bettvorlegerin gelandet, eingeknickt vor dem Wirtschaftsflügel und anderen Hardlinern, zulasten des CDA-Arbeitnehmerflügels.
Zu diesen Hardlinern gehören, wie so oft, Ministerpräsident Bouffier und weite Teile Ihrer hessischen CDU. Sie waren von Anfang an dagegen und haben dies bei jeder Gelegenheit laut herausposaunt oder von einem Generalsekretär verkünden lassen. Wie wenig der Ministerpräsident von dem Leipziger-Allerlei-Beschluss hält, hat er gleich danach in der „Rheinischen Post“ zum Besten gegeben. Für ihn ist der Mindestlohn nur ein Symbolthema und die Lohnuntergrenze nur eine Orientierung, aber keine Richtschnur. – Nein, das ist es eben nicht. Ein einheitlicher Mindestlohn ist eine existenzielle Frage für Millionen Menschen.
Wenn der Mensch von seiner Hände Arbeit sich selbst, geschweige denn seine Familie, nicht mehr ernähren kann, dann hat das nichts mehr mit sozialer Marktwirtschaft zu tun, verstehen Sie das bitte endlich. Deshalb werden wir auch in diesem Hause keine Ruhe geben.
Die Antwort darauf, warum wir keine Ruhe geben werden, findet sich unter anderem in dem Parteitagsbeschluss der CDU, und den schauen wir uns etwas näher an. Das Motto lautet: alles kann, nichts muss.
Eine Lohnuntergrenze, wie Sie das nennen, ist nichts anderes als ein gesetzlicher Mindestlohn. Aber wenn es Ihnen besser gefällt und es Ihnen hilft, können wir es auch so nennen.
Man kann zur Not damit leben, dass eine Lohnuntergrenze von einer paritätisch besetzten Kommission festgelegt wird. Das ist durchaus in Ordnung. Aber was genau legt diese Kommission fest, und wie und wodurch bildet sich die Kommission ihr Urteil? Was ist für die Kommission eine angemessene Höhe, und soll die Kommission das am Ende verbindlich selbst regeln? Wie soll das gehen, oder übernimmt die Bundesregierung die Empfehlung der Kommission? Wird sie das dann par ordre du mufti verkünden, wird es dazu eine Verordnung geben, oder gibt es am Ende vielleicht doch ein Gesetz?
Meine Damen und Herren, das Fazit ist: Diesem Beschluss fehlt es an jeglicher Rechtsverbindlichkeit. Das ist der erste Konstruktionsfehler.
Statt eines einheitlichen verbindlichen Mindestlohns sollen nach Branche oder gar Region unterschiedliche Lohnuntergrenzen möglich sein. Das würde am Ende einen unendlichen Tarifwirrwarr auslösen und einen Flickenteppich unterschiedlichster Untergrenzen verursachen. Außerdem eröffnet es die Frage: Warum ist die Arbeit einer Friseurin oder eines Lkw-Fahrers oder vieler anderer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Meck-Pomm wesentlich weniger wert als in Hessen? Das ist der zweite Konstruktionsfehler.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Günter Rudolph (SPD): Weil Bouffier das behauptet!)
Die Lohnuntergrenze soll sich entgegen ersten vollmundigen Ankündigungen der Kanzlerin nun doch nicht am Mindestlohn der Zeitarbeit orientieren. Das heißt, die Richterskala bleibt nach unten offen. Das ist übrigens die dickste Kröte, die der arme Karl-Josef Laumann schlucken musste – dritter Konstruktionsfehler.
Die sogenannte Lohnuntergrenze soll nur dort von den Tarifpartnern vereinbart werden, wo es keine Tarifverträge gibt. Das erscheint auf den ersten Blick schlüssig, aber auf den zweiten, genauen Blick wird das Problem sichtbar. Es gibt Tarifverträge, die, wie immer sie damals zustande gekommen sind, Löhne vorsehen, die weit von vernünftigen Mindestlöhnen entfernt sind. Mit anderen
Worten: Viele Friseurinnen und Floristen und viele andere müssen auch in Zukunft immer noch für Löhne von zum Teil unter 5 € pro Stunde arbeiten. Das geht nicht, und das ist wahrscheinlich der schwerwiegendste Konstruktionsfehler.
Alles in allem sind dies berechtigte Kritikpunkte der Gewerkschaften, die wir ausdrücklich teilen. Das größte Problem wird allerdings in einem ganz anderen Punkt bestehen. Sie werden wahrscheinlich noch nicht einmal diesen Minimalbeschluss in die Praxis umsetzen können, weil Sie die Rechnung ohne Ihren Koalitionspartner FDP gemacht haben. Denn die halten davon, egal wie eine Regelung aussehen wird, schlichtweg gar nichts, und ich weiß aus Gesprächen in diesem Hause, dass man ausdrücklich Wert darauf legt, hier von der CDU unterschieden zu werden.
Meine Damen und Herren, wie schon einmal hier gesagt: Beton kann man nicht geschmeidig machen. Da hilft im Grunde genommen nur sprengen. Bei 2 % braucht man dafür auch nicht mehr viel Sprengstoff, eine kleine Anmerkung des Hauses.
Aber ich frage Sie allen Ernstes, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP: Wo um Gottes willen ist das eins tige sozialliberale Verantwortungsbewusstsein dieser Partei bloß geblieben?
Meine Damen und Herren von der CDU, ein echter Mindestlohnbeschluss, den die SPD mit Ihnen gemeinsam durch den Bundestag und den Bundesrat getragen hätte, wäre eine historische Weichenstellung gewesen. Das, was herausgekommen ist, ist das Ergebnis eines Parteitags deals im Hinterzimmer. Der innerparteiliche Frieden der CDU mag dadurch vorerst gerettet sein, aber den betroffenen Menschen haben Sie einmal wieder nicht geholfen.
Wenn sich die Nebelschwaden verzogen haben, wird man am Ende des Tages wohl feststellen müssen, dass eine maximale Enttäuschung über die CDU-Mindestlohnentscheidung herrscht.
Meine Damen und Herren, diesen nebulösen und windelweichen Formelkompromiss wollen und dürfen wir aber nicht hinnehmen. Deshalb legen wir Ihnen heute erneut einen Antrag auf den Tisch.
Wer es mit einem fairen Mindestlohn in Deutschland ernst meint und soziale Verantwortung in sich trägt, der kann sich diesem Antrag nicht verweigern.
Meine Damen und Herren, wie wichtig das Thema „gute Löhne für gute Arbeit“ auch hier in Hessen ist, wird ganz aktuell an einem sehr konkreten Beispiel deutlich, nämlich an der drohenden Deregulierung der Bodenverkehrsdienste am Frankfurter Flughafen durch eine neue EUVerordnung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen gemeinsam alles daransetzen, dass dies verhindert wird.
Wir haben sehr aufmerksam gelesen, was Sie verteilt haben, und stehen an dieser Stelle hinter Ihnen. Ansonsten droht uns eine weitere Verschärfung des Wettbewerbs auf den Flughäfen, vor allem durch Billiganbieter. Damit droht uns gleichzeitig eine deutliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und der Löhne für Tausende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Im Jahr 1996 hat schon einmal eine Liberalisierungsrichtlinie zu jährlichen Personalkosteneinsparungen in Höhe von 24 Millionen € geführt. Sie können sich vorstellen, wie immens der Druck auf alle Betroffenen damals war und noch heute ist. Diese Einsparungen kommen uns alle am Ende teuer zu stehen.
Eine weitere Marktöffnung würde nicht nur zulasten der Bediensteten gehen, sondern auch zulasten der Qualität und der Sicherheit am Flughafen. Im Übrigen würde die gleichzeitig geforderte künftige Trennung zwischen Flughafenbetreiber und Bodenverkehrsdienstleistern auch zu erheblichen Reibungsverlusten in den Dienstabläufen führen.