Protokoll der Sitzung vom 14.12.2011

(Beifall des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Zweite Bemerkung. Herr Kollege Müller, ich fand es gut, dass Sie sich wohltuend von Herrn Kollegen Dr. Büger abgesetzt haben. Sie haben die zahlreichen Studierenden, die wir momentan an den Hochschulen haben, nicht als Problem dargestellt, sondern Sie haben das durchaus positiv hervorgehoben. Es ist doch kein Problem, dass wir viele Studierende haben. Das ist doch für unser Land eine Chance, für ein Hochtechnologieland, das mehr Studierende braucht und nicht weniger. Deshalb ist es richtig, dass wir viele Studierende haben.

(Beifall bei der SPD)

Ich will es noch einmal sagen: Ich halte es für richtig – ich lobe das ausdrücklich –, dass diese Koalition nicht auf die Idee gekommen ist, die Studiengebühren wieder einzuführen. Das ist nämlich der Beitrag dafür gewesen, dass so viele Studierende auch aus sozial benachteiligten Schichten die Chance haben, zu studieren. Jetzt müssen wir damit umgehen, so viele Studierende zu haben. Wir müssen diese Chance nutzen, und wir müssen sie nach Möglichkeit mit hoher Qualität ausbilden.

(Beifall der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel und Lisa Gnadl (SPD))

Ich möchte jetzt noch einmal auf die Frage eingehen, ob wir ein Problem haben oder ob wir kein Problem haben. Herr Kollege Spies hat mir gerade eben noch einmal die Zahlen zugeschoben. Er hat das ausgerechnet. Im Jahr 2000 haben wir in der Tat bei der durchschnittlichen Finanzierung der Studienplätze 23 % über dem Bundesdurchschnitt gelegen. Im Jahr 2006 sind wir gegenüber dem Bundesdurchschnitt der Flächenländer auf minus 423 € zurückgefallen. Im Jahr 2009 liegen wir in Hessen gegenüber den Flächenländern um 690 € pro Studienplatz an Zuweisungen hinter dem Bundesdurchschnitt.

Wer sich jetzt hinstellt und sagt, dass diese Tatsachen kein Problem bzw. keine Herausforderung sind, der verschließt die Augen. Ich möchte uns gerne alle auffordern, dass wir

uns gemeinsam diesem Problem stellen. Denn ich halte es für ein zentrales und ein eklatantes Problem in diesem Land. Es bedarf aller Bemühungen, dagegen vorzugehen. Man darf das hier im Hessischen Landtag nicht schönreden.

(Beifall der Abg. Gernot Grumbach und Abg. Lisa Gnadl (SPD)

Ich möchte deshalb eines anregen. Wir hatten in der Vergangenheit eine Situation, bei der der Ministerpräsident interveniert hat. Da ging es um Fragen der Energie. Wir, die Vertreter der Hochschulen, der Verbände und aller Fraktionen des Hessischen Landtags sollten uns zusammensetzen, um im Rahmen eines Hochschulgipfels genau diese Probleme als Thema aufzurufen. Wir sollten hergehen und das mit den Betroffenen, aber auch mit denen, die etwas dazu beitragen können, besprechen.

Das Hochtechnologieland in der Mitte Deutschlands muss hinsichtlich der Studienbedingungen wieder in eine Spitzenposition gebracht werden. Dahin müssen wir kommen. Deshalb müssen wir diese Fragestellung aufrufen.

Im Zusammenhang mit dieser Fragestellung möchte ich auch sagen, dass nicht alles, was in Hessen gemacht wird, schlecht ist. Das Programm LOEWE hat natürlich auch gute Seiten. Das Programm HEUREKA ist in Ordnung. Es muss nur einmal neu durchgerechnet werden. Dirk Metz hat damals in die Presseerklärung hineingeschrieben, es gebe dafür 3 Milliarden €. Das muss jetzt neu unterlegt werden. Das wissen wir doch alle gemeinsam.

Diesen Herausforderungen müssen wir uns gemeinsam stellen.

Herr Siebel, kommen Sie bitte zum Schluss Ihrer Rede.

Ich möchte noch drei abschließende Bemerkungen machen.

Erstens. Wir müssen die Frage der Grundfinanzierung aufrufen.

Zweitens. Ich fordere nachhaltig, dass ein Notprogramm in Höhe von 50 Millionen € aufgelegt wird, um die aktuell bestehenden Probleme bearbeiten zu können.

Letzte Bemerkung. Das ist in dieser Diskussion ein bisschen zu kurz gekommen. Wir müssen uns auch der Situation hinsichtlich des Wohnraums für Studenten stellen. Denn Studierende, die keinen Wohnraum haben, können auch nicht gut und qualifiziert studieren. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Siebel, vielen Dank. – Frau Sorge, Sie haben in der zweiten Runde erneut fünf Minuten Redezeit.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, dass es generell in der Politik, aber gerade auch bei diesem bedeutsamen Thema wichtig ist, richtig zuzuhören bzw.

richtig zu lesen. Denn wenn wir die Argumente nicht kennen, können wir nur schlecht über die besten Lösungen der Probleme streiten.

Die Ministerin und, so glaube ich, auch beide Redner der Regierungsfraktionen haben behauptet, dass sich die hessischen Universitätspräsidentinnen und Universitätspräsidenten im positiven Sinne auf den hessischen Hochschulpakt berufen würden. Da es bei dieser Äußerung allein darum ging, dass die Mehrkosten aufgrund der Tarifsteigerung jetzt in Teilen wieder im Hochschulpakt enthalten sind, würde ich diese Passage gerne vorlesen, damit hier kein falsches Bild hinsichtlich dessen entsteht, was sich die Präsidien der Universitäten von der Landesregierung wünschen. Der dritte Absatz des Appells lautet:

Wir begrüßen es ausdrücklich, dass sich das Land im hessischen Hochschulpakt bereit erklärt hat, sich an den Mehrkosten aus Tarifsteigerungen ab 2013 wieder zu beteiligen.

So lautet das eingeschränkte Lob.

Dennoch bleibt die Situation für die Universitäten 2011 und 2012 prekär. Angesichts der außerordentlichen Lehrbelastung auf der einen Seite und auf der anderen Seite erneut gestiegener Steuereinnahmen... appelliert die KHU an die Wiesbadener Regierung, die Kosten für die Tarif- und Gehaltssteigerungen der Angestellten und Beamten 2011 und 2012 von rund 28 Millionen € rückwirkend zu übernehmen. Andernfalls hätten die hessischen Universitäten eine weiterhin schleichende Auszehrung ihrer Budgets hinzunehmen. Da infolge der bereits stattgefundenen Kürzungsrunden inzwischen verfügbare Einsparpotenziale weitgehend ausgeschöpft und verbliebene Rücklagen nicht beliebig abbaubar sind, ließe sich ein drohendes Defizit nurmehr durch einschneidende Maßnahmen wie Wiederbesetzungssperren abwenden, was de facto einem Jobabbau gleichkäme. Das wiederum wäre angesichts der außergewöhnlichen Belastung infolge des Studierendenaufwuchses extrem kontraproduktiv und in Hinblick auf den immer schärfer werdenden globalen Wettbewerb um Fachkräfte auch politisch ein falsches Signal.

Meine Damen und Herren, ich fände es wirklich schön, wenn Sie diesen Appell, die Signale, die aus den Hochschulen kommen, wenigstens erst einmal wahrnehmen würden. Sie sollten wenigstens erst einmal zuhören und sollten nicht den Mitgliedern der Präsidien die Worte im Mund herumdrehen, bevor Sie sich mit diesen Argumenten auseinandersetzen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel und Lisa Gnadl (SPD))

Frau Sorge, danke. – Frau Kollegin Wissler hat sich ebenfalls zum zweiten Mal zu Wort gemeldet. Frau Wissler, auch für Sie gibt es fünf Minuten Redezeit.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ministerin, Sie haben hier noch einmal Ihre Zahlen vorgelegt und gesagt, es sei gar nicht so, wie die Vertreter der Hochschulen es sagen würden, es seien nicht 40 % mehr Studienan

fänger, sondern nur 30 %, deswegen sei alles gar nicht so dramatisch. Da braucht man nur in den Haushaltsplan zu sehen: Frau Ministerin, Fakt ist, dass wir an den meisten Hochschulen die Situation haben, dass die Hälfte der Studienplätze überhaupt nicht finanziert ist. Das heißt also, dass ein Großteil der Studienplätze Überlast ist, die die Hochschulen trotzdem anbieten müssen. Die Hochschulen haben da also Kosten, die vom Land überhaupt nicht finanziert werden.

Zweitens. Es reicht natürlich nicht, sich nur die schnöden Zahlen anzuschauen. Vielmehr muss man sich anschauen, welche Bedingungen wir an den Hochschulen vorfinden. Wenn Sie heute die Hochschulen besuchen, werden Sie feststellen, dass es überfüllte Seminarräume und überfüllte Hörsäle gibt.

Frau Ministerin, im Zweifelsfall ist es doch ziemlich wurscht, ob 50 oder 80 Studierende in einem überfüllten Seminar keinen Platz mehr finden. Es gibt immer zu viele Studierende, wenn es nicht genügend Lehrangebote, gemessen an der Anzahl der Studierenden, gibt.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Ministerin, Sie haben gesagt, Sie wollten die Situation an den Hochschulen begleiten. Ich halte es nicht für die Aufgabe der Landesregierung, die Situation an den Hochschulen zu begleiten. Ich halte es für die Aufgabe der Landesregierung, die Probleme zu lösen und die Vertreter der Hochschulen ernst zu nehmen. Für die Hochschulen braucht man doch keinen Gesprächskreis, sondern die Hochschulen brauchen Lösungen für ihre ganz konkreten Probleme.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Ministerin, an der Stelle wird doch das ganze Gerede von der angeblichen Autonomie der Hochschulen völlig zur Farce. In dem Moment, in dem Sie die Mittel derartig kürzen, tritt doch die Situation ein, dass die ganze Freiheit der Hochschulen darin besteht, dass sie Mangelverwaltung betreiben müssen. Es gibt doch überhaupt keine Freiheit, überhaupt keine Autonomie der Hochschulen, reale Entscheidungen zu treffen, sondern sie können doch nur noch mit ganz beschränkten finanziellen Mitteln agieren.

Frau Ministerin, Sie haben gesagt, das Jahr 2007 sei der falsche Bezugspunkt; denn die Hochschulen könnten die Zahlen von jetzt nicht mit den Zahlen von 2007 vergleichen, weil zu diesem Zeitpunkt die Zahl der Studienanfänger so gering gewesen sei. Ich sage Ihnen: Das ist genau die Zeit der hochschulpolitischen Verwirrung und Verirrung in Hessen gewesen, als wir Studiengebühren hatten. Das zeigt doch, dass Studiengebühren sozial hoch selektiv wirken, dass sie Menschen vom Studium abhalten und dass Menschen, die nicht aus reichen Familien kommen, dann ein ernsthaftes Problem haben, studieren zu können.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Deswegen knüpfe ich noch einmal an das an, was der Kollege Siebel gesagt hat. Meine Befürchtung ist, dass die Studiengebühren in Hessen eben nicht vom Tisch sind. Meine Befürchtung ist, dass Sie, Frau Ministerin, genau diese Strategie verfolgen, und zwar die Wiedereinführung der Studiengebühren.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Unverschämtheit, was Sie sich hier leisten! Unterstellung!)

Herr Irmer, der schwarz-gelben Landesregierung zu unterstellen, sie würde Studiengebühren wieder einfüh

ren wollen: Das haben Sie ja noch nie gemacht. – Das ist doch wirklich absurd, was Sie hier erzählen.

(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Es gibt doch einen Beschluss!)

Ich unterstelle Ihnen, dass Sie wieder das machen wollen, was Sie hier schon im Jahr 2006 gemacht haben.

(Zurufe der Abg. Hans-Jürgen Irmer, Peter Beuth und Judith Lannert (CDU))

Wenn Sie jetzt einsehen, dass das ein schwerwiegender Fehler war, würde es mich freuen. Aber ich befürchte, dass bei Ihnen ein Einsehen an keinem Punkt stattfindet.

(Beifall der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE) – Peter Beuth (CDU): Sie haben unterstellt, wir würden es wieder einführen!)

Meine Befürchtung ist, dass Sie die Studiengebühren wieder einführen wollen, und zwar indem Sie die Hochschulen finanziell ausbluten. Dann werden wir 2015 die Situation haben, dass der Hochschulpakt ausläuft und die Hochschulen in einer finanziell dramatischen Situation sind. Meine Befürchtung ist, dass Sie dann den Weg gehen werden, den Nordrhein-Westfalen damals gegangen ist, als Studiengebühren eingeführt wurden, nämlich dass Sie nicht sagen: „Wir machen ein Landesgesetz, und wir nehmen jetzt 500 € von jedem Studierenden pro Semester“, sondern ein Gesetz vorlegen, in dem Sie sagen: „Jetzt können die Hochschulen ganz frei entscheiden, ob sie Studiengebühren einführen oder nicht.“ Fakt ist: Die Hochschulen können es dann nicht frei entscheiden, weil sie dann derartig unterfinanziert sind und in einer Mangelsituation, dass sie nur die Wahl zwischen Pest und Cholera haben.

Meine Befürchtung ist, dass Sie genau so vorgehen wollen. Die FDP wollte immer ein solches Freiheitsgesetz für die Hochschulen, dass die Hochschulen selbst entscheiden können, ob sie Studiengebühren einführen oder nicht. Damit würden Sie den Streit an die Hochschulen verlagern und die Verantwortung dahin abschieben. Dann haben nicht Sie die Konflikte. – Meine Befürchtung ist, dass Sie letztendlich diese Strategie verfolgen. Denn ich glaube Ihnen nicht, dass Sie sich von den Studiengebühren verabschiedet haben.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))