Protokoll der Sitzung vom 22.03.2017

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der kanadische Premierminister Trudeau hat im Februar vor dem Europäischen Parlament in Straßburg gesprochen. Dabei sagte er: „Die ganze Welt profitiert von einer starken EU“. Dies waren klare Worte, die man nicht von jedem Politiker jenseits des Atlantiks so hört. Den Freihandelsvertrag CETA nannte er einen „Meilenstein“ in der Zusammenarbeit von Europäischer Union und Kanada.

Er betonte, dass dieser Vertrag beiden Seiten nützt. In den kommenden Jahren können 99 % der Zölle zwischen Kanada und der EU wegfallen. In einer Pressekonferenz betonte Trudeau, man befinde sich in einer globalisierten Welt. In dieser globalisierten Welt müssten Regierungen besser zusammenarbeiten, um Arbeitnehmerrechte und Klimaschutz zu stärken und um der Mittelschicht sowie kleinen und mittleren Unternehmen neue wirtschaftliche Perspektiven zu eröffnen.

Vor dieser Pressekonferenz, am 15. Februar, hatte das Europäische Parlament mit großer Mehrheit dem Handelsabkommen zugestimmt. Mit dieser Zustimmung gelten vorläufig die Teile des Vertrags, für die die Europäische Union allein zuständig ist. Für die endgültige Inkraftsetzung muss der Handelsvertrag von 38 nationalen und regionalen Parlamenten ratifiziert werden. Dieses Verfahren kann allerdings mehrere Jahre dauern.

Die Bundesregierung wird den Entwurf für ein Ratifizierungsgesetz vorlegen. Dann wird die Landesregierung prüfen, ob die Schutzstandards, insbesondere zum Schutz des Lebens, der Gesundheit, des geistigen Eigentums, der Arbeitnehmerrechte, des Umwelt- und Tierschutzes und des Daten- und Verbraucherschutzes, gewahrt bleiben.

(Beifall bei der CDU)

Im Rahmen der Verhandlungen gab es 37 ergänzende Protokollerklärungen, die die Bedenken der öffentlichen Diskussion aufgenommen haben. Ihre Auswirkungen auf Hessen werden geprüft. Für DIE LINKE steht das Ergebnis der Prüfung bereits fest. Ich befürchte allerdings: Das stand schon fest, bevor überhaupt mit den Verhandlungen begonnen wurde. Im Gegensatz zu linken und rechten Nationalisten sehen wir in Freihandelsabkommen große Chancen für Unternehmen und Verbraucher, wenn sie denn fair ausgehandelt werden.

(Beifall bei der CDU)

CETA kann zu zusätzlicher Wertschöpfung, Arbeitsplätzen und höheren Einkommen führen. Insbesondere für Hessen mit seiner stark exportorientierten Wirtschaft können sich durch Zollabbau und gemeinsame Standards enorme Chancen ergeben.

(Zuruf von der FDP: Sehr gut!)

CETA wird laut aktuellen Studien zu einer Ausweitung des Handels zwischen beiden Wirtschaftsräumen um über 20 % führen. CETA hat meiner Meinung nach durch die Veränderung der weltpolitischen Lage an Bedeutung gewonnen. Der weltweite Freihandel, von dem Deutschland wie kaum ein anderes Land profitiert, wird derzeit nicht nur in den USA, sondern leider gerade auch bei uns populistisch diskutiert. Wir sollten uns vor einfachen Parolen hüten, die den Menschen nur Angst machen, sondern, wie wir es in unserem Antrag sagen, durch eine sachliche Prüfung feststellen, was für einen Nutzen dieses Abkommen für Hessen hat. Wir haben die Pflicht, diese Diskussion differenziert und sachlich zu führen. Ich glaube, dass durch die Zusatzerklärungen vor allen Dingen auch die Rechte der Verbraucher gut gewahrt bleiben. Die Investitionsschutzregelungen finde ich ausgesprochen modern, vor allen Dingen deshalb, weil man missbräuchlichen Klagen entgegengetreten ist und ein Berufungsverfahren ermöglicht hat. Insgesamt muss man sagen, dass die Bundesrepublik bisher mit Investitionsschutzabkommen eher positive Erfahrungen gemacht hat.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen, dass das auch so bleibt; auch die Schiedsgerichtsbarkeit muss natürlich den modernen Entwicklungen angepasst werden. Das Abkommen wird den Zugang von europäischen Unternehmen zu öffentlichen Aufträgen in Kanada erleichtern. Die Unternehmen können sich zukünftig auch auf Provinz- und Kommunalebene in Kanada an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen. Dadurch eröffnen sich große Chancen, besonders im Bereich des Beschaffungsmarktes. Dort sind vor allen Dingen auch kleine und mittlere Unternehmen unterwegs. Der Europäischen Kommission ist es auch gelungen, dass Herkunftsbezeichnungen von landwirtschaftlichen Produkten verpflichtend bleiben.

Herr Kollege Utter, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. – Das war wohl eine der letzten Reden von Herrn van Ooyen, doch wieder einmal finde ich leider kaum einen Punkt der Gemeinsamkeit.

(Holger Bellino (CDU): Er ist gerade auch ganz allein in seiner Fraktion!)

Trotzdem möchte ich an dieser Stelle sagen, dass Herr van Ooyen seine Argumente hier immer ruhig und in einem angemessenen Ton vorgetragen hat. Dafür bin ich ihm dankbar.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Herr Kollege Grüger für die SPD-Fraktion.

(Unruhe)

Kolleginnen und Kollegen, bitte, hier vorne geht es weiter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Am 15. Februar hat das Europaparlament CETA beschlossen und damit 37 zusätzliche Protokollerklärungen, in denen konkretisiert wurde, was insbesondere von einigen Staaten als konkretisierungswürdig erachtet wurde. Das ist der Stand der Dinge. Wir haben uns in diesem Hause schon häufiger mit dem Thema auseinandergesetzt, und eigentlich hat sich – darauf wurde schon hingewiesen – seitdem recht wenig verändert.

Es gibt zwar diesen Beschluss, aber für uns wird das Ganze erst in dem Augenblick interessant, in dem ein Ratifizierungsgesetz vorgelegt wird. Wenn die Bundesregierung das Ratifizierungsgesetz vorlegt, muss es die Positionen der Bundesregierung beinhalten, aber z. B. auch die Konsequenzen aus dem Verfahren der anhängigen Klage beim Bundesverfassungsgericht zur Klärung der Kompetenzen des Regulatorischen Rates. Sie wissen, das Bundesverfassungsgericht hat auch einige Vorgaben gemacht; die Bundesregierung musste auch einige Erklärungen hinterlegen, was die Anwendung von CETA angeht.

All diese Sachen müssen in dem Ratifizierungsgesetz entsprechend beachtet werden. Aber, wie gesagt, dieses Ratifizierungsgesetz liegt ja gar nicht vor. Worüber will man also im Augenblick reden? Die Frage, die im Bundesrat aufgerufen wird, ist erstens, ob dem Ratifizierungsgesetz zugestimmt oder ob es abgelehnt wird. Nebenbei wird zweitens die spannende Frage aufgerufen, ob es sich um ein Zustimmungs- oder Einspruchsgesetz handelt. Es ist nicht ganz unwesentlich, diese Frage im Bundesrat zu klären. Interessanterweise finden sich dazu sowie zu anderen Feinheiten in dem Antrag der LINKEN keinerlei Ansätze.

In der Ratifizierungserklärung müsste sich dann auch eine Bewertung der Umsetzung durch die 37 Zusatzerklärungen wiederfinden, z. B. zu den Themen Ungleichgewichte bei Klagerechten, Bezahlung der Schiedsrichter, Eingrenzung der Negativliste, insbesondere in Bezug auf öffentliche Dienstleistungen. Das sind Themen, die eine Rolle gespielt haben. Inwiefern diese Themen dann in CETA, entsprechend den Vorgaben der Bundesregierung, umgesetzt worden sind, wird sich im Ratifizierungsgesetz finden. Dieses liegt aber, wie gesagt, nicht vor. Worüber wollen wir hier dann eigentlich entscheiden?

(Beifall bei der SPD)

Aber, wie gesagt, um diese Feinheiten geht es in dem Antrag der Fraktion DIE LINKE gar nicht, sondern wir haben den Eindruck, dass es hier um die grundsätzliche Ablehnung von Handelsverträgen geht.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Diese Position kann man haben;

(René Rock (FDP): Muss man aber nicht!)

wir teilen sie aber nicht.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wir wissen, dass gerade in Hessen die meisten industriellen Arbeitsplätze von guten Exportbedingungen abhängen und mithin von Handelsverträgen.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Wir wollen, dass diese Exportbedingungen weiter verbessert werden, und dafür brauchen wir Handelsverträge.

(Beifall bei der SPD)

Nun kann man natürlich wie die Fraktion DIE LINKE der EU die Handelspolitik überlassen, weil es ja ihre alleinige Zuständigkeit ist. Da hat auch der Bundesrat nichts hineinzufummeln, der Landtag schon gar nicht. Dann macht die EU-Kommission das so, wie sie das für richtig hält. Damit vergibt man sich aber auch die Möglichkeit, Dinge zu regeln, die man eigentlich gern geregelt haben möchte, wie die ILO-Kernarbeitsnormen und Umweltstandards. All das kann man nicht regeln, wenn man der EU-Kommission einfach die Handelspolitik überlässt und keine Comprehensive-Abkommen, also keine darüber hinausgehenden Abkommen, machen will.

(Beifall bei der SPD)

Es will mir als Sozialdemokrat einfach nicht in den Kopf, dass man nicht alle Mühe auf sich nimmt, um diese Art von Gestaltung der Handelspolitik auf den Weg zu bringen. Genau das ist es, was wir in den letzten Monaten und Jahren gemacht haben.

(Beifall bei der SPD)

Man kann sich jetzt darüber streiten, ob das nachher voll und ganz zur Zufriedenheit passiert ist. Das drückt sich dann auch darin aus, dass im Europaparlament nicht alle Sozialdemokraten zugestimmt haben. Wir streiten uns auch innerhalb unserer Partei um diese Frage. Aber wir streiten uns darum, wie wir diese Handelspolitik gestalten können, und nicht darum, sie einfach pauschal abzulehnen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, deswegen werden wir, die Sozialdemokraten, diesen Antrag ablehnen. Der nun als dringlich nachgelieferte Antrag der Koalition enthält zwar einige richtige Punkte, aber wir brauchen nun wirklich nicht zu beschließen, dass wir uns bei der Landesregierung dafür bedanken, dass sie die Beschlüsse des Landtags umsetzt.

(Günter Rudolph (SPD): Na toll!)

Deswegen werden wir uns enthalten. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Für die Landesregierung spricht Staatssekretär Weinmeister.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, dass wir in dieser Debatte alle Schlaglichter und alle Besonderheiten dieses besonderen Abkommens schon beleuchtet haben. Ich bin dem Kollegen Grüger gerade für die letzten Ausführungen sehr dankbar, weil sie dem sehr nahekommen, was wir als Landesregierung denken.

(Vizepräsidentin Ursula Hammann übernimmt den Vorsitz.)

Wir sind als Hessen natürlich exportorientiert. Wir sind aber nicht nur in der Frage der Arbeitsplätze in Europa exportorientiert; jeder siebte Arbeitsplatz in Europa hängt am Export. Genauso wichtig ist für uns aber auch die Frage, dass von dem Geld, das Kanada in Deutschland investiert, ein Drittel nach Hessen fließt. Ein Drittel aller kanadischen Investitionen in Deutschland kommt nach Hessen. Wir haben also ein vitales Interesse daran, mit Kanada in einer guten Politik gemeinsam zu arbeiten und gemeinsam Möglichkeiten auszuloten, wie wir das in Zukunft weiter ausbauen können. Dann lautet die Frage: Wie wird das gemacht?

Darauf haben auch die Vorredner hingewiesen. Dabei geht es natürlich darum, dass wir auf die Standards, die wir gerne in den Bereichen Gesundheit, Umwelt und Kernarbeitsnormen umgesetzt haben wollen, besonderen Wert legen. Ich möchte nur auf einen Gedanken hinweisen, der immer wieder vorgetragen wird und der mir auch wichtig ist. Wenn wir in Zukunft die Handelspolitik dieser Welt insgesamt so beeinflussen wollen, wie wir sie gerne haben möchten, müssen wir aktiv vorangehen und deutlich machen, wie das gehen kann.

(Norbert Schmitt (SPD): Da hat er recht!)