Protokoll der Sitzung vom 23.03.2017

Gleichzeitig wird aber auch niemand gezwungen, das Ticket zu kaufen, im Gegensatz zum Solidarmodell des Semestertickets. Wer weiter zu Fuß zur Schule gehen will, mit dem Fahrrad fahren will oder sich bringen lassen will, kann dies auch weiterhin tun. Es ist also eine echte Wahlfreiheit, durch die das Angebot überzeugt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich denke, trotz des Gemäres von Herrn Rudolph sind alle anderen Fraktionen jetzt auch überzeugt und unterstützen unseren Antrag. Wir freuen uns, dass das Schülerticket ein großer Erfolg wird.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Müller. – Als Nächster spricht für die Fraktion der SPD Herr Kollege Frankenberger. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

(Günter Rudolph (SPD): Jetzt kommt nach der grünen Selbstbeweihräucherung wieder ein sachlicher Beitrag! – Minister Tarek Al-Wazir: Wie kann man so viel schlechte Laune haben?)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir gönnen das den GRÜNEN doch, wir gönnen es ihnen.

(Beifall des Abg. Michael Boddenberg (CDU) – Zurufe)

Entschuldigen Sie, Herr Frankenberger. – Ich darf daran erinnern, dass wir Zwischenrufe aus dem Plenum üblicherweise akzeptieren, aber nicht von der Regierungsbank.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist eine Frage des Anstands! – Janine Wissler (DIE LINKE): Es war schon wieder der Innenminister! – Günter Rudolph (SPD): Sie sollten ganz still sein, Herr Beuth! – Weitere Zurufe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Ich gönne es den GRÜNEN. Endlich gibt es nach über drei Jahren im Land ein nennenswertes Mobilitätsprojekt, das

man mit einem grünen Verkehrsminister verbinden kann. Darauf haben die GRÜNEN seit über drei Jahren gewartet. Insofern gönne ich es ihnen auch. Dagegen herrschte vorher in diesem Land Stillstand im Mobilitätsbereich.

(Beifall bei der SPD)

Ich hatte teilweise den Eindruck: Wenn die Kollegin Müller noch zehn Minuten länger geredet hätte, hätte der Minister gar nicht mehr durch die Tür gepasst, so stolz wäre er geworden bei dem, was die Kollegin Müller hier an Lob ausgeschüttet hat.

Aber damit es von vornherein klar ist: Die SPD-Fraktion freut sich mit den hessischen Schülerinnen und Schülern

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Man merkt es richtig!)

und mit den Auszubildenden, dass das landesweite Schülerticket mit dem Schuljahr 2017/2018 kommt und dass es dadurch ein weiteres Mobilitätsangebot für die Schülerinnen und Schüler in Hessen gibt. Das ist einfach so. Das gestehen wir auch zu.

(Michael Boddenberg (CDU): Sie sollten mit Ihrer Rede aufhören und nur noch allgemein reden!)

Kollegin Müller, das ist für uns aber keine Entscheidung gegen das Auto. Für uns ist das eine Entscheidung für ein zusätzliches Mobilitätsangebot. Ich habe immer noch den Eindruck, dass die GRÜNEN ihren Kreuzzug gegen die Autos in Hessen noch nicht ganz aufgegeben haben.

(Beifall bei der SPD – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ah, das schon wieder!)

Meine Damen und Herren, für Sozialdemokraten müssen die Verkehrsträger miteinander verzahnt werden. Jeder soll da eingesetzt werden, wo es sinnvoll ist, ohne den einen gegen den anderen auszuspielen.

(Beifall bei der SPD)

Das wird auch den Minister jetzt wundern: Es gibt Anerkennung dafür, dass die Landesregierung das gemacht hat, was sie zu Beginn der Legislaturperiode versprochen hat.

(Michael Boddenberg (CDU): Das machen wir doch immer! Hätten Sie etwas anderes erwartet?)

Herr Staatsminister Al-Wazir, ich hoffe, Sie haben genau hingehört; denn Anerkennung von der Opposition ist bekanntlich dreimal so viel wert wie die von den eigenen Leuten. Anerkennung von der Opposition nutzt sich auch nicht so schnell ab wie Selbstlob.

(Beifall bei der SPD)

Das Schülerticket sollte schon im letzten Herbst beschlossen werden. Aber da damals der zuständige Minister seine Hausaufgaben noch nicht erledigt hatte, musste man nachsitzen. Jetzt haben die Aufsichtsräte der drei hessischen Verkehrsverbünde grünes Licht für die Einführung des Schülertickets gegeben.

(Michael Boddenberg (CDU): Damit ist doch alles erledigt!)

Das ist möglich geworden, weil sich die kommunalen Vertreter sehr konstruktiv und zielorientiert an dem Prozess beteiligt haben. Dafür herzlichen Dank.

(Michael Boddenberg (CDU): Das stimmt!)

Herr Boddenberg, falls es Sie nicht interessiert: Gehen Sie mittagessen. Sie haben davon mehr, als mir zuzuhören.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Ich habe eben gesagt, das stimmt!)

Nein, ich habe eben vernommen, dass Sie dieser Dank, den ich den kommunalen Vertretern ausgesprochen habe, nicht nennenswert interessiert. Das ist das, was ich von Ihrem Zwischenruf mitgenommen habe, Herr Kollege Boddenberg. – Der Dank der SPD gilt auch den hessischen Verkehrsverbünden und den Aufsichtsräten, die es letztendlich auch möglich gemacht haben, dass das Schülerticket im Schuljahr 2017 kommen kann.

(Michael Boddenberg (CDU): Das stimmt!)

Wir hoffen, dass der Millionenbetrag, den das Ministerium für Werbemaßnahmen zur Einführung des Schülertickets ausgeben will, gut angelegt ist und dass das Schülerticket dann auch die Akzeptanz findet, die wir alle erhoffen.

Meine Damen und Herren, in der „FAZ“ vom 20. März, also zu Beginn dieser Woche, konnten wir lesen, die Pünktlichkeit bei S-Bahnen im Rhein-Main-Gebiet sei weiter gesunken. S-Bahnen verspäten sich im Rhein-Main-Gebiet im großen Ausmaß.

Meine Damen und Herren von Schwarz-Grün, Herr Minister, anstatt viel Geld für Marketingmaßnahmen auszugeben, wäre es doch sicherlich sinnvoller, dass Sie sich einmal um die Pünktlichkeit des ÖPNV im Rhein-Main-Gebiet kümmern. Denn ein pünktlicher ÖPNV sorgt letztendlich für mehr Akzeptanz bei den jungen Menschen.

(Beifall bei der SPD)

Verspätungen dagegen sprechen sich schnell herum. Dann werden die jungen Leute das Interesse am Schülerticket auch schnell verlieren. Das können wir gemeinsam nicht wollen. Der jährliche Zuschussbedarf für das Schülerticket, den die Landesregierung mit 20 Millionen € angesetzt hat – ich sage es einmal deutlich: Es werden mindestens 20 Millionen € werden. Das Ziel ist sehr ambitioniert. Wir wissen, dass es Berechnungen gibt, die den jährlichen Zuschussbedarf bedeutend höher ansetzen. Damit es für dieses ambitionierte und ehrgeizige Ziel jetzt auch bei 20 Millionen € bleiben kann, brauchen wir einen pünktlichen und verlässlichen ÖPNV.

Damit sind wir beim ländlichen Raum. Eine Voraussetzung dafür, dass das Schülerticket eine Akzeptanz erfährt, ist, dass es überhaupt ein akzeptables ÖPNV-Angebot gibt. Aber wegen fehlender finanzieller Mittel sind die Angebote stellenweise so ausgedünnt worden, dass die Jugendlichen zwar noch um 20 Uhr mit dem ÖPNV von Ihrem Heimatort wegkommen, aber danach nicht mehr nach Hause zurückkommen, weil es weder ein Angebot für Bus, Bahn noch für ein Anrufsammeltaxi gibt. Wenn sie Glück haben, gibt es noch tagsüber ein Angebot, das sie nutzen können, um die Arbeitsstelle oder den Ausbildungsplatz zu erreichen. Was wir in Hessen brauchen und immer noch nicht haben – da wirkt Grün nicht –, ist eine nachhaltige und zukunftsorientierte Mobilitätsstrategie, die dafür sorgt, dass die einzelnen Verkehrsträger ÖPNV und Individualverkehr sinnvoll miteinander verzahnt werden und ihre Stärken dort entfalten können, wo sie gebraucht werden.

(Beifall bei der SPD)

Das Schülerticket und das angekündigte Jobticket sind – jedes für sich genommen – sinnvolle und unterstützenswer

te Maßnahmen. Was wir in der Mobilitätspolitik in Hessen vermissen, ist die verbindende Klammer. „Die Energiewende sowie der Erhalt unserer Umwelt und lebenswerter Räume können nur mit einer Verkehrswende gelingen. Mobilität hat eine Schlüsselfunktion für soziale Teilhabe.“ Es stimmt beides. Mein Kollege Timon Gremmels hat bereits am Dienstag anlässlich der Debatte zum Klimaschutzplan darauf hingewiesen. Eine Energiewende gibt es nur mit einer Verkehrswende. – Was ich eben vorgetragen habe, ist allerdings aus dem Regierungsprogramm der GRÜNEN für die Jahre 2014 bis 2019.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Meine Damen und Herren, damals hatten die GRÜNEN noch Ansprüche an ihr eigenes politisches Handeln.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Dort heißt es weiter:

Gemeinsam mit den Menschen in Hessen wollen wir einen Mobilitätsmasterplan entwickeln, der alle Verkehrsarten berücksichtigt und verbindliche Ziele definiert.

Meine Damen und Herren, wo ist der Plan? Die GRÜNEN regieren mittlerweile seit über drei Jahren – nothing, nichts, null, zero.

(Beifall bei der SPD)

Stattdessen lassen sie sich für Einzelmaßnahmen abfeiern, die, für sich gesehen, sinnvoll sein können. Ich wiederhole es: Auch die Sozialdemokraten unterstützen das Schülerticket. Aber aus der Summe von Einzelmaßnahmen erwächst nicht automatisch ein sinnvolles, nachhaltiges und auf die Zukunft ausgerichtetes Verkehrskonzept.