Stattdessen lassen sie sich für Einzelmaßnahmen abfeiern, die, für sich gesehen, sinnvoll sein können. Ich wiederhole es: Auch die Sozialdemokraten unterstützen das Schülerticket. Aber aus der Summe von Einzelmaßnahmen erwächst nicht automatisch ein sinnvolles, nachhaltiges und auf die Zukunft ausgerichtetes Verkehrskonzept.
Meine Damen und Herren, hier ein Beispiel: Vor nicht allzu langer Zeit haben wir hier im Landtag darüber debattiert, dass es nun endlich – wenn auch in bescheidenem Maße, das Land trägt gerade einmal mit 3 % zur Finanzierung des ÖPNV in Hessen bei –, wie in anderen Bundesländern längst üblich, auch in Hessen originäre Landesmittel für den ÖPNV gibt.
(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Weil der Bund nicht mehr nachgekommen ist, wo Sie regieren!)
und weil es insbesondere im ländlichen Raum, wo das Angebot nicht gerade üppig ist, zu weiteren Ausdünnungen beim ÖPNV gekommen wäre. Für Innovationen, für neue Ideen, haben die Verbünde kein Geld. Hier wird sozusagen der Status quo erhalten. Darauf ist man auch noch stolz – so weit ist es bei den GRÜNEN schon gekommen.
Ich will das an dieser Stelle noch einmal sagen: Angesichts dieser Rahmenbedingungen ist die Leistung der Verkehrsverbünde in Hessen umso höher einzuschätzen. Hören Sie auf, sich hier für jede Einzelmaßnahme selbst abzufeiern und dabei den Blick auf die großen Herausforderungen zu verlieren. Wir freuen uns über das Schülerticket.
Wir werden dem Antrag auch zustimmen. Wir sind schon froh darüber, dass Sie nichts Falsches aufgeschrieben haben. Dann kann man das auch einmal honorieren. Wir freuen uns über das Schülerticket, aber ein Schülerticket macht noch keine Verkehrswende. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er verteidigt gerade die Pkw-Maut! Das ist so lächerlich!)
Vielen Dank, Herr Kollege Frankenberger. – Als Nächste hat Frau Abg. Wissler für die Fraktion DIE LINKE das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Angebot der vergünstigten und landesweit gültigen Fahrkarte für Schülerinnen und Schüler ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Für viele, die jetzt eine Schülerfahrkarte haben, wird es etwas günstiger, und sie können in ihrer Freizeit auch jenseits der Kreisgrenzen ohne Aufpreis fahren. Die Entlastung für diese Familien findet natürlich unsere Zustimmung. Es ist auch richtig, dass nun mehr junge Menschen an Busse und Bahnen herangeführt werden. Das ist tendenziell eine gute Sache. Wir erkennen an, dass Sie das jetzt eingeführt haben.
Wir haben aber auch Kritikpunkte. Sie betreffen keine Eitelkeiten. Wir finden, dass dieses Schülerticket an einigen Stellen doch nicht ganz so gut konzipiert wurde.
Ihr Schülerticket – das muss man schon erwähnen – ist leider für viele ein Luxusprodukt. 31 € pro Monat sind ein guter Preis für eine Monatskarte im Vergleich zu den völlig überteuerten Normalpreisen insbesondere im RheinMain-Gebiet. Für Eltern, die jeden Euro umdrehen müssen, ist das immer noch viel Geld, insbesondere dann, wenn sie mehrere Kinder haben. Bei zwei Kindern reden wir schon von über 700 € im Jahr.
Im Vergleich dazu: Der nach Hartz IV für einen 15-Jährigen vorgesehene Regelsatz für Mobilität beträgt rund 13 €, also nicht einmal die Hälfte. Wir werden also in der Praxis Kinder haben, die selbstverständlich durch ganz Hessen fahren können, und andere, die sich diese Mobilität nicht werden leisten können.
Eine ähnliche Ungleichheit gibt es bei der Fahrkostenerstattung für Schülerinnen und Schüler durch die Schulträger, also in der Regel durch die Landkreise. Vielen Schülerinnen und Schülern werden die Kosten erstattet, wenn sie die nächstliegende Schule besuchen und die Grundschule mehr als 2 km bzw. die weiterführende Schule mehr als 3 km entfernt ist oder aber wenn der Schulweg vom Schulträger für unzumutbar befunden wird. Das kann z. B. ein unbeleuchteter Feldweg sein. So etwas wird aber nicht immer anerkannt.
Diese Erstattung gilt aber nur bis zum Ende der Schulpflicht, also bis zum Abschluss der 10. Klasse, bei G 8 sogar nur bis zur 9. Klasse. Oberstufenschüler müssen die
Kosten für den Schulweg also immer selbst bezahlen. Ich finde, das ist eine Sache, an der sich dringend etwas ändern sollte, wenn wir über Bildungsgerechtigkeit sprechen.
Das liegt daran, dass es Oberstufenschüler an Gymnasien gibt. Deswegen spreche ich in diesem Fall von Gymnasiasten.
Einen echten Nachteil aber haben die Eltern und Schüler z. B. im Landkreis Offenbach, in Hanau oder in Fulda. Hier und an einigen anderen Orten in Hessen ist das bisherige Angebot zum Teil erheblich billiger als das neue Angebot. Das betrifft auch die Städte Gießen, Wetzlar, Rüsselsheim, Bad Homburg, Marburg oder den Main-TaunusKreis.
Die Clever Card kostet beispielsweise in Hanau 297,50 € im Jahr. Das neue Ticket kostet 365 € im Jahr und ist somit um rund 20 % teurer.
Frau Dorn, Sie haben recht. Natürlich kann man dafür viel weiter fahren. Für diesen Preis kann man durch ganz Hessen fahren. Ich frage Sie aber: Wie oft fährt denn ein Sechstklässler von Fulda nach Frankfurt oder ein Oberstufenschüler von Kaufungen nach Bensheim? Natürlich bekommt man mehr für diesen Preis, aber der Kern des Schülertickets ist doch immer noch, dass Schülerinnen und Schüler zur Schule kommen. Wenn dies nun teurer wird als zuvor, dann ist das ein Problem, das man meines Erachtens schon einmal ansprechen muss, auch wenn sie dafür theoretisch weiter fahren könnten.
Deswegen muss an dieser Stelle nachgebessert werden. Deswegen wäre es doch klug, wenn das Hessenticket nur so viel kostet wie das Ticket zum niedrigsten heutigen Preis.
Wenn der niedrigste Preis heute bei 297,50 € liegt, dann wäre es klug gewesen, das Hessenticket bei diesem Niveau anzusiedeln.
Wenn man sich die Sache einmal aus bildungspolitischer Sicht anschaut, bleibt ohnehin ein großes Fragezeichen. Wenn wir in Hessen die Lernmittelfreiheit gesetzlich verankert haben, wieso sind dann Fahrten zu Bildungseinrichtungen für irgendeinen Schüler oder irgendeine Auszubildende überhaupt kostenpflichtig?
Von Lernmittelfreiheit kann keine Rede sein, wenn schon das Erreichen der Schule manche Eltern in finanzielle Nöte bringt.
(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was macht denn Herr Ramelow, Frau Wissler, wenn das so einfach ist?)
Sie können ja einen Antrag dazu einreichen. Dann reden wir darüber. Sie haben jetzt aber eine Debatte über das hessische Schülerticket beantragt. Deshalb reden wir jetzt über Ihr Schülerticket.
Es gibt zahlreiche Schülerinnen und Schüler, die morgens vor 7 Uhr an der Bushaltestelle stehen, um pünktlich zu Schulbeginn in der Schule zu sein, weil die Anbindungen so schlecht sind.
Ich verstehe das gar nicht. Wenn das so ein Erfolgsthema ist, warum regen Sie sich eigentlich so auf, Herr Wagner? Habe ich einen wunden Punkt getroffen?
(Beifall bei der LINKEN – Mathias Wagner (Tau- nus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Weil es eben nicht so ist!)
Auf dem Land kommt hinzu – das will ich noch einmal deutlich machen –, dass die Fahrten zur Schule teilweise so weit sind, weil jeder Ort einzeln abgeklappert wird. Hinzu kommt, dass Busse nur selten fahren und sehr überfüllt sind, sodass kleine Kinder mit dicken Rucksäcken oder Schulranzen im Gang ausharren, weil sie keinen Sitzplatz finden. Vor Kurzem gab es einen Schulbustest. Insofern ist auch das meines Erachtens ein Punkt, an dem man ansetzen könnte.