Protokoll der Sitzung vom 23.03.2017

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wer hat die Taliban denn groß gemacht?)

An der Stelle fehlt dem Pazifismus eine Antwort. Da ist der Pazifismus in seiner radikalen Haltung mit seinem Latein dann doch am Ende.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Die Taliban sind doch zuerst von den USA unterstützt worden!)

Ich bin den GRÜNEN nach dem Bielefelder Parteitag 1999 beigetreten, weil ich der Überzeugung war und bin, dass die internationale Gemeinschaft in der Lage sein muss, auch mit Waffengewalt zu reagieren, nämlich dann, wenn es keine Alternativen mehr gibt. Die Anwendung von Waffengewalt aus grundsätzlichen Gründen abzulehnen, würde nach meinem Dafürhalten eher der Herrschaft des Unrechts dienen.

Die Kernfrage ist und bleibt, ob der Weltfriede durch den konsequenten Verzicht von nur einem Teil der Staatengemeinschaft auf Waffen – das ist das, was Sie einfordern – tatsächlich erreichbar wäre. Ich glaube das nicht. Ich glau

be, dass an der Stelle ein Konflikt zwischen Idealismus und Realpolitik bleibt. Gestatten Sie mir den Hinweis: Wenn man auf der Bundesebene Verantwortung übernehmen will, dann kann man eine solche idealistische Haltung nicht vertreten. Von daher sage ich ganz deutlich: Idealismus ist wichtig, aber er ersetzt kein politisches Konzept.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ja- nine Wissler (DIE LINKE): Für Afghanistan hatte man ein „super“ Konzept!)

Ich will an einer anderen Stelle Ihres Antrags einhaken. Sie zitieren aus der Hessischen Verfassung. In die Hessischen Verfassung wurde nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs völlig zu Recht die Formulierung aufgenommen: „Jede Handlung, die mit der Absicht vorgenommen wird, einen Krieg vorzubereiten, ist verfassungswidrig.“ – Sie schreiben, dass die derzeitige deutsche Politik dieses Gebot ad absurdum führe. Dass Sie damit Auslandseinsätze der Bundeswehr, die für die Vereinten Nationen tätig ist, in eine Reihe mit dem Vorbereiten eines Angriffskriegs stellen, ist ziemlich unverhältnismäßig – um es diplomatisch auszudrücken. Ich weise diese implizite Gleichsetzung entschieden zurück.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Abrüstung, internationale Zusammenarbeit und zivile Konfliktlösungen sind für uns GRÜNE weiterhin das Ziel, um zu einer friedlicheren Welt zu kommen. Ein Sich-Zurückziehen Deutschlands aus der internationalen Verantwortung bringt uns aber nicht weiter, wenn es darum geht, dieses Ziel zu erreichen.

Lieber Kollege Willi van Ooyen, zum Schluss meines Redebeitrags zu Ihrem Abschieds-Setzpunkt darf ich Ihnen alles Gute für Ihren nächsten Lebensabschnitt und für das wünschen, was Sie sich vorgenommen haben. Ich danke Ihnen für Ihr zivilgesellschaftliches Engagement, für Ihren Einsatz hier im Landtag. Auch wenn wir in dieser Frage im Dissens bleiben müssen, wünsche ich Ihnen für die Zukunft alles Gute.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Abg. Beer für die Fraktion der FDP.

Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Kollege van Ooyen, auch von meiner Seite alles Gute für die nächste Zeit. Mit dem aufgerufenen Setzpunkt bleiben Sie sich auch im Moment des Abschieds treu: ein bisschen Friedensbewegtheit und Ostermärsche, etwas mehr Kapitalismuskritik sowie reichlich Amerikakritik und NATO-Bashing. Ich muss sagen – und bin da ganz beim Kollegen May –: Bei aller Gemeinsamkeit, dass jeder von uns Frieden will – ich denke, Sie unterstellen niemandem der Kolleginnen und Kollegen hier im Saal, eine andere Meinung zu haben –, ist es doch reichlich naiv, zu glauben, wir müssten nur die Waffen wegwerfen, schon gar einseitig, dann sei das Ziel, der Frieden, zu erreichen.

(Beifall bei der FDP – Willi van Ooyen (DIE LIN- KE): Aber es wäre die halbe Miete!)

Ich könnte es auch mit den Worten meiner Großmutter ausdrücken. Sie war eine kluge Frau. Sie sagte bei solchen Diskussionen – Gott hab sie selig –: Ach Kind, jedes Land hat eine Armee; wenn es nicht die eigene ist, dann ist es eine fremde. – Genau das erleben wir jetzt, wenn die baltischen Staaten im Zusammenhang mit der NATO auf Schutz dringen. Die Präsenz der NATO soll vor allem verhindern, dass es zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommt.

Herr Kollege van Ooyen, ich sage Ihnen sehr deutlich: Ich halte es für einen großen Fehler, sich mit einer Haltung wie der Ihren im Grunde genommen wegzuducken und wegzuschauen, wenn Despoten und Kriegstreiber Völker unterdrücken. Das kann nicht wirklich Ihr Ernst sein.

Sie haben als Aufhänger für diesen Setzpunkt das Friedensgebot der Hessischen Verfassung gewählt, um überhaupt einen Dreh zu bekommen, ein derartiges Thema auf die Landtagsbühne zu heben. Auch dazu sage ich Ihnen sehr deutlich: Ich bin – gerade als Freie Demokratin – der festen Überzeugung, dass mit Blick auf Art. 69 unserer Hessischen Verfassung, aber auch mit Blick auf Art. 26 des Grundgesetzes die Auslandseinsätze der Bundeswehr weder verfassungswidrig sind noch die Grundlagen der Verfassungen ad absurdum führen.

(Beifall bei der FDP – Willi van Ooyen (DIE LIN- KE): Das sehe ich ganz anders!)

Mir ist klar, dass Sie das anders sehen. Aber ich betone das auch deswegen, weil ich es richtig und gut finde, dass der Deutsche Bundestag darüber entscheidet, ob und wie lange sich unsere Bundeswehr an internationalen Einsätzen beteiligt. Wir Freie Demokraten haben dafür gefochten, dass es diesen Parlamentsvorbehalt gibt – gefochten auch vor dem Bundesverfassungsgericht, sowohl für den Parlamentsvorbehalt als auch und insbesondere für dessen Einhaltung.

Ihre Ablehnung jeglicher Auslandseinsätze der Bundeswehr halte ich für unverantwortlich.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Warum?)

Das kann ich Ihnen sagen, Herr Kollege van Ooyen. – Sie können nicht auf der einen Seite den Vereinten Nationen immer das Prä geben

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

und sich auf der anderen Seite bei der Durchsetzung von UN-Resolutionen davontrollen und wegducken. Ich finde, dass die Bundesrepublik Deutschland, gerade wenn es um das geht, was die Vereinten Nationen beschlossen haben, Verantwortung übernehmen und die Vereinten Nationen bei der Schaffung und dem Erhalt des Friedens – Herr Kollege, darum geht es nämlich – unterstützen muss.

(Beifall bei der FDP)

Die Bundeswehr hat das in der Vergangenheit getan. Sie hat in den vergangenen 20 Jahren in verschiedenen Einsätzen zusammen mit anderen dazu beigetragen, dass internationales Recht durchgesetzt wird. Ich erinnere an dieser Stelle an die Einsätze KFOR und EUFOR, also die Einsätze in Kosovo und in Bosnien-Herzegowina.

Wenn ich das, was Sie heute gesagt haben, und das, was von der LINKEN immer wieder geäußert wird, ernst nehme, muss ich sagen: Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, würden wir heute noch mit dem Genossen Slobodan Milo

sevic reden und die von ihm veranlassten Säuberungen im Kosovo dulden. Das kann nicht Ihr Ernst sein.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie jetzt den Kopf schütteln: Mit Verlaub, nur das Eingreifen der internationalen Gemeinschaft hat dort einen Genozid verhindert. Das werden selbst Sie nicht negieren können.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ähnlich wichtig sind für uns als Freien Demokraten auch die Einsätze gegen den internationalen Terrorismus und die Piraterie. Herr Kollege van Ooyen, die Operation Atalanta am Horn von Afrika ist ein Erfolg. Sie hat dazu geführt, dass in dem Seegebiet seit 2013 kein Schiff mehr entführt wurde. Das nur zur Erinnerung, da ich nicht weiß, ob Sie verstehen, wie viel Leid dort sonst geschehen wäre.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Dass die Menschen dort nicht mehr fischen können, haben Sie aber schon gehört!)

Sie haben doch schon geredet, vielleicht hören Sie mir einfach einmal zu. Dies ist ein Ort der Meinungsvielfalt und der Meinungsfreiheit.

(Beifall bei der FDP)

Noch im Jahr 2011 wurden 176 Angriffe auf Schiffe am Horn von Afrika durchgeführt und 25 Entführungen gezählt. Seit 2013 geschah das bei keinem einzigen Schiff mehr,

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Jetzt können die Leute dort nicht mehr fischen! Das haben wir auch schon gehört!)

während 2011 noch 736 Seeleute auf 32 Schiffen als Geiseln gehalten wurden. Sie können doch nicht sagen, dass das kein Erfolg und kein Vorankommen einer friedlicheren Welt ist. Dazu sage ich Ihnen: Es geht nicht nur um diese Maßnahmen.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Die Leute verhungern dort jetzt nur!)

Wenn Sie nämlich diese Auslandseinsätze ablehnen, lehnen Sie es auch ab, dass über diese Einsätze die humanitäre Versorgung durch das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen möglich wird.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen sage ich – im Gegensatz zu Ihnen – an dieser Stelle im Namen der Freien Demokraten unseren Soldatinnen und Soldaten, aber auch den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im internationalen Einsatz ausdrücklich Danke für ihren Dienst; denn ich glaube, dass sie an dieser Stelle eine sehr wichtige Arbeit leisten und auch bereit sind, ihre Gesundheit und ihr Leben dafür einzusetzen, dass an anderer Stelle Frieden hergestellt oder erhalten wird.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt komme ich zu dem Thema „NATO und Russland“. Den von Ihnen zitierten Satz von Frank-Walter Steinmeier: „Dauerhafte Sicherheit für Europa kann es nur mit und

nicht gegen Russland geben“, teile ich durchaus. Lieber Herr Kollege van Ooyen, die Frage ist aber, wie eine Zusammenarbeit mit Russland erreicht werden kann. An dieser Stelle hätte mich rasend interessiert, wie DIE LINKE die Handlungen Russlands in der Ukraine, z. B. die Annexion der Krim, einschätzt. Aber es kam an dieser Stelle kein Wort dazu.

(Florian Rentsch (FDP): Hört, hört! – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Warum fragen Sie sich nicht einmal, warum die baltischen Staaten so aufgeschreckt sind und wie wir verhindern, dass die nächste Grenze, die Putin überschreitet – im Gegensatz zum internationalen Recht, entgegen den Verträgen, die von Russland selbst unterschrieben worden sind –, die zum Baltikum, etwa zu Litauen und Estland, ist.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege van Ooyen, die Zusammenarbeit erfordert auch vertrauenswürdiges und rechtsstaatliches Agieren, und zwar auf beiden Seiten. Ich persönlich kann nicht sehen, dass Russland unter Wladimir Putin bisher auch nur ansatzweise bewiesen hätte, dass es hierzu bereit ist.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hermann Schaus (DIE LINKE): Da sind wir uns einig!)