Doch steht die Einheit Europas verstärkt unter Druck durch Nationalisten und Populisten von innerhalb und außerhalb Deutschlands und Europas. Umso wichtiger ist es, dass Menschen bereit sind, sich für Europa einzusetzen und zu engagieren.
Die vielen Kundgebungen der „Pulse of Europe“-Bewegung sind deshalb ein ermutigendes Zeichen, dass sich sehr viele Menschen gerade auch in Hessen klar und sichtbar zur europäischen Einheit bekennen. Auch sie erkennen, dass es in Demokratien wichtig ist, den Populisten und Nationalisten nicht das Feld zu überlassen, sondern der
schweigenden Mehrheit eine Stimme zu geben – eine Stimme für Frieden, Freiheit und Demokratie und für gute Nachbarschaft in Europa.
Auch die Bürgerinnen und Bürger der Niederlande haben ganz überwiegend ein proeuropäisches Signal gesendet. Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich erfreut über den Ausgang der Wahlen. Sie begrüßte – wörtlich –, „dass eine hohe Wahlbeteiligung zu einem sehr proeuropäischen Ergebnis geführt hat“. Sie sprach von einem klaren Signal, und das nach Tagen, in denen die Niederlande Vorwürfe zu ertragen hatten, die aus der Türkei kamen und die völlig inakzeptabel sind.
Der bisherige Ministerpräsident Mark Rutte wird wohl mit einem neuen Koalitionspartner weiterregieren können.
Die niederländische Partnerpartei der CDU, die CDA, hat deutliche Stimmengewinne zu verzeichnen und könnte einer künftigen Regierungskoalition angehören.
Schon bei der Wahl des Bundespräsidenten in Österreich hat sich gezeigt, dass der Aufschwung der Rechtspopulisten in Europa an Grenzen stößt. Ich hoffe, dass auch in Frankreich eine deutliche Mehrheit diejenigen Kräfte stärken wird, die für ein einiges und in Freundschaft verbundenes Europa eintreten.
Rechtspopulisten wie Herr Wilders und Frau Le Pen wollen unser gemeinsames europäisches Haus einreißen. Dem müssen wir uns entschlossen entgegenstellen.
Die Europäische Kommission hat ein Weißbuch zur Zukunft Europas vorgelegt, in dem Wege zur Wahrung der Einheit der 27 Mitgliedstaaten vorgestellt werden. Nach dem Brexit-Votum der Briten muss die EU nach Ansicht von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ein neues Kapitel aufschlagen. Juncker präsentierte fünf Szenarien zur Zukunft der Union bis zum Jahr 2025. Sie reichen von „weiter so wie bisher“ bis zu „viel mehr gemeinsames Handeln“. Es umfasst auch die Idee eines Europas der verschiedenen Geschwindigkeiten.
Juncker legte sich bewusst nicht auf ein bevorzugtes Modell fest, um eine offene Diskussionen in den kommenden Monaten zu ermöglichen. Das Weißbuch sei der Beginn und nicht das Ende eines Prozesses. Er hoffe nun auf eine ehrliche und umfassende Debatte mit den Mitgliedstaaten.
Wir brauchen eine Diskussion darüber, welche Herausforderungen wir in Europa, welche wir auf nationaler und welche wir auf regionaler Ebene anpacken wollen.
Besonders im Bereich der Außen-, Sicherheits-, Verteidigungs- und Flüchtlingspolitik brauchen wir mehr und nicht weniger Europa. Freier Handel und fairer Wettbewerb haben Europa groß gemacht. Die Rückkehr zum Nationalstaat des 19. Jahrhunderts wäre ein Irrweg.
Denn Europa ist und bleibt unsere Zukunft. Bei aller notwendigen Kritik an Details müssen wir uns immer in Erinnerung rufen, wie sehr wir alle von der Einheit Europas
Zum Schluss noch ein Tweet von „Pulse of Europe“. Das ist ein Zitat von Jacques Delors: „Europa ist gesünder, als viele glauben. Die echte Krankheit Europas sind seine Pessimisten.“
Vielen Dank, Herr Kollege Utter. – Als Nächste spricht Frau Kollegin Waschke für die Fraktion der Sozialdemokraten. Bitte sehr.
Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am 15. März haben die Niederländer gewählt. Die konservative Partei VVD des Ministerpräsidenten Rutte hat ein Viertel ihrer Mandate verloren. Auf der anderen Seite gewinnen der Rechtspopulist Geert Wilders und seine Partei fünf Sitze hinzu.
Ganz Europa freut sich dennoch, dass die Partei von Geert Wilders nicht zur stärksten Kraft gewählt worden ist, wie wir es lange befürchtet haben. Ich habe das auch aus den Beiträgen meiner beiden Vorredner herausgehört.
Ich frage mich allerdings, ob es wirklich einen Grund für diese Freude gibt. Mark Rutte habe im Wahlkampf den „Wilders light“ gemacht, er sei weit nach rechts gerückt, titelt der „Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe.
Damit war Rutte erfolgreich. Und seitdem das klar ist, erklärt übrigens auch unser Hessischer Ministerpräsident Bouffier, Erdogan und seine Regierungsmitglieder seien unerwünscht, und damit stellt er sich dezidiert gegen seine eigene Bundeskanzlerin.
Mark Rutte hatte die klare Strategie, auch dem Rechtspopulisten Geert Wilders Stimmen abzunehmen. Richtig, aber wie hat er das gemacht? Im Januar veröffentlicht Rutte einen persönlichen Brief an alle seine Mitbürgerinnen und Mitbürger. Damit das auch bloß alle lesen würden, kauft er ganze Seiten in den größten Zeitungen des Landes. Darin beschreibt Mark Rutte sein Unwohlsein angesichts der mangelnden Integration von Muslimen. Der Brief endet mit dem Satz „Verhalte dich normal, oder geh weg“. – Zugegeben, das ist viel smarter und viel subtiler als die Anti-Islam-Rhetorik eines Geert Wilders, aber in seiner Wirkung genauso ausgrenzend.
Rutte betont in seinem Brief das Festhalten an der eigenen Kultur gegen die angebliche Bedrohung allen Fremdens. Das ist das, was die AfD in Deutschland genauso sagt. In den USA bezeichnet man diese Art der Beeinflussung als „Dog-whistle politics“, Hundepfeifenpolitik – Worte, die eine bestimmte Botschaft transportieren, die aber nur für jene wahrnehmbar ist, die sie auch erreichen soll. Damit spaltet Mark Rutte sein Land genauso, wie es auch Geert Wilders tut. Das ist es, was mich umtreibt, und das ist es auch, was mir Sorgen macht.
Es folgt ein Landeverbot für den türkischen Außenminister, und die türkische Familienministerin wird medienwirksam unter Polizeibegleitung nach Deutschland abgeschoben. – Schade. Ich finde, es wäre besser gewesen, die Auftritte türkischer Regierungsmitglieder zu erlauben und gleichzeitig dazu aufzurufen, die andere Meinung auf der anderen Straßenseite deutlich zu machen;
denn die Freiheit, zu sagen, was wir wollen, ist eines unserer höchsten Güter, und das gilt für alle Menschen. Gute Demokraten müssen verbale Entgleisungen, wie wir sie kürzlich von Erdogan und anderen gehört haben, aushalten. Aber gute Demokraten müssen dagegen aufstehen.
Ich hatte Gelegenheit, nach der Wahl mit der ehemaligen niederländischen Europaabgeordneten Judith Merkies zu sprechen. Sie sagt, der Populismus in den Niederlanden sei gemainstreamt. Fast alle Parteien sind weiter nach rechts gerückt, und damit sind sie dem Populisten Geert Wilders gefolgt.
Es gibt im Parlament in Den Haag – das muss uns als Europäer umtreiben – von 15 Fraktionen nur noch zwei, die uneingeschränkt zu Europa stehen. Deswegen hält sich meine Freude über den Ausgang der Wahl in den Niederlanden in Grenzen; denn damit wurde der europafeindliche Populismus nicht eingedämmt. Im Gegenteil: Rechtspopulismus ist jetzt fester Bestandteil eines demokratischen Spektrums geworden. Ich hoffe sehr, dass das nicht auf andere Länder überschwappt.
Dennoch sehe ich Hoffnung für Europa: „Tausende auf den Straßen“, lesen wir im Antrag – übrigens nicht nur in Hessen, sondern in weiteren deutschen Städten und auch in ganz Europa. Der „Pulse of Europe“: Eine Graswurzel-Bewegung, also eine Bewegung von unten, mit dem Ziel, den europäischen Gedanken wieder sichtbar und hörbar zu machen. Nach dem Brexit und nach der Wahl von Donald Trump haben Sabine und Daniel Röder entschieden, eine schweigende Mehrheit in Deutschland wachzurütteln, um eine mögliche Zerstörung der Europäischen Union als Garanten für Frieden und Wohlstand zu verhindern.
Bei der ersten öffentlichen Kundgebung im November waren 200 Menschen auf der Straße, eben sind es 3.000. In ganz Europa gehen Menschen für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf die Straße. „Am Ende tanzt Europa am
Ein letzter Satz. – Das ist eine wunderbare Überschrift, die uns Hoffnung für die Zukunft Europas gibt.
Vielen Dank, Frau Kollegin Waschke. – Als Nächste spricht Frau Kollegin Nicola Beer für die Fraktion der Freien Demokraten.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, uns allen ist ein Stein vom Herzen gefallen nach den niederländischen Wahlen – vor allem deswegen, weil die Euroskeptiker dort eben nicht stärkste Kraft geworden sind, auch wenn sie leicht an Sitzen zugelegt haben.
Wir als Freie Demokraten freuen uns – das kann ich hier, glaube ich, auch unumwunden sagen – darüber, dass unseren freidemokratischen Schwesterparteien, nämlich sowohl die VVD als auch die D66, mit insgesamt 52 mehr als ein Drittel der 150 Sitze bei diesen Wahlen gewinnen konnten.