Protokoll der Sitzung vom 03.05.2017

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich finde, die FDP hat sich für diesen Setzpunkt einen guten Titel überlegt: Wirtschafts- und Industriestandort Hessen stärken. Sie haben einen wirklich guten Titel gewählt, weil dieser Titel genau das beschreibt, was diese Koalition aus CDU und GRÜNEN seit mehr als drei Jahren erfolgreich tut.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir stärken den Wirtschafts- und Industriestandort Hessen genau so, wie wir es uns in unserem Koalitionsvertrag vorgenommen haben. Wir erhalten die Leistungsfähigkeit der hessischen Wirtschaft, und wir wahren dabei die Balance zwischen Ökonomie und Ökologie, weil Wirtschaft für uns kein Selbstzweck ist. Genau das unterscheidet die Politik dieser Landesregierung auch vom Verständnis der FDP.

Wir setzen nicht allein auf den Markt. Diese Landesregierung tritt für eine soziale und ökologische Marktwirtschaft ein, die vor allem den Menschen dient, ihren Wohlstand sichert und ausbaut. Uns ist sehr bewusst, dass es eine Vielzahl nationaler und internationaler, kleiner, großer und mittelständischer Unternehmen ist, die Tausende von Menschen in Hessen beschäftigen, denen diese Menschen ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen und mit denen sie sich identifizieren. Wir bedanken uns bei den Unternehmerinnen und Unternehmern, genauso aber bei den Beschäftigten, ohne die die Erfolge der hessischen Wirtschaft nicht möglich wären.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, wirtschaftliches Geschehen ist stets ein dynamischer Prozess. Wer stehen bleibt, verliert.

Da wir als Landesregierung einen Teil des Rahmens setzen, in dem sich hessische Unternehmen bewegen, ist uns eines besonders wichtig: Wir werden die große kreative Vielfalt und die große Innovationskraft, die daraus erwächst und der wir in Hessen begegnen, weiter gezielt unterstützen, weil wir wissen, dass stetige Dynamik stetige Anpassung erfordert.

Wirtschaftliche Dynamik, der Schutz von Umwelt und Natur, sichere Arbeitsplätze und nachhaltige Produktionsprozesse sind uns gleichermaßen wichtig. Damit setzen wir auf die richtige Balance, weil wir die langen Linien im Blick haben und weil es 2017 ist.

Meine Damen und Herren, heute ist ein sehr guter Zeitpunkt, eine wirtschaftspolitische Zwischenbilanz zu ziehen. Die hessische Arbeitslosenquote im April – bekanntlich heute veröffentlicht – betrug 5,1 %. Erneut liegt sie damit deutlich unter dem westdeutschen Durchschnitt. Gleichzeitig ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in unserem Bundesland erstmals auf über 2,5 Millionen geklettert. Hessen hat also unter Verantwortung eines grünen Wirtschaftsministers die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 26 Jahren und so viele sozialversicherungspflichtig Beschäftigte wie noch nie. Das ist ein echter Grund zur Freude.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Da wir die langen Linien im Blick haben, will ich eine solche Zwischenbilanz in den historischen Zusammenhang stellen, in den sie gehört. Vor 26 Jahren haben wir im Westen der Republik noch die Ausläufer eines Booms erlebt, der durch die Wiedervereinigung und den großen Nachholbedarf im Osten ausgelöst war. Viele Investitionen sind dorthin geflossen, und nur langsam entstanden Unternehmen, die wirklich im Wettbewerb bestehen konnten. Die Investitionen wurden vor allem darauf konzentriert, die Infrastruktur dort instand zu setzen und dem modernen Bedarf anzupassen. Das ist für uns heute deshalb noch relevant, weil ein guter Teil des Nachholbedarfs im Westen genau aus jener Zeit stammt.

Schlagwortartig: die Dotcom-Blase 2000, die rasch eine Bankenkrise nach sich zog, die insbesondere die vier damaligen deutschen Großbanken traf, die Lehman-Pleite 2008 und die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise, von der Deutschland mit seiner Exportorientierung überproportional betroffen war, Hessen insbesondere. Nennen will ich außerdem die Nuklearkatastrophe von Fukushima, die bekanntlich 2011 die Energiepolitik ganz entscheidend verändert hat.

Dieser kleine Rückblick, gemeinsam mit der zuvor genannten äußerst positiven Entwicklung der Beschäftigtenzahlen, zeigt mindestens zweierlei. Erstens sehen wir heute, dass die hessische Wirtschaft trotz ihrer erheblichen Abhängigkeit vom Finanzplatz Frankfurt besser aus den zahlreichen Krisen und Herausforderungen der letzten Jahrzehnte hervorgegangen ist, als dies zu erwarten war, zweitens aber auch, dass der Prozess des strukturellen Wandels gerade erst begonnen hat.

Deshalb ist völlig klar: Ein Zurück in eine vermeintlich heile wirtschafts- und industriepolitische Vergangenheit, wie Sie es in Ihrem Antrag beschreiben, verehrte Kollegin und Kollegen von der FDP, kann und wird es nicht geben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Deshalb werden wir auch keinen Weg zurück verfolgen, sondern nach vorne blicken. Konkret will ich auf einige wichtige Felder dezidiert eingehen. Besonders beschäftigt uns alle gemeinsam das Megathema der Digitalisierung. Die Veränderung, die die Digitalisierung in allen Bereichen unseres Zusammenlebens mit sich bringt, beschleunigt den Wandel. Sie eröffnet eine Vielzahl neuer Wege der Information und der Kommunikation.

Mit der Strategie „Digitales Hessen“, die Wirtschaftsminister Al-Wazir im vergangenen Jahr vorgestellt hat, hat die Landesregierung die richtigen Maßnahmen beschrieben, um diesem Megathema zu begegnen. Digitalisierte Wirtschaftsprozesse sorgen einerseits zwar dafür, dass wir einen bequemeren und schnelleren Zugang zu einer unüberschaubaren Fülle von Waren und Dienstleistungen erhalten und Industrieprodukte immer stärker auf persönliche Wünsche und Bedürfnisse zugeschnitten werden können.

Aber gleichzeitig verändert die Digitalisierung unser Arbeitsleben und bringt negative Effekte mit sich. Menschliche Arbeitskraft wird durch Maschinen ersetzt. Das ist kein ganz neuer Effekt, aber es geschieht in einem bisher nie da gewesenen Tempo. Manche Berufsbilder verschwinden ganz, und es entstehen neue Arbeitsplätze, die vollkommen neue Fähigkeiten und Kenntnisse voraussetzen. Diese Veränderungen der Arbeitswelt erzeugen Angst und Unsicherheit und sind damit Nährboden für Populismus und Protektionismus.

Dennoch bringt die Digitalisierung wie jeder Strukturwandel Gewinner und Verlierer mit sich. Die Zahl der in Hessen ansässigen Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnologie wächst. Gleiches gilt für die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Branche und den dort generierten Umsatz.

Ich finde, jedes Land kann sich über Unternehmen aus Branchen freuen, deren Bedeutung wächst. Sie verdienen unsere besondere Beachtung und Förderung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Vizepräsidentin Ursu- la Hammann übernimmt den Vorsitz.)

Die Vernetzung der Wertschöpfungsprozesse über Unternehmensgrenzen hinweg ermöglicht es, stärker auf Just-intime-Produktion zu setzen und so auf Lagerhaltung zu verzichten. Werden Wertschöpfungs- und Lieferketten in diesem Sinne aber optimiert?

Das betrifft vom Rohstofflieferanten bis hin zum Endkunden und darüber hinaus zum Recycling tatsächlich alle. Das spart Ressourcen. Damit sind nicht nur bedeutende ökonomische, sondern eben auch ökologische Gewinne verbunden. Zugleich lautet die umso dringlichere Aufgabe, innovative Lösungen für die Probleme der Lieferwege zu finden. Auch daran arbeitet die Landesregierung.

Ich nenne diese Beispiele, weil sie den Kern unserer wirtschaftspolitischen Agenda als Koalition beschreiben: Ökonomie und Ökologie zu versöhnen, sie als Chance, aber nicht als Widerspruch zu betrachten und mit grünen Ideen schwarze Zahlen zu schreiben.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Damit komme ich zur Energiepolitik. Ich muss schon sagen: Ihre Angst, die Angst der FDP vor Veränderungen,

dringt Ihnen gerade in diesem Bereich seit ein paar Jahren leider aus jeder Pore. Statt nach Fukushima und aufgrund der Klimakatastrophe die Chancen zu nutzen, die im Umbau unserer Energieerzeugung liegen, stemmen Sie sich dagegen, weil Sie auf kleine politische Geländegewinne hoffen.

Der Klimaschutzplan der Landesregierung, den Sie – jedenfalls in Ihrem Antrag – zu einer Art wirtschaftspolitischem „Gott sei bei uns“ stilisieren, wird den Ausstoß schädlicher Klimagase deutlich reduzieren, die negativen Folgen des Klimawandels vermindern und der Wirtschaft neue Möglichkeiten eröffnen. Das liegt im Interesse der gesamten Wirtschaft, gerade aber auch im Interesse der energieintensiven Branchen.

Erst kürzlich war ich bei der Internationalen Sanitär- und Heizungsmesse in Frankfurt zu Gast und habe dort mit vielen Unternehmen gesprochen. Sie setzen auf genau diese Chancen und nutzen sie längst intensiv. Den Weg zurück in die Vergangenheit, den Sie beschreiben, wird niemand mit Ihnen gehen, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, Frankfurt ist der führende Finanzplatz Kontinentaleuropas. Seine Bedeutung wächst noch durch den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, den wir bedauern. Deshalb kann gerade in Hessen keine wirtschaftspolitische Debatte nur auf die sogenannte Realwirtschaft blicken. Hier bei uns hat die Finanzwirtschaft eine Bedeutung wie in keinem anderen Bundesland.

Der Veränderungsbedarf ist nach wie vor hoch. Der Finanzsektor sendet auch aktuell zahlreiche Alarmsignale aus. Was wir in den letzten Tagen beispielsweise aus der Commerzbank hörten, zeigt genau dies drastisch. Darauf müssen die Banken selbst, aber auch der Finanzplatz insgesamt adäquate Antworten finden. Zum Thema Fintechs und den darin liegenden Chancen haben wir zuletzt schon ausführlich gesprochen.

Wir sehen den nötigen Strukturwandel also nicht in erster Linie als Bedrohung für den Wirtschaftsstandort. Wir betonen vielmehr die Chancen, die in jedem Wandel stecken, und wollen diese Chancen konsequent nutzen. Deshalb ist dieses Bild vom zerbröselnden Jammertal, das jedenfalls im Antrag gezeichnet wird, weit weg von der Realität.

Herr Kollege, Sie müssten bitte zum Ende kommen.

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

(Heiterkeit des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Abschließend, lieber Kollege Florian Rentsch: Sie haben sich entschieden, den Hessischen Landtag und damit auch uns alle, Ihre Kolleginnen und Kollegen, zu verlassen und Vorstandsvorsitzender des Verbands der Sparda-Banken zu werden. Ich will mich ganz ungeachtet aller inhaltlichen und grundsätzlichen Differenzen seitens meiner Fraktion für Ihre engagierte Arbeit für unser Land – sei es hier im Landtag oder in der Landesregierung – bedanken und wünsche Ihnen für Ihre künftige Tätigkeit eine glückliche

Hand, viel Erfolg und persönlich alles Gute für die Zukunft. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Klose. – Als nächster Redner spricht Herr Staatsminister Al-Wazir. Bitte schön, Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sparda-Bank, Genossenschaftsbank: Lieber Genosse Rentsch,

(Heiterkeit der Abg. Michael Boddenberg (CDU) und Florian Rentsch (FDP))

das Gute an der Sparda-Bank ist nicht nur, dass sie zum Genossenschaftssektor gehört, sondern auch, dass sie, jedenfalls mit der Sparda-Bank Hessen, Namensgeber für den Bieberer Berg in Offenbach ist.

(Florian Rentsch (FDP): Bis jetzt, ja! – Heiterkeit)

Ich freue mich, wenn das Mitglied von Borussia Dortmund und Wehen Wiesbaden dann öfter einmal zu Gast bei den Heimspielen von Kickers Offenbach ist. Darauf freue ich mich schon, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Heiterkeit – Janine Wissler (DIE LINKE): Gelder kürzen!)

Ja, ich will es einmal so sagen: Einerseits haben wir hier natürlich eine Plenardebatte, in der es um einen Antrag geht, den die FDP gestellt hat, und um einen Antrag, den die Koalition dagegengestellt hat. Zugleich ist es die letzte Rede des Kollegen Rentsch. Um es gleich vorab zu sagen: Natürlich hatten Sie, lieber Kollege Rentsch, in der Sache immer unrecht.

(Heiterkeit)

Aber es hat Spaß gemacht, darüber zu streiten, weil Sie aus Ihrer Sicht natürlich immer der Auffassung waren, dass ich unrecht hätte.

(Florian Rentsch (FDP): Was stimmt! – Heiterkeit – Gerhard Merz (SPD): Beides stimmt!)

Die Sozialdemokraten sagen natürlich: „Beides stimmt“. Insofern sind wir uns da wieder einig, meine sehr verehrten Damen und Herren.