Seitens des Landes ist es immer auch wichtig, begleitend aktivierende Arbeitsmarktpolitik zu betreiben. Daher habe ich einmal einen Wert herausgesucht, der, wie ich finde, ganz gut beschreibt, wo Hessen steht. Wir brauchen in Hessen eine innovative, neugierige und mutige Gründerund Entwicklungsszene. Nach dem KfW-Gründungsmonitor belegt Hessen bei den Flächenländern Platz 1. Man könnte also sagen: Hessen ist Gründerland Nummer eins in Deutschland. – Das ist eine gute Basis für die Zukunft, das müssen wir pflegen. Das sollten wir auch nicht kleinreden.
Ein weiteres Beispiel, das ich gern dafür anbringen möchte, wie man Erfolg messen kann, ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Auch hier liegen wir in der Landesgeschichte mit einem Wert von über 2,5 Millionen erstmals auf einem Rekordniveau. Betrachten wir die Zahl der Erwerbstätigen insgesamt, dann landen wir sogar bei über 3 Millionen. Das ist in der Tat der Kern, um den es bei einer guten Wirtschaftspolitik geht. 3 Millionen Menschen sind in Arbeit und Brot. Daran hängen Familien, Freundes- und Bekanntenkreise; so kann man die Menschen im Prinzip mit politischen Entscheidungen konfrontieren, auch wenn wir – Herr Kollege Rentsch sprach es an – immer wieder damit konfrontiert werden, dass Unternehmen vor Ort Entscheidungen fällen, mit denen wir nachher in der Politik umgehen müssen.
Die Industrie wurde vom Kollegen angesprochen, und darauf möchte ich gern eingehen. Es gibt von der IHK eine Studie „Das Netzwerk Industrie in der Region Frankfurt/ Rhein-Main“. Diese zeigt in der Tat auf, dass wir seit 2008 im verarbeitenden Gewerbe stagnierende Beschäftigungszahlen haben. Sie zeigt aber auch auf, dass die Gesamtbeschäftigung im Netzwerk Industrie um 7 % zunahm. Auch die Bruttoinvestitionen der Industriebetriebe stiegen im gleichen Zeitraum um 8 %. Das gibt Hoffnung, dass die Situation stabil bleibt.
Es wurde die Frage gestellt, was die Landesregierung hierfür mache. – Wir haben im Plenum unlängst schon einmal einen Antrag zum Thema Gesundheitsindustrie gehabt. Wir haben die Einrichtung House of Pharma & Healthcare, und wir haben vor allem das mittlerweile 600 Millionen € umfassende Programm LOEWE. Jeder von uns war wahrscheinlich schon einmal dabei oder hat es mitbekommen, wie wir damit gezielt Initiativen fördern und unterstützen können, aus welchen noch etwas hervorgehen kann, was zum Gesamtkunstwerk eines erfolgreichen Hessenstandorts beitragen kann.
Der gesamte Erfolg stellt uns allerdings auch vor Herausforderungen. Wir müssen in Zukunft beispielsweise folgende Fragen beantworten: Wie können wir Fachkräfte sichern? Wie können wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiterhin ausbauen und fördern? Wie schaffen wir Möglichkeiten der Fort- und Weiterbildung in einer sich immer schneller ändernden Arbeitswelt? Wie schaffen wir es, Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren? Damit meine ich nicht nur Menschen, die vor Kurzem hergekommen sind und auf Dauer bleiben werden, sondern ich meine all jene, die ihren Weg vor allem ins Rhein-Main-Gebiet finden in der Hoffnung, hier eine bessere Perspektive zu haben. Wir haben bei der Landesregierung die Stabstelle Fachkräftesicherung angesiedelt. Diese soll Impulse, Bedarfe und Lösungsansätze bündeln und koordinieren.
Eine weitere Herausforderung, die wir zu bewältigen haben, ist die Aufrechterhaltung einer Verkehrsinfrastruktur. Wir müssen das Verkehrswegenetz so entwickeln, dass wir auch künftig eine Erreichbarkeit leisten können, nicht nur innerhalb des Wirtschaftszyklus, sondern auch für die vielen Hunderttausend Pendler innerhalb Hessens. Daher wurden die Mittel für die Planungs- und Bauabwicklung von 33,5 Millionen € im Jahr 2013 auf 54 Millionen € in diesem Jahr erhöht. Herr Kollege Rentsch sprach es dankenswerterweise an. Das ist auch notwendig. Wir werden im Jahr 2018 die Mittel sogar weiter erhöhen. Die reinen Baumittel wurden zudem von 90 auf 99 Millionen € erhöht. Insgesamt bewegen sich die Investitionen damit auf einem Rekordniveau. Da wir in Zukunft nicht alles über die Straße verkehrlich abwickeln können, wurde die Finanzierung des ÖPNV auf neue Beine gestellt. Auch werden entsprechende Mittel in den Schienennahverkehr und Schienenverkehr fließen müssen.
Meine Damen und Herren, eine wichtige Aufgabe für die Zukunft des Standorts Hessen und die Beibehaltung des Erfolgs dieses Standorts wird auch sein, mit welcher Konsequenz wir die Digitalisierung und den Ausbau digitaler Netze vorantreiben. Wir haben das Ziel, dass wir bis 2020 60 % der Haushalte mit 400 Mbit/s-Anschlüssen versorgen werden. Das wird wichtig sein, nicht nur innerhalb der prosperierenden Region Rhein-Main, sondern natürlich auch außerhalb der großen Zentren, auf dem Lande, zur Beantwortung mancher Fragen zum Stadt-Land-Gefälle und zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Dort wird maßgeblich entscheidend sein, wie die Anbindung an die Zentren erfolgen kann.
Aber wir werden in den kommenden Jahren noch ein paar Herausforderungen haben, die wir von hier aus kaum beeinflussen können. Die Folgen des Brexit und die absehbaren Folgen einer wie auch immer gearteten neuen Wirtschaftpolitik in den USA werden uns noch ein bisschen be
schäftigen. Das werden wir hier im Landtag kaum beeinflussen können. Trotzdem geht es um eine Größe von ungefähr 20 % der Exporte der hessischen Wirtschaft, sodass das ein sehr spannendes und herausragendes Thema sein wird, auch in der Bewertung künftiger Zahlen. Wir haben das Glück, den Finanzplatz Frankfurt als den wohl stärksten Finanzplatz auf dem Kontinent zu haben. Dies ist aber gleichzeitig eine Herausforderung. Wir haben im Rahmen der Finanzkrise vor ein paar Jahren sehen können, wie schnell dieses Glück zu einer Herausforderung werden kann. Auch hier wird sich noch zeigen, welche Folgen der Brexit haben wird.
Unternehmerische Entscheidungen, die Prognosen unerwartet beeinflussen können, müssen wir heute außen vor lassen.
Meine Damen und Herren, Hessen ist ein außerordentlich erfolgreiches Land. Unser Land ist mit all seinen Stärken eine der erfolgreichsten und nach wie vor leistungsfähigsten Regionen Deutschlands und Europas. Ich glaube sehr wohl, dass wir hier eine Ausgangssituation und Grundlagen haben, um die uns viele Regionen beneiden. Allein die Zahlen, die ich vortrug, sollen darstellen, dass Hessen seit vielen Jahren auf einem guten Weg ist. Wir müssen alles dazu beitragen, dass dies auch so bleibt.
Hessen bietet durchaus Möglichkeiten und Grundlagen, aufgrund derer wir guter Hoffnung sein können. Wir haben mit über 13 Hochschulen eine Ausbildungsdichte wie fast nirgendwo in der Republik. Wir haben 30 außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und Technologie- und Gründerzentren. Hessen ist in dieser Beziehung für die Zukunft gut aufgestellt.
Mit dem Finanzplatz Frankfurt und allen daran geknüpften Dienstleistungen haben wir einen Garanten für eine gute Entwicklung in Frankfurt und für einen Jobmotor par excellence. Die Zentralität unseres Landes, die Verkehrsdrehkreuze um Frankfurt herum, der Flughafen, die Schienenverbindungen in alle Richtungen und die Autobahnen sind die Basis für einen weiteren Erfolg.
Wovon wir auch profitieren – das darf nicht unerwähnt bleiben –, ist die Leistungsfähigkeit und die Bereitschaft von Unternehmern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Unternehmen, ihren Beitrag dafür zu leisten, dass Hessen so erfolgreich dasteht, wie wir es heute besichtigen können. Meine Damen und Herren, ich denke, wir haben eine gute Grundlage. Die meisten Regionen können uns darum beneiden.
Ich bin froh, dass Kollege Rentsch in seinem Vortrag viele Punkte bestätigt und sich primär auf die Frage des Industriestandorts beschränkt hat. Ist er im Raum?
Nein. – Mit einer persönlichen Bemerkung mache ich dann Schluss. Herr Kollege Rentsch, Frau Kollegin Faeser, Herr Kollege Wagner und ich sind 2003 zusammen in den Landtag eingezogen. Wir hatten damals als völlige Neulinge mit dem Hessischen Rundfunk eine skurrile Homestory zu machen. Wir haben uns alle irgendwo filmen lassen, keiner wusste genau, wo. Wissen Sie noch, wo Herr Rentsch sich hat filmen lassen? – Am Rednerpult. Er war noch nicht im Landtag und hat sich am Rednerpult filmen lassen. Vielleicht war das ein Omen.
Das mache ich gerne. Das ist eine Punktlandung. – Herr Kollege Rentsch, vielleicht bekommen Sie es ja mit, ich möchte Ihnen für Ihr Engagement in den letzten Jahren im Hessischen Landtag und darüber hinaus danken. Es ist ein schönes Gefühl, zusammen eingezogen zu sein. Dann bin ich wieder gegangen. Jetzt bin ich wieder da, und jetzt gehen Sie. Das hätten wir ein bisschen besser absprechen können.
Ich wünsche meinem Kollegen alles Gute für die Zukunft, viel Spaß bei der neuen Aufgabe. Wie sagt man so schön: Die Welt ist klein, man sieht sich gerne wieder. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt ist Kollege Rentsch leider nicht da. Ich wollte etwas Außergewöhnliches machen. Meine ersten Worte sollten sein: Kollege Rentsch hat recht. – Sie sind es dennoch: Kollege Rentsch hat recht. An die Landesregierung gerichtet, hat er gesagt: Wer Platz 5 des europäischen Innovationsindex erreichen will, sollte nicht von Platz 7 auf Platz 10 zurückfallen. – Damit hat er absolut recht.
Die Landesregierung hat sich viel vorgenommen, was Wirtschafts- und Industriepolitik angeht. Allerdings sind die messbaren Zahlen im Verhältnis zu dem, was Sie sich vorgenommen haben, nicht ganz so gut, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben. Das bezieht sich nicht nur auf den europäischen Innovationsindex, sondern auch auf den Anteil interner Forschungs- und Entwicklungsausgaben am BIP.
Ach, da ist er ja wieder. Herr Kollege Rentsch, Sie haben es versäumt, ich habe Ihnen gerade recht gegeben.
Ich werde vielleicht gleich bei einem anderen Punkt auch noch einmal dazu kommen, das in Ihrer Gegenwart zu tun.
Der Anteil der Forschungs- und Entwicklungsausgaben in Hessen liegt bei nur 2,88 %. Damit liegt Hessen deutschlandweit nur auf dem fünften Platz. Baden-Württemberg hat den ersten Platz mit 4,91 % und Bayern den zweiten Platz mit 3,17 %. Dort sind auch die Forschungs- und Entwicklungsausgaben im öffentlichen Sektor deutlich höher. Damit verfehlt Hessen das Ziel der Hightech-Strategie 2020, die einen Anteil von 3 % anstrebt. Es sieht also alles nicht so rosig aus, wie es dargestellt wird. Insofern hat
auch Kollege Rentsch recht, wenn er sagt, man sollte sich einmal anschauen, wie die Entwicklung im Augenblick aussieht.
Wo Kollege Rentsch auch recht hat, ist bei der Bildungspolitik. Er hat darauf hingewiesen, dass in Zukunft die Unkenntnis von Programmiersprachen eine Form von Analphabetismus darstellen könnte.
Ich kann das aus eigener Erfahrung berichten. Mein Sohn wollte gerne in der Oberstufe das Fach Informatik belegen. Er kann das Fach nicht belegen, weil es dafür keine Lehrer gibt. Von der Schulleitung wurde der wunderschöne Satz erwidert: Es gehe zunächst einmal vor allem um humanistische Bildung und gar nicht so sehr um berufspraktische Fragen. – Er kann aber auch nicht ohne Weiteres die Schule wechseln, weil der Schulwechsel in Hessen nicht so einfach ist, wenn jemand wegen eines Faches wechseln will.
Ich finde, da liegt noch einiges im Argen. Das sind aber Fragen, die die Fähigkeiten hessischer Schülerinnen und Schüler und der späteren Angestellten ganz maßgeblich beeinflussen. Später wird gefragt, ob jemand eine Programmiersprache beherrscht, ob er fit in Informatik ist. Ich kann Ihnen aus Unternehmensbesuchen berichten, dass das etwas ist, was von den Unternehmen abgefragt wird und was gewünscht wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch da müssen wir noch ordentlich zulegen.
Das wäre jetzt zu viel des Guten gewesen. Ich vermisse bei der FDP immer wieder das Verständnis, dass die Energiewende – da sind die Kollegen von der CDU schon immer weiter;
Ich kann Ihnen von meinem Besuch auf der Hannover Messe berichten. Jedem, der bezweifelt, dass Energiewende auch Industriepolitik ist, kann ich nur sehr empfehlen, auf die Hannover Messe zu fahren und sich das dort anzuschauen. Ein großer Teil der Unternehmen, die dort sehr erfolgreich sind und ihre Produkte zeigen, verdanken den großen letzten Innovationsschub ihrer Produkte der Energiewende. Das sind Viessmann, Rittal, Bosch Thermotechnik, viele Chemie- und Verbundtechnikunternehmen. Man darf nicht übersehen, welche massive Innovationspolitik mit der Energiewende angestoßen worden ist. Wer das übersieht, hat Innovationspolitik nicht vollständig durchdrungen;
ebenso wie die Frage, wozu das EEG eigentlich gut ist. Dazu kann ich anbieten, dass wir uns noch einmal zusammensetzen. Ich kann das gerne noch einmal erklären. Die Degression war von Anfang an einbezogen: die Vorstellung nämlich, dass die Förderung, die keine Subvention ist, sondern eine Umlage, von Anfang an geplant irgendwann bei null landen wird, weil die Umlagen immer weiter in die
Degression gehen sollen. Von daher ist die Kritik an dem EEG meiner Meinung nach von nicht besonders großer Sachkenntnis gezeichnet. Das ist ein Punkt, über den wir hier auch sehr häufig gestritten haben. Deswegen war es wichtig, noch einmal auf diesen Punkt hinzuweisen.
Kommen wir noch einmal zurück zur Landesregierung und zur Wirtschaftspolitik der Landesregierung. Es ist mir sehr wichtig, noch einmal einen Punkt zu unterstreichen. Wir haben insbesondere in Bezug auf Industriepolitik viele Initiativen der Landesregierung. Das ist auch gut so. Was dabei allerdings auffällt, ist, dass seltsamerweise die Beschäftigten und die Gewerkschaften dabei nur eine sehr geringe Rolle spielen. Das ist vor dem Hintergrund, dass die Gewerkschaften und die Beschäftigten die Prozesse, um die es geht, massiv mittragen müssen und wir die Erfahrung haben, dass Gewerkschaften dabei häufig sogar eine tragende Rolle spielen, unserer Meinung nach eine falsche Strategie.
In anderen Bundesländern ist das längst verstanden worden. Da gibt es Bündnisse für Industrie oder Industrieinitiativen oder wirtschaftspolitische Initiativen, die nach dem Trilog-Prinzip organisiert sind. Das heißt, da sitzen nicht nur die Regierung und die Wirtschaft, also die Wirtschaftsverbände, an einem Tisch, sondern da sind die Gewerkschaften und die Vertretungen der Beschäftigten immer mit dabei. Unserer Meinung nach kann man das gar nicht anders organisieren, und es ist einigermaßen erstaunlich, dass das hier in Hessen immer noch nicht verstanden wird.