Der Landtag stellt fest, dass sich die fachlichen Anforderungen an Schule und Unterricht in den vergangenen Jahren gewandelt und massiv zugenommen haben.
Ich glaube, auch das ist keine neue Erkenntnis. Aber wenn das bei uns nicht zulässig ist, dürfen auch Sie solche Anträge nicht stellen. Von daher würde ich sagen, das ist kein besonders starkes Argument.
Die Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben durchaus das Recht, gesellschaftliche Probleme aufzugreifen. Dass es nun mal Klagen im Zusammenhang mit dem Spracherwerb gibt, dürfte auch Ihnen zugetragen worden sein. Von daher ist es durchaus legitim, dass sich auch unsere Fraktionen eines aktuellen gesellschaftlichen Themas annehmen und einen Antrag dazu stellen.
Ich glaube ebenfalls, dass Ihr Vorwurf, wir hätten keine Konzeption oder wollten nicht sagen, was wir machen wollen, und auch Ihre Vorwürfe im Hinblick auf die Verwendung der Anlauttabelle – Schreiben nach Gehör – völlig falsch sind. Sie haben unseren Antrag nicht richtig gelesen – was vielleicht ein weiteres Argument für die Richtigkeit dessen ist, was in unserem Antrag steht. Schauen Sie sich einmal an, was unter Punkt 2 unseres Antrags steht. Der dritte Satz lautet:
Die Nutzung von Anlauttabellen kann dabei zu Beginn des Erwerbs der Schriftsprache als potenziell zielführend erachtet werden, wenn sie in ein pädagogisches Gesamtkonzept eingebunden ist.
Das zeigt ganz deutlich, dass wir eine feste Meinung dazu haben. Sie lautet: Die Nutzung von Anlauttabellen kann zwar am Beginn des Erwerbs der Schriftsprache durchaus sinnvoll sein, im weiteren Verlauf soll aber auf das korrekte Schreiben Wert gelegt werden. Das ist ein sehr sinnvolles Konzept. Es zeigt deutlich, dass es hier nicht um ein Entweder-oder geht, sondern darum, an der richtigen Stelle das richtige Konzept einzusetzen. Wir wollen dort also beides ermöglichen.
Vor allen Dingen sind wir auch der Überzeugung, dass wir den Pädagoginnen und Pädagogen vor Ort die pädagogische Freiheit geben müssen, selbst darüber zu entscheiden, welches Konzept sie übernehmen. Wir glauben, dass Lehrerinnen und Lehrer die pädagogische Freiheit haben sollten, innerhalb der Rahmen, die wir vorgeben, selbst zu entscheiden, wie sie vorgehen. Das ist für uns pädagogische
Freiheit; das ist für uns die Freiheit der Schulentwicklung vor Ort, und danach wollen wir auch weiter verfahren.
Vonseiten der Linkspartei und der SPD-Fraktion ist hier auch – etwas spöttisch, sage ich einmal – gefragt worden, was es denn mit der Handschrift auf sich habe. Es ist gefragt worden, ob es tatsächlich Leute gibt, die den Nutzen der Handschrift ernsthaft infrage stellen. Leider ist das so. Prof. Dr. Horz, den ich sonst sehr schätze, hat sich gegenüber dem Hessischen Rundfunk entsprechend eingelassen. Er hat gesagt, im Prinzip sei sie im Zeitalter der Digitalisierung abzuschaffen.
Genau das Gegenteil ist richtig. Die Handschrift ist überlegen, wenn es darum geht, sich Notizen zu machen und Dinge zusammenzufassen. Die Verwendung der Handschrift ist da dem Bedienen der Tastatur überlegen; denn auf diese Art und Weise wird das Lernen gefördert. Dazu gibt es auch wissenschaftliche Untersuchungen, zuletzt 2014 von Pam Mueller und Daniel Oppenheimer von der Princeton University, die das folgendermaßen zusammengefasst haben: „The Pen Is Mightier Than The Keyboard“.
Von daher glaube ich – auch vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftlichen Debatte –, es ist richtig, zu sagen: An dieser Stelle legen wir Wert darauf, dass die Kulturtechnik der Handschrift weiter gelehrt wird.
Ich komme zum Schluss. Wir schließen uns der Auffassung an, dass die Sprache für das Lernen in der Schule grundlegend ist und daher eine besondere Bedeutung hat. Die Handschrift hat weiterhin ihre Bedeutung und muss auch weiterhin unterrichtet werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Parlament kommt vor der Regierung. Jetzt ist der Minister an der Reihe. Herr Minister, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lesen und Schreiben – das Wort ist jetzt schon mehrfach gefallen – sind Schlüsselqualifikationen, die die Teilhabe am Leben auch und gerade in einer medialen, auf Kommunikation ausgerichteten Gesellschaft erst ermöglichen. Allein deswegen sind sie von zentraler Bedeutung. Unsere Grundschulen stehen am Anfang und im Mittelpunkt der Bemühungen, alle Menschen in unserer Gesellschaft zu dieser Teilhabe zu befähigen. Der Erfolg des Leseund Schreiblernprozesses zu Beginn entscheidet wesentlich über den weiteren Bildungsweg unserer Schülerinnen und Schüler. Das weiß die Landesregierung, das wissen aber
vor allem die Grundschullehrkräfte, die die Kinder mit großem Engagement in diese grundlegenden Kulturtechniken einführen.
Zu diesem Erfolg gehört der Erwerb einer manuellen Schreibschrift, auch und gerade im Zeitalter der Digitalisierung – das hat Herr Abg. May eben wunderbar ausgeführt –, und es gehört dazu das Erlernen orthografisch korrekten Schreibens, also der Rechtschreibung. Ich glaube, das ist unbestritten. Es ist auch schön, festzustellen, dass das in diesem Saal eigentlich niemand bestritten hat. Deswegen sieht unser Kerncurriculum und sehen unsere Bildungsstandards für die Primarstufe ganz klar vor, dass diese Lernprozesse in der Grundschule stattfinden.
Aus diesem Grund kommt es mir bei diesem Antrag auf zweierlei an: erstens darauf, die bedeutende Arbeit unserer Grundschullehrerinnen und -lehrer in diesem Bereich zu würdigen und sie gegen ungerechtfertigte Angriffe in Schutz zu nehmen, zweitens darauf, dass wir uns überlegen, wie wir sie bei dieser Arbeit noch besser unterstützen können.
Zu dem ersten Punkt brauchen Sie sich nur die Zeitungen der letzten Wochen und Monate – vielleicht auch der letzten Jahre – anzuschauen, in denen immer wieder die Behauptung auftaucht, dass die Rechtschreibkenntnisse unserer Schülerinnen und Schüler nachlassen. Das Thema ist im Moment en vogue; ich kann das vom journalistischen Standpunkt aus auch gut verstehen. Die Menschen, gerade die Eltern, bewegt das nämlich zu Recht.
Es ist aber auch nicht neu. Schon 1910, also vor über 100 Jahren, im ausgehenden Kaiserreich, hat der westfälische Pädagoge Richard Lange eine Streitschrift veröffentlicht, in der es heißt:
Die große Mehrheit der Kinder, die aus der Schule entlassen werden, haben ihr Ziel im Deutschen bei weitem nicht erreicht. Sie sind weder imstande orthographisch richtig zu schreiben, noch grammatisch richtig zu sprechen oder einen Brief in gutem Deutsch abzusetzen.
Das kommt einem irgendwie bekannt vor, nicht wahr? Aber damit will ich die Problematik nicht kleinreden.
Meine Damen und Herren, wir sehen, dass die Herausforderungen an unseren Grundschulen gewachsen sind, was die Vermittlung dieser fundamentalen Kulturtechniken angeht. Das hat auch etwas mit der Digitalisierung und dem generellen Nachlassen der Lese- und Schreibkultur zu tun.
Was aber nicht stimmt – das ist etwas, was ich hier ausdrücklich betonen möchte –, ist die Behauptung, dass an unseren Grundschulen eine Art Rechtschreibanarchie herrsche und die Kinder bis zum Ende der Grundschulzeit schreiben könnten, wie sie wollten. Das gilt insbesondere für die sogenannte Lernmethode „Schreiben nach Gehör“, die im Augenblick landauf, landab für einen Verlust an Rechtschreibkompetenz verantwortlich gemacht wird.
Ja, diese Methode ist Unsinn, und deswegen machen wir diesen Unsinn in Hessen auch nicht mit. Sollte ich mich täuschen und sollte sie an irgendeiner unserer 1.148 Grundschulen doch praktiziert werden, dann bin ich für jeden Hinweis dankbar. Dann werden wir dem nachgehen und es abstellen.
Ich sage aber auch: Ich habe in meinen jetzt knapp dreieinhalb Jahren als Minister noch keinen einzigen konkreten Beschwerdebrief dieses Inhalts bekommen. Das beruhigt mich. Ich glaube, wir können unseren Grundschullehrerinnen und -lehrern in ihrer pädagogischen Freiheit bei der Auswahl der richtigen Methoden zum Schreibenlernen auch weiterhin vertrauen.
Trotzdem, meine Damen und Herren, müssen wir auf die gestiegenen Herausforderungen reagieren, und das tun wir. Wir tun es beispielsweise durch den Einsatz unserer neu installierten Schulberaterinnen und -berater, die das Thema „Lesen, Schreiben, Rechnen“ genauso prioritär in den Schulen thematisieren werden, wie wir das auch im Rahmen der neuen Schwerpunktsetzungen unserer Fort- und Weiterbildung in der Hessischen Lehrkräfteakademie tun werden. Seit diesem Schuljahr gibt es beispielsweise eine eigene Fortbildungsreihe mit dem Titel „Schrift, Schreiben, Schriftlichkeit“. Wir haben für die Eltern aller Schulanfängerinnen und Schulanfänger ein Informationsheft aufgelegt, das aufzeigt, worum es beim Schreibenlernen geht und was die Ziele der Grundschulen sind. Wir erarbeiten auch eine Handreichung zur besseren Verzahnung von Primar- und Sekundarstufe im Kompetenzbereich Schreiben.
Aber vor allem, meine Damen und Herren – da greife ich sehr gerne etwas auf, was der Antrag der Regierungsfraktionen zum Ausdruck bringt –, wollen wir die Entwicklung eines Grundwortschatzes vorantreiben, eines Grundwortschatzes, der mit seinen vorgegebenen Wörtern von Beginn an als Unterstützungsleistung zum systematischen Aufbau von Rechtschreibkompetenzen beitragen soll. Denn ein solcher Grundwortschatz – das ist meine Überzeugung – wird den Lernumfang im Bereich der rechtschreibgesicherten Wörter bis zum Ende des 4. Schuljahres noch schärfer als bislang konturieren können. Er wird das richtige Schreibenlernen, gerade für die Eltern – das ist, glaube ich, eine wichtige Perspektive, um unseren Lehrerinnen und Lehrern einfach mehr Ruhe in ihrer Arbeit zu geben –, berechenbarer machen. Von alldem verspreche ich mir eine wesentliche Hilfestellung, eine Entlastung unserer Lehrkräfte und damit eine weitere, noch bessere Förderung des Schreiblernprozesses in unseren Grundschulen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Wir überweisen den Antrag zur weiteren Beratung an den Kulturpolitischen Ausschuss. – Es gibt keinen Widerspruch. Damit ist das so beschlossen.
Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Land und Kommunen arbeiten bei der Asyl- und Flüchtlingshilfe weiterhin Hand in Hand – Drucks. 19/4604 –
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Aufnahme, Betreuung und Integration von Asylbewerbern und Flüchtlingen ist eine Gemeinschaftsaufgabe aller drei staatlichen Ebenen, von Bund, Land und Kommunen. Hessen hat das immer begriffen und sich hierfür eingesetzt, indem es dem Land zugeordnete Aufgaben hervorragend erfüllt und darauf gedrängt hat, dass etwa ein Flüchtlingsgipfel organisiert wird und der Bund seinen Verpflichtungen nachkommt. Hierzu hat insbesondere Sozialminister Grüttner Initiativen ergriffen. Wir haben auch immer den Schulterschluss mit der kommunalen Familie, den Kommunalen Spitzenverbänden, gesucht und gefunden.
Die Aufgabe des Landes ist primär die Organisation der Erstaufnahme. Hier haben wir eine hervorragende Bilanz: Es gab keine Obdachlosigkeit, es gab keine Zelte; und wir haben sogar Flüchtlinge aus Bussen aufgenommen, die in Nordrhein-Westfalen abgewiesen worden sind. Wir haben die kommunale Familie stets hervorragend unterstützt. Die Pauschalen sind im Landesvergleich hoch. Wir sind immer im oberen Drittel gewesen. Die Vereinbarungen erfolgten stets mit den Kommunalen Spitzenverbänden. Es wurde immer ein Konsens hergestellt, und wir haben immer dafür gesorgt, dass die Zuweisungen an die Kommunen erst dann erfolgten, wenn der Aufnahmestatus einschätzbar geworden ist – im Gegensatz zu anderen Ländern, wo die Früchtlinge den Kommunen automatisch, unabhängig von der Klärung der Frage, ob sie aufgenommen werden oder nicht, also wie es mit dem Aufnahmestatus steht, zugewiesen worden sind. Das war eine Voraussetzung für eine gute Flüchtlingspolitik und einen Konsens in der Bevölkerung.
Worum geht es jetzt bei der aktuellen Vereinbarung? Es geht darum, dass man die Pauschalen auf einem sehr hohen Niveau behält. Es geht auch darum, dass die sogenannte kleine Pauschale – dies bedarf der Erklärung; sie wird für Personen geleistet, die bereits Leistungen aus dem SGB II beziehen und wo die Kosten für die Unterkunft vom Bund geleistet werden –, ein einheitlicher Betrag von 120 € pro Monat und Flüchtling für Maßnahmen der sozialen Betreuung und Integration, geleistet wird. Damit wird Planungssicherheit hergestellt, einerseits weil die Vereinbarung bis zum 31.12.2020 gilt, andererseits weil die Pauschalen für Flüchtlinge geleistet werden, die ab 2017 zugewiesen worden sind und dies von bisher maximal zwei Jahre auf maximal drei Jahre erhöht wird. Das ist ein ganz wichtiger Gesichtspunkt.
Zwar sind die Flüchtlingszahlen einerseits deutlich zurückgegangen; die Zuweisungen an die Kommunen sind aber weiterhin hoch. Es gibt einen entsprechenden Zeitverzug, gerade weil wir erst dann zuweisen, wenn wir eine Einschätzung des Status vorgenommen haben, sodass die Kommunen weiterhin unserer Unterstützung bedürfen. Diese Unterstützung bekommen sie. Wir sehen das weiterhin so, dass der Konsens in der Bevölkerung bei der Flüchtlingspolitik, auch als Prophylaxe gegenüber Rattenfängern, dadurch hergestellt wird, dass es möglichst wenig Reibungsfläche zwischen den staatlichen Ebenen gibt, dass die staatlichen Ebenen einheitlich handeln. Hierfür hat Hessen einen hervorragenden Beitrag geleistet. Wir danken dem Minister und den Kommunalen Spitzenverbänden dafür, dass sie diese Vereinbarung rechtzeitig getroffen haben. – Vielen Dank.