2015 hatten wir hier im Landtag die Debatte um die Große Anfrage der SPD-Fraktion zum Bereich Rechtsextremismus. Auch da hat die Landesregierung wieder die Gefahren eher kleiner geredet. Sie haben nicht von einer Vernetzung der rechtsextremen Szene gesprochen, nur von losen regionalen Gruppierungen. Die Identitäre Bewegung war im März 2015 noch nicht als rechtsextrem eingestuft, und sie konnten keine Angaben zum illegalen Waffenhandel machen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie sieht die Situation heute aus, wenn wir uns das Thema der Reichsbürger betrachten? – Auch diese Entwicklung wurde von der Landesregierung hier in Hessen verschlafen.
Erst redete man von einer niedrigen zweistelligen Zahl; nicht alle Reichsbürger seien zu beobachten. Dann waren es, nachdem sie eben im Bund auch zu einem Sammel-Beobachtungsobjekt der Länder erklärt wurden, auf einmal 400 Reichsbürger, dann 600 Reichbürger und in den letzten Presseverlautbarungen hieß es, es seien 700 Reichsbürger. Dieses Zahlenchaos zeugt ja wohl nicht von einem rasanten Mitgliederzuwachs in der Reichsbürgerszene, sondern vielmehr von der mangelnden Aufmerksamkeit, die man den Reichsbürgern vorher gewidmet hat.
Wir sind überzeugt, die Szene hat sich nicht erst nach dem schrecklichen Polizistenmord in Franken radikalisiert und verändert. Schon vorher sind sogenannte Reichsbürger mit Gewalt gegen Polizisten und Staatsbedienstete vorgegangen. Nur hat es vorher noch keine Toten gegeben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen sind wir froh, dass die Landesregierung jetzt endlich dieses Thema erkannt hat, endlich aufgewacht ist und endlich auch handelt.
Unser Berichtsantrag hat besorgniserregende Zustände offenbart: allein 42 Verstöße gegen das Waffengesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz seit 2006, 347 Schusswaffen, die sich legal im Besitz von Reichsbürgern befinden. Hohe kriminelle Energie ist aus den Antworten ersichtlich. Bis 2016 ließen sich schon über 100 entsprechende Straftaten in Hessen zählen.
Das zeigt es eben, Reichsbürger sind keine harmlosen Spinner, sondern von ihnen geht eine reale Gefahr aus, und die Landesregierung hat hier viel zu spät reagiert.
Andere Bundesländer haben das schon früher erkannt als Hessen. Beispielsweise hat Sachsen den Landkreisen schon Anfang November, also bevor die Reichsbürger SammelBeobachtungsobjekt im Bund wurden, einen Erlass zur waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit von Reichsbürgern übermittelt.
Da frage ich Sie: Warum gibt es einen solchen Erlass, den es in Sachsen gibt – im Übrigen nicht nur in Bezug auf die Reichsbürger, sondern eben auch in Bezug auf die Unzuverlässigkeit von NPD-Mitgliedern –, nicht entsprechend auch hier in Hessen?
Zur Verschärfung des Waffenrechts. Hessen hat sich hier hervorgetan mit einer weiteren Bundesratsinitiative. Es hat schon in den letzten Jahren entsprechende Bundesratsinitiativen auch von anderen Bundesländern gegeben.
Da frage ich mich: Warum konnte das noch nicht umgesetzt werden? Ein Blick in den Bund zeigt, dass eine solche Verschärfung des Waffenrechts vor allem am erheblichen Widerstand der CDU und der CSU im Bund scheitert.
Ich komme zum Schluss. – Die Lobbyinteressen von CDU und CSU werden den Sicherheitsinteressen aller Bürgerin
nen und Bürger vorgezogen. Deswegen machen Sie, Herr Beuth, endlich Druck auch auf Ihre Parteifreunde in Berlin.
Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Ich bin den LINKEN dankbar, dass sie dieses Thema heute aufgegriffen haben und eher Fragen gestellt haben. Sie haben versucht, den Finger in die Wunde zu legen; denn es gibt in Deutschland und auch in Hessen viele Menschen mit einem sogenannten Migrationshintergrund, entweder vor Kurzem geflüchtet oder auch schon länger in Deutschland lebend, die sich große Sorgen machen, die sich schutzlos fühlen und die das Gefühl haben, dass bei der rechtsextremistischen Gewalt die Menschen nicht so in Schutz genommen werden, wie es sein müsste. Von daher danke, dass das als Thema aufgegriffen worden ist.
Frau Gnadl hat auch sehr ausführlich dargestellt, dass das Thema schon seit Längerem im Hessischen Landtag debattiert wird. Was ich aber nicht stehen lassen kann, Herr Bellino, ist, wenn Sie behaupten, dass man mit allen Möglichkeiten, die man hat, gegen Rechtsextreme vor Ort agiert. Es werden Projektgelder zur Verfügung gestellt. Das ist das eine, und das stimmt.
Es gibt vor Ort aber auch Bündnisse. Ich möchte das Beispiel Wetzlar nennen, wo wir am 22. April gemeinsam mit Gewerkschaften, mit Kirchen, mit den GRÜNEN, mit den LINKEN, mit allen Parteien, die vor Ort sensibel sind, ein breites Bündnis aufgerufen haben, um gegen Rechtsextreme, gegen die NPD, die in Wetzlar demonstriert hat, eine Gegendemonstration zu veranstalten,
um ihnen keinen Platz in Wetzlar zu lassen. Ich sage Ihnen, wer von den Abgeordneten aus dem Hessischen Landtag anwesend war. Anwesend war Herr Grüger. Anwesend war Herr Schaus. Anwesend war meine Wenigkeit. Anwesend war die SPD-Bundestagsabgeordnete Dagmar Schmidt. Ausdrücklich eingeladen war Herr Clemens Reif. Herr Irmer ist, glaube ich, auch gefragt worden. Die CDU vor Ort ist gefragt worden, ob sie diese Demonstration gegen die NPD unterstützt. Man hat einen sehr zynischen, sarkastischen Brief von der CDU bekommen, warum man nicht bereit sei, an so einer Demonstration teilzunehmen. Sie haben das eher als Klamauk abgetan.
Während dort 800 Leute demonstriert und ganz klar versucht haben, der NPD in Wetzlar keinen Raum zu geben,
haben die CDU-Abgeordneten vor Ort gefehlt. Das ist eine Schande. Ich finde, das müssen Sie intern klären.
Meine Damen und Herren, wer wirklich gegen Rechtsextremismus vorgehen möchte, muss vor Ort Gesicht zeigen. Mit Projektgeldern alleine funktioniert das nicht.
Ich komme zum Schluss. Es geht darum, dass innerhalb der Strukturen, sei es bei den Sicherheitsbehörden oder auch in der Verwaltung, etwas getan wird. Ich denke beispielsweise an die zwei Polizisten, die unter dem Verdacht stehen, Reichsbürger zu sein, oder auch an diesen Bundeswehrsoldaten. Wir brauchen ein Konzept dafür, was man gegen solche Gesinnungen innerhalb von staatlichen Strukturen macht. Dazu habe ich noch keine Antwort. Ich denke, Herr Beuth wird darauf gleich noch ein paar Dinge sagen.
Aber immer, wenn man über Rechtsextremismus spricht, auch den linken Extremismus oder den Salafismus zu nennen, dagegen war ich immer. Ich finde, da muss man differenzieren. Der rechte Extremismus und die rechte Terrorgefahr in Deutschland werden immer größer. Schauen Sie bitte hin, und banalisieren Sie es nicht. – Danke.
(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe der Abg. Michael Boddenberg und Holger Bellino (CDU))
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Hessische Landesregierung tritt jeder Form von Extremismus, jeder Form von Gewalt und Terror entschieden entgegen, unabhängig davon, ob es sich um Rechtsextremisten, um Linksextremisten oder um gewaltbereite Islamisten handelt. Hessen ist ein tolerantes und weltoffenes Land, und für Hetze, Hass und Gewalt ist bei uns kein Platz.
Die Hessische Landesregierung nimmt Rechtsextremismus und die hiervon ausgehende Gefährdung daher sehr ernst. Die hessischen Sicherheitsbehörden achten genau auf die entsprechenden Entwicklungen. Denn auch wenn ein Großteil der rechtsextremistischen Szene aktuell Gewalt ablehnt, ist neben schwersten Gewaltstraftaten durch Einzeltäter oder Kleingruppen auch die Bildung weiterer, bislang unerkannter terroristischer Gruppen innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums nicht auszuschließen.
Wir bekämpfen den Rechtsextremismus daher frühzeitig aktiv und präventiv und haben zahlreiche und umfangreiche Maßnahmen ergriffen, um so etwas zu verhindern. Das betrifft die hessische Polizei, den Verfassungsschutz, aber auch die Zusammenarbeit mit den Kommunalen Spitzenverbänden und den Kommunen selbst.
Lassen Sie mich zunächst ein paar Zahlen darstellen. Im Bereich der politisch motivierten Kriminalität, gesamt be
trachtet, ist für das Jahr 2016 in Hessen im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang von 5 % festzustellen. Für den Bereich der PMK-rechts, um den es heute geht, liegt die Aufklärungsquote bei 34 %, leicht über dem Vorjahresniveau. Rechtsextremistische Aktionen bis hin zu Straf- und Gewalttaten sind überwiegend fremdenfeindlich motiviert – das bedrückt uns sehr – oder erfolgen in Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner, was ebenfalls bedrückend ist. Eine Abkehr vom hohen Gewaltpotenzial in der Rechts-links-Konfrontation ist nicht absehbar.
Einhergehend mit den ansteigenden Zuwandererzahlen und dem Umstand, dass es sich hierbei um ein herausragendes Betätigungsfeld der rechten Szene handelt, sind die Fallzahlen im Bereich der PMK-rechts bundesweit und so auch in Hessen angestiegen.
Die Hessische Landesregierung verurteilt rechtsextremistische Straftaten und Anschläge auf Einrichtungen, in denen Asylbewerber oder Flüchtlinge unterkommen, aufs Schärfste. Menschen, die aus ihrer Heimat geflohen sind und in Deutschland Schutz suchen, können zu Recht erwarten, dass sie sicher bei uns untergebracht werden.
(Beifall bei der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))
Hinsichtlich der Angriffe gegen Asylunterkünfte ist für Hessen ein Rückgang um 10,7 % zu verzeichnen. Darüber hinaus zählt Hessen im bundesweiten Vergleich, Frau Kollegin Gnadl, zu den Ländern mit den wenigsten rechtsextremistischen Gewalttaten. Nicht, dass Sie mir jetzt unterstellen, ich würde auch nur eine einzige Gewalttat verniedlichen. Aber ich finde, man muss schon deutlich machen: Wir sind im bundesweiten Ranking bei der Anzahl rechtsextremistischer Gewalttaten immer am unteren Ende, und darauf können wir sehr stolz sein. Vor allem können wir unseren Sicherheitsbehörden dafür sehr dankbar sein.