Protokoll der Sitzung vom 31.05.2017

es müsste alles auch kostenfrei sein, und das Land sollte auch an dieser Stelle den Kostenbeitrag, den die Kommunen erheben dürfen, übernehmen. Sie haben heute Morgen schon einmal 1,3 Milliarden € versprochen. Wie viel das jetzt kosten würde, haben Sie zuerst einmal gar nicht ausgerechnet. Das zeigt auch, das wird sehr ernst genommen.

(Manfred Pentz (CDU): Nee!)

Aber ich will hier ganz klar wahrnehmen: Wer immer allen alles verspricht, wird am Ende nichts halten. Von daher, glaube ich, ist das nicht besonders glaubwürdig, was Sie hier vertreten;

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

denn Sie haben keinen Plan, wie Sie die Mehrausgaben bewältigen wollten. Sie verschweigen auch, wie Sie das finanzieren wollten, was Sie anstatt dessen machen wollen. Sie haben heute ein bisschen versteckter argumentiert. Aber wenn Sie sagen, wir brauchen eine klarere Haltung, dass wir alle zum Profil 3 bringen, dann steckt dahinter zuerst einmal nicht gerade die Idee von Freiwilligkeit, die bei uns im Vordergrund steht.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr richtig!)

Aber vor allen Dingen verschweigen Sie, wo Sie denn die zusätzlichen Ressourcen hernehmen wollen, wenn Sie alle Grundschulen ins Profil 3 hineinbringen wollen. Das verschweigen Sie. Letztendlich bedeutet das, dass das Ihr Konzept ist, dass einige wenige Grundschulen dann ins Profil 3 dürfen, und für die große Masse sind dann keine Ressourcen da. Ich glaube, das ist kein zukunftsfähiges Konzept für die Ganztagsbetreuung. Wir wollen lieber für viele Eltern an vielen Orten in diesem Land schnell ein Problem lösen.

(Manfred Pentz (CDU): Sehr gut!)

Dieses Problem heißt, dass wir Ganztagsbetreuung anbieten können. Sie wollen nur ein paar Modellschulen fördern, und das ist nicht unser Konzept für die Schulpolitik in diesem Land.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Von daher will ich abschließend noch einmal unterstreichen: Unser Ziel ist es, so vielen Schülerinnen und Schülern und so vielen Eltern wie möglich ein qualitativ hochwertiges Betreuungs- und Bildungsangebot im Ganztag anbieten zu können. Sie wollen hingegen den Ausbau einiger weniger gebundener Ganztagsschulen. Ich glaube, dass unser Weg derjenige ist, der die Eltern in der Breite entlastet.

(Günter Rudolph (SPD): Du lieber Vater! – Gegenruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Von daher werden wir unseren Weg weitergehen, weil wir damit auch schon bei einem guten Zwischenergebnis sind und glauben, dass wir in Zukunft auch noch viele weitere Grundschulen überzeugen werden, sich diesem Weg anzuschließen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Lachen des Abg. Gün- ter Rudolph (SPD))

Vielen Dank, Herr Kollege May. – Für die Landesregierung spricht nun Staatsminister Lorz. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Landesregierung sieht im Ausbau des Ganztagsbereichs einen Schlüsselfaktor für eine zukunftsorientierte gesellschaftliche Entwicklung, von der unsere Kinder und Eltern und auch unsere Kommunen schon jetzt nachhaltig profitieren. Der Pakt für den Nachmittag bildet in diesem Rahmen unseren bedeutsamsten politischen Schwerpunkt. Auch wenn es natürlich nicht das Ziel der Großen Anfrage der LINKEN war, bedanke ich mich doch für die Gelegenheit, die positiven Wirkungen dieses Vorhabens hier noch einmal herausstellen zu können.

Meine Damen und Herren, im Pakt für den Nachmittag übernehmen in Hessen zum ersten Mal Land und Schulträger gemeinsam Verantwortung für ein verlässliches Bildungs- und Betreuungsangebot an den Grundschulen. Da das jetzt zweimal zur Sprache gekommen ist: Gemeinsame Verantwortung bedeutet natürlich auch, dass wir nicht un

bedingt wechselseitig über alle Daten verfügen, die in den Verantwortungsbereich des jeweils anderen fallen.

Wenn Sie das hier kritisieren, dann verbirgt sich dahinter doch in Wahrheit eine ganz andere Debatte. Sie wollen das den Kommunen aus der Hand nehmen. Sie wollen das zentralisiert an sich ziehen, die ganze Organisation. Das ist die Debatte, die eigentlich hier geführt werden müsste. Vielleicht tun wir das auch noch einmal an einer anderen Stelle. Aber unser Konzept ist ein anderes: Wir setzen auf die vorhandenen Strukturen. Wir setzen auf eine gemeinsame Konzeptentwicklung vor Ort, und wir wollen mit dem Pakt für den Nachmittag ein bedarfsorientiertes und freiwilliges ganztägiges Bildungs- und Betreuungsangebot schaffen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das bindet die Jugendhilfe ein, das bindet insbesondere auch die freien Träger ein und die kommunalen Angebote sowieso. Das Schöne daran ist, wir haben gemeinsame Ziele. Unser gemeinsames Ziel ist mehr Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und eine bessere individuelle Förderung unserer Kinder.

Bereits jetzt lässt sich als Zwischenbilanz ziehen – dafür ist diese Große Anfrage, wie schon gesagt, eine gute Gelegenheit –: Die Ausbaugeschwindigkeit ist hoch, das Angebot wird positiv bewertet und rege genutzt.

Im dritten Schuljahr der Einführung des Pakts für den Nachmittag – das Schuljahr, das in zwei Monaten am 1. August 2017 beginnt – werden 21 der insgesamt 33 Schulträger im Pakt mitarbeiten. Wir freuen uns, dass damit bereits zwei Drittel der Schulträger in Hessen und dann 168 Schulgemeinden die Chancen des Pakts ergreifen. Zudem hat noch kein anderes Ganztagsangebot in so kurzer Zeit eine solche Verbreitung gefunden. Das allein ist schon ein hinreichender Ausweis für den Erfolg, den diese Einrichtung darstellt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was aber ist das Geheimnis dieses Erfolgs? Der Pakt für den Nachmittag befördert die schulische Qualitätsentwicklung. Er ermöglicht eine verstärkte individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler, was gerade von den Lehrkräften begrüßt wird. Er realisiert eine multiprofessionelle Zusammenarbeit von Lehrkräften und weiterem pädagogisch tätigem Personal. Zudem schafft er damit Raum für einen ganzheitlichen Blick auf das einzelne Kind und seine Potenziale. Er ist flexibel, er ist bedarfsgerecht, er berücksichtigt die Verhältnisse vor Ort. Er setzt auf die Nutzung bewährter Strukturen und Kooperationen. Wenn ich draußen unterwegs bin und wir die neuen Vereinbarungen unterzeichnen werden, sage ich immer: Wir wollen nichts, was funktioniert, verdrängen oder ersetzen, sondern wir wollen Gutes ergänzen mit unseren zusätzlichen Mitteln und Anstrengungen des Landes und es sinnvoll miteinander verzahnen.

Dabei kann man an der Verzahnung mit Sicherheit noch arbeiten – das ist eine Antwort, die der Kollege Degen hier zitiert hat. Ja, wir sammeln noch Erfahrungen. Wir sind dankbar für die Pilotschulen, die aus dem ersten Jahr kommen und es mit dem Pakt ausprobiert haben. Wir lernen sukzessive dazu, und das wird beispielsweise auch in die

Überarbeitung unserer neuen Qualitätsrichtlinie für die Ganztagsschulen Eingang finden.

Aber die positiven Effekte des Pakts für den Nachmittag zeigen sich bereits jetzt ganz klar. Die Anzahl der Kinder im Grundschulalter, die jetzt an fünf Tagen in der Woche bis 17 Uhr Bildungs- und Betreuungsangebote nutzen können – nicht müssen, sondern können –, hat sich deutlich erhöht. Etwa ein Viertel der Schulen im Pakt für den Nachmittag war vorher in überhaupt keinem Ganztagsprofil. Der Großteil der anderen war im Profil 1. Der Pakt für den Nachmittag geht deutlich über das Profil 1 hinaus. Das bedeutet, zu den etwa 3.000 Schülerinnen und Schülern, die im Moment bereits gebundene Ganztagsschulen besuchen, kommen im laufenden Schuljahr 14.000 Kinder, die am Pakt für den Nachmittag teilnehmen. Das bedeutet, dass eine große Zahl von Eltern eine Sorge weniger hat, da sie ihre Grundschulkinder nun gut betreut und mit vielfältigen Bildungsangeboten versorgt weiß.

Der Pakt für den Nachmittag bringt die Bildungsverantwortlichen vor Ort auch näher zusammen. Die regionalen Steuergruppen sorgen für eine engmaschige Kommunikation zwischen den Paktschulen, den Verantwortlichen in den Ämtern – und zwar von Land und Schulträgern gleichermaßen – und den freien Trägern. Das fördert den Erfahrungsaustausch, das gewährleistet gegenseitige Beratung und Unterstützung, und auch das ist ein wesentlicher Beitrag zur Sicherung der pädagogischen Qualität. Die Standards für diese Qualität, die es sehr wohl gibt, Frau Abg. Faulhaber, sichern wir durch unsere Ganztagsschulrichtlinie ab.

Mit einem gewissen Schmunzeln habe ich den absolut zutreffenden Kommentar des Abg. Greilich zur Kenntnis genommen. Wenn Sie zur Qualität noch detailliertere Fragen stellen wollen, geben wir Ihnen auch sehr gerne detailliertere Antworten – diese haben wir nämlich in Gestalt unserer Qualitätsstandards.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich zum Abschluss noch auf drei besondere Fragenkomplexe eingehen, die diese Große Anfrage aufgeworfen hat.

Erstens. Der Zugang von Schulen zum Pakt für den Nachmittag oder auch generell zu Ganztagsangeboten. Die Türen für den Ausbau der Ganztagsangebote sind heute und bleiben auch in Zukunft unter dieser Landesregierung weit geöffnet. Als Resultat des konsequenten Ausbaus dieser Angebote werden im kommenden Schuljahr neben den 168 Schulen im Pakt für den Nachmittag 950 weitere Schulen ganztägig arbeiten. Damit überschreiten wir zum ersten Mal die Schwelle von zwei Dritteln aller Schulen. Wir setzen diese Unterstützung fort, und zwar mit den bis zu 230 Stellen, die das Land in seiner Haushaltsplanung jedes Jahr verlässlich zusätzlich zur Verfügung stellt. Ich bin auch dankbar für die zwei 6-Millionen-€-Programme, die uns dieses Haus zusätzlich bewilligt.

Wir begrenzen diese Unterstützung auch keineswegs auf die Option „Pakt für den Nachmittag“; denn uns ist es wichtig, dass Schulen die Möglichkeit haben, sich zwischen verschiedenen Angeboten zu entscheiden und daraus vielleicht sogar, wenn es vor Ort gewünscht ist, einen Entwicklungsprozess zu machen. Sich für das eine Profil oder für den Pakt zu entscheiden bedeutet nicht, dass damit die anderen Optionen vom Tisch wären. Man kann sich auch

sukzessive über Profil 1, über den Pakt für den Nachmittag weiterentwickeln. Aber ich will in diesem Zusammenhang schon noch einmal erwähnen, dass wir bereits seit Jahren jedes fachlich tragfähige Konzept, jeden fachlich tragfähigen Wunsch auf Einrichtung einer gebundenen Ganztagsschule von unserer Seite erfüllen. Wir blockieren hier überhaupt nichts, meine Damen und Herren, aber wir stellen auch entsprechende qualitative Anforderungen. Vor allem muss es vor Ort gewollt sein – das sind die Kriterien, die wir für den Ausbau unserer Ganztagsangebote anwenden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für den Pakt für den Nachmittag trifft das übrigens auch zu. Auch dort genehmigen wir jedes fachlich tragfähige Konzept. Es gibt keine Ablehnungen. Wir haben genug Ressourcen bereitgestellt, um alle Wünsche, die auf Aufnahme in den Pakt für den Nachmittag gestellt werden, erfüllen zu können. Das haben wir bisher getan, und das werden wir auch weiterhin tun.

Zweitens. Die Unterstützung unserer Schulen im Pakt für den Nachmittag. Die Schulen erhalten zusätzliche Stellen, selbstverständlich auch zusätzliches Personal. Diese Frage in der Großen Anfrage hat mich fast schon amüsiert. Wenn man sich allein die Haushaltspläne ansieht, die jedes Jahr um Hunderte von Stellen ansteigen, was den Einsatz der Ganztagsangebote angeht, dann frage ich mich, was Sie denken, was wir damit tun, außer zusätzliches Personal einzustellen.

(Holger Bellino (CDU): Das frage ich mich auch!)

Ich finde auch, das ist eine berechtigte Frage. – Wir haben auch Flexibilität geschaffen. Ein Teil muss in Lehrerstunden genommen werden. Ein anderer Teil kann in Geld eingesetzt werden, um damit weiteres pädagogisches Personal einzustellen. Das ist gut; denn so entstehen die multiprofessionellen Teams, von denen auch in anderen Zusammenhängen immer wieder die Rede ist, die aber auch gerade im Ganztag von großer Bedeutung sind. Ich finde es gut, wenn neben dem einen Drittel an Lehrerstunden, das nach den Kooperationsvereinbarungen genommen werden muss, beispielsweise auch zu einem Drittel sozialpädagogische und erzieherische Fachkräfte im Pakt für den Nachmittag zum Einsatz kommen.

Das Zusammenwirken dieses unterschiedlichen Personals – dazu gehören auch Leute wie die Übungsleiter von Sportvereinen und dergleichen – schafft gerade das vielfältige und reichhaltige Bildungs- und Betreuungsangebot im Ganztag. Wir sorgen dafür, dass das Ganze zu einem einheitlichen Konzept zusammengeführt wird, indem wir das Personal auch gemeinsam fortbilden. Dabei spielt beispielsweise auch unsere Serviceagentur „Ganztägig lernen“ eine wichtige Rolle. All das zusammen sichert die hohe Qualität von Bildung und Betreuung im Pakt für den Nachmittag.

Drittens. Als Letztes möchte ich das Thema ansprechen, das – das merkt man an den Fragestellungen – die Fragesteller in Form der LINKEN in diesem Hause besonders bewegt hat, nämlich Elternbeiträge und Mittagessen. Die Ergebnisse unserer Abfrage zeigen, dass zahlreiche Schulträger – das Land nimmt ja sowieso kein Geld – im Pakt für den Nachmittag entweder ganz auf Beiträge verzichten oder allenfalls für Randstunden und das Mittagessen Beiträge erheben. Mindestens aber sind die bislang für Betreuungsangebote der Kommunen erhobenen Beiträge auf brei

ter Front gesunken, gleichzeitig hat sich das Mittagsangebot deutlich verbessert. Egal, welches Kriterium Sie anlegen – –

Herr Minister, ich erinnere Sie an die Redezeit der Fraktionen.

Dann komme ich gerne zum Schluss. – Zum Abschluss muss ich einfach feststellen: „Freibier für alle“ ist das permanente Motto der Linkspartei,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja klar, vor allem in der Schule!)

es war zumindest am heutigen Vormittag auch das der SPD. Das aber kann es in der Tat nicht geben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielleicht nur noch ein allerletzter Satz, weil der Kollege Greilich es angesprochen hat: Die Evaluation durch die Universität Kassel ist in Auftrag gegeben und wird über die nächsten drei Jahre laufen. Damit werden wir viele neue Erkenntnisse über das Funktionieren des Pakts gewinnen. Auf Basis der Forschung können wir dann die Potenziale, die im Ganztag für die Förderung unserer Kinder stecken, noch viel besser heben. Darauf freue ich mich. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Damit sind wir am Ende der Debatte. Die Große Anfrage ist besprochen.