Das sind drei Nachrichten, die in nur drei Monaten aufs Tapet gekommen sind, und zwar in drei Ländern, zu welchen wir Beziehungen pflegen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt auch Fälle, die uns in Hessen aufgrund der internationalen Verbindungen, die unsere Hochschulen glücklicherweise in großer Anzahl haben, ganz konkret betreffen. Längst erreichen mich Schreiben besorgter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ihre Kooperationen und die damit verbundene transnationale Forschung bedroht sehen. Die Hessische Landesregierung unterstützt die politischen Initiativen wie den Beschluss der EU-Kommission – Herr Grumbach hat darauf schon mit einem etwas anderen Zungenschlag hingewiesen, trotzdem – in aller Klarheit, um juristisch gegen das ungarische Hochschulgesetz vorzugehen.
Darüber hinaus hat die Landesregierung in Hessen – auch das ist erwähnt worden – mit Unterstützung der schwarzgrünen Mehrheit eigene Unterstützungsmaßnahmen ergriffen. Sie hat den Hessenfonds für Flüchtlinge, für hoch qualifizierte Studierende und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufgelegt. Damit hat sie eine Möglichkeit geschaffen, dass verfolgte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Unterstützung bei der Wiederaufnahme ihrer Forschungs- und Lehrtätigkeit bekommen. Dafür stellen wir seit 2016 jährlich 1 Million € zur Verfügung. Das soll auch so bleiben. Mittlerweile konnten bereits 63 Personen von dieser Förderung profitieren.
Ich will darauf gar nicht näher eingehen. Herr May und Frau Wolff haben das bereits getan. Lassen Sie mich dieses Thema, das wir heute diskutieren, deswegen um einen anderen Aspekt erweitern. Mir macht nämlich eine ganz andere Entwicklung Sorge, die nicht im Ausland, nicht woanders stattfindet, sondern diese findet tagtäglich in Deutschland statt. Das ist die Situation, dass wissenschaftliche Faktenlagen wie der Klimawandel, gesicherte Erkenntnisse, einfach kurzerhand diskreditiert und geleugnet werden. Es ist die Situation, dass herausposaunte Befindlichkeiten ähnlich viel zählen wie empirisch erwiesene Fakten. Wir leben mehr und mehr in einer Zeit, in der Protagonisten offensichtlich ein Denken in rationalen Kategorien vollständig fremd ist. Es ist aus meiner Sicht exakt diese Abwesenheit von Evidenz und evidenten Fakten, die uns eine enorme Sorge machen muss.
Auch wird vor allem in sozialen Netzwerken gelogen. Es wird beschimpft. Es wird verletzt. Es ist heute so einfach wie nie zuvor, selbst für die krudesten Überzeugungen Anhänger zu finden. Wie gesagt, die sozialen Netzwerke haben an dieser Entwicklung einen ganz beträchtlichen Anteil; denn wer sie nutzt, wählt eben auch aus. Das ist anders
als bei einem normalen Diskurs im echten Leben. Dieser wählt aus, was er von wem wahrnehmen, lesen und hören will und mit welchem Kreis von sogenannten „Freunden“ er seine Erkenntnisse teilen möchte. So entstehen Räume, die der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck „Echoräume“ genannt hat, in denen Menschen für ihre Überzeugungen, mit denen sie früher völlig allein geblieben wären, leicht Leichtgläubige gewinnen.
Das führt dazu, dass für die Meinungsbildung immer häufiger Emotionen entscheidender sind als Fakten. Wenn viele nur noch als Tatsache akzeptieren, was wir ohnehin glauben, wenn Halbwahrheiten, Interpretationen, Verschwörungstheorien und Gerüchte genauso viel zählen wie die Wahrheit, dann ist das eine echte Gefahr für die Wissenschaft.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Marius Weiß (SPD): Ja, aus der hessischen CDU! – Anhaltende Unruhe bei der SPD)
Ich würde mich freuen, wenn sich diese hoch intellektuellen Nebenbemerkungen von dem feixenden Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten und Herrn Weiß im Protokoll wiederfinden.
Das lesen wir dann und verbreiten es mit großer Freude in der Wissenschaftswelt. Aber sei es drum, jeder noch so intelligente Zwischenruf richtet sich natürlich selbst.
Mich macht nicht nur sprachlos, was ich in dieser Debatte gerade aus der ersten Reihe der Sozialdemokraten gehört habe. Herr Grumbach hat da ein anderes Niveau. Deswegen macht es immer Freude, ihm zuzuhören.
(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das sagt der ehemalige Bürgermeisterkandidat von Frankfurt! – Anhaltende Unruhe)
Ach du liebe Güte, oje, wenn das draußen einmal jemand sehen würde, wie sich Herr Schäfer-Gümbel, der Fraktionsvorsitzende der SPD, beim Thema Wissenschaftsfreiheit im Hessischen Landtag benimmt, dann kann das in der Tat sprachlos machen. Aber die Zuschauer hier sehen es ja.
Meine Damen und Herren, es kann auch sprachlos machen, mit welcher Selbstgewissheit Fakten verbogen und geleugnet werden sowie Expertenwissen diskreditiert wird, wie schlicht und einfach gelogen wird. Das gibt es sowohl in Westeuropa als auch in Osteuropa; es gilt für die Vereinigten Staaten; es gilt auch hierzulande.
Das gilt auch hierzulande. – Wir erleben eine immer aggressivere Haltung gegen Fakten. Das ist paradox. Das ist deswegen paradox, weil wir eigentlich in einem goldenen Zeitalter der Wissenschaft leben, mit vielen großartigen Entdeckungen und Anwendungen.
Noch nie gab es in Deutschland so viel Geld für die Wissenschaft wie heute. Jeden Tag leisten Wissenschaftler Außerordentliches, wenn sie erkunden, wie das Leben besser oder wie die Gesellschaft gerechter werden kann.
Andererseits haben gerade diese Forscher oft das Gefühl, dass viele Menschen nicht verstehen, wie Wissenschaft funktioniert, und sich enttäuscht abwenden. Das ist ein Phänomen, das wir in der Politik auch kennen, dass sich viele enttäuscht abwenden, weil die Antworten auf schwierige Fragen nicht einfach sind. Es ist eben auch oftmals nicht einfach, mit der raschen Antwort zur Zufriedenheit zu führen.
Ich stimme dem zu, was Herr May gesagt hat. Wir sind aufgefordert, uns exakt diesem Trend entgegenzustellen. Es ist unsere Aufgabe, Neugier, Wahrheitssuche, Erkenntnisgewinn zu fördern. Deswegen müssen Wissenschaft und Forschung zeigen, welche Erfolge, welche Innovationen und welche Erkenntnisfortschritte möglich sind, wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Forscher die Freiheit haben, nach den besten Lösungen für die Zukunft der Menschheit zu suchen. Aber der Unsinn, der in den Parallelwissenschaften verzapft wird, von Chemtrails bis Elektrosmog,
ist leicht zugänglich, füllt unzählige Websites und bedient sich einer klar zugespitzten Alltagssprache, die jeder versteht. Das ist in der Forschung und der Wissenschaft oftmals anders. Es sind komplexe Zugangsweisen, die die Wissenschaft hat, und oftmals sind es schwer vermittelbare Sachverhalte, die eine Rolle spielen. Das ist es, was für viele Wissenschaft noch immer unzugänglich macht: der Grund, warum viele immer noch das Gefühl haben, Wissenschaft sei etwas, was außen vor ist, eine Welt, die für sich besteht.
Deswegen brauchen wir eine kommunizierende Wissenschaft. Wissenschaftskommunikation ist keine Nebenaufgabe, es ist eine Hauptaufgabe. Das ist, was Dieter Simon, der ehemalige Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, meinte, als er vor 17 Jahren forderte: Demokratisiert die Wissenschaft, mehr Transparenz und mehr Kommunikation. – Das ist eine wirkungsvolle Waffe gegen falsche Fakten.
Frau Präsidentin, ich komme sofort zum Ende. – Es ist eine Waffe gegen Verschwörungstheorien. Es ist auch ein Instrument, das Wissenschaft legitimieren kann. Natürlich stellen die Menschen Fragen nach dem individuellen Nutzen. Sie stellen auch die Fragen nach den Kosten der Wissenschaft. Sie wollen konkret wissen, was sie persönlich davon haben, dass ein Land wie Hessen im Jahr 2016 bei
Die Antwortet lautet ganz einfach: Wir forschen zu ihren Nutzen. Es geht sehr konkret um Antworten für unsere Gesellschaft. Es geht sehr konkret um Antworten für Fragen der Gesundheit, der Umwelt, des Klimaschutzes, der Sicherheit. Es geht um konkrete Problemlösungen. Ich nenne die Themen Bekämpfung von Krebs und Entwicklung wirksamer Antibiotika. Deswegen müssen wir dafür sorgen und die Wissenschaft unterstützen, mehr ins Bewusstsein eines jeden Einzelnen zu rücken, wie die Sichtbarkeit für die Themen der Wissenschaft erhöht werden kann. Die Errungenschaften der Wissenschaft dürfen nicht im Verborgenen bleiben.
Das ist der Grund, warum wir als Land Hessen, aufgrund der Entwicklung der vergangenen Monate, aber natürlich auch im Sinne der Absichten des March for Science, uns dazu entschlossen haben, intensiver auf die Bedeutung der Wissenschaft für die Gesellschaft aufmerksam zu machen. Deswegen stimme ich Reinhard Hüttl, dem Vizepräsidenten von Helmholtz zu, der sagt, hierfür sei ein intensiver Diskurs von zentraler Bedeutung.
Genau deswegen werden wir in den nächsten Wochen und Monaten die bereits bestehende Plattform für Kommunikation der Wissenschaft – das ist „hessen-schafft-wissen.de“ – durch die klare Ansage ausbauen: Wir forschen für Ihren Nutzen. – Das wird auch auf dem Hessentag in Rüsselsheim geschehen mit dem bisher größten Stand der hessischen Universitäten. Wir werden das auf Plakaten, die an über 550 Stellen und 30 Orten in Hessen gezeigt werden, machen. Dabei werden wir zunächst auf drei Topthemen der Wissenschaft aufmerksam machen.
Meine Damen und Herren, obwohl wir als Land nicht den Dialog der einzelnen Hochschulen mit der Öffentlichkeit übernehmen wollen – das gehört zu dem Kern ihrer dritten Mission neben Forschung und Lehre, das ist alles andere als nettes Beiwerk –, werden wir sie über die Neuausrichtung von „hessen-schafft-wissen.de“ genau dabei intensiv unterstützen. Ich bin der festen Überzeugung: Nichts brauchen Forschung und Wissenschaft mehr als eine offene Gesellschaft und einen freien Geist.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass diejenigen, die die Debatte heute geführt haben, gezeigt haben, dass wir uns darüber in Hessen sehr einig sind, egal, wer welchem Antrag in welchem Bundesland mit welchem Inhalt zugestimmt hat. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Staatsminister Rhein. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Ende der Debatte.
Große Anfrage der Abg. Löber, Hofmann, Gremmels, Lotz, Müller (Schwalmstadt), Schmitt, Siebel, Warnecke, Dr. Sommer (SPD) und Fraktion betreffend öko
Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Frau Kollegin Löber von der SPD-Fraktion hat sich zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Sind Sie auch manchmal dankbar, einfach einen Schluck Wasser aus dem Hahn trinken zu können? – Das kann nicht jeder Mensch auf dieser Erde. Weit weg, nein, das ist nicht weit weg, das ist sehr nah, wie wir in meiner Heimatregion im letzten Jahr erleben konnten, als wir über Wochen kein Wasser aus der Leitung trinken konnten.
Wasser ist eines der wertvollsten Güter überhaupt. Sein Bedarf steigt, und es ist zudem ungleich verteilt. Experten sagen seit vielen Jahren, dass der Krieg der Zukunft nicht um Öl, sondern um Wasser geführt wird.
Banken und Investoren haben bereits verstanden, dass Wasser ein Wirtschaftsgut ist. Hiermit lässt sich Geld verdienen. Die „FAZ“ erklärte schon vor zwei Jahren, wie sich mit Geldanlagen in Wasser hohe Renditen erzielen lassen. Lukrative Fonds beinhalten Anteile an Unternehmen, die Wasser verkaufen oder für die Wasseraufbereitung und Wasserinfrastruktur tätig sind. Ob wassersparende Armaturen oder Rohrleitungssysteme, rund um das Thema Wasser ist ein Markt entstanden. Wirtschaftsinstitute haben verstanden, dass Wasser eines der wertvollsten Güter der Erde ist. Diese sind damit weiter als die Hessische Landesregierung.
Die Landesregierung hat uns auf Fragen rund ums Trinkwasser in Hessen geantwortet. Es geht dabei um Wasserversorgung und Wasserverbrauch, ökologische Belastungen des Wassers und die Problematik des steigenden Bedarfs im Rhein-Main-Gebiet. Ihr Dokument liest sich wie ein Persilschein und soll Ihnen eine weiße Weste bescheren. Doch ich sage Ihnen: Wenn Sie jetzt nicht anfangen, das Waschprogramm zu ändern, werden Ihre Kinder und Kindeskinder nicht mehr die gleichen Möglichkeiten haben wie Sie heute.
Die Versorgung mit sauberem Trinkwasser aus dem Wasserhahn wird selbst im wasserreichen Deutschland eines Tages nicht mehr selbstverständlich sein. Wälder und Auen werden vertrocknen. Die Kosten für die Daseinsvorsorge des Einzelnen werden immens steigen. Ich fordere die Landesregierung daher auf, ihre Sensibilität und ihr Bewusstsein für unser Trinkwasser endlich zu schärfen.