Protokoll der Sitzung vom 31.05.2017

(Beifall bei der SPD)

Sie behandeln das Thema viel zu lapidar. Sie dürfen beim Wasser keine Kompromisse machen.

Die folgenden drei Punkte sollten der Maßstab im Umgang mit unserem Trinkwasser sein.

Zuerst muss dem Wasser absoluter Vorrang eingeräumt werden. Weil es ein unersetzbares Gut ist, muss das Thema Wasser in der Politik absolute Priorität haben. Wirtschaftliche und industrielle Interessen müssen immer auch im Zusammenhang mit ihren Auswirkungen auf unser Wasser, insbesondere auf unser Grundwasser, betrachtet werden.

Es kann nicht länger sein, dass Brunnen geschlossen werden, weil Gewerbegebiete gebaut werden und die Gefahr der gesundheitsschädlichen Belastung dann zu hoch wäre. Die Folge davon ist, dass Wasser aus anderen Versorgungsgebieten herbeigepumpt werden muss.

Dem Wasservorkommen Priorität einzuräumen bedeutet auch, Verantwortung für die Leitungssysteme und die Aufbereitung von Wasser zu übernehmen. Experten sagen, dass das Rhein-Main-Gebiet sich selbst mit Wasser versorgen könnte, wenn in das Leitungsnetz und in die Wasseraufbereitung investiert würde.

Das zu glauben fällt nicht schwer. Wasser gibt es an Rhein und Main reichlich. Wir können nur dann eine ökologisch verantwortbare Verwaltung der Ressource Wasser gewährleisten, wenn der Umgang mit Wasser in Hessen einen anderen Stellenwert bekommt.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Ich fordere Sie auf, das Thema Wasser zu einem Thema jeder Beschlussvorlage zu machen, sei es der Straßenbau, die Ausweisung von Gewerbegebieten, die Einführung von Chipkarten oder auch die Ausbringung von Düngemitteln. Immer müssen die damit in Verbindung stehenden Auswirkungen auf das Wasser geprüft und bewertet werden, kompromisslos.

(Zuruf des Abg. Kurt Wiegel (CDU))

Es liegt in der politischen Verantwortung, Entscheidungen vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Wasserversorgung für die Zukunft zu treffen.

Zweitens. Wir müssen lernen, größer zu denken, Regionen anders planen, und Wasser muss der Maßstab werden. Menschen ziehen dorthin, wo es Arbeit für sie gibt. Da wird dann auch viel Wasser benötigt. Denken wir den Gedanken weiter. Das Rhein-Main-Gebiet boomt. Hier wird der Wasserverbrauch bis zum Jahr 2030 dramatisch steigen, da immer mehr Menschen dort wohnen wollen, weil sie dort gute Arbeit finden. Schon heute ist das RheinMain-Gebiet nicht in der Lage, für den eigenen Wasserverbrauch aufzukommen. Es lebt zur Hälfte von überörtlicher Versorgung, die durch Fernleitungen aus dem Hessischen Ried, aus dem Vogelsberg oder auch aus Mittelhessen gewährleistet wird. Seit 20 Jahren gibt es ein Grundwassermanagement im Ried.

Das hat dem Wald dort wenig genutzt. Ihm wird immer mehr des wichtigen Grundwassers entzogen. Es kommt zu Austrocknungen, Absenkungen, Überschwemmungen bei Starkregen und nicht reparablen Senkungen des Grundwassers. Zeitgleich muss mehr Wasser aufgebracht werden, um die Leitungen in den ländlichen Regionen zu spülen. Da dort immer weniger Menschen wohnen, wird auch immer weniger Wasser durch ihr Netz gepumpt. Die Gefahr von bakteriellen Ablagerungen wächst. Deshalb heißt es pumpen, pumpen, pumpen – mit Trinkwasser, versteht sich. Da aufgrund der Abwanderung in die Ballungsräume immer weniger Menschen die gleichbleibend hohen Kosten der Wasserversorgung im ländlichen Raum tragen, liegen die Kosten dort für den Einzelnen oft doppelt so hoch wie im Ballungsraum.

(Heike Hofmann (SPD): Hört, hört!)

Für die in den Wasserregionen lebenden Menschen rechnet sich die Zufuhr von Wasser ins Rhein-Main-Gebiet nicht.

Die Entwicklung der Regionen muss sich deshalb auch nach dem Vorkommen des Wassers richten. Das ist ein neuer Gedanke. Aber in einer Zeit der Globalisierung und Digitalisierung ist es nicht mehr wirklich erheblich, wo sich der Arbeitsplatz tatsächlich befindet. So kann Landflucht eingedämmt und kostbares Trinkwasser entsprechend seinem natürlichen Vorkommen genutzt werden.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Zuletzt müssen wir die Sauberkeit des Wassers sichern. Wir haben nichts von unserem Wasser, wenn es nicht sauber ist. Kontrollen sorgen dafür, dass wir in Deutschland das Wasser aus dem Hahn trinken können – meistens zumindest. Kritiker wissen, dass die Kontrollen nicht streng genug sind. Das hat auch die Chemikalienbelastung im Hessischen Ried gezeigt. Medikamente, Wasch- und Reinigungsmittel und Landwirtschaft belasten unser Trinkwasser, unser Grundwasser.

Was dadurch auf uns zukommt, ist noch nicht abzusehen. Gerade Nitrat ist diesbezüglich eine Zeitbombe. Es dauert rund zehn Jahre, bis Nitrat im Grundwasser ankommt. Die Landwirtschaft ist hierbei nicht nur ideell, sondern insbesondere auch finanziell zu unterstützen. Deutschland hat EU-weit die zweithöchste Nitratkonzentration im Wasser und verstößt bislang gegen die Wasserrahmenrichtlinie.

Meine Damen und Herren der Regierung, Sie haben offensichtlich kein wirkliches Interesse daran, gefährliche Chemikalien genau zu bestimmen und ihre Einbringung ins Trinkwasser zu verhindern.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich verweise auf die Kleine Anfrage betreffend Hessisches Ried, Frage 2. Schauen Sie sich bitte die Antwort an, Frau Dorn.

(Heike Hofmann (SPD): Richtig! – Gegenruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Weitere Zurufe von der SPD)

Über konkrete Vorhaben berichten Sie jeweils nicht. Ihr Berufen auf gesundheitliche Orientierungswerte und der Hinweis auf die Notwendigkeit übergreifender Konzepte zum Gewässerschutz sind nur schwammig. Sie ruhen sich aus, nach dem Motto: Ich kann nicht, weil …

Damit würden Sie in jedem großen Wirtschaftsunternehmen Gefahr laufen, entlassen zu werden. Ich fordere Sie deshalb auf, entschlossener vorzugehen und mutig zu sein. Wir brauchen konsequente Verbote, was die Einbringung von Schadstoffen in unser Trinkwasser anbelangt. Wir brauchen ein mutiges Umdenken, eine neue Wertschätzung unseres Trinkwassers und eine Landesregierung, die unabhängig von Koalitionsgeplänkel klare Regelungen vorgibt.

Es geht nicht um ein Entweder-oder: entweder wirtschaftliches Wachstum oder sauberes Wasser. Es geht um das Sowohl-als-auch, nur dass dem Wasser ein neuer Stellenwert zugemessen werden muss; denn sauberes Wasser ist laut Resolution der Vereinten Nationen ein Menschenrecht, und für dieses haben wir in diesem Saal alle die Verantwortung zu übernehmen. – Danke.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Löber. – Als nächste Rednerin spricht nun Frau Kollegin Dorn von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Bei uns, in unserer Region und in Deutschland ist die Trinkwasserversorgung so etwas wie eine Selbstverständlichkeit. Die ganze Welt beneidet uns darum: Wir drehen den Wasserhahn auf, daraus kommt wunderbares Trinkwasser. Immer wieder ergeben alle Tests, dass Trinkwasser aus dem Leitungshahn besser ist als das aus der Flasche.

(Jürgen Lenders (FDP): Genau!)

Genau diese Selbstverständlichkeit wollen wir erhalten. Genau das ist unser Ziel.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Die Rednerin nimmt einen Schluck Wasser aus ihrem Glas – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Prost, das passt dazu!)

Das passt wunderbar dazu, genau. – Klar ist aber auch – Frau Löber hat das angesprochen –, die Wasserversorgung steht auch in Konflikten. Ganz wichtig dabei ist, dass der Klimawandel diese Konflikte immer mehr verschärfen wird. Deswegen haben wir uns als Koalition und deswegen hat sich die Regierung auch klare Ziele in diesem Bereich gesetzt.

Ein wichtiges Ziel ist, dass wir unsere Wasservorräte so nutzen dürfen und müssen, dass sie auch erhalten bleiben. Dann brauchen wir ausreichend Wasser in ausreichend guter Qualität auf Dauer zur Verfügung. Der dritte Punkt ist, bei der Wasserentnahme dürfen Natur und Landschaft nicht unter Mitleidenschaft geraten. In dieser Balance bewegen wir uns, und genau in dieser Balance handeln wir auch. Es ist so, dass der Wasserbedarf in der Rhein-MainRegion – das wurde angesprochen – enorm wächst, und das ist immer ein sehr emotionales Thema, auch unter den Abgeordneten der verschiedenen Regionen. Das Wasser wird aus der Region Vogelsberg, aus dem Ried, aus unserer Region, Frau Löber, aus der Burgwald-Region, durch Fernleitungen transportiert, damit genügend Wasserversorgung im Rhein-Main-Gebiet vorhanden ist. Wasser ist ein sehr kostbares Gut, und deswegen hat die Landesregierung – Frau Löber, ich wundere mich sehr: ich habe es bei Ihrer Rede gar nicht vernommen – den Leitbildprozess auf die Agenda gebracht.

Das ist nämlich der wesentliche Prozess, damit wir genau die Konflikte, die wir teilweise hier beschrieben haben, angehen. Das hat in Ihrer ganzen Rede gefehlt, und ich verstehe nicht: Haben Sie das nicht mitbekommen, oder nehmen Sie das nicht wahr? Frau Archinal aus unserer Region hat diesen Leitbildprozess auch unglaublich gelobt. Sie hat gesagt, das Leitbild ist eine einmalige Chance für eine nachhaltige Wasserversorgung der nachfolgenden Generationen in Vereinbarkeit mit dem Naturschutz. Das hat sie gesagt. Ich wundere mich, warum Sie bei diesem Thema dann diesen wichtigen Prozess einfach beiseitelassen.

(Zuruf der Abg. Angelika Löber (SPD))

Frau Löber, es ist genau die richtige Antwort, weil alle Beteiligten in dieser wirklich schwierigen Interessenlage gemeinsam an einem Tisch sitzen, einen Dialog führen und ein Leitbild erstellen sollen, wie nachhaltig eine Wasserversorgung der Zukunft sein könnte.

(Beifall und Zuruf der Abg. Angelika Löber (SPD))

Da lachen Sie, Frau Löber. Das ist interessant. Ich weiß nicht, wie oft Sie schon dabei waren. Klar ist, dass sich da ganz viele Leute sehr engagiert beteiligen: Die Wasserwirtschaft, die Kommunen, die Naturschutzverbände. Es gibt regional sehr engagierte Initiativen. Ich nenne jetzt – Kurt Wiegel und Frau Goldbach anschauend – die Schutzgemeinschaft Vogelsberg oder auch bei uns in der Region, Frau Löber, die Aktionsgemeinschaft „Rettet den Burgwald“. All diejenigen beteiligen sich an diesem Leitbildprozess, weil es wichtig ist, dass es genau aus diesen verschiedenen Interessen von Wasserwirtschaft bis zu Naturschutzverbänden einen Dialog gibt und eine Balance aus den Interessen, sodass wir nachhaltig und zukünftig gut aufgestellt sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Es ist schlicht die Aufgabe: Wir brauchen eine Gewährleistung der Wasserversorgung im Rhein-Main-Gebiet. Diese kann man nur durch die umliegenden Regionen gewährleisten. Gleichzeitig darf es nicht zu Schäden an Natur und Landschaft in eben genannten Regionen – Wohratal, Vogelsberg, Hessisches Ried – kommen.

Wichtig ist auch, dass wir über Nutzen und Lasten reden. Auch da braucht es einen Ausgleich. Deswegen ist es teilweise auch sehr emotional, auch unter uns Abgeordneten, weil man einfach sieht, dass diejenigen, die liefern, einen Ausgleich dafür haben wollen, dass andere einen Nutzen haben. Genau deswegen wird die Diskussion um das Thema sehr emotional geführt. Deswegen gehören aber auch alle Interessen an einen Tisch. Deswegen ist es auch sehr gut, dass sich die Landesregierung, allen voran Umweltministerin Priska Hinz, genau dieser Verantwortung stellt und diese verschiedenen Interessen an einen Tisch bringt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Was sind es denn für Punkte? Wir haben gerade dankenswerterweise noch ein Positionspapier der Initiativen geschickt bekommen, die sich sehr engagiert beteiligen. Das ist auch Teil des Leitbildprozesses. Wir müssen stärker das Worst-Case-Szenario in den Blick nehmen. Das heißt, es kommen große Herausforderungen auf uns zu. Auch wenn die Istsituation handelbar ist, müssen wir schon jetzt planen, damit wir in der Zukunft gut gerüstet sind. Das heißt, bei der Grundwasserneubildung merken wir, es senkt sich. Bei der Grundwassergefährdung merken wir, dass es mehr Probleme gibt. Der Wasserbedarf steigt in den Ballungszentren. All das wird gerade auch durch den Klimawandel zu einer besonderen Herausforderung. Hier gilt es, jetzt für die Zukunft zu steuern, damit wir dann nicht in Probleme geraten. Vielmehr muss jetzt für zukünftige Herausforderungen gesteuert werden.

Der zweite Punkt, Kernthema des Leitbildprozesses. Wie kann man das ökologische Risiko minimieren? Es gibt das seitens der Vorgängerregierungen gut gemachte Konzept der umweltschonenden Grundwassergewinnung. Dadurch gibt es ein umfangreiches Monitoring bei der entsprechen

den Gewinnung. Auch dieses Prinzip gilt es weiterzuentwickeln und weiter Vorsorgemaßnahmen zu treffen.

Der dritte Bereich betrifft die Frage, wie wir die Versorgungssicherheit im Rhein-Main-Gebiet gewährleisten können, ohne dabei nur auf den Fernwasserbezug zu setzen. Das eine ist sozusagen ein Baustein, aber wir müssen das Ganze integriert betrachten. Das heißt, wir müssen auch auf die Ursachen schauen, wie die Forst- und die Landwirtschaft aussehen und wo in der Vergangenheit Probleme entstanden sind. Hier gilt es, zu beraten und zu unterstützen, um eine wasserschonende Bewirtschaftung zu gewährleisten.

Der letzte Bereich betrifft das Betriebswasser. Nicht für alle Anwendungen braucht es zwingend Trinkwasser. Hier gibt es eine Menge Potenziale, die noch zu heben sind.

All das sind Bestandteile des Positionspapiers, das uns die Aktionsgemeinschaften übergeben haben. Das sind die Kernthemen, die im Leitbildprozess unter dem Naturschutzaspekt diskutiert werden, ebenso wie die Frage des Ausgleichs zwischen Nutzen und Kosten.

Deswegen finde ich es sehr gut, dass wir uns in genau diesem Punkt der Verantwortung für eine nachhaltige Wasserversorgung stellen, wo wir es möglich machen können. Ich fand es etwas amüsant, dass Sie gerade die Nitratbelastung so betonen und meinen, da würden wir nichts tun. Wir tun aber alles in unseren Möglichkeiten Stehende. Falls Sie einmal den Klimaschutzplan an dieser Stelle gelesen haben, sehen Sie, in welchen Bereichen wir die Beratungen für die Landwirtschaft voranzubringen versuchen. Wesentlich aber wäre, dass sich die Bundesregierung auf dieser Ebene bewegt, und da sind Sie in der Verantwortung.

(Beifall von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD – Gegenrufe von der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)