Protokoll der Sitzung vom 29.06.2017

Herr Kollege Schwarz, Sie müssen zum Schluss kommen.

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Es gibt eine tolle Kooperation mit unserer Polizei, die dort hervorragende Arbeit leistet.

Insofern will ich abschließend sagen: Werte in einer Demokratie sind nicht verhandelbar. Werte halten unsere Gesellschaft zusammen, sie sind der Kitt unserer Gesellschaft. Deswegen schließe ich mit dem Satz: Hessen lebt Respekt. – Ich bedanke mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Staatsminister Lorz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte mich ausdrücklich für diese Große Anfrage der SPD-Fraktion bedanken, weil sie uns die Gelegenheit gibt, unser Augenmerk auf ein wichtiges Thema zu lenken, das mich im Interesse unserer Schülerinnen und Schüler und der Zukunft unseres Landes ganz besonders berührt. Deswegen will ich eigentlich auch nicht in diese kleinliche Debatte einsteigen, was für eine mögliche Bedeutung der Übertragungsfehler hinsichtlich der Überschrift der Anfrage hat.

(Stephan Grüger (SPD): Also uneigentlich!)

Aber einen Satz möchte ich doch dazu sagen, weil ich eigentlich nicht dafür bekannt bin, dass mir solche Sachen durch die Lappen gehen. Aber dieser Fehler ist mir in der Tat nicht aufgefallen. Und wissen Sie, warum? – Ich habe 20 Jahre meines Berufslebens an der Universität mit der hauptberuflichen Vermittlung der Grundrechte, Grundwerte und Strukturprinzipien des Grundgesetzes verbracht. Ich kann mir überhaupt nicht mehr vorstellen, dass wir irgendetwas anderes als grundsätzliche Werte vermitteln sollen als das, was an Werten in unserem Grundgesetz vorgeschrieben ist. Das ist für mich eins. Deswegen ist es auch absurd, wenn wir beispielsweise von der Stärkung der politischen Bildung reden, es dann aber heißt: Da muss noch ein ausdrücklicher Bezug zum Grundgesetz hinein. – Was sollen wir denn sonst vermitteln, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das musste ich jetzt einfach einmal loswerden.

(Heiterkeit bei der CDU – Zuruf von der SPD: Nach der Rede von Herrn Schwarz war das dringend ge- boten!)

Ich denke, dass darüber in diesem Hause Einigkeit besteht. – Zur Sache. Ahmad Mansour, ein arabischer Israeli, der seit 2004 in Berlin lebt und sich in der Extremismusprävention engagiert, stellte kürzlich fest:

Kinder brauchen ein Wertesystem, in dem sie sich orientieren können. Wir Erwachsenen sind dafür verantwortlich, ihnen eines zu vermitteln, das den demokratischen Grundrechten entspricht.

Ich kann Herrn Mansour nur uneingeschränkt zustimmen. Deshalb gehören zu unseren wesentlichen Bildungszielen in Hessen die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten und die Erziehung zu Verständnis, Toleranz und Freundschaft sowie zur Wahrung des Friedens. Im Grundgesetz und in der Verfassung unseres Landes Hessen finden sich vergleichbare Formulierungen. Wie Sie alle wissen, sind diese Formulierungen auch im Bewusstsein früherer Versäumnisse und schlechter Erfahrungen entstanden.

Meine Damen und Herren, die Grundrechte sind nicht nur Abwehrrechte des Bürgers gegen staatliche Willkür, sondern nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verkörpert sich in den Grundrechtsbestimmungen auch eine objektive Wertordnung. Die Menschenwürde ist dabei die wichtigste Wertentscheidung des Grundgesetzes. Sie kommt allen Menschen allein schon aufgrund ihres Menschseins zu und ist unantastbar, so formuliert es Art. 1 unserer Verfassung.

Damit ist auch die Schule kein wertneutraler Ort. Sie kann überhaupt kein wertneutraler Ort sein. Das pädagogische Handeln an unseren Schulen ist und muss von Werten und Haltungen getragen sein. Leitlinien können dabei nur sein: die Grundrechte und die ihnen zugrunde liegenden allgemeinen Menschenrechte. Das kommt auch im Hessischen Schulgesetz zum Ausdruck. Deswegen sind alle Schulen in Hessen verpflichtet, die im Grundgesetz und in der Hessischen Verfassung aufgeführten Menschen- und Bürgerrechte zu lehren. Lehrkräfte sind auch aufgefordert, das gehört nämlich zum Berufsbeamtentum dazu,

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen der Präsiden- tin)

diese Werte glaubhaft vorzuleben, damit sich ihre Schülerinnen und Schüler zu selbstbewussten und mündigen Bürgerinnen und Bürgern entwickeln, die ihre Rechte und Pflichten in der sozialen Gemeinschaft ihres Staates kennen und wahrnehmen können. Deswegen – diese Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen – ist es schon ein bisschen merkwürdig, wenn Herr Greilich, wie er das hier bei jedem Thema tut, diesmal in einer ungewöhnlichen Übereinstimmung mit Frau Faulhaber, die Belastung der Lehrkräfte ins Spiel bringt, als ob die Vertretung demokratischer Werte eine Frage der Arbeitszeitregelung sei.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Turgut Yüksel (SPD): Was ist mit Mathematik?)

Nein, die Werte, um die es in der schulischen Wertebildung geht, sind weder beliebig noch verhandelbar. Von dem Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält, war schon die Rede. Wir leben in einer heterogenen Gesellschaft, in der nicht nur Menschen mit ganz unterschiedlichem kulturellem Hintergrund zusammenleben, sondern die Lebensentwürfe der Menschen, völlig unabhängig von sozialer und ethnischer Herkunft, oft weit auseinanderliegen, weil das zur Individualität des Menschen dazugehört. Diese Vielfalt bereichert unsere Gesellschaft. Sie bringt sie voran. Trotzdem braucht es etwas, was die Gesellschaft beieinanderbleiben lässt und jungen Menschen Orientierung gibt. – Bis hierhin ist das, glaube ich, Konsens in diesem Hause.

(Beifall bei der CDU)

Aber bewähren muss sich unsere Werteorientierung gerade auch in Konfliktfällen. Deswegen müssen wir unseren Schulen und Lehrkräften beispielsweise den Rücken stärken, wenn, das Beispiel wurde schon genannt, Diskussionen über die Teilnahme von Mädchen und Frauen an bestimmten Unterrichtsstunden oder an Klassenfahrten vor dem Hintergrund stattfinden, dass damit die Gleichberechtigung von Mann und Frau nach Art. 3 des Grundgesetzes infrage gestellt wird. Das dürfen und werden wir an hessischen Schulen nicht zulassen.

(Beifall bei der CDU)

Vor diesem Hintergrund können wir uns jetzt ein bisschen mit den einzelnen Maßnahmen beschäftigen, die in der Großen Anfrage hinreichend thematisiert worden sind. Die Werte unseres Grundgesetzes werden sowohl fächerübergreifend als auch in einzelnen Unterrichtsfächern vermittelt. Da spielt Politik und Wirtschaft eine besondere Rolle, aber es ist in keiner Weise das einzige Fach, das in dieser Hinsicht von Bedeutung ist. Der fächerübergreifende Ansatz ist z. B. im ersten Teil der Kerncurricula für die Se

kundarstufe I und ebenso für die gymnasiale Oberstufe vereinbart. Dazu gehören wertebewusste Haltungen wie Respekt, Gerechtigkeit, Fairness und friedliche Gesinnung im Sinne der Völkerverständigung.

Die Schülerinnen und Schüler sollen ethische Normen sowie kulturelle und religiöse Werte kennenlernen und auf dieser Grundlage eine Orientierung für das eigene Handeln gewinnen. Sie sollen demokratische Normen und Wertehaltungen reflektieren und daraus Rückschlüsse auf ihr eigenes Leben innerhalb der Gemeinschaft ziehen. Im Fach Politik und Wirtschaft, wenn wir jetzt einmal einzelne Fächer betrachten, wird unter anderem vermittelt, dass sich heutige Demokratien in Abgrenzung zu anderen Systemen durch die Aspekte der Rechtsstaatlichkeit, insbesondere der Grundrechte, der Gewaltenteilung, der Volkssouveränität, des Pluralismus, der Parteiendemokratie und durch Elemente direkter Partizipation definieren.

(Zuruf des Abg. Stephan Grüger (SPD))

Im Fach Geschichte werden Demokratie und Grundwerte aus historischer Perspektive bewertet. Das reicht von der Freiheit und Mitbestimmung in der griechischen Polis über die Aufklärung und das Streben nach Freiheit in der Französischen Revolution bis hin zur demokratischen Ordnung in der Weimarer Republik. In der Behandlung des Nationalsozialismus wird dann aber auch aufgezeigt, mit welchen Mechanismen Demokratie und Menschenrechte systematisch zerstört werden können. Dann gibt es noch weitere Fächer wie Ethik und Religion, wo vor allem die Menschenwürde eine zentrale Rolle einnimmt.

Meine Damen und Herren, deswegen ist es nicht nur PoWi. PoWi ist ein wesentliches Fach. Wir können uns auch gern über die Stärkung von Politik und Wirtschaft unterhalten, Herr Abg. Yüksel. Allerdings gehört, wenn man sagt, man müsse die Stunden aufstocken und das mehr verpflichtend machen, auch die Aussage dazu: Was wollen Sie dafür streichen, oder finden Sie, das kann man unseren Schülerinnen und Schülern gern noch obendrauf packen? – Dazu hätte ich von Ihnen gern eine Antwort gehabt.

(Turgut Yüksel (SPD): In der Oberstufe!)

Auch da müssen Sie entscheiden, was dafür wegfallen soll.

Demokratie und Werte müssen in der Schule aber auch praktisch erfahrbar sein, und vielleicht ist das wegen des unmittelbaren Erlebnisses, das damit verbunden ist, an manchen Stellen sogar noch wichtiger als der Unterrichtsinhalt. Deswegen unterstützen wir entsprechende Projekte; wir unterstützen beispielsweise Parlamentsbesuche oder die Teilnahme an Demokratietagen. Deswegen spielen natürlich auch die Mitbestimmungsgremien, die im Schulgesetz vorgesehen sind, eine wesentliche Rolle. Deswegen haben unsere Schülervertretungen so umfassende Mitbestimmungsrechte.

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit aber auch auf die Möglichkeiten lenken, die die Schulen haben, um jenseits des Unterrichts demokratisches Handeln einzuüben und die zugrunde liegenden Werte erlebbar zu machen: die Wertschätzung jedes Einzelnen, das aufmerksame Zuhören, das Abwägen von Argumenten, Toleranz und Akzeptanz von Abstimmungsentscheidungen. So können Schulen beispielsweise einen Klassenrat einrichten, um aktuelle Probleme und Themen des Klassenlebens zu behandeln. Da die Rollen wie die Moderation immer wieder wechseln,

hilft das den Schülerinnen und Schülern dabei, ihr soziales Repertoire zu erweitern und ihr Selbstbewusstsein zu steigern. Ich kann die Schulen und Lehrkräfte nur ausdrücklich ermuntern, die entsprechenden Fortbildungsangebote etwa unseres Projekts „Gewaltprävention und Demokratielernen“ wahrzunehmen.

Außerdem gibt es jetzt im Ganztag ganz andere Möglichkeiten, schulische Projekte zu gestalten und damit für Schülerinnen und Schüler Werte des demokratischen Gemeinwesens unmittelbar erlebbar zu machen. Dazu gehören z. B. soziale Projekte, etwa die Arbeit im Seniorenheim oder ein Vorleseeinsatz in der benachbarten Kindertagesstätte, die gemeinsame Zubereitung eines Frühstücks mit beeinträchtigten Kindern der benachbarten Förderschule, die Planung und Durchführung eines schulinternen Turniers oder ein Projekttag mit der örtlichen Feuerwehr. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, Wertevermittlung einfach in der Praxis zu leben – auch ohne dass dies im Curriculum so gekennzeichnet ist.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Demokratieerziehung und Wertevermittlung sind auch Bestandteil zahlreicher Wettbewerbs- und Stiftungsangebote. Ich verzichte jetzt auf die Aufzählung im Einzelnen, weil Sie das alles der Antwort auf die Große Anfrage entnehmen können. Ich zähle aber zur Wertevermittlung z. B. auch die Würdigung ehrenamtlichen Engagements. Deswegen gibt es ein entsprechendes Zeugnisbeiblatt, mit dem Schülerinnen und Schüler ihren ehrenamtlichen Einsatz dokumentieren lassen können.

(Stephan Grüger (SPD): Kennt keiner! Macht keiner!)

Ich möchte besonders die Unterstützung der außerschulischen Lernorte hervorheben, etwa durch abgeordnete Lehrkräfte in ihrer pädagogischen Arbeit mit Schülerinnen und Schülern. Das gilt für die NS-Opfer-Gedenkstätten in Hadamar, in Trutzhain, in Stadtallendorf und in Breitenau; und es gilt für die Gedenkstätten Point Alpha und Schifflersgrund, die an SED-Diktatur und Teilung erinnern. Die Auseinandersetzung, gerade mit den dunklen Seiten unserer Geschichte, an authentischen Orten ist von großer Bedeutung, um den Wert der freiheitlichen Demokratie unmittelbarer erlebbar zu machen, als es der Unterricht in der Klasse vermag.

Herr Staatsminister, ich darf auf die Redezeit der Fraktionen hinweisen.

Ja, das ist das Problem. Immerhin hat man bei einer Großen Anfrage zehn Minuten. Das ist hier aber eine so große Aufgabe, und sie ist von so großer Bedeutung, dass es unmöglich ist, sie in dieser Zeit abzuhandeln.

(Günter Rudolph (SPD): Wir sind ja schon froh, wenn sie beantwortet wird!)

Die Antworten im Einzelnen haben Sie schriftlich vorliegen. Das im Einzelnen vorzutragen, würde in der Tat zu weit führen. Überlassen wir also die Aufzählung der Pro

jekte der Lektüre der Beantwortung dieser Großen Anfrage.

Ich stelle zusammenfassend fest und komme damit zum Ende, Frau Präsidentin: Wir sind in Hessen sehr gut aufgestellt, wenn es um Demokratielernen, Wertevermittlung und Extremismusprävention geht. Dabei wissen wir, dass es sich um einen dynamischen Prozess handelt, der immer dem aktuellen Bedarf angepasst werden muss und angepasst wird.

Ich will als allerletztes Beispiel den Leitfaden für Schulen nennen, den kürzlich der Kooperationsverbund RheinMain der Staatlichen Schulämter entwickelt hat. Diesen Leitfaden werden wir als Hessisches Kultusministerium grundwerteorientiert weiterentwickeln und dabei auch auf neue Erscheinungsformen des religiösen Extremismus und des Rechts- und des Linksextremismus eingehen, die unserer Demokratie und unseren grundlegenden Werten den Kampf angesagt haben. Diese Werte müssen immer wieder aufs Neue erarbeitet werden. Dabei werden wir unsere Schulen und Lehrkräfte weiterhin mit allen Kräften unterstützen.

Wenn es um die Verteidigung von Demokratie und Menschenrechten geht, dann kann es keine Kompromisse mit religiös, national, ökonomisch oder kulturell-philosophisch begründeten Gegenpositionen welcher Art auch immer geben. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Damit ist die Große Anfrage unter Tagesordnungspunkt 16 besprochen.

Jetzt muss ich mich konzentrieren. Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:

Antrag der Abg. Lotz, Gremmels, Löber, Müller (Schwalmstadt) , Schmitt, Siebel, Warnecke (SPD) und Fraktion betreffend Reduzierung der Waschbärenpopulation in Hessen – Drucks. 19/4754 –