Protokoll der Sitzung vom 29.06.2017

Herr Kollege Rock, Sie haben sich wohl offensichtlich seit 2011 verändert; Sie sind inzwischen eher auf der energiepolitischen Agenda von Donald Trump unterwegs. Das ist erlaubt.

(Zurufe von der FDP: Oh!)

Aber ich glaube nicht, dass es am Ende erfolgreich sein wird.

Ich will auch in Richtung der Kollegin Schott von der Linksfraktion noch einmal ausdrücklich sagen – Stichwort: warum ist der Netzausbau nötig? –: Wenn im Norden der Wind weht und im Süden die Sonne nicht scheint, muss der Strom von Nord nach Süd kommen.

(Zurufe der Abg. René Rock (FDP) und Marjana Schott (DIE LINKE))

Dann heißt das auch, dass wir den Netzausbau brauchen. Ich bin sehr dafür, dass wir die Energiewende regional und dezentral betreiben. Aber bei volatilen Einspeisungen – erneuerbare Energien sind volatiler als Strom aus Atomoder Kohlekraftwerken – ist eine zusätzliche Vernetzung notwendig, auch zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Das ist kein Zufall. Wenn wir beispielsweise erleben, dass eine Gleichstromleitung, der sogenannte NordLink, von norwegischen Wasserkraftwerken nach Norddeutschland gebaut wird, dessen Endpunkt übrigens der Beginn des SuedLinks ist, ist das kein Zufall. Unser bisheriges Stromnetz besteht aus 380-kV-Überlandleitungen Wechselstrom. Das ist nicht als Transportnetz über Hunderte von Kilometern gemacht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen brauchen wir auch die Gleichstromleitungen, die den Strom übrigens sehr viel verlustärmer auch über größere Strecken transportieren können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dirk Landau (CDU))

Deswegen meine Bitte an alle, aber ganz besonders an die Adresse der hessischen FDP, an die Adresse der hessischen Linkspartei, aber auch an die Landesregierungen in Thüringen und in Bayern: Politik nach dem Sankt-FloriansPrinzip wird der Bedeutung einer solchen Generationenaufgabe nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was haben wir in den letzten Jahren und Monaten erlebt? Die Vorhabenträger des SuedLink-Projekts haben im März 2017 zunächst das gemacht, was der Gesetzgeber von ihnen verlangt hat. Nachdem es übrigens vor allem auf Druck der Länder gelungen ist, aus SuedLink ein Erdkabelprojekt zu machen, musste die Trasse neu gesucht werden; denn man sucht Erdkabeltrassen nach anderen Kriterien als Freileitungstrassen, unter anderem auch nach anderen geologischen Kriterien. Das ist eigentlich völlig selbstverständlich.

Die Vorhabenträger haben im März 2017 der Öffentlichkeit einen Vorschlagskorridor vorgestellt, den sie nach intensiver Prüfung und nach raumordnerischen sowie nach natur- und artenschutzfachlichen Erwägungen für die beste Variante halten, um die beiden SuedLink-Vorhaben als Erdkabel zu realisieren. Dabei ist eine Trassenführung über Thüringen herausgekommen.

Der Netzbetreiber TenneT favorisiert nicht zuletzt wegen genau der geologischen Gründe eine solche Trasse. Ein solcher Verlauf wäre außerhalb Hessens. Ich will ausdrücklich sagen: Nachdem wir ihn uns sehr genau angeschaut haben, halten wir diesen Vorschlag für sachlich fundiert. Es ist aber wie immer – das ist übrigens auch gesetzlich vorgeschrieben –: Neben diesem Vorschlagskorridor gibt es alternative Korridorvarianten, die jetzt von der Bundesnetzagentur als Planungs- und Genehmigungsbehörde in den kommenden Monaten geprüft und bewertet werden.

Herr Minister, ich muss Sie an die Redezeit erinnern.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich will ausdrücklich sagen, dass ich keinerlei Anlass habe, daran zu zweifeln, dass der Vorhabenträger an dieser Stelle sorgfältig gearbeitet hat. Ich will ausdrücklich auch sagen, dass Bundesnetzagentur und Vorhabenträger sich natürlich eine Vorzugsvariante betrachten, aber sich auch die Alternativvarianten betrachten müssen. Es ist keine Vorfestlegung. Es ist noch keine Entscheidung über den endgültigen Verlauf der Trasse.

Ich will ausdrücklich sagen: Über die Trassenführung wird weder in Thüringen noch in Hessen entschieden, sondern die Bundesnetzagentur entscheidet dies am Ende. Wir haben gegenüber der Bundesnetzagentur zum Ausdruck gebracht, dass der finale Trassenverlauf einzig und allein auf der Grundlage fachlicher und objektiver Kriterien festgelegt werden darf. Ich hoffe, dass der ganze Hessische Landtag das ebenso sieht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will es noch einmal sagen: Wir sind alle gut beraten, wenn wir uns bei der Generationenaufgabe Energiewende und dem dazugehörigen Netzaufbau nur auf diese fachlichen und objektiven Kriterien berufen. Das gilt ganz nebenbei nicht nur für die FDP in Hessen, sondern auch für Rot-Rot-Grün in Thüringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Deswegen noch ein Wort zum sogenannten Grünes-BandGesetz – dann bin ich auch am Ende, Frau Präsidentin –, das derzeit in Thüringen diskutiert wird. Ich habe volles Verständnis dafür, den ehemaligen Grenzstreifen als Erinnerung an die Teilung Deutschlands als nationales Naturmonument auszuweisen. Es ist ein tolles Projekt, wenn man aus einem ehemaligen Todesstreifen ein grünes Band machen kann.

(René Rock (FDP): Die Intention ist eine andere!)

Aber mit dem Gesetz sollen offensichtlich quasi nebenbei sogenannte Raumwiderstände geschaffen werden. Bisher ist dieses Gesetz nur ein Entwurf. Der Landtag in Thüringen hat ihn noch nicht beschlossen. Ich würde mir wünschen, dass man diesen Gesetzentwurf in Thüringen an diesem Punkt noch einmal überdenken würde. Ich glaube nicht, dass ein Erdkabel mit ein paar Metern Breite, das das Grüne Band zweimal kreuzt, und zwar unterirdisch, das Wesen eines solchen Naturmonuments verändern würde.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dass es an dieser Stelle wirklich wichtig wäre, sich an fachlichen Kriterien, auch an naturschutzfachlichen Kriterien, zu orientieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt – Stichwort: innerdeutsche Grenze – glücklicherweise Erfahrungen des Tunnelbaus zur Republikflucht. Ich würde mir nicht wünschen, dass wir jetzt auf der anderen Seite zu ähnlichen Maßnahmen greifen müssten. Also auch da hoffe ich, dass am Ende die Fachlichkeit siegt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Ich habe eine weitere Wortmeldung von Herrn Kollegen Grüger von der SPDFraktion vorliegen. Sie haben 3:40 Minuten Redezeit. Bitte schön, Sie haben das Wort.

(Günter Rudolph (SPD): Wie viel?)

3:40 Minuten.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist reichlich!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatsminister, ich habe mich jetzt herausgefordert gefühlt durch die häufige Verwendung des Wortes „fachlich“, insbesondere auch von Frau Kollegin Dorn. Ich will nur zwei fachliche Anmerkungen machen.

Die erste betrifft die Frage: Sind HGÜ-Leitungen 380-kVDrehstromleitungen überlegen? – Nein, das sind sie nicht. Bis zu einer Entfernung von ungefähr 1.000 km sind die Leitungsverluste etwa gleich groß. Erst über 1.000 km sind sie überlegen. Schauen Sie sich die Landkarte von Deutschland an: Diese Strecken kriegen wir in Deutschland nicht so ohne Weiteres zusammen.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das können Sie gerne bei Wikipedia nachschauen, Frau Kollegin Dorn. Das ist ganz einfach nachzurechnen. Man muss rechnen können, aber dann ist es verhältnismäßig einfach.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LIN- KEN)

Von daher gesehen – das muss man einfach rein fachlich betrachten –, sind die HGÜ-Leitungen den 380-kV-Drehstromleitungen nicht überlegen. Sie haben nur den Nachteil, dass man dort schlechter Ableitungen machen kann. Das heißt, dass man nur Punkt-zu-Punkt-Übertragung macht. Das ist das Problem. Je mehr Ableitungen man macht, desto größer wird der Übertragungsverlust.

(Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warum wird die dann geplant?)

Ein zweiter fachlicher Hinweis zum Grünen Band. Herr Minister, ich kann Ihnen nur empfehlen, sich anzuschauen, wie ein Erdkabel aussieht. Das ist ein grünes Band. Im Prinzip ist der Landschaftseingriff bei einem Erdkabel größer als bei einer Freileitung. Wenn Sie sagen, das eine grüne Band wird vom anderen grünen Band gekreuzt, das würde aber nichts ausmachen: Gut, dann haben Sie zwei gekreuzte grüne Bänder.

(Timon Gremmels (SPD): Gelb-grün! – Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Gelb-grünes Band. – Ich spreche nur dafür, dass man, wenn man auf Fachlichkeit verweist, diese auch vorweisen muss.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Man sollte schon bei der Wahrheit bleiben. Darum geht es uns in dieser Frage. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Vielen Dank, Herr Kollege Grüger. – Als Nächster spricht Herr Kollege Lenders von der FDP-Fraktion. Für Sie gilt die gleiche Redezeit.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Seitdem ich 2008 in den Landtag gekommen bin, sprechen wir über den SuedLink. Damals wusste noch keiner, wofür er überhaupt taugen sollte. Ich hatte damals schon eine gewisse Ahnung, dass eine HGÜ-Leitung, eine Hochspannungsleitung den Menschen erhebliche Probleme bereiten wird und dass die Ängste nicht ganz unbegründet sind.

Meine Damen und Herren, ich habe hier viel gehört, wer wann was wo an welcher Stelle irgendwie gesagt hat. Das führt uns in der Sache überhaupt nicht weiter.

(Beifall bei der FDP)

Das Einzige, was sich geändert hat, und der Anlass der Aktuellen Stunde ist, dass die Landesregierung in Thüringen einen geschickten Schachzug gemacht hat. Sie hat gesagt, SuedLink, Energiewende bräuchten wir alle, die GRÜNEN allen voran. Frau Dorn sagt immer tapfer, das brauchen wir, und verteidigt es auch. Sie ist eine der wenigen. Das war bei Staatsminister Al-Wazir nicht immer so.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was?)

Da ist Frau Dorn viel klarer. – Aber die Thüringer haben einen geschickten Schachzug gemacht. Die Frage ist: Wie reagiert jetzt die Landesregierung auf diesen Schachzug der thüringischen Landesregierung?