Protokoll der Sitzung vom 24.11.2017

Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Ziele, Kosten und Effizienz von Ausgaben für Ausbildungsförderung und Ausbildung aus dem hessischen Landeshaushalt – Drucks. 19/5037 zu Drucks. 19/3861 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Als Erste hat Kollegin Gnadl für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin froh, dass wir heute endlich die Große Anfrage der SPD-Fraktion zu Zielen, Kosten und Effizienz der Ausgaben für Ausbildung und Ausbildungsförderung in Hessen debattieren. Ich muss sagen: endlich; denn wir haben diese Große Anfrage im Oktober 2016 gestellt, und die Landesregierung hat mehr als acht Monate gebraucht, um diese Anfrage zu beantworten.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, umso erstaunlicher finde ich, dass es der Landesregierung selbst in dieser langen Zeit nicht gelungen ist, alle Fragen zu beantworten; denn wenn es beispielsweise um die Fragen nach den Kosten der Ausbildung im Landesdienst geht, muss die Landesregierung passen und verzichtet auf eine Beantwortung. Das ist natürlich sehr „großzügig“ von Ihnen.

(Beifall des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

Aber auch wenn man sich die Fragen anschaut, die tatsächlich beantwortet wurden, erkennt man: Die vorliegende Antwort ist eine Dokumentation des Versagens der schwarz-grünen Landesregierung bei der Ausbildungsförderung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zum Beispiel bleibt Ihr Bündnis für Ausbildung, das Sie 2015 noch medienwirksam inszeniert haben, hinter den Erwartungen zurück. Nach den neusten verfügbaren Daten der Arbeitsagentur von Ende Oktober stieg die Zahl der gemeldeten Ausbildungsplätze zwischen dem Berichtsjahr 2015/2016 und dem Berichtsjahr 2016/2017 gerade einmal um 316 Plätze. Das sind 0,9 %.

Im Berichtsjahr 2016/2017 blieben 1.865 Bewerber komplett unversorgt. Rechnet man dann noch die sogenannten Bewerber mit Alternative ein, die sich z. B. in einer Übergangsmaßnahme befinden, hatten wir im letzten Ausbildungsjahr mehr als 6.800 junge Menschen, die keine Berufsausbildung gefunden haben. Wer jetzt hofft, dass sich das Problem durch den demografischen Wandel von alleine lösen wird, der ist auf dem Holzweg. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler steigt eher, als dass sie zurückginge.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, besonders verheerend ist, dass die Landesregierung dieses Problem noch selbst verschärft. Seit 2011 ist die Zahl der Ausbildungsstellen des Landes um mehr als ein Drittel gekürzt worden, obwohl wir doch alle wissen, dass wir auch im öffentlichen Dienst auf ein Nachwuchsproblem zusteuern. Im Finanzministerium gab es 2011 noch 94 Ausbildungsstellen. Im Jahr 2015 waren es ganze 13 Ausbildungsstellen.

(Günter Rudolph (SPD): Hört, hört!)

Auch im grünen Wirtschaftsministerium ging die Zahl von 102 auf 70 Ausbildungsstellen zurück.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer als Landesregierung selbst ein so schlechtes Beispiel abgibt, braucht sich nicht zu wundern, dass der eigene Ausbildungspakt floppt.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Auch im Hinblick auf die aktive Ausbildungspolitik des Landes gleicht Ihre Antwort auf unsere Anfrage eher einem Offenbarungseid. Entweder müssen Sie eingestehen, dass Sie vieles einfach nicht wissen, oder Ihre Initiativen, die immer mit großem Tamtam angekündigt wurden, haben keinen Erfolg. Das gilt beispielsweise für die Initiative Pro Abschluss und das Programm QualiBack.

Die Initiative Pro Abschluss startete 2015, um Menschen im Beruf, die keine abgeschlossene Berufsausbildung haben, zu einem Berufsabschluss zu verhelfen. Ich finde, damit wird ein wichtiges Ziel verfolgt. Laut Homepage der Initiative gibt es immerhin 320.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die keinen Berufsabschluss haben. Dabei sind Minijobber und Arbeitslose ohne Berufsabschluss noch nicht einmal einberechnet. Von diesen 320.000 Beschäftigten, so Ihre Antwort auf unsere Anfrage, sind nach Ihrer Aussage gerade einmal 1.425 Personen beraten worden. Bis zum April 2017 haben ganze 312 Personen den Qualifizierungscheck in Anspruch genommen. Das sind gerade einmal 0,1 % in zwei Jahren. Wenn das so

weitergeht, dann brauchen wir noch mindestens 1.000 Jahre,

(Dr. Daniela Sommer (SPD): Ja! – Heiterkeit bei der LINKEN)

um die Betroffenen zu qualifizieren. Das ist uns eindeutig zu langsam, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Das Programm QualiBack ist auch nicht erfolgreicher. Es ist schon in seiner Pilotphase gescheitert. An diesem Programm haben seit dem Programmstart in den beiden Pilotregionen in drei Schuljahren ganze 20 Personen teilgenommen. Von diesen Personen durchlaufen nach Ihren Angaben zurzeit fünf das Programm, acht haben abgebrochen und ganze sieben einen Abschluss nachgeholt. Das ist ebenfalls eine sehr magere Bilanz.

Wenn man sich die landesweite Ausdehnung des Programms anschaut, sieht man, dass es dort nicht besser ist. Obwohl alle hessischen Berufsschulen daran teilnehmen können, die Teilnahme beantragen können, haben das in ganz Hessen außerhalb der Modellregionen nur acht Berufsschulen getan. An diesen acht Berufsschulen hat sich niemand für das Programm angemeldet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das zeigt auch, dass es eine erfolgreiche Nachqualifizierung nicht zum Nulltarif gibt und dass Berufsschulen, die in einem solchen Programm mitmachen, auch eine entsprechende Unterstützung seitens des Landes Hessen brauchen.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Antwort auf unsere Große Anfrage zeigt noch mehr Defizite auf. Beispielsweise ist in den Programmen des Sozialministeriums die Zahl der Abbrecher und der nicht bestandenen Prüfungen zusammengerechnet größer als die Zahl der erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen. Auch dort muss irgendetwas grundlegend falsch laufen. Andere Ministerien hingegen erheben erst gar keine Daten, um zu überprüfen, wie die Bilanz der Programme in ihren Ressorts ausschaut.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist uns eindeutig zu wenig, was Sie als Landesregierung hier tun. Zusammenfassend lässt sich sagen: Ihre Ausbildungspolitik ist mangelhaft und ungenügend. Es mangelt Ihnen am Einsatz für diese Sache.

(Beifall bei der SPD)

Wir als SPD-Fraktion sind davon überzeugt, dass es besser geht. Deswegen werden wir in Kürze ein entsprechendes Konzept vorlegen, das sich mit allen relevanten Bereichen dieses Politikfelds befasst und einen aufeinander abgestimmten Ansatz verfolgt, angefangen bei der Berufsorientierung in den Schulen über die Berufsberatung, die Stärkung der dualen Ausbildung und der Berufsschulen bis hin zu Themen wie der Ausbildungsunterstützung und der Nachqualifizierung, vor allem aber im Hinblick auf die Effizienzsteigerung und Koordinierung der verschiedenen Angebote.

Die hessische Wirtschaft braucht gut ausgebildete Fachkräfte. Nicht zuletzt auch der Staat ist darauf angewiesen, dass es gut ausgebildete Menschen gibt, die am Ende auch in die Steuer- und Sozialkassen einzahlen. Vor allem aber

brauchen wir Ausbildung, weil sie jungen Menschen ein selbstbestimmtes Leben garantiert.

(Beifall des Abg. René Rock (FDP))

Nur wer eine abgeschlossene Berufsausbildung hat, hat auf dem deutschen Arbeitsmarkt gute Beschäftigungschancen, ein ordentliches Einkommen und später auch eine entsprechende Rente.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Umgekehrt werden es die Jugendlichen, bei denen wir es nicht schaffen, sie zu einem Berufsabschluss zu bringen, später schwer haben. Wir wissen doch, dass Menschen ohne Berufsausbildung im Schnitt eher in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen arbeiten und dass sie besonders von Langzeitarbeitslosigkeit, Niedriglöhnen und Altersarmut bedroht sind. Das gilt es zu verhindern. Darum geht es uns als SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Als nächster Redner spricht Kollege Lenders für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ja, da hat die Kollegin recht. Die Ausbildung ist für viele junge Menschen eine ganz entscheidende Lebensphase. Sie ist sehr stark prägend. Was die jungen Menschen dort erfahren, wird sie ihr ganzes Leben lang begleiten.

Ich erinnere mich an die Zeiten – vielleicht erinnern Sie sich auch noch daran –, als ich mich mit Frau Wissler über die Ausbildungsplatzabgabe trefflich gestritten habe.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das war die Umlage!)

Ja, wir haben eher diskutiert, wir haben gar nicht gestritten. Ich habe Ihnen damals immer gesagt: Wissen Sie, was? Wir werden eine Situation bekommen, in der wir händeringend junge Menschen suchen werden, die die Ausbildungsplätze belegen werden. – Da haben Sie immer gesagt: Ach, Herr Lenders, was Sie alles erzählen.

Heute ist die Situation da, meine Damen und Herren. Der Fachkräftemangel hält uns ganz schön auf Trab. Ich glaube, dass der Fachkräftemangel eines der größten Probleme sein wird und gerade die mittelständische Wirtschaft daran hindert, zu wachsen.

Gerade um junge Arbeitslose unter 35, die keinerlei beruflichen Abschluss vorweisen können, müssen wir uns kümmern. Es ist schon so, dass die Zahl der nicht besetzten Lehrstellen korrespondiert mit der Zahl dieser junger Arbeitslosen. Es geht darum, die Ausbildungsförderung permanent den neuen Herausforderungen anzupassen.

Was die Große Anfrage hergibt – das teilen wir –, ist eine Verbesserung des Übergangs von der Schule zum Beruf. Es geht darum, junge Menschen konkret bei der Berufsorientierung zu beraten und ihnen auch dann Hilfestellung anbieten zu können, wenn sie Schwierigkeiten haben, selbst eine Lehrstelle zu finden.

Diese Schwierigkeiten kommen nicht zuletzt oftmals aus dem familiären Umfeld. Wer, wie ich, schon viele Auszubildende hatte und gerade solchen jungen Menschen eine Chance gegeben hat, die aus nicht sehr einfachen Verhältnissen kommen, weiß, dass es vor allem die mittelständischen Betriebe sind, die sich dieser Jugendlichen annehmen und die versuchen, Perspektiven aufzuzeigen. Das ist etwas, was dann auch die mittelständischen Unternehmen sehr stark beschäftigt, weil familiäre Probleme auch in die Betriebe hineingetragen werden.

Ich glaube, dass es gerade bei denjenigen, die – ich sage einmal – eine gewisse Verweigerungshaltung haben, was die Schule anbelangt, wichtig wäre, viel früher einzugreifen. Man müsste da die Probleme viel früher erkennen. Das darf nicht erst geschehen, wenn sie in der Ausbildung sind.

Wir, die Mitglieder der FDP-Fraktion, haben mehrfach versucht, dazu Daten zu bekommen. Da ist uns die Landesregierung die Antworten im Moment noch schuldig geblieben.

Wir wissen, dass es neben den Betrieben, die ich schon genannt habe, auch sehr viele Akteure und Institutionen gibt, die sich mit der Ausbildungsförderung befassen. Deshalb ist es richtig und notwendig, über eine regionale Steuerung aller Beteiligten – das sind die Schule, die Betriebe und die Kammern – ein gemeinsames Angebot zu erzeugen, das möglichst individuell ist und zur jeweiligen Lebenslage und Situation passt. Wir müssen uns da jeden jungen Menschen sehr genau anschauen.

Auch die Ausbildungsförderung für Strafgefangene gehört dazu. Auch hier gilt es, diesen Menschen mit der Ausbildung eine Perspektive zu geben.

(Beifall der Abg. René Rock, Wiebke Knell (FDP) und Marjana Schott (DIE LINKE))

Mittlerweile sehen wir natürlich auch, dass wir sehr viele Schülerinnen und Schüler haben, zu denen uns die Ausbildungsbetriebe sagen: Die müssten in der Schule erst einmal richtig lesen, schreiben und rechnen lernen. Das sind leistungsschwache Schüler, die unter anderem mit Sprachproblemen in die Betriebe kommen.