Protokoll der Sitzung vom 24.11.2017

Hierzu hat die Große Anfrage der SPD-Fraktion interessante Zahlen zutage gefördert. Wenn die Zahl der Ausbildungsplätze bei den Ministerien von 806 auf 531 sinkt – davon ist auch das Wirtschaftsministerium betroffen, das für die Berufsausbildung zuständig ist, Herr Staatssekretär Samson –, dann sage ich: Wenn man von den Unternehmen zu Recht verlangt, dass sie ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen, Ausbildungsplätze zu schaffen, dann muss das Land Hessen mit gutem Beispiel vorangehen. Deshalb kritisieren wir sehr, dass das Land Ausbildungsplätze abgebaut hat. Um ein attraktives Ausbildungsplatzangebot zu haben, brauchen wir Ausbildungsplätze im öffentlichen Dienst des Landes Hessen, auch in den Ministerien. Wir kritisieren, dass hier Ausbildungsplätze abgebaut wurden. Wir sind der Meinung, das Land muss mit gutem Beispiel vorangehen und mehr Ausbildungsplätze schaffen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat Herr Staatssekretär Samson für die Landesregierung.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Einen herzlichen Dank an die SPD-Fraktion, dass sie diese Große Anfrage gestellt hat, weil uns das ermöglicht, sich mit einem Themenfeld zu beschäftigen, das wichtig ist und leider und zu Unrecht deutlich zu tief unter dem politischen Horizont gefahren wird.

Ausbildung hat eine ganz große Bedeutung, sowohl volkswirtschaftlich als auch für den Einzelnen. Die Bedeutung für den Einzelnen ist, glaube ich, hinreichend deutlich geworden; denn ohne eine qualifizierte Ausbildung sind die Möglichkeiten, auf dem Arbeitsmarkt tätig zu werden, sehr begrenzt. Deshalb braucht jeder Einzelne eine gute Ausbil

dung. In der Summe ist es volkswirtschaftlich hochgradig wichtig, dass wir ein hohes Ausbildungsniveau haben.

Dieses Thema ist hier häufig auch unter dem Stichwort Fachkräftemangel diskutiert worden. Auch da müssen wir einiges tun, und die Landesregierung tut das. Herr Bocklet hat zu Recht sowohl die Summen als auch die einzelnen Programme aufgeführt. Das geht aus der Beantwortung der Großen Anfrage, wie ich finde, vollumfänglich und umfassend hervor. Insofern ist die Bewertung – wie haben Sie es ausgedrückt, Frau Gnadl? – „Dokumentation des Versagens“ ein, um es vorsichtig zu formulieren, absurdes Zerrbild. Das hat mit der Realität nichts zu tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wenn Sie weitere Fragen zu dem Thema haben, bin ich gern bereit, im Einzelnen auch bilateral und mit meinen Leuten im Haus bei Ihnen für mehr Verständnis zu sorgen; denn das ist ein ganz wichtiger Punkt für das spezielle Thema, mit dem wir uns beschäftigen.

Wir haben heute Morgen über die schulische Ausbildung gesprochen, auch über den Anteil der Schule an der Berufsorientierung. Das ist wichtig. Wir sind jetzt in der Debatte darüber, was das Land im Bereich der Ausbildungsförderung macht. Ein zentraler Unterschied zwischen beiden Themenfeldern ist: Wir haben hier einen zentral Verantwortlichen für das Land, den Kultusminister, der den schulischen Rahmen für die Qualität der Ausbildung vorgibt. Das geht bei der Ausbildungsplatzförderung nicht. Da brauchen wir ganz viele verschiedene Akteure.

Ein zentrales strukturierendes Element für dieses Politikfeld ist die Kooperation. Wir brauchen strategische Allianzen vieler Akteure, die voneinander abhängen: die Unternehmen, die Bundesagentur für Arbeit, die Arbeitgeberverbände, die Gewerkschaften und andere Träger eines Ausbildungssystems. Erst wenn es uns gelingt, dass die verschiedenen Akteure an einem Strang ziehen, haben wir eine Chance, die noch deutlich zu hohe Zahl der nicht versorgten jungen Menschen zu reduzieren.

Lassen Sie uns zur Realität kommen. Wie sieht der Arbeitsmarkt auf diesem Feld im Moment aus? – Noch vor einigen Jahren steckten wir mitten in einer Ausbildungskrise. Viele junge Menschen fanden damals keinen Ausbildungsplatz. Das war übrigens auch der Zeitpunkt, zu dem die Landesregierung gesagt hat: Wir bilden über Bedarf aus. Wir bilden mehr junge Menschen aus, als wir eigentlich brauchen. – Das war damals richtig und gut. Aber in Zeiten, in denen sich der Markt verändert, muss man sich bei den Ausbildungsangeboten, auch der Landesregierung, wieder am tatsächlichen Bedarf orientieren. Der sparsame und effektive Einsatz öffentlicher Mittel ist nämlich eine Notwendigkeit. Deswegen sind die Ausbildungsplatzzahlen in der öffentlichen Verwaltung gesunken. Das halte ich vor dem Hintergrund der aktuellen Ausbildungsplatzsituation für richtig und für vertretbar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die schlechten Zeiten sind glücklicherweise vorbei. Mit einem hohem Förderaufwand des Landes – nicht nur, aber auch des Landes – wurden zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen, und die Verhältnisse am Ausbildungsmarkt haben sich deutlich positiv entwickelt. Darauf ruhen wir uns aber nicht aus. Das dürfen wir nicht tun, denn es mangelt

sicherlich nicht an Herausforderungen. Auf der einen Seite geht die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber um Ausbildungsplätze zurück. Die Zahl der Auszubildenden ist seit 2011 um 8 % gesunken. Auf der anderen Seite stehen den unbesetzten Ausbildungsplätzen leider immer noch unversorgte Bewerberinnen und Bewerber gegenüber. Ende September 2017, also zu Beginn des aktuellen Ausbildungsjahres, hatten wir 1.865 unversorgte Bewerberinnen und Bewerber. Das sind ohne Frage zu viele; aber das sind genau die jungen Menschen, um die wir uns gemeinsam kümmern müssen. Ich denke, gerade an der Stelle eignet sich das Thema nicht für eine politische Kontroverse, sondern wir sollten gemeinsam dafür sorgen, dass wir die Dinge voranbringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Das Paradoxe ist – das haben viele Redner auch angesprochen –, dass wir auf der einen Seite eine hohe Zahl an unbesetzten Ausbildungsstellen haben und auf der anderen Seite immer noch Bewerber unversorgt sind. Dafür gibt es im Wesentlichen drei zentrale Ursachen. Sie sind genannt worden: Erstens das sogenannte Matching, d. h., die Bewerberinnen und Bewerber und die Ausbildungsprofile und Anforderungen kommen nicht zusammen, sowohl regional als auch thematisch nicht. Zweitens entscheiden sich immer mehr junge Menschen für ein Studium und damit automatisch gegen eine Ausbildung. Dass beides vereinbar ist und aufeinander folgen kann – das habe ich selbst gemacht –, müssen wir deutlicher vermitteln. Eine Ausbildung vor einem Studium ist ganz wichtig und kann Vorteile haben.

(Beifall des Abg. Armin Schwarz (CDU))

Das hat auch Probleme.

(Klaus Peter Möller (CDU): Das nimmt einem keiner mehr weg!)

Drittens – das ist ein strukturelles Problem, darum müssen wir uns mit diesem Problem noch intensiver beschäftigen –: Unternehmen, vor allem kleinere Unternehmen, ziehen sich zunehmend aus der Ausbildung zurück, weil sie sich im Wettbewerb um geeignete Bewerber nicht mehr durchsetzen können. Viele kleinere Unternehmen finden keine guten Auszubildenden mehr. Meines Erachtens wird auf der einen Seite manchmal zu viel über die fehlende Qualität der Schulabgänger geklagt, und auf der anderen Seite gibt es objektiv viele Unternehmen, die gerne ausbilden würden und keinen geeigneten Bewerber finden.

Dass die Landesregierung ihre Aufgabe ernst nimmt und sich auf vielfältige Weise engagiert, zeigt sich unter anderem im Bündnis Ausbildung Hessen. Dieses Bündnis ist meines Erachtens ein sehr gutes Beispiel dafür, wie strategische Partnerschaften zwischen allen relevanten Akteuren der Ausbildungsförderung dienen können.

Die hessische Wirtschaft hat sich zur Bereitstellung von 1.500 zusätzlichen Ausbildungsplätzen verpflichtet. Außerdem stellt sie jährlich mindestens 1.500 Plätze für Einstiegsqualifizierungen zur Verfügung. Seit 2016 liefert die Wirtschaft und stellt die zugesagten Ausbildungsplätze zur Verfügung. Aber – ich glaube, das ist noch ein zentraler Baustein des Bündnisses für Ausbildung – es geht nicht nur um die Quantitäten, um die Bereitstellung von zusätzlichen Ausbildungsplätzen, sondern wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass die Qualität der dualen Ausbildung auf

rechterhalten wird. Im Ausland – das wissen viele von Ihnen, die international unterwegs sind und sich mit diesen Fragen beschäftigen – ist die duale Ausbildung, wie sie in Deutschland gehandhabt wird, ein richtiger Erfolg und ein Exportschlager.

(Armin Schwarz (CDU): Sehr richtig!)

Wenn wir auf Delegationsreisen sind, vergeht so gut wie keine Gesprächsrunde mit Parlamentariern, die uns nicht darauf ansprechen. Ich glaube, in Deutschland ist die Bedeutung der dualen Ausbildung noch nicht überall hinreichend angekommen. Im Ausland wird das teilweise mehr wertgeschätzt als bei uns. Gerade deswegen ist es wichtig, die duale Ausbildung zu stärken und auch qualitativ weiterzuentwickeln, damit sie mehr Qualität bekommt und damit sie auch für die Bewerberinnen und Bewerber attraktiv ist, die sich vielleicht heute noch für ein Studium entscheiden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Redezeit ist wie immer begrenzt, man könnte lange zu diesem Thema reden. Lassen Sie mich zum Schluss noch drei für uns wichtige Schwerpunkte nennen.

Erstens Durchlässigkeit und Gleichwertigkeit der Bildungssysteme. Wir sind in Hessen Vorreiter beim Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte. Seit dem Wintersemester 2016 können sich junge Menschen mit einem guten Berufsabschluss an allen hessischen staatlichen Hochschulen mit gestuften Studiengängen bewerben. Damit ist klar: Es gibt keine Bildungssackgassen. Das ist ein wirklicher Durchbruch in der Qualifizierung der hessischen Jugendlichen.

Zweitens. Das Ausbildungssystem muss den Anforderungen des technologischen Fortschritts und der Digitalisierung gewachsen sein. Das Land konzentriert sich dabei auf die Schaffung und Weiterentwicklung überbetrieblicher Kompetenz und von Bildungszentren im Handwerk. Ganz wichtig ist, dass wir die Ausbildungsunternehmen dabei nicht alleine lassen dürfen, weil die Anforderungen auch dort steigen werden.

Drittens. Die hessische Ausbildungspolitik steht unter dem Leitmotiv „Ausbildungschancen für alle – Neue Konzepte für den Übergang in Ausbildung“. Das ist genau das, worauf Herr Bocklet hingewiesen hat. Das gilt vor allem für die Leute, die es nicht so einfach haben. Wir müssen mit verstärktem Einsatz dafür sorgen, dass insbesondere die leistungsschwächeren, benachteiligten Jugendlichen, Hauptschülerinnen und Hauptschüler, aber auch Häftlinge und junge Menschen mit Migrationshintergrund die Chance bekommen, die sie verdient haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denken Sie bitte an die Redezeit der Fraktionen.

Wir haben in unserer Antwort auf die Große Anfrage zur Ausbildungsförderung hinreichend und klar zum Ausdruck gebracht, dass das Thema für uns eine sehr hohe Bedeu

tung hat und wir in Hessen sehr gut aufgestellt sind. Wir brauchen mehr Kooperation. Wir müssen zusammenarbeiten. Wir werden zusammenarbeiten.

Es ist kein Zufall, dass das Schülerticket auch für Auszubildende gilt. Das hätte man mit guten Gründen anders regeln können. Uns war es wichtig, auch für die Auszubildenden ein attraktivitätssteigerndes Element hinzuzufügen. Es ist ein gutes Angebot, für 1 € am Tag durch ganz Hessen zu fahren. Ich glaube, das ist ein guter Beitrag. Wir brauchen attraktive Ausbildungsangebote. Unsere hessischen Unternehmen brauchen qualifizierte Fachkräfte. Dazu leistet die Landesregierung ihren Beitrag. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass wir noch besser werden. – Dafür bedanke ich mich herzlich.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Eine Wortmeldung zu diesem Punkt liegt mir von Frau Kollegin Gnadl vor.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will die Debatte jetzt nicht überstrapazieren, aber ich möchte zu zwei Dingen noch kurz etwas sagen. Erstens. Herr Staatssekretär, mich überzeugt Ihr Argument nicht, warum Sie die Zahl der Ausbildungsstellen des Landes um ein Drittel bewusst gekürzt haben. Ich möchte Ihnen auch sagen, warum: Ich finde, das steht eklatant im Widerspruch zu den Zahlen der unversorgten Bewerberinnen und Bewerber.

Zweitens – das wurde schon von mehreren Rednern angesprochen – möchte ich auf die hohen Summen eingehen, die für die Ausbildungsförderung vonseiten des Landes Hessen ausgegeben werden. Sie haben die Mittel entsprechend erhöht.

Meine sehr verehren Damen und Herren, ich habe in keiner Weise an irgendeiner Stelle meiner Rede gefordert, dass wir diese Summen im Landeshaushalt erhöhen müssen. Wenn Sie mir zugehört hätten, hätten Sie das auch mitbekommen können: Ich habe davon gesprochen, dass, gerade weil wir diese hohen Summen im Bereich der Ausbildungsförderung ausgeben, überprüft werden muss, wie effizient die Programme sind, für die wir das Geld ausgeben. Es geht uns als SPD-Fraktion nicht um die Mittelerhöhung, sondern es geht uns um eine effizientere Verteilung.

(Beifall bei der SPD)

Es ist viel Geld im System. Die Förderstruktur ist unübersichtlich, und die Erfolge sind gering oder nicht nachvollziehbar. Wir stellen uns beispielsweise die Frage, welche Bildungsgänge entbehrlich sind, weil sie nicht zu dem gewünschten Erfolg, zu dem Abschluss, führen.

Herr Bocklet – weil Sie mich darauf angesprochen haben –, genau die Fragen, bei denen es um die Evaluation geht, konnte uns die Landesregierung nicht beantworten. Das war unsere Kritik an der Landesregierung und der Beantwortung der Großen Anfrage.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Damit liegen mir zu dem Punkt keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Große Anfrage besprochen.

Ich weise darauf hin, dass auf Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP betreffend keine indirekte Anwendung kuwaitischer Gesetze in Deutschland, die im Widerspruch zu unserer offenen Gesellschaft stehen, Drucks. 19/5456. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird das Tagesordnungspunkt 81. Die Redezeit beträgt fünf Minuten. Der Punkt wird im Rahmen der Tagesordnung aufgerufen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 auf:

Große Anfrage der Abg. Alex, Decker, Degen, Di Benedetto, Geis, Gnadl, Hartmann, Hofmeyer, Merz, Quanz, Roth, Dr. Sommer, Yüksel (SPD) und Fraktion betreffend Umsetzung des Sprachförderprogramms „Integration durch Abschluss und Anschluss“ (InteA) in Hessen – Drucks. 19/5100 zu Drucks. 19/4466 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Das Wort hat Herr Abg. Degen für die SPD-Fraktion. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das passt thematisch ganz gut, denn ohne Schulabschluss ist es im Nachgang auch mit der Ausbildung schwierig. Deswegen freue ich mich darüber, hierzu reden zu dürfen. Ich will zwei Vorbemerkungen machen.