Christoph Degen
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Aber das Rednerpult ist hoch. – Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Schwarz, ich bin Ihnen nicht undankbar für Ihren Beitrag;
denn es schauen doch mehr Lehrkräfte und Schulleitungen, als Sie denken, diesen Debatten zu. Ich muss sagen: Sie sind unser bester Wahlkämpfer, Herr Kollege Schwarz.
Das ist übrigens bei der Landesregierung nicht anders, die inzwischen sogar keine Hemmungen davor hat, ihre PR so an die Schulen weiterzugeben, dass sie eine Ausgabe von „Schule aktuell“ an die Schulleitungen mit der ausdrücklichen Bitte des Pressesprechers des Kultusministeriums schickt: Bitte stellen Sie sicher, dass das angehängte Dokument jede Lehrkraft erreicht.
Die Landesregierung argumentiert immer sehr viel mit Statistiken und Zahlen. Da sind sogar schöne Grafiken dabei. Da sieht man dann, dass wir am Ende eine Lehrerversorgung von 129,1 % haben.
Warum debattieren wir hier eigentlich?
Sollten wir uns nicht schämen, das alles infrage zu stellen?
Schaut man sich das noch ein bisschen genauer an, merkt man: Ich rede gar nicht davon, wer überhaupt eine Qualifikation auf diesen Stellen hat. Da werden sogar die sozialpädagogischen Fachkräfte eingerechnet und beim Lehrerstelleneinsatz als Lehrer mitgezählt.
Meine Damen und Herren, die Lehrkräfte lachen sich scheckig, wenn sie sich das anschauen müssen.
Ich bin der FDP dankbar, dass sie das Thema Realitätsverweigerung heute auf die Tagesordnung nimmt. Ich weiß nicht, wie viele Schulen der Kultusminister regelmäßig besucht. Ich habe seit Schuljahresbeginn 16 Schulen besucht, meine Damen und Herren. Morgen wird die 17. Schule folgen, danach beginnt die Sechswochenfrist vor der Wahl. Die Ergebnisse dieser Schulbesuche waren schon interessant. Angesprochen wurden immer wieder ähnliche Themen.
Ich muss sagen: An einigen Schulen waren sogar alle Lehrerstellen besetzt. Aber immer wieder wurde gesagt: Die Lehrerversorgung ist auf Kante genäht. – Viele Lehrkräfte sind befristet eingestellt. An einer weiterführenden Schule gab es zwölf TV-H-Verträge, und alle waren befristet. Besonders betroffen gemacht hat mich eine berufliche Schule, die mir sagen musste, dass 50 % ihres Elektrotechnikunterrichts von Studierenden gegeben werden müsse und dass der Schulleiter eine Klasse leiten müsse, da er es sonst niemandem zutrauen könne.
Ich war etwa in einer Grundschule im Rhein-Main-Gebiet, der drei BFZ-Kräfte geschickt werden. Nur bei einer dieser Kräfte handelte es sich um einen ausgebildeten Sonderpädagogen. Einige Schulen leiden darunter, dass sie keine baulichen Kapazitäten haben, dass sie voll sind, dass Räume fehlen, dass sie in Containern sind, wo es nicht einmal einen Wasseranschluss gibt.
Ich sage ausdrücklich: Die Schulträger sind kaputtgespart und haben gar nicht immer die Möglichkeiten, das zu organisieren.
Einige Schulen sagen: Das alles läuft hier nur noch aufgrund des Idealismus von Eltern und von Lehrkräften. – Das ist leider wahr.
Einige Schulen nehmen am Pakt für den Nachmittag teil. Eine dieser Schulen habe ich besucht. Zur Debatte gestern – Herr Kollege Wagner ist nicht da –: Man sagte mir dort, dass, wer am Pakt für den Nachmittag teilnehme, nicht ins Profil 3 dürfe. Auch das fand ich eine interessante Aussage zu der Frage, über welche Möglichkeiten der Weiterentwicklung die Schulen in Hessen verfügen.
Ich war in einer Grundschule, wo mir gesagt wurde, dass auch dort TV-H-Kräfte beschäftigt würden, darunter eine Person mit erster Staatsprüfung für das Gymnasium und eine Person, die versucht habe, eine zweite Staatsprüfung für das Gymnasiallehramt zu bestehen, aber durchgefallen sei. Aber an der Grundschule muss sie zwangsweise unterrichten – nicht, weil man das toll findet, aber weil sonst niemand auf dem Markt ist, meine Damen und Herren.
Ich habe eine Grundschule besucht, die Vorlaufkurse in Deutsch anbietet, aber nur 20 Stunden, also nur die Hälfte, mit Personal besetzen kann, weil sie dafür niemanden findet.
In einer anderen Grundschule wurde mir gesagt: Auf dem Papier sieht es einigermaßen gut aus, aber in der Realität ist das nicht der Fall.
Ich habe eine Grundschule besucht, in der ein Drittel aller Lehrkräfte, die dort mit befristeten Verträgen arbeiten, Studierende oder Übungsleiter sind, weil niemand mehr für die Grundschulen auf dem Markt ist.
Das wiederum hat ganz viel mit dem Titel des FDP-Setzpunkts zu tun: „Realitätsverweigerung im Kultusministerium gefährdet Bildungschancen“.
Zum Lehrermangel ist auch anzumerken – das zeigen die eigenen Auswertungen des Ministeriums –, dass in den Schulen in sozialen Brennpunkten der Anteil der Lehrkräfte ohne Ausbildung am höchsten ist. Das sind die Gebiete, wo man nicht hin möchte. Wenn man dort arbeitet, ver
sucht man eher, sich wegzubewerben, weil durch dieses lange Verschlafen der Entwicklungen des Lehrerbedarfs und der Lehrerausbildung leider die Lehrkräfte dorthin gehen, wo sie sich am wohlsten fühlen. Darunter leiden die Schüler, die am meisten Bedarf haben, die am meisten Unterstützung brauchen, und das ist nicht in Ordnung, meine Damen und Herren.
Eine Schule sagte mir, sie habe alle Stellen besetzt, aber nur, weil sie suchen, suchen und suchen. Dabei geht sehr viel Zeit von Lehrkräften und von Schulleitungen drauf, weil sie einfach Angst haben, dass Stellen sonst nicht besetzt werden. Ich habe mehrere Fälle getroffen, da sind Kolleginnen schwanger, und man weiß nicht, wie man damit umgehen soll, wie man jemanden finden soll, wenn die betreffende Person in Mutterschutz geht.
Manchmal habe ich bei meinen Schulbesuchen auch Personen von den Schulämtern zur Seite gestellt bekommen.
Auch das fand ich interessant. Wir haben bereits über den ÖPNV gesprochen. Es gibt das Landesticket, das sicherlich eine sinnvolle Einrichtung ist. Ich weiß aber nicht, ob dem Ministerium bekannt ist, welcher Mehraufwand damit für die Schulämter verbunden ist, das Landesticket zu administrieren. Die Sachbearbeiter sind überlastet, wie man hört. Auch das ist leider in den vergangenen fünf Jahren absolut vernachlässigt worden. Die Schulämter hätten mit den Mitteln ausgestattet werden müssen, die sie brauchen, um das zu administrieren.
Ich war in einem Beratungs- und Förderzentrum, bei dem drei Stellen offen waren. Erst am vergangenen Freitag war ich in einem großen Gymnasium, bei dem die Schulleitung gerade neu besetzt worden ist, nachdem die Stelle über ein Jahr lang vakant war. Da habe ich gefragt, wie das denn sein kann. Die Sache war, der Schulleiter hat in seinem letzten Jahr ein Sabbatjahr genommen. Dementsprechend war man im Ministerium nicht in der Lage, die Stelle schneller zu besetzen. Meine Damen und Herren, das kann nicht sein.
Wenn nun auch schon die Spitze des Schulamts in Hanau seit März dieses Jahres nicht besetzt ist, frage ich mich: Wie will man da ordentlich arbeiten können, wenn Sie es einfach nicht hinbekommen, Stellen angemessen zu besetzen?
Ich könnte noch viele weitere Beispiele bringen, aber das soll aufgrund der Zeit jetzt ausreichen.
Mein Fazit ist: Die schwarz-grüne Koalition der vergangenen fünf Jahre ist ein Modernisierungsverweigerer. Unsere Schulen müssen dringend modernisiert werden bei Unterstützungsstrukturen und beim Ganztag. Auch das ist ein Beispiel. Das haben wir gestern gehört. Der Bedarf der Schulen ist ganz massiv. Sie hingegen sagen, alles sei in Ordnung, der Rechtsanspruch werde erfüllt werden. Eigentlich kennen Sie den Bedarf an den Schulen aber nicht, wie Sie es selbst gesagt haben.
Wir haben eine Ahnungslosigkeit beim Lehrermangel. Das habe ich genannt. Wir haben Tausende Lehrkräfte, die auf Lehrerstellen sitzen, ohne eine Ausbildung zu haben. Der
Kultusminister hat zu Schuljahresbeginn gesagt, er setze nur auf qualifizierte Kräfte. Andererseits muss er zugeben, belastbare Daten hat er erst zum November dieses Jahres.
Im vergangenen Jahr gab es fast 100 Überlastungsanzeigen. Über die Krankenstatistik weiß der Kultusminister aber gar nichts. Er sagt, daraus könne er keine steuerungsrelevanten Ergebnisse ableiten. Meine Damen und Herren, das ist keine Fürsorgepflicht in Hessen.
Wir haben Unterrichtsausfall, der immer weiter zunimmt. Das Kultusministerium behauptet dazu einerseits, es gebe keine Daten dazu, andererseits behauptet es aber, es gebe keinen Unterrichtsausfall in Hessen.
Außerdem haben wir einen sehr großen Investitionsbedarf in den Schulen. Das Ministerium sagt dazu: Das wollen wir eigentlich gar nicht wissen. Der Investitionsbedarf kümmert uns eigentlich gar nicht. – Damit wird letztlich Schulentwicklung in Hessen boykottiert; denn man braucht nun einmal gut ausgestattete Gebäude. Die Schulträger müssen dabei unterstützt werden, um Ganztag, Inklusion und viele andere Zukunftsthemen voranzubringen.
Nicht alles kostet Geld. Ich glaube, auch das ist eine Frage, wie man ein Schulsystem auf der Höhe der Zeit ausgestaltet. Wir wollen, dass Schulen selbstständiger werden, dass endlich mehr Initiative in die Selbstständigkeit hineinkommt; denn das, was man im Ministerium heutzutage in einer immer schneller werdenden Gesellschaft entscheidet, braucht ewig, bis es an der einzelnen Schule ankommt.
Deshalb müssen wir wieder zu einer Situation auf Augenhöhe zurückkommen. Wir brauchen ein Ministerium, das mit den Schulleitungen auf Augenhöhe spricht, das auch Anregungen aufnimmt, das ein Experimentieren ermöglicht und das nicht bei jedem kleinsten Regelverstoß oder bei einer öffentlichen Äußerung gegenüber der Presse, in der es heißt, dass nicht alles so wunderschön und glänzend ist, wie Sie es sagen, die Leute einbestellt und dann auch disziplinarisch belangt.
Wir wollen nicht, dass mehr Bürokratie aufgebaut wird. Herr Kollege Schwarz, ich finde es nicht redlich, wenn Sie so tun, als würden SPD, FDP und LINKE mehr Bürokratie wollen.
Wir haben schon vor Jahren einen Bildungsbericht für Hessen gefordert. Das hätte Ihnen übrigens viele Kleine Anfragen erspart. Wenn eine systematische, indikatorgestützte Bildungspolitik betrieben würde, könnte man gegen all die Probleme wie Unterrichtsausfall und Lehrermangel vorgehen.
Wir wissen, gerade die CDU braucht Feindbilder und hat keine Hemmungen, nicht redlich mit Positionen zu werben, die überhaupt nicht bei anderen im Programm stehen.
Wir wollen die Schulen modernisieren, strukturell mit Unterstützungsstrukturen, Ganztag usw. Die inklusive Bildung muss ordentlich organisiert werden. Echte Schulsozialarbeit aus einem Guss. Wir wollen aber auch Inhalte modernisieren, in der politischen Bildung, in der Berufsorientierung usw. Wir wollen vor allem die Lehrkräfteausbildung reformieren, damit die Lehrkräfte auf der Höhe der
Zeit ausgebildet werden. Das packen wir an. Wir wollen Zukunft jetzt machen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Kollege May, ich habe mich nur kurz gemeldet, weil ich es doch bezeichnend fand, dass Sie das, was Sie anderen vorwerfen, selbst machen. Sie arbeiten sich nämlich die meiste Zeit an den anderen ab und dreschen auf andere ein, anstatt wirklich etwas zu sagen. Sie sagen nicht, ob es den Lehrermangel in Hessen nun gibt oder nicht, was Ihre Maßnahmen für die nächste Wahlperiode sind,
wie Sie Unterrichtsausfall bekämpfen wollen oder was Sie endlich gegen den Sanierungsstau an den Schulen tun wollen.
Kollege May, was mich am meisten geärgert hat, ist, dass Sie versucht haben, die gestrige Rede des Kollegen Wagner zu kopieren, ohne dass es richtig funktioniert hat. Ich sage Ihnen zum Pakt für den Nachmittag eines: Die Sozialdemokraten werden niemals ein Programm unterstützen, das die Eltern am Ende mit 90 € bis zu 200 € pro Monat für Ganztagsunterricht belastet und damit ein Schulgeld durch die Hintertür einführt.
Es ist auch nicht redlich, so zu tun, nur weil die Sozialdemokraten es richtig finden, dass es einen Rechtsanspruch auf Betreuung und Bildung gibt. Das alles ist doch ein fließender Bereich. Aber daraus zu konstruieren, wir würden den Pakt unterstützen, ist nicht redlich; denn man kann den Pakt – oder wie auch immer er heißen mag – neu konzipieren und auch so gestalten, dass eine gebundene Komponente drin ist und irgendwann noch ein anderer Träger die Betreuung organisiert.
Wir werden nämlich noch eine Zeit erleben – wir haben Supermärkte, die bis 22 Uhr offen haben –, in der wir darüber reden müssen, ob eine Betreuungszeit bis 17 Uhr überhaupt noch ausreicht oder ob man auch für Schulkinder in der Grundschule weiterdenken muss. Natürlich muss man dann schauen, wie man diese Betreuungszeiten für Schulkinder organisiert. Aber das ist doch kein Widerspruch dazu, dass man gebundene und teilgebundene Ganztagsgrundschulen, die bis 14:30 Uhr gebunden oder teilgebunden arbeiten, unterstützt und haben will. Das ist kein Widerspruch. Es ist nicht redlich, wenn Sie das immer wieder unterstellen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Man kann sich die Redezeit ja auch ein bisschen so einteilen, dass man einkalkuliert, dass es so hergeht, sodass man noch etwas sagen kann.
Erstens. Herr Kultusminister, das Demonstrationrecht steht im Grundgesetz.
Zweitens ist Ihr Ausblick auf Aktionen, die wohl geplant sind, von denen ich aber nichts weiß – –
Ja, es ist doch so.
Na ja, Ihr Verhältnis zur GEW kennen wir. – Herr Kultusminister, ich glaube, dass Ihr Ausblick oder Ihre Angst vor dem, was da kommen mag,
keine Antwort darauf war, warum Sie gefühlt auf 95 % der Überlastungsanzeigen überhaupt nicht geantwortet haben. Das, was Sie beschrieben haben, liegt in der Zukunft. Die Realität liegt aber in der Vergangenheit, und hierauf haben Sie keine Antworten gegeben.
Im Übrigen haben Sie bei der Aufzählung Ihrer vielen Wohltaten noch eines vergessen; das sind die Konrektoren an den Grundschulen. Das ist auch so eine große Wohltat. Das habe ich gar nicht aufgezählt, als ich vorhin von meinen Besuchen berichtet habe. Es gibt Grundschulen, die diese Stellen gar nicht haben wollen, obwohl Sie sich hinstellen und nach draußen verkaufen wollen, Sie schafften an den Grundschulen neue Konrektorenstellen.
Ich weiß, das wissen manche von Ihnen vielleicht gar nicht, die in der Schulpolitik nicht so drin sind: Die erbringen für die Schulen keine einzige Stunde. Das Gegenteil ist der Fall. Das, was eine Schulleitung bisher an Deputat hatte, müssen sie durch zwei teilen, sodass beide mehr in den Unterricht gehen müssen. Das ist alles eine Täuschung der Öffentlichkeit. Sie streuen der Öffentlichkeit Sand in die Augen.
Wenn wir schon beim Thema Schulleitung sind, dann will ich auch dem Kollegen May noch einmal antworten; denn das sagen wir auch nicht zum ersten Mal: Wir glauben schon, dass wir gerade für Schulleitungen mehr Deputate und mehr Entlastungen brauchen.
Auf der einen Seite Förderschulen zu schließen, aber gleichzeitig den Regelschulen zu sagen, sie sollten das noch on top machen, das ist nicht in Ordnung, meine Damen und Herren. Man muss auch Regelschulen für die Inklusion entsprechend ausstatten.
Das Gleiche gilt für den Ganztag. Wenn Schule länger dauert und länger geleitet werden muss, muss man auch
dafür sorgen, dass die Schulleitungen entsprechend ausgestattet werden.
Ich denke, Sie möchten hören, was wir zu sagen haben.
Herr Bellino, lassen Sie mich doch mal ausreden.
Die wesentlichen Maßnahmen, die wir in Hessen wieder brauchen, sind ein Miteinander auf Augenhöhe und Ehrlichkeit.
Nur dann, wenn man der Realität wirklich in die Augen schaut und nicht Unterrichtsausfall und Lehrermangel abtut und das als Einzelfälle bezeichnet, nur dann kann man wirklich Konzepte auf den Weg bringen und die Schulen gut ausstatten.
Dazu gehört auch die Erhebung des Krankenstands, den jede einzelne Schule meldet, Frau Lannert. Das ist kein bisschen Mehrarbeit für die Schulen.
Sie müssten nur einmal einen der vielen PR-Mitarbeiter im Ministerium abstellen, um diese Krankheitstage zu erheben, dann könnten wir ein ordentliches Gesundheitsmanagement aufbauen.
Es ist nicht neu für Sie, auch Sie spielen viel Theater. Wir wollen einen schulscharfen Sozialindex, Herr Frömmrich. Wir wollen nicht, dass der Sozialindex nach den Einfamilienhäusern in der Kommune ermittelt wird, wir wollen, dass er auf der Basis der Schülerschaft festgelegt wird. Das haben wir schon oft gesagt, das wissen Sie ganz genau.
Genauso ist es mit dem Ganztag; darüber haben wir schon viel gesprochen. Wir wollen auch den gebundenen Ganztag ausbauen. Wir wollen den Ganztag an den Grundschulen als Minimalanforderung auf sieben Stunden neu definieren, damit Grundschulen viel leichter, auch wenn sie vorher im Pakt waren, in den gebundenen Ganztag gehen können.
Wir wollen die Schulträger unterstützen, damit sie bauliche Modernisierungsarbeiten vornehmen können, und ein Programm auflegen. Es kann doch nicht sein, dass am Ende die Anträge auf Ganztag oder auf Inklusion daran scheitern, dass die Schulen nicht dafür ausgestattet sind, weil Sie die Schulträger und die Kommunen in den letzten Jahren kaputtgespart haben.
Neu für Sie dürfte auch nicht sein, dass wir glauben, dass man in der Migrantenförderung viel mehr tun kann.
Sie haben in Ihrer Wahlperiode die Wochenstunden für die Intensivklassen gekürzt, und Sie weigern sich, die Altersgrenze für das Schulbesuchsrecht auf 25 oder 27 Jahre zu erhöhen. Das sind alles Forderungen, die wir längst gestellt haben, mit denen klar ist, wohin wir wollen.
Wir wollen eine Schulsozialarbeit aus einem Guss und die Schulen nicht noch damit belasten, dass sie noch weitere Fachkräfte haben. Wir sind für multiprofessionelles Arbeiten, gar keine Frage. Wir brauchen aber eine Schulsozialarbeit aus einem Guss, indem wir die Schulträger, so wie andere Länder das auch machen, mit einer Förderpauschale unterstützen.
Damit können wir Schulsozialarbeit an jeder Stelle ausbauen. Das ist unsere Forderung.
Was mir auch noch einfällt: Herr Kultusminister, Sie haben über zusätzliche Lehrerstellen gesprochen. Das haben wir nie abgestritten. Aber Sie haben vergessen, zu erwähnen,
dass Sie in Ihrer Wahlperiode an Grundschulen Stellen gestrichen haben, indem Sie die Differenzierungszulage gestrichen haben, und dass Sie in der gymnasialen Oberstufe gestrichen haben. Auch das gehört zu Ihrer Bilanz von fünf Jahren Schwarz-Grün. Auch das muss man noch einmal sagen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Große Koalition im Deutschen Bundestag hat sich zum Ziel gesetzt, ganztägige Bildungs- und Betreuungsangebote für alle Schülerinnen und Schüler im Grundschulalter vorzuhalten. Dafür soll ein Rechtsanspruch geschaffen werden. Wir halten die Schaffung dieses Rechtsanspruchs ausdrücklich für richtig.
Schade, dass das Klatschen jetzt so einseitig ist; denn schließlich ist das eine gemeinsam getragene Große Koalition.
Ich habe noch gar nicht darauf hingewiesen, dass das auf Drängen der SPD ins Koalitionspapier geschrieben wurde.
Meine Damen und Herren, ich halte es für richtig, sich heute damit zu befassen, weil ich hoffe, dass das anders laufen wird als beim Digitalpakt. Hierzu hören wir seit mehreren Jahren aus dem CDU-geführten Bundesbildungsministerium, dass 5 Milliarden € kommen sollen. Die Umsetzung kommt aber nicht wirklich in die Gänge. Deswegen sollten wir nicht darauf warten, wie das mit dem Ganztagsprogramm ist, sondern wir sollten von Hessen aus deutlich machen, dass wir dieses Programm wollen, dass wir es umsetzen wollen und dass wir vor allem den Prozess dorthin gestalten wollen.
Wir halten es ausdrücklich für richtig, dass das kein Programm ist, das morgen in Kraft gesetzt wird, wir aber noch gar nicht wissen, wie wir das gestalten und umsetzen können. Der Rechtsanspruch soll 2025 in Kraft treten. Das ist auch deshalb wichtig, weil wir im Augenblick gar nicht so viele Lehrkräfte haben, um das morgen in Gang setzen zu können. Außerdem fehlen noch viele Rahmenbedingungen. Darauf werde ich gleich noch zu sprechen kommen.
Wir halten diesen Rechtsanspruch für richtig, weil dieser helfen wird, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf endlich weiter voranzubringen, weil er helfen wird, Eltern Planungssicherheit zu geben, damit es nicht mehr so ist wie bisher, dass man bis zum Beginn eines neuen Schuljahres bangen muss, ob man nun einen Ganztagsplatz bekommt
oder nicht. Das ist die Realität in Hessen, und damit muss endlich Schluss sein, spätestens 2025.
Der Rechtsanspruch wird dazu beitragen, neue Möglichkeiten für Qualitätssteigerungen gerade in echten Ganztagsschulen zu schaffen. Er wird dazu beitragen, Chancengleichheit zu schaffen, indem es eben nicht mehr davon abhängt, ob die einen zu Hause bei den Hausaufgaben helfen, während andere das Geld für die Hausaufgabenhilfe haben. So werden alle die gleichen Chancen in der Schule haben, meine Damen und Herren.
Ich sage ausdrücklich, dass es darum geht, Wahlfreiheit zu schaffen. Es geht darum, in erreichbarer Nähe für alle Eltern eine echte Ganztagsschule, eine echte Ganztagsbetreuung zu haben. Das sage ich deshalb ausdrücklich, weil wir das Profil 3 in Hessen für ein qualitativ hochwertiges Ganztagsschulmodell halten. Das ist die einzige echte Ganztagsschule. Diese kann auch teilgebunden sein. Ich glaube, dieser Rechtsanspruch wird dazu beitragen.
Meine Damen und Herren, wenn wir diesen Rechtsanspruch 2025 umsetzen wollen, müssen wir jetzt damit beginnen, Fachkräfte auszubilden. Liebe Kollegin Faeser, bei den Polizisten ist es schon schlimm genug, dass das bis 2020 dauert. Bei Lehrkräften dauert es noch etwas länger, bis diese ausgebildet sind. Deswegen müssen wir jetzt sagen, was das für Hessen bedeutet. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, einen Plan vorzulegen, der auch diese qualitativen Ansprüche berücksichtigt.
Das ist auch dringend notwendig; denn derzeit erklärt die Landesregierung vollmundig, 70 % der Schülerinnen und Schüler seien im Ganztagsbetrieb, und der Ganztagsausbau befinde sich auf einem Allzeithoch, wie es in einer Pressemeldung im Juni erklärt wurde. Wenn Sie auf diese vollmundigen Wünsch-dir-was-Erklärungen zurückgreifen, werden Sie nicht weiterkommen. Eltern, die heute noch im Hinblick auf Bedürftigkeit geprüft werden, bei denen geschaut wird, wer einen Platz am dringendsten benötigt, weil z. B. beide Eltern arbeiten müssen, haben künftig einen Rechtsanspruch. Wenn der Rechtsanspruch gilt, werden Sie die Eltern, die Sie bisher mit einer Betreuung an drei Tagen bis 14:30 Uhr abspeisen, nicht mehr so abspeisen können. Das heißt, wir brauchen viel mehr Angebote, als das heute noch der Fall ist.
Ich will nicht verhehlen, dass es hier Anstrengungen gibt, weiter voranzukommen. Im Rahmen der von uns im Jahr 2015 angestoßenen Initiative zur Schaffung von Maßnahmen für die Integration von Flüchtlingen haben wir gemeinsam mit Ihnen ausgemacht, dass es 6 Millionen € pro Jahr mehr gibt, um bei den Profilen voranzukommen. Natürlich gibt es hier Anstrengungen. Das wollen wir auch gar nicht verhehlen. Aber es geht nach wie vor zu langsam. Nach wie vor reichen die Kapazitäten nicht aus.
Der Bedarf der Eltern, die aufgrund ihrer persönlichen familiären Situation immer Bedarf an ganztägiger Bildung und Betreuung haben, nimmt doch schneller zu als die Zahl der Stellen, die geschaffen werden können.
In der vergangenen Woche haben wir Sozialdemokraten eine Anhörung durchgeführt. Etwa 80 Personen haben daran
teilgenommen. Dabei wurde noch einmal sehr deutlich, dass Plätze fehlen, dass Platzvergaben an Bedürftigkeiten geknüpft werden, dass der Bedarf immens ist und dass wir den gesellschaftlichen Entwicklungen nicht hinterherkommen. Deswegen sage ich noch einmal: Wir wollen diesen Rechtsanspruch auch umsetzen.
Auch das Institut der deutschen Wirtschaft hat in seinem „Bildungsmonitor“ dargelegt, dass Hessen mit 33,3 % der Grundschüler, die eine offene oder gebundene Ganztagsschule besuchen, im Bundesvergleich unterdurchschnittlich ist und dementsprechend der Aufholbedarf groß ist. Wir wollen an der Spitze stehen und unseren Eltern, unseren Familien im Land möglichst gute und qualitativ hochwertige Angebote für ganztägige Bildung und Betreuung machen.
Wir halten den Pakt für den Nachmittag nicht für ein geeignetes Instrument. Er ist gebührenpflichtig. Er kostet bis zu 200 €. In der Anhörung ist gesagt worden, 90 € seien nicht so viel. Meine Damen und Herren, für Eltern, die zwei oder drei Kinder haben, die keine Zuschüsse zum Lebensunterhalt erhalten, die aber nicht unbedingt viel Geld haben, die vielleicht sogar noch Probleme haben, sich im Ballungsraum eine Wohnung zu leisten, ist das verdammt viel Geld. Wir sagen, Bildung, auch ganztägige Bildung, muss kostenfrei sein, so wie es die Hessische Verfassung auch für Unterricht vorsieht.
Der Pakt für den Nachmittag sorgt letztlich für einen Flickenteppich im Land. Die Bedingungen sind in jeder Stadt und in jedem Kreis anders. Zudem wird für Schüler mit besonderen Ansprüchen kein bisschen an der Zuweisung gedreht. Das sind keine qualitativ guten Bedingungen.
Der Ministerpräsident sagte gestern zu Recht – und das will ich auch gar nicht abstreiten –, dass wir mehr Ganztagsschulen haben. Wir haben sogar mehr Ganztagsgrundschulen als noch vor fünf Jahren, also zu Beginn dieser schwarz-grünen Landesregierung. Damals waren es fünf Grundschulen. Heute sind es zehn Grundschulen.
Wenn man aber berücksichtigt, dass wir insgesamt ungefähr 1.100 Grundschulen in Hessen haben, dann ist der Weg noch weit. Selbst wenn das Ziel wäre, nur jede zweite Grundschule zu einer echten Ganztagsgrundschule zu machen, würde es bei diesem Tempo 500 Jahre dauern. Ganz so lange wollen wir aber doch nicht warten.
Jetzt komme ich noch einmal zu dem, was immer wieder im Raum steht. Die Vertreter von CDU und GRÜNEN sagen immer wieder: Was wollt ihr Sozialdemokraten eigentlich? Es werden doch alle Anträge auf Ganztag genehmigt. – Das hat etwas damit zu tun, dass den Schulträgern vom Land ein Ressourcenkontingent zur Verfügung gestellt wird, im Rahmen dessen sie Anträge stellen können. Auf die Kleine Anfrage, Drucks. 19/3007, hat der Kultusminister höchstpersönlich geantwortet:
Der jeweilige Schulträger kennt die vom Land Hessen pro Schuljahr zur Verfügung gestellten Ganztagsressourcen und bündelt bzw. priorisiert dementsprechend die ihm vorliegenden Anträge der
Schulen in seinem Antrag an die Landesregierung. Da die Schulträger im Hinblick auf die Weiterleitung von durch sie als nicht prioritär befundenen Ganztagsanträgen eine unterschiedliche Praxis pflegen, lässt sich von Landesseite aus nicht ermitteln, wie hoch die Anzahl der an einer Ganztagsentwicklung interessierten Schulen tatsächlich ist.
Der Kultusminister weiß also gar nicht, wie hoch der Bedarf ist,
aber er weiß, dass er gedeckt ist. Das passt nicht zusammen, meine Damen und Herren.
Deshalb muss das Ressourcenkontingent erhöht werden. Wir müssen uns auch einmal fragen, warum nicht alle Schulen, die einen Riesenbedarf haben, einen Antrag auf Ganztag stellen. Das hat auch ganz viel mit der baulichen Situation zu tun. Vielen Schulen fehlt es an Mensen, an Lehrkräftearbeitsplätzen, an Sozialräumen usw. Das hat etwas damit zu tun, dass die Schulträger in den vergangenen Jahren kaputtgespart wurden und gar nicht die Möglichkeit haben, ihre Schulen zu modernisieren und auf die Höhe der Zeit zu bringen.
Auf unsere Anfrage: „Wie ist denn der Investitionsbedarf, wie sieht die bauliche Struktur der Schulen aus?“, antwortet der Kultusminister, das wolle er gar nicht wissen, denn er wolle nicht in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen, und verschließt die Augen.
Meine Damen und Herren, auch wir wollen nicht in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen. Aber wenn wir einen Anspruch haben, unsere Schulen weiterzuentwickeln, müssen wir doch auch die Schulträger unterstützen, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen.
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Wir müssen die Bedingungen auch für den Ganztag verbessern – das hat auch etwas mit Leitungszeit zu tun –, und wir müssen unsere Schulen endlich modernisieren: inhaltlich, in der Verwaltung, baulich, aber auch von solchen Unterstützungsstrukturen her.
Meine Damen und Herren, moderne Schulen sind Ganztagsschulen, sie sind die Zukunft, und wir wollen diese Zukunft jetzt machen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kultusminister, ich wüsste nicht, warum die Menschen in Hessen, wenn es in 19 Jahren CDU-Regierung nicht geklappt hat, jetzt darauf vertrauen sollten, dass Sie endlich mit echten Ganztagsschulen in Hessen vorankommen.
Ich kann verstehen, dass die schwarz-grüne Mehrheit angesichts ihres drohenden Machtverlusts versucht, die Sozialdemokratie, vor deren Wiedererstarken der Ministerpräsident ja warnt, zu vereinnahmen und als Kronzeugen für ihre falsche Politik zu missbrauchen.
Aber Sie machen zwei entscheidende Fehler. Der erste ist: Mea culpa, ich gebe zu, unser Ziel, das kann ich hier richtigstellen, sind 50 echte Ganztagsschulen pro Jahr. Vor fünf Jahren waren es noch 100, das gebe ich zu. Wir haben unser Ziel reduziert, und ich sage Ihnen auch, weshalb: Weil Sie, die schwarz-grüne Mehrheit und Regierung, es versäumt haben, ausreichend Lehrkräfte für unsere Schulen auszubilden, und weil der Lehrermangel so massiv ist, dass wir in unseren Ambitionen gar nicht so vorankommen, wie wir wollen. – Das ist das eine.
Das andere ist: Herr Kollege Wagner, wenn wir von echten Ganztagsschulen reden – echte Ganztagsschulen heißt gebunden oder teilgebunden, weil nur in dieser teilgebundenen Form echte Chancengleichheit gewährt werden kann, weil nur dort durch die Rhythmisierung neue Möglichkeiten bestehen, Schule einfach gut zu machen, eine neue Lernkultur zu verankern –, wollen wir, dass diese Schulen, gerade auch Grundschulen, bis 14:30 Uhr gebunden und teilgebunden arbeiten können, um diese neuen pädagogischen Möglichkeiten zu nutzen. Was Sie gemacht haben, ist, Betreuung anzubieten, weil Ihr Koalitionspartner sich weigert, irgendetwas voranzubringen, was in Richtung teilgebunden oder gebunden geht. Ich weiß, Sie sehen das persönlich anders, Herr Wagner, aber wir wollen – das haben wir schon deutlich gemacht – sieben Zeitstunden am Tag gebunden und teilgebunden ermöglichen, und dann kommen wir da auch voran.
Ein letzter Punkt zu den Anträgen. Es werden doch deswegen keine Anträge gestellt und auch die Schulträger können gar nicht alle Anträge von Schulen weitergeben, weil die baulichen Voraussetzungen fehlen. Da müssen wir doch feststellen: Wenn wir als Land sagen, mit der Ganztagsbeschulung vorangehen zu wollen, müssen wir doch auch als Land die Kommunen und die Schulträger unterstützen, hier die baulichen Voraussetzungen zu haben. So, wie es Gerhard Schröder schon mit seinem Ganztagsprogramm im Bund gemacht hat, müssen wir hier weiter vorangehen. Das ist unser Ziel.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass der Kollege Schwarz, nachdem die Spielsaison der sehenswerten Hanauer Märchenfestspiele eigentlich vorbei ist, hier noch einmal ein Gastspiel geben würde, war mir nicht bekannt.
Die angeblich hervorragende Unterrichtsversorgung und Ressourcenausstattung in Hessen ist nämlich nichts anderes als eine Geschichte aus dem Reich der Märchen. Meine Damen und Herren, ich muss Ihnen sagen: Ich bin wirklich dankbar, dass die Wahlperiode bald endet; denn auf Ihre realitätsferne Selbstbeweihräucherung habe ich wirklich keine Lust mehr.
Die Stimmung an den Schulen ist nach fast 20 Jahren CDU-Regierung so schlecht wie nie. Lehrermangel und Unterrichtsausfall sind an der Tagesordnung, und die vielen Überlastungsanzeigen, allein im letzten Schuljahr aus 95 Schulen, sind ein Zeichen für sich.
Wenn Sie sich rühmen, dass so viele Stellen geschaffen worden seien – es geht ja gar nicht um Lehrer und Köpfe, dazu komme ich noch –: Die „Frankfurter Neue Presse“ hat kürzlich getitelt: „Mehr Schüler brauchen mehr Lehrer“. Wenn Sie ganztägig arbeitende Schulen haben wollen, dann brauchen Sie mehr Lehrer, auch wenn vielleicht die Schülerzahlen sinken.
In jeder Zeitung können Sie lesen, dass wir einen Lehrermangel haben, besonders an Grund- und Förderschulen. Wir haben ihn aber nicht nur dort. Da wir auch über den Schuljahresbeginn reden: Ich habe hier einen FacebookPost vom 6. August – das war der erste Schultag – eines Gymnasiums im Main-Taunus-Kreis. Darin wird dafür geworben – ich lese es vor –: „Die … [Soundso]-Schule sucht dringend und ab sofort L-3-Studierende ab dem vierten Fachsemester, die in den Klassen 5 bis 9 in den Fächern Kunst, Mathematik und Physik unterrichten möchten.“
Es geht hier also nicht um Nachmittagsangebote, um Zusatzangebote, sondern um die Grundunterrichtsversorgung, die Sie von der Regierung nicht mit qualifizierten Lehrkräften abdecken können.
Ich rede jetzt erst einmal weiter.
Meine Damen und Herren, CDU und GRÜNE missbrauchen ein Instrument, das eigentlich für Ausnahmefälle gedacht ist, um die Unterrichtsversorgung überhaupt noch sicherstellen zu können, indem sie auf Studierende und Laien setzen, die auf Lehrkräftestellen eingesetzt werden.
Es herrscht inzwischen an fast allen Schulformen die gleiche Situation. Eine Gesamtschule in Südhessen musste die ganze erste Woche nach Schulbeginn die Klassenlehrer von 8 bis 12:30 Uhr unterrichten lassen, weil wenige Tage vor Schuljahresbeginn drei Lehrkräfte abgesagt haben, die eigentlich einspringen wollten. Dort unterrichten über zehn Lehrkräfte, die keine studierten Lehrer sind: Grafikdesigner, Kunstpädagogen und andere. All das ist ein Zeichen des Lehrermangels in Hessen.
Viel dramatischer ist die Situation an den Grundschulen. Ich kenne eine Grundschule hier im Rhein-Main-Gebiet, an der ein Drittel aller Lehrerstellen mit Studierenden besetzt sind. Herr Kultusminister, Sie können am Ende statistisch vielleicht errechnen, dass eigentlich nur die Zusatzangebote davon betroffen sind, aber das trifft auf einzelne Schulen nicht zu. Dort kann der Anteil ein Drittel ausmachen. Eine der wirklich qualifizierten Kolleginnen an dieser Schule ist außerdem schwanger, und die Schulleitung hat schon jetzt schlaflose Nächte, wie sie zum Januar eine neue Kraft finden soll. Wahrscheinlich wird es auch diesmal auf eine Studierende oder einen Studierenden hinauslaufen.
In Nordhessen ist es genauso. Auch da werden Lehrkräfte ohne Ausbildung – maximal mit bestandenem ersten Staatsexamen, wenn überhaupt – eingesetzt. An Förderschulen ist es ebenso. Ich kenne ein Beispiel aus Nordhessen, dort sind fünf Stellen an einer Förderschule mit Quereinsteigern ohne Lehramtsprüfung besetzt. Das ist besonders dramatisch; denn hier bringt ja auch die Fachlichkeit eines Diplom-Physikers nichts. Man braucht echte Pädagogen, gerade im Bereich der Förderschulen und der Inklusion. Auch hierfür habe ich ein Beispiel parat – es gäbe viele mehr –: Ein Erziehungswissenschaftler, frisch von der Uni, wird an eine Grundschule geschickt, um den Grundschullehrkräften zu erklären, wie Inklusion funktioniert.
An der Schule ist niemand mit einer diagnostischen Ausbildung, niemand mit einer sonderpädagogischen Ausbildung an Bord. Das darf so nicht sein. Das müssen wir zwingend ändern.
An den beruflichen Schulen ist die Situation ebenfalls katastrophal. Ich habe eine Schule besucht, in der 60 % des Elektrotechnikunterrichts von Studierenden gegeben wird. Der Schulleiter hat eine Klassenleitung übernommen, weil er sagt: Ich kann den Leuten ja nicht noch eine Klassenleitung übertragen. – Das ist der Zustand an den hessischen Schulen zum Schuljahresbeginn.
Das ist das Ergebnis von 19 Jahren CDU-Regierung in Hessen. Wenn die „Tagesschau“ schreibt: „Nur zwei Wochen Crashkurs, dann Lehrer“, dann muss ich dazu sagen: Man könnte fast froh sein, wenn es in Hessen überhaupt einen zweiwöchigen Crashkurs für pädagogische Laien gäbe, die auf solche Stellen gesetzt werden. Aber es gibt nichts, keine Grundqualifikation pädagogischer Laien, die an unseren Schulen unterrichten.
Kollege Wagner, kommen wir zu ein paar Zahlen vom Institut der deutschen Wirtschaft. Sie alle meinen wahrscheinlich, das seien SPD-Schulleiter oder GEW-Funktio
näre; Kollege Schwarz ist immer sehr schnell in seinem Urteil.
Die Zahlen stammen vom Institut der deutschen Wirtschaft; denn Zahlen der Gewerkschaft – das ist die fünfte Kolonne aus Sicht der CDU – kann ich nicht nehmen. Was die Pro-Kopf-Ausgaben betrifft: Hessen weist unter allen Bundesländern im öffentlichen Ausgabeverhalten der Bildung die drittniedrigste Priorität zu. Die Relation der Bildungsausgaben pro Teilnehmer zu den Gesamtausgaben ist unterdurchschnittlich.
An den Grundschulen – da, wo das Fundament gelegt wird – kommen im Jahr 2016 auf eine Lehrkraft rechnerisch 16,9 Schülerinnen und Schüler, der Bundesschnitt beträgt 16,3 Schülerinnen und Schüler. In der Sekundarstufe I, ohne die Gymnasien – Herr Schwarz, vielleicht sind Sie immer nur an den Gymnasien –, weist Hessen sogar die schlechteste Lehrer-Schüler-Relation aller Bundesländer auf. Das sagt das Institut der deutschen Wirtschaft.
Kommen wir zu den Wochenstunden und zu Ihrer angeblich so tollen Lehrerversorgung. Der Herr Kultusminister hat mir auf eine Anfrage geantwortet, wie das an den Grundschulen ist: In Hessen kommen die Grundschüler – die Klassen 1 bis 4 zusammengezählt – pro Woche auf 92 Pflichtstunden. In Hamburg sind es übrigens 108 Stunden. Den einfachen Dreisatz habe ich gelernt, auch wenn ich unter Rot-Grün zur Schule gegangen bin.
Wenn ich das hochrechne, stelle ich fest, Hessen hat im Vergleich zu Hamburg in den Grundschulen eine Grundunterrichtsversorgung von 85 %. Wenn ich den Zuschlag von 5 % hinzurechne, komme ich gerade einmal auf 90 %. Da ist deutlich Luft nach oben.
Zum Thema Ganztagsschule. Auch da sagt der „Bildungsmonitor“ ganz klar: 33,3 % der hessischen Grundschüler lernten im Jahr 2016 an einer offenen oder gebundenen Ganztagsschule. Der Bundesschnitt beträgt 40,8 %. Kollege Rudolph hat mir gerade ein Beispiel zugerufen: Der Schwalm-Eder-Kreis macht beim Pakt für den Nachmittag zwar nicht mit, aber das hat einen Grund; denn auf die Anfrage wollte keine einzige Grundschule am Pakt für den Nachmittag teilnehmen.
Der Pakt für den Nachmittag ist keineswegs ein Erfolgsmodell. Er ist ein Flop, weil er am Ende
ein Schulgeld für die Nachmittagsstunden bedeutet und keine echte qualitätsvolle kostenfreie Bildung für den ganzen Tag.
Kollege Schwarz kann sich gerne für eine Kurzintervention melden. – Auch beim Anteil der Bildungsausländer an den Studierenden – das sagt das Institut der deutschen Wirtschaft – befindet sich Hessen unter dem Durchschnitt der Bundesländer: 9 % im Vergleich zu 9,9 %. Auch hier gibt es einen großen Nachholbedarf im Hinblick auf die Bildungschancen, gerade bei Menschen, die nach Deutschland gekommen sind und die deutsche Sprache nicht so gut beherrschen. Es gibt noch lange keine Chancengleichheit.
Zum Unterrichtsausfall. Auch hierzu ein Beispiel aus einem anderen Land: Rheinland-Pfalz hat 1.300 Stunden der mobilen Vertretungsreserve, Hessen hat gerade einmal 300 Stunden. Der Kultusminister ist nicht einmal bereit, Zahlen zum Unterrichtsausfall zu erheben. Wenn man immer nur sagt, man will nichts wissen, kann man auch nichts dagegen tun.
Dazu sagen wir: Wir wollen, dass endlich Schluss mit „Kultusminister Ahnungslos“ ist.
Wir wollen endlich eine Bestandsaufnahme des Krankenstandes bei den Lehrerinnen und Lehrern, des Unterrichtsausfalls und des Investitionsbedarfs an den Schulen. Das hat alles nichts mit mehr Bürokratie an Schulen zu tun. Die Daten liegen vor, man muss sie sich nur einmal anschauen.
Wir müssen unsere Schulen modernisieren und auch die Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte. Wir brauchen endlich Maßnahmen gegen Unterrichtsausfall, für mehr Lehrer, für Gesundheit, gegen Überlastungsanzeigen und vor allem für den qualifizierten Quereinstieg, damit wir endlich wieder Lehrkräfte qualifizieren und nicht nur Laien zu Lehrerinnen und Lehrern machen.
Wir wollen weiterhin den Ganztag. Wir wollen Qualität statt nur Betreuung. Wir wollen kostenfreien ganztägigen Unterricht da, wo er gewollt ist, und kein Schulgeld am Nachmittag.
Wir wollen die Schulen noch viel stärker an ihrer Schülerschaft orientiert ausstatten, mit einem echten, schulscharfen Sozialindex. Wir wollen individuelle Förderung ermöglichen und Inklusion so gestalten, dass sie als Mehrwert verstanden wird und nicht als Belastung der Schulen.
Wir wollen echte Schulsozialarbeit statt 0,5 Stellen pro Schule für sozialpädagogische Fachkräfte. Das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein. Auch hier gibt es dringend Nachholbedarf.
Ich sage Ihnen: Wir haben einen Plan für die Zukunft dieses Landes, einen Plan für die Zukunft unserer Schulen. Wir wollen unsere Schulen modernisieren und nicht, wie Sie, länger über die Vergangenheit reden. Meine Damen
und Herren, hier müssen wir anpacken. Das werden wir nach dem 28. Oktober tun. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Wagner, für diese Möglichkeit. – Ist Ihnen bekannt, dass die Schulträger nur im Rahmen des ihnen von der Landesregierung zugestandenen Ressourcenkontingents Stellen für den Ganztag beantragen?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich nochmals zu Wort gemeldet, weil ich dieses Schönreden so nicht stehen lassen kann. Der Minister tut, als wüsste er, was an den Schulen los ist. Ich habe nicht ohne Grund schon im Frühjahr eine Anfrage gestellt, wann der Minister das Parlament informieren könne, wann er absehen könne, uns zu sagen, wie die Lehrerversorgung zum Schuljahresbeginn sein wird.
Der Minister hat Ende Juni geantwortet – ich zitiere –:
Belastbare Aussagen zu Stellenbesetzungen können spätestens nach den Rückmeldungen der Schulen zur Landesschulstatistik, die im November erscheint, veröffentlicht werden.
Meine Damen und Herren, das ist nachzulesen in Drucks. 19/6369. Belastbare Aussagen haben Sie nicht. Sie stochern im Nebel und versuchen, dem Parlament, der Öffentlichkeit und den Eltern vorzugaukeln, alles sei wunderbar. Dabei wissen Sie gar nichts.
Wenn Sozialdemokraten vor Schulen auf die Situation aufmerksam machen, dann ist das, vor Schulen, vollkommen in Ordnung. Sie nutzen den Elternbrief. Sie machen Wahlwerbung auf Steuerzahlerkosten, indem Sie Dinge, die Eltern tagtäglich eigentlich nicht interessieren, Ihre geschönten Zahlen hineinschreiben und behaupten,
Sie setzten weiterhin nur auf qualifizierte Kräfte. Sie wissen doch überhaupt nicht, welche Kräfte an den Schulen arbeiten.
Auch das können wir alles nachweisen. Sie haben auf die Frage, welche Qualifikation die rund 5.000 Lehrkräfte haben, die nur mit Unterrichtserlaubnis arbeiten, gesagt:
Von den 1.479 Grundschullehrkräften mit Unterrichtserlaubnis oder ohne Qualifikationseintrag sind [nur] bei 629 Personen statistisch auswertbare Einträge zur Ausbildung vorhanden.
Sie wissen überhaupt nicht, wen Sie mit TV-H-Verträgen an die Schulen schicken.
Sie wissen ganz genau, dass das ein Problem ist. In Ihrem großen Interview in den letzten Tagen haben Sie auf die durchaus schlaue Nachfrage des Redakteurs, ob denn alle qualifiziert seien, die Sie auf die Stellen schicken, geantwortet: Ja, natürlich. Alle, die wir auf unbefristete Stellen setzen, sind qualifiziert.
Ja, aber darum geht es nicht. Wir haben es gestern gehört: Wir haben 5.000 Stellen in Hessen, die mit TV-H-Verträgen ausgestattet sind. Sie sind befristet. Die Stellen dieser Leute werden Sie natürlich nicht entfristen. Denn sie haben keine pädagogische Ausbildung. Sie haben kein Lehramt. Das ist fast ein Zehntel aller Lehrkräfte in Hessen. Das ist natürlich an den Schulen in Hessen ein Problem.
Sie haben eben den Ausbau der inklusiven Beschulung gelobt. Sie sagten, Sie würden da so viel tun. Auch das sind Zahlen von Ihnen: 80 % aller Förderschullehrkräfte haben
kein Staatsexamen für das entsprechende Lehramt. Es ist ein Problem, dass Sie die Leute in diesen hoch anspruchsvollen Beruf ohne pädagogische und didaktische Ausbildung und ohne Diagnostik schicken. Das alles ist Löcherstopfen. Das entspricht nicht unserem Anspruch an gute Qualität an den Schulen in Hessen.
Sie sind ahnungslos, was die Qualifikation Ihrer Lehrkräfte angeht. Sie sind ahnungslos, was den Krankenstand Ihrer Lehrkräfte angeht. Sie sind ahnungslos, welchen Investitionsbedarf es an den Schulen gibt. Sie wollen das gar nicht wissen. Sie sind ahnungslos, wie viel Unterricht in Hessen überhaupt ausfällt.
Man kann kritisieren, dass wir das sagen. Wir können jede dieser Aussagen belegen. Entweder wissen Sie es nicht, oder Sie wollen es nicht wissen. Da müssen Sie sich einmal entscheiden. So geht das nicht. Das musste noch einmal klargestellt werden.
Ich frage die Landesregierung:
Wie viele Monate Vertragslaufzeit umfassen Verträge von pensionierten Lehrkräften, die zum 1. August aufgrund des Lehrkräftemangels im Rahmen eines TV-H-Vertrages weiter unterrichten?
Vielen Dank, Herr Minister. – Vor dem Hintergrund Ihrer Antwort frage ich nach: Wie bewerten Sie die Tatsache, dass zumindest im Bereich des Staatlichen Schulamts Darmstadt und Darmstadt-Dieburg Verträge mit einer Laufzeit von elf Monaten ab 1. August vergeben werden, sodass die Sommerferien ausdrücklich nicht bezahlt werden?
Ich frage die Landesregierung:
In wie vielen Fällen konnte im Schuljahr 2017/2018 der Anspruch auf sonderpädagogische Förderung bei Schülerinnen und Schülern an Förderschulen aufgehoben werden?
Ich frage die Landesregierung:
Wie viele UBUS-Kräfte waren mit Stand 1. Juni 2018 beim Land eingestellt?
Herr Kultusminister, wann rechnen Sie damit, dass die schon lange – ich glaube, zum 1. Februar – versprochenen 400 Stellen endlich besetzt sein werden?
Herr Kultusminister, teilen Sie die Beobachtung, die ich gemacht habe? Sozialpädagogische Fachkräfte, die bisher im Rahmen der Schulsozialarbeit durch kommunale oder freie Träger beschäftigt waren, bewerben sich nun auf UBUS-Stellen, aber die Träger der Stellen, die damit frei werden, besetzen diese Stellen möglicherweise nicht nach.
Herr Kultusminister, ist Ihnen bekannt, wie viele Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst derzeit eine Klassenleitung übernehmen? Ich erfrage dies zumindest für die Schulform Grundschule.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Erst am vergangenen Sonntag habe ich einen ehemaligen Lehrerkollegen getroffen, der seit knapp zwei Jahren erkrankt ist, leider im Rollstuhl sitzt und möglicherweise vor der Dienstunfähigkeit steht. Er sagte mir im Gespräch, er habe zwei Jahre zuvor eine Überlastungsanzeige gestellt. Ich will gar nicht sagen, dass das in einem Zusammenhang steht. Das kann wahrscheinlich niemand abstrakt beurteilen. Aber was der Kollege in dem Gespräch mit mir zum Ausdruck gebracht hat, war seine große Enttäuschung darüber, dass er auf diese Überlastungsanzeige vor zwei Jahren noch nicht einmal eine Eingangsbestätigung erhalten hat. Das ist so nicht in Ordnung.
Ein solcher Umgang ist kein Klima der Wertschätzung mit unseren rund 60.000 Lehrkräften und denjenigen, die sich hier im Grunde genommen öffentlich eingestehen, dass sie an Grenzen angekommen sind.
Meine Damen und Herren, das ist kein Einzelfall. Erst gestern Abend um 20:46 Uhr gab es eine weitere Überlastungsanzeige von der Georg-Büchner-Schule in Frankfurt, die bei uns – vermutlich auch bei den Kollegen – einging und auch an die Presse ging. Das war übrigens nicht das erste Mal; es war schon die dritte Überlastungsanzeige dieser Schule, weil bis dato nichts erfolgt ist.
Ich will kurz daraus vorlesen:
Wir wiederholen mit diesem Schreiben, dass wir uns aufgrund der extrem gewachsenen Zahl an dienstlichen Aufgaben und deren Umfang nicht mehr in der Lage sehen, unsere Arbeit vollständig, in qualitativ angemessener Weise und in der erforderlichen Sorgfalt auszuführen, und dass wir dadurch unsere Gesundheit gefährdet sehen. … Wir weisen erneut darauf hin, dass aufgrund der nicht mehr möglichen ordnungsgemäßen Ausführung aller Dienstpflichten oder aufgrund von Fehlern, die dadurch auftreten können, auch Dritte geschädigt werden können, vor allem Schülerinnen und Schüler, die nicht mehr die optimale Unterrichtsqualität, Betreuung, Beurteilung und Aufsicht erhalten.
Nach dem Arbeitsschutzgesetz bedeutet eine solche Anzeige, dass die Lehrkräfte ihre Gesundheit und Sicherheit unmittelbar gefährdet sehen. Meine Damen und Herren, so etwas unterschreibt niemand, weil er gerade einmal einen schlechten Tag hatte. Es sind triftige Gründe, die Leute dazu veranlassen.
Deshalb haben wir uns entschlossen, diese Überlastungsanzeigen heute hier zu thematisieren.
Es sind Anzeigen aller Schulformen und aus allen Regionen Hessens. Nicht ohne Grund gibt es in dieser Woche eine Protestaktion im ganzen Land; sie findet übrigens heute um 16:30 Uhr vor dem Kultusministerium statt, wo noch einmal Überlastungsanzeigen vorgelesen werden – dort wird sicherlich mehr Zeit sein als an dieser Stelle.
Ich habe noch ein weiteres Beispiel mitgebracht, um einmal deutlich zu machen, woher das alles kommt. Eine Grundschule hat geschrieben über soziale Probleme, häufige Vernachlässigung, Konflikte, die nicht selten körperlich ausgetragen werden, Aufmerksamkeitsstörungen, Lernschwierigkeiten, eine hohe Anzahl von Kindern mit Anpassungsschwierigkeiten und geringen Deutschkenntnissen, die Zusammenarbeit mit Eltern, Therapeuten, Gespräche mit Logopäden, Ergotherapeuten, Kinderärzten, Psychologen, Psychiatern etc. Meine Damen und Herren, die Liste lässt sich weiter fortsetzen. Allein das ist ein Ausdruck der gestiegenen Anforderungen an unsere Lehrkräfte, denen man mit der Unterrichtsversorgung aus den Achtzigerjahren nicht Rechnung tragen kann. Man muss hier eine Lehrerversorgung, eine Zuweisung auf der Höhe der Zeit gestalten.
Dazu kommt, dass Unterricht ausfällt. Wir haben darüber in der vergangenen Plenarwoche gesprochen. Daraufhin hat sich ein Kollege bei mir gemeldet, der mir einfach einmal ein Beispiel gegeben hat. Meine Damen und Herren, er schreibt von vier Stunden wöchentlich, an denen er normalerweise zwei Klassen auf einmal unterrichten muss. Auch das hat etwas mit Überlastung zu tun. Damit man letztendlich gute Zahlen an das Ministerium liefern kann, lässt man Lehrkräfte gleich zwei Klassen gleichzeitig unterrichten. Er schreibt weiter, er habe am Freitag, dem 4. April, in der ersten und zweiten Stunde in seiner Matheklasse unterrichtet und gleichzeitig im Raum 417 in Geschichte unterwegs sein müssen. Bemerkenswert war auch die Situation, dass er Sport in der Sporthalle geben und gleichzeitig 400 m entfernt Aufsicht führen sollte. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, all das bringt Lehrkräfte an ihre Grenzen, und all das hat etwas damit zu tun, dass wir an unseren Schulen nicht ausreichend Vertretungsreserven haben und dass dort Unterrichtsausfall stattfindet, was am Ende auch zu Überlastungen führt.
Ich will an dieser Stelle allen ein Dankeschön sagen, die jeden Tag rund 30 Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Persönlichkeiten, die alle ihr Päckchen zu tragen haben, unterrichten und Lernprozesse gestalten. Ich bedanke mich ausdrücklich bei denen, die bereit sind, auch darüber zu reden, dass sie an ihre Grenzen kommen oder dass sie diese Grenzen schon längst überschritten haben.
Was macht die Landesregierung?
Sie macht es ähnlich wie beim Unterrichtsausfall: Einerseits gibt es keine Daten. Man weiß eigentlich gar nichts. Eigentlich darf das alles gar nicht sein. Aber andererseits sollen Lehrkräfte nicht überlastet sein.
Diese Aussage trifft man. Man redet das alles schön. Das passt nicht zusammen. Das geht so nicht. Das zeigt wieder einmal die Ahnungslosigkeit des Kultusministers, meine Damen und Herren.
Auch die Zahl der Krankheitstage von Lehrkräften ist ein Staatsgeheimnis. Die Landesregierung wird ihrer Fürsorgepflicht nicht gerecht. Das alles ist kein respektvoller Umgang mit Beschäftigten.
Auch hierbei sieht man wie beim Unterrichtsausfall, dass andere Länder dokumentieren können und dass es anders geht. Es gibt in Rheinland-Pfalz ein Institut für Lehrergesundheit, das jährlich einen Gesundheitsbericht über die staatlich Bediensteten im Schuldienst herausgibt.
Meine Damen und Herren, das wäre ein ernsthaftes Zeichen, die Überlastungen ernst zu nehmen und sich wirklich mit der Frage der zunehmenden Krankheitssituation bei Lehrkräften auseinanderzusetzen.
Anstatt hiergegen ernsthaft vorzugehen, gibt es oder gab es Disziplinarverfahren gegen Lehrkräfte. Schulleiter werden einbestellt, wenn sie sich kritisch äußern. Einige Leute trauen sich gar nicht mehr. Ich rede dabei nicht von der SPD. Wir haben letztes Mal schon darüber gesprochen, wie damit umgegangen wird, wenn sich Leute in Parteien engagieren, die nicht die CDU sind.
Es geht auch um Leute, die sich in Verbänden, etwa bei der GEW, oder in Vereinigungen engagieren. All das ist inzwischen ein Kriterium bei der Schulaufsicht und bei Lehrkräften, die sagen: Das lasse ich lieber sein. Das kann am Ende meine Karriere gefährden.
Das ist nicht mehr demokratisch in Hessen.
Ich weiß: Wir werden heute wahrscheinlich wieder eine Arie über die fantastischen Allzeithochs in Hessen hören. Auch dazu will ich etwas sagen: Gestern haben wir von der Unterrichtsversorgung in Höhe von 127,6 % gehört. Solche Zahlen sind in den Ohren der Lehrkräfte blanker Hohn. Natürlich nehmen Aufgaben zu, und natürlich gibt es mehr Stellen für den Ganztag, weil Schule länger dauert. Natürlich braucht man dafür eine andere Lehrerversorgung und mehr Lehrer. Aber all das reicht längst noch nicht, um den Herausforderungen der Gegenwart gerecht zu werden. Meine Damen und Herren, solche Prozent- und Statistikzahlen sind dreist, frech und arrogant.
Ich will das an zwei Beispielen festmachen; denn ich glaube, dass auch manche Kollegen aus den die Regierung tragenden Fraktionen nicht so ganz wissen, was ihre Regierung macht.
Erstes Beispiel: Es soll jetzt neue Konrektorenstellen für Grundschulen geben. Das hört sich gut an. Das können die Grundschulen auch gebrauchen.
Aber was die Grundschulen wirklich brauchen, sind Konrektoren, die auch ein Stundendeputat haben,
die also eine echte Entlastung für die Schulleitung bzw. bei den Leitungsaufgaben darstellen.
Was passiert jetzt? – Die neuen Konrektorenstellen werden mit Leuten besetzt, die Aufgaben auszuführen haben, die aber keine einzige Stunde an Plus durch die Schulleitung haben. Sie verteilen einfach die Aufgaben auf mehrere Köpfe, ohne dass sie dafür zeitlich entlastet würden.
Genauso ist es mit der Schulsozialarbeit, meine Damen und Herren. Die haben Sie zusammengestrichen. Sie haben die Landeszuweisungen für Schulsozialarbeit in den letzten Jahren zusammengestrichen und jetzt etwas eingeführt, das Sie UBUS oder USF nennen. Man kann den Pressemeldungen mancher Kollegen entnehmen, dass man gar nicht verstanden hat, dass das keine Schulsozialarbeit, sondern etwas Unterstützung und etwas Multiprofessionalität ist, aber kein Beitrag zu echter Schulsozialarbeit in Hessen, der Entlastung bringen würde.
Nun zum Märchen der im bundesweiten Vergleich tollen Lehrerversorgung: Ich hatte eine Anfrage zur Anzahl der Wochenstunden gestellt. Am Beispiel der Grundschule will ich das kurz darstellen. Ich habe das zusammengerechnet, weil es Ihrer Antwort, Herr Kultusminister, nicht zu entnehmen war. An hessischen Grundschulen haben Schüler 92 Wochenstunden im Laufe ihrer Schulzeit. Das ist das absolute Minimum in Deutschland, meine Damen und Herren. 100 % in Hessen sind deutlich weniger als 100 % in anderen Bundesländern.
In Baden-Württemberg beträgt dieser Wert 102 Stunden in der Grundschulzeit, in Bayern 104 Stunden und in Hamburg 108 Stunden. Meine Damen und Herren, Sie vergleichen mit Ihren Prozentzahlen Äpfel und Birnen. Lassen Sie das sein, und statten Sie alle Schulen angemessen aus.
Wir brauchen die Wiederherstellung des vertrauensvollen Verhältnisses zwischen HKM, Schulaufsicht und Schulen. Wir brauchen eine Erhebung von Krankheitstagen, um endlich effektiv gegen Überlastung vorzugehen. Wir brauchen eine Arbeitszeitstudie. Wir werden gemeinsam mit der FDP eine Anhörung durchführen, weil Sie dazu nicht in der Lage sind.
Wir brauchen echte Vertretungsreserven.
Wir brauchen mehr Deputate für Lehrkräfte und für Schulleitungen. Wir brauchen echte Schulsozialarbeit. Wir brau
chen eine schulscharfe Ausstattung auf Basis des Sozialindex. Wir müssen auch die Schulträger unterstützen, ihre Schulen stetig zu modernisieren und nicht nur das Geld weiterzugeben. Wir brauchen eine faire Bezahlung der Lehrkräfte und die Übertragung der Tarifergebnisse auf die Beamten. All das sind nur einige Punkte, die wirklich dazu beitragen können, Entlastungen an Schulen herbeizuführen.
Die Redezeit ist schon zu Ende; ich komme zum Schluss. – Bitte verschonen Sie uns heute mit Ihren Zahlen aus dem letzten Jahrtausend, als ich noch Schüler war.