Protokoll der Sitzung vom 12.09.2018

Meine Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 148. Plenarsitzung des Hessischen Landtags, heiße Sie herzlich willkommen und wünsche Ihnen allen einen schönen guten Morgen, auch Ihnen auf der Besuchertribüne.

Wir haben zunächst die Beschlussfähigkeit festzustellen. Wird sie angezweifelt? – Das ist nicht der Fall. Damit ist das Haus beschlussfähig und mit voller Konzentration auf den Präsidenten gerichtet. Ich habe nämlich Folgendes zu verkünden:

Die Punkte 1, 2, 4, 6 bis 8, 10 und 42 sind erledigt.

Gestern Abend tagte der Sozial- und Integrationspolitische Ausschuss und hat zu zwei Gesetzentwürfen jeweils eine Beschlussempfehlung generiert: zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes, Drucks. 19/6738 zu 19/6413, die Beschlussempfehlung Drucks. 19/6778, und zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Krankenhausgesetzes 2011 und anderer Rechtsvorschriften, Drucks. 19/6740 zu Drucks. 19/6548, die Beschlussempfehlung Drucks. 19/ 6779. Die beiden dritten Lesungen sind die Punkte 58 und 59 auf dem Nachtrag zur Tagesordnung und werden am Donnerstag aufgerufen.

Zum Ablauf der Sitzung. Wir tagen heute vereinbarungsgemäß bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von zwei Stunden.

Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 37. Dann folgt Tagesordnungspunkt 34. Nach der Mittagspause beginnen wir mit Tagesordnungspunkt 41.

Herr Staatsminister Wintermeyer ist heute ab 10 Uhr, Frau Staatsministerin Puttrich ab 12:45 Uhr entschuldigt. Die Abg. Lisa Gnadl, ich habe es gestern gesagt, ist in froher Erwartung.

In der Mittagspause wird in der Ausstellungshalle die Ausstellung „Volkshochschulen – Orte der Integration“ eröffnet.

Um 19:15 Uhr wird unsere Landtagsfußballmannschaft in Hohenstein gegen eine Auswahl aus Vorständen und Politik – was auch immer das konkret heißen mag – antreten. Wir drücken der Mannschaft die Daumen und werden morgen früh in einem längeren Spielbericht erfahren, wie es ausgegangen ist.

Im Anschluss an die heutige Plenarsitzung kommen der Kulturpolitische Ausschuss in Sitzungsraum 510 W und der Innenausschuss in Sitzungsraum 501 A zusammen – Letzterer aber nur, wenn für den auf der Einladung stehenden Gesetzentwurf die zweite Lesung beantragt wird. Wir werden sehen, ob das geschieht. Der Kollege Klee ist sehr scharf darauf, die 108. Sitzung des Innenausschusses zu leiten.

(Heiterkeit)

Ich gratulieren herzlich Andreas Hofmeister zu seinem heutigen Geburtstag. Lieber Andreas, alles Gute für dich, Gottes Segen, bleibe uns erhalten.

(Allgemeiner Beifall)

Ismail Tipi legt großen Wert darauf, dass er dir die Flasche Wein selbst überreicht; denn er möchte nachher mittrinken.

(Heiterkeit – Schriftführer Abg. Ismail Tipi über- reicht ein Weinpräsent.)

Meine Damen und Herren, damit können wir in die Tagesordnung einsteigen.

Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 37:

Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger vor Ort stärken – Drucks. 19/6753 –

Vereinbarte Redezeit: zehn Minuten pro Fraktion. Das Wort hat Herr Abg. Horst Klee.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich für den Eröffnungsbeifall. Man wird sehen, was davon zum Schluss noch bleibt.

(Heiterkeit)

Die Sicherheit ist in den vergangenen Wochen in Deutschland in unterschiedlichen Zusammenhängen ein Thema gewesen, oft in globalem oder europäischem, jedenfalls in ganz großem Zusammenhang. Auch wenn ich Ihnen große globale Zusammenhänge nicht komplett ersparen kann – wir leben nun einmal in globalisierten Zeiten –, soll es heute primär nicht um generelle Fragen, sondern um etwas so Einfaches wie Wichtiges gehen: das Große im Kleinen, das subjektive, individuelle Sicherheitsgefühl des einzelnen Menschen in Hessen.

Wir alle wollen Sicherheit für uns, für unsere Kinder, für unsere Familien im Alltag. Das ist ein Grundbedürfnis fast aller Menschen und ein wichtiger Baustein guter Lebensqualität.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Menschen, die sich nicht sicher fühlen, sind nämlich weniger frei in ihren Entscheidungen und auch im Alltag.

Was genau ist eigentlich diese „Sicherheit“? – Es gibt darauf keine pauschale Antwort. „Sicherheit“ bedeutet für jeden etwas anders, und oft ist es eine Frage der subjektiven Unmittelbarkeit, wenn Bedrohungen vielleicht nicht neu, aber näher gekommen erscheinen. Dank der Social Media, dank der Rund-um-die-Uhr-Nachrichten, dank des technischen Fortschritts in Bildern aller Art wirken theoretische Gefahren insgesamt akuter – so, als stünden sie fast vor der Haustür.

Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Objektiv betrachtet und im Vergleich ist Hessen sicher, sogar sehr sicher. Die Zahlen, die Sie alle kennen, sprechen eine deutliche Sprache: eine Aufklärungsquote von rund 63 %, 9 % weniger Straftaten im Jahr 2017 – im Vergleich zu 2016 –, Platz 3 im bundesweiten Ranking bei der Kriminalitätsbelastung. Die Zahl der Fälle von Wohnungseinbruchsdiebstahl und Straßenkriminalität sind massiv rückläufig, und auch die

Zuwanderung der vergangenen Jahre hat vielleicht einzelne Probleme, aber keinen strukturellen Anstieg der Kriminalität mit sich gebracht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deutschland verzeichnet weltweit einmalige Zahlen. Sie sind nicht alle so gut wie in Hessen, aber das ist ja eine ziemlich hohe Messlatte. Vergleichen wir unsere Situation mit der in den USA oder auch nur der in England, dann zeigt sich: Wir leben in einem Biotop der Sicherheit, einer seltenen Kombination aus Frieden, Sicherheit, Wohlstand und Perspektiven.

All das, alle diese Zahlen und unsere gute Situation sind Folgen unserer Schwerpunktsetzungen, umfangreicher Investitionen in den vergangenen Jahren und der beeindruckend motivierten Arbeit der Beamtinnen und Beamten in unseren Sicherheitsbehörden. Ich sage ein bisschen leiser: Es ist auch ein Fünkchen Glück dabei.

Trotzdem gibt es Menschen, die sich in Hessen, die sich in Deutschland nicht sicher fühlen. Das müssen wir angehen. Das kann und darf uns nicht egal sein. Die objektiven Zahlen als Ausdruck der Realität stetig zu wiederholen, ist das eine, aber es ist nicht die Lösung an sich. Diese Erkenntnis ist nicht neu, sondern Ergebnis einer Entwicklung, die wir schon seit einiger Zeit beobachten und die wir auch im Hessischen Landtag mit konkreten Maßnahmen angehen, nicht nur mit KOMPASS, sondern mit einer Vielzahl von Ansätzen.

Das Grundproblem dieser Entwicklung ist der Zusammenhang von Vertrauen und Sicherheit in einem sich gegenseitig bedingenden Kreislauf. Das Vertrauen der Menschen in den Staat hängt davon ab, ob sie sich sicher fühlen. Ob sie sich sicher fühlen, ist aber eine Folge davon, ob sie ihrem Staat vertrauen. Genau in diesem Bereich hat sich in den letzten Jahren einiges verändert.

Das Vertrauen ist weniger geworden: Vertrauen in die staatlichen Behörden als belastbare, faire Partner, in die Medien als vertrauenswürdiges Korrektiv und auch in die Politik und ihre Redlichkeit. Um dieses Vertrauen müssen wir alle mit Kraft kämpfen, wir müssen es zurückgewinnen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Vertrauen ist am Ende nämlich die Grundlage unserer repräsentativen Demokratie, unseres Rechtsstaats und unseres zivilisierten und friedlichen Zusammenlebens. Der Staat übernimmt Aufgaben für seine Bürger, Politiker entscheiden nach demokratischen Wahlen im Sinne der Bevölkerung. Ein rechtsstaatliches, gerichtliches Verfahren – so unverständlich es im Einzelfall auch sein mag – endet mit einem rechtskräftigen, zu akzeptierenden Urteil.

All diese Probleme kann und wird KOMPASS alleine nicht lösen. Aber es ist ein Baustein in der Botschaft, die wir den Menschen in Hessen mitgeben können: Wir kümmern uns. Dieser Staat ist bei all seiner gut abgeschliffenen, jahrelang eingeübten Contenance nicht wehrlos und schon gar nicht am Ende. Wir haben eine so gut aufgestellte Polizei wie seit Jahrzehnten nicht mehr, die besten Zahlen aller Zeiten und eine zukunftsfähige, moderne Sicherheitsarchitektur. Das ist nicht selbstverständlich. Und trotzdem tun wir noch mehr, weil es uns eben nicht egal ist, wie sich Menschen fühlen und was vor Ort passiert.

Es geht darum, zuzuhören, zu erklären und zu handeln. Wir müssen unsere Entscheidungen besser, öfter und klarer erklären: was wir wollen, wie wir es umsetzen wollen, was geht, was nicht geht und wo unsere politischen Grenzen sind und der Bereich gesamtgesellschaftlicher Verantwortung beginnt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Ihnen liegt ein Antrag vor, der einen Überblick über die Maßnahmen und die Entwicklungen in diesem Bereich gibt. Grundlage dieses Konzepts ist die Kommunikation zwischen der Kommune und dem Land, zwischen den Akteuren vor Ort, zwischen den Bürgerinnen und Bürger und dem Staat bzw. der Polizei, und das nicht nur im Aufbau von KOMPASS, sondern im Sinne einer langfristigen Ansprechbarkeit der Sicherheitsbehörden für den Menschen. KOMPASS schafft diese Strukturen und etabliert Kommunikationswege, damit Fragen gestellt, zugehört, Probleme erkannt und gemeinsam praktikable Lösungen geschaffen werden können. Das geschieht nicht erst, wenn etwas passiert ist, sondern präventiv und proaktiv im Alltag der Menschen.

KOMPASS wurde als Initiative zunächst in vier Modellkommunen erprobt und schließlich in diesem Jahr auf ganz Hessen ausgeweitet. Die Erfahrungen aus Hanau, Maintal, Bad Homburg und Schwalbach am Taunus sind beispielgebend und zeigen sich seitdem auch in der Entwicklung. In 17 Kommunen wird KOMPASS in Kürze starten. 66 weitere sind interessiert und im Bewerbungsprozess. Damit erreichen wir fast ein Drittel der hessischen Bevölkerung. Für KOMPASS wurden jeweils zwei zusätzliche Stellen in den sieben Präsidien und eine Geschäftsstelle im Hessischen Landeskriminalamt eingerichtet.

Kern des Programms ist es, gemeinsam mit den kommunalpolitischen Akteuren, der Polizei, den Vereinen und natürlich den einzelnen Bürgern mögliche Sorgen, Herausforderungen oder subjektive Eindrücke zu identifizieren und passgenaue Lösungen zu finden. Das kann so einfach sein wie das Zurückschneiden einer Hecke am Straßenrand oder das wortwörtliche Ausleuchten einer dunklen Ecke, um Angsträume zu vermeiden. Genauso können Videoanlagen an bestimmten Orten den Nachhauseweg vereinfachen, Kriminalität präventiv verhindern und die Aufklärung von Straftaten ermöglichen.

Weitere Möglichkeiten, um den Sorgen zu begegnen, können der Aufbau einer Stadtwache, schlicht eine höhere Polizeipräsenz, punktuell mehr Streifenfahrten oder verbesserte Sicherheitstechnik sein. Was in den Kommunen gebraucht wird, ist schlicht zu unterschiedlich, um pauschale Antworten zu geben. Alle Programme, Initiativen, Förderungen und Möglichkeiten des Landes werden erwogen, und es wird schließlich ein Paket konkreter Maßnahmen geschnürt, das passgenau an die Kommune angepasst wird, um die Sicherheit vor Ort zu verbessern. Das gibt es in Deutschland nicht noch einmal. Das ist bundesweit einmalig.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch Prävention ist ein wichtiger Bestandteil von KOMPASS und eine Investition in die Sicherheit; denn Prävention ist der beste Opferschutz. Jede Person, die gar nicht erst straffällig wird, und jede verhinderte Straftat sind eine Gefahr, ein Opfer und im ganzen Umfeld eine Sorge weniger.

Die hessische Polizei informiert und hilft bei Wohnungseinbruch, bei der Verhinderung von Betrugsdelikten, bei der Verkehrserziehung auf Marktplätzen direkt vor Ort, aber auch bei spezifischen Veranstaltungen.

Dieses Engagement und die Ansprechbarkeit sind ein wichtiges Zeichen und stärken Vertrauen. Aber auch die Präsenz der Polizei kann in diesem Zusammenhang elementar sein. Schon das Wissen, dass die Polizei in der Nähe ist, kann das Gefühl des Einzelnen verändern und verbessern. Das kennt sicher jeder von uns. Um nur ein Beispiel zu nennen: In Darmstadt kann man gut sehen, dass die Zusammenarbeit des Landes mit den örtlichen Politikern zu Verbesserungen für Menschen vor Ort führt.

Innenminister Peter Beuth hat im März dieses Jahres die neue Stadtwache in der Innenstadt eröffnet. Sie ist ein ganz normaler Anlaufpunkt für die Bürger mit Sorgen, Problemen und Fragen geworden, und das nicht nur, wenn etwas passiert ist, sondern auch als Frühwarnsystem, als ein niederschwelliges Angebot und als eine alltägliche Möglichkeit, sich zu informieren und Kontakt aufzunehmen. Auch eine Schutzfrau vor Ort ist mit ihrem Diensthund täglich unterwegs und als Ansprechpartnerin – wie wir vor Ort selbst erfahren konnten – bekannt und beliebt.

Weitere Möglichkeiten und ein sichtbares Zeichen der hessischen Sicherheitsbehörden sind der freiwillige Polizeidienst, die Stadtwache, die Stadtpolizei und das eben angesprochene Programm Schutzmann/Schutzfrau vor Ort. Es gibt mittlerweile über 100 Schutzmänner und -frauen in ganz Hessen, die in einem engeren alltäglichen Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern stehen. Ein Mehr an Polizisten ist in Hessen dank der Einstellungsoffensive bereits landesweit spürbar und sichtbar. Das wird in den kommenden Jahren weiter ausgebaut.

Allein in dieser Legislaturperiode haben wir die Polizeivollzugsstellen um 11 % ausgebaut. 2022 werden wir in Hessen 15.290 Polizeivollzugsstellen haben. Ja, das gab es in Teilen schon. Neu sind die Strukturen und die Abläufe, die das Land stellt. Manchmal reicht schon der berühmte runde Tisch, an dem alle sitzen, um weiterzukommen. Das sollten wir doch alle wollen: weiterkommen, Lösungen finden und Hessen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger noch besser machen. Das ist unser gemeinsamer Auftrag, dem müssen wir uns stellen. Daran werden wir gemessen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. – Ich danke Ihnen.