Protokoll der Sitzung vom 27.05.2015

Guten Morgen, Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die heutige Plenarsitzung und stelle mit etwas gutem Willen die Beschlussfähigkeit fest.

Zur Tagesordnung: Erledigt sind die Punkte 1 bis 5 und 44.

Noch eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Ganztagsschulprogramm des Landes wird weiter ausgebaut – Angebotsvielfalt, Wahlfreiheit und Bedarfsgerechtigkeit als Leitlinien, Drucks. 19/2011. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 79 und wird zusammen mit Tagesordnungspunkt 45 zu diesem Thema diskutiert werden.

(Günter Rudolph (SPD): Ausnahmsweise!)

Außerdem eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Bildungsgipfel bietet Chance für langfristige Planungssicherheit im Interesse unserer Schulen, Drucks. 19/2012. – Auch hier wird die Dringlichkeit bejaht. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 80 und kann zusammen mit den Tagesordnungspunkten 6 und 76 zu diesem Thema aufgerufen werden.

Ich komme zum Ablauf der Sitzung. Wir tagen heute vereinbarungsgemäß bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von zwei Stunden. Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 50. Das ist der Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend hessische Bundesratsinitiative zur Einführung eines „Schutzparagrafen 112“ – Schaffung eines neuen Straftatbestandes wichtiger Schritt, um Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr, Katastrophenschutz und Rettungsdienst besser vor tätlichen Angriffen zu schützen, Drucks. 19/1987. Dann folgt Tagesordnungspunkt 45. Das ist der Antrag der Fraktion der SPD betreffend mehr Ganztagsschulen für mehr Bildungschancen, Bildungsgerechtigkeit und individuelle Förderung – „Von 3 auf 30“, Drucks. 19/1976. Der gerade erwähnte Tagesordnungspunkt 79 wird mit aufgerufen werden.

Nach der Mittagspause beginnen wir mit Tagesordnungspunkt 51. Das ist Drucks. 19/1988. Er wird zusammen mit den Tagesordnungspunkten 77 und 78 aufgerufen werden.

Kolleginnen und Kollegen, heute fehlen entschuldigt Herr Staatsminister Axel Wintermeyer ab 17:30 Uhr, Frau Abg. Nancy Faeser, Frau Abg. Andrea Ypsilanti, Herr Abg. Dr. Thomas Spies, Frau Abg. Goldbach und Herr Abg. Willi van Ooyen.

Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass in der Mittagspause der Plenarsitzung, ca. 13 Uhr, in der Ausstellungshalle die Ausstellung „200 Jahre Turnplatz in Hessen – FriedrichLudwig-Weidig-Ausstellung“ eröffnet werden wird.

Ebenfalls in der Mittagspause der Plenarsitzung wird der Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung im Sitzungsraum 510 W zusammenkommen.

Damit können wir in die Tagesordnung einsteigen. Als Erstes rufe ich Tagesordnungspunkt 50 auf:

Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend hessische Bun

desratsinitiative zur Einführung eines „Schutzparagrafen 112“ – Schaffung eines neuen Straftatbestandes wichtiger Schritt, um Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr, Katastrophenschutz und Rettungsdienst besser vor tätlichen Angriffen zu schützen – Drucks. 19/1987 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Als Erster spricht Herr Abg. Bauer für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere Polizeibeamtinnen und -beamten machen seit Jahren eine traurige und zugleich erschreckende Erfahrung. Sie werden in steigendem Maß beschimpft, beleidigt und tätlich angegriffen. Die Hemmschwelle sinkt. Die Achtung ist vielfach verloren gegangen.

Wer den Staat nicht respektiert, der respektiert auch nicht seine Vertreter. Vor vielen Jahren schützte die Uniform noch ihre Träger. Auch in den Fällen, in denen das Gegenüber die Polizei austesten wollte, wie weit er gehen kann, gab es noch ungeschriebene Gesetze und Grenzen. Diese werden heute nur noch gering geschätzt. Wer mit Polizeibeamtinnen und -beamten spricht, der weiß das.

Vor allem in Großstädten und am Wochenende erleben unsere Beamten diesen Verfall des einmal herrschenden gesellschaftlichen Konsenses. Gewaltsame Übergriffe beschränken sich nicht auf Großveranstaltungen wie Demonstrationen oder Fußballspiele. Auch im alltäglichen Polizeidienst sind die Beamtinnen und Beamte immer häufiger den Angriffen ausgesetzt. Gerade in regulären Einsätzen wie Verkehrskontrollen oder bei Einsätzen zu häuslicher Gewalt haben diese Angriffe zugenommen.

Die Gewerkschaft der Polizei nannte zuletzt im November 2014 Zahlen, die bestürzen. Bundesweit werden durchschnittlich 162 Polizisten täglich Opfer von Straftaten. Das sind jedes Jahr rund 60.000 Fälle. Neun Polizisten werden jeden Tag Opfer einer schweren oder gefährlichen Körperverletzung. Dieses Ausmaß ist nicht länger hinzunehmen.

(Zustimmung bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Auch die hessischen Zahlen belegen diese besorgniserregende Entwicklung. Im vergangenen Jahr mussten über 3.200 Angriffe auf unsere Polizeibeamten registriert werden. 90 % dieser Übergriffe ereignen sich bei der täglichen Arbeit.

Wir Christdemokraten sind deshalb der Meinung, wir müssen die besser schützen, die uns beschützen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus den Reihen der Polizei wird schon seit Längerem ein eigener Paragraf im Strafgesetzbuch gefordert. Der bisherige Straftatbestand in § 113 Strafgesetzbuch setzt voraus, dass sich Beamte bei einem Angriff in einer Vollstreckungshandlung befinden. Unvermittelte Attacken ohne Bezug auf die Einsatzhandlung werden dabei nicht erfasst.

Der § 113 Strafgesetzbuch, „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“, wurde im November 2011 verschärft. Die vorgesehene Höchststrafe wurde von zwei auf drei Jahre erhöht. Auch die Feuerwehr und die Rettungskräfte

wurden einbezogen. Aber, wie gesagt: Die Grundlage bleibt die Vollstreckung einer Diensthandlung.

Wir wollen jetzt einen Schritt weiter gehen. Die gewalttätigen Ausschreitungen anlässlich der Eröffnung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am 18. März 2015, bei denen 150 Polizeibeamte und zwei Feuerwehrleute von Linksradikalen verletzt wurden, haben die Hessische Landesregierung in ihrer Überzeugung gestärkt, dass es jetzt an der Zeit ist, dieser besorgniserregenden Entwicklung mit der Einführung eines neuen Straftatbestandes ins Strafgesetzbuch zu begegnen. In der Kabinettssitzung im April 2015 wurde eine entsprechende Bundesratsinitiative beschlossen.

Die Landesregierung handelt damit auch im Einklang mit der Innenministerkonferenz, die zuletzt im Dezember 2012 bekräftigt hat, dass der strafrechtliche Schutz der Polizisten verbessert werden muss. Bereits im Koalitionsvertrag haben sich die CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darauf verständigt, eine eigene Initiative zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gemeinsam auf den Weg zu bringen.

Wir begrüßen diesen Gesetzentwurf der Hessischen Landesregierung ausdrücklich. Aufgrund des bereits Gesagten knüpft er gerade nicht an einer Vollstreckungshandlung an. Er setzt vielmehr einen tätlichen Angriff auf Polizisten bzw. Einsatzkräfte voraus. Wer Beamte in Ausübung ihres Dienstes für die Allgemeinheit angreift, der greift den Staat selbst an.

(Zustimmung bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Als tätlicher Angriff ist eine unmittelbar auf den Körper zielende gewaltsame Einwirkung zu verstehen.

Um diesen Einwirkungen physisch zu begegnen, hat das Land Hessen bereits in die Schutzausrüstung unserer Beamten kräftig investiert. Zuletzt wurden 1,4 Millionen € für die Anschaffung von Körperschutzausstattung der Bereitschaftspolizei ausgegeben. Auch die von Hessen als bundesweitem Vorreiter eingeführte Body-Cam hat sich bereits positiv ausgewirkt. Meine Damen und Herren, wir wollen und wir müssen aber mehr tun. Wir belassen es nicht nur bei politischen Initiativen. Wir in Hessen investieren auch ganz praktisch in den Schutz unserer Beamtinnen und Beamten, wie ich das eben ausgeführt habe.

Mit der Body-Cam, die auf Vorschlag der hessischen Polizei entwickelt worden ist, können Polizeibeamte durch eine Fernbedienung am Handgelenk die Kamera auslösen und in möglichen brenzligen Situationen Filmaufnahmen tätigen. Die präventive und deeskalierende Wirkung ist enorm. Die Angriffe auf Polizisten konnten durch den Einsatz der neuen Technik spürbar vermindert werden.

Gerade gestern haben wir im Rahmen einer ersten Lesung die Anpassung des hessischen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes beraten. Auch bei dieser Änderung geht es uns um mehr Schutz für die Polizei. Meine Damen und Herren, künftig soll es neben Videoaufnahmen auch Tonmitschnitte geben können. Dies wird ein zusätzliches Instrument sein, um die präventive Wirkung der Kamera zu verstärken und auch um Beleidigungen einzudämmen. Wen der Mitschnitt nicht vor verbaler Gewalt abschreckt, dem kann wenigstens künftig mithilfe dieser Aufzeichnung vor Gericht eine Straftat besser nachgewiesen werden.

Meine Damen und Herren, ich bin der festen Überzeugung, die etwa 1.300 € für eine Kameraausrüstung sind bestens investiertes Geld für unsere Beamtinnen und Beamten.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Doch bei aller Freude über das neue dritte Auge auf der Schulter der Polizei stimmt es mich nachdenklich, dass es solcher Instrumente überhaupt bedarf. Es ist besorgniserregend, dass wir mit technischen Mitteln eine im wahrsten Sinne des Wortes verrückte Entwicklung einzudämmen genötigt sind.

(Manfred Pentz (CDU): Ja!)

Meine Damen und Herren, die jetzt von Hessen initiierte Änderung: Der neue Straftatbestand in § 112 des Strafgesetzbuches wird mit einer Strafe von mindestens sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedroht; für besonders schwere Fälle enthält er eine weitere Strafverschärfung. Eine Mindestfreiheitsstrafe wird angedroht, und eine bloße Geldstrafe als Sanktion wird ausgeschlossen. Wir sind der Auffassung: Dieser Strafrahmen ist gerechtfertigt.

(Holger Bellino (CDU): Sehr richtig!)

Auch andere Einsatzkräfte, neben der Polizei, werden von dieser geplanten Regelung profitieren. Zum geschützten Personenkreis gehören Einsatzkräfte der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes und auch des Rettungsdienstes. Dass auch diese Opfer von Angriffen werden, ist für jeden normal denkenden Menschen unbegreiflich und in meinen Augen besonders verwerflich. In Angriffen auf Feuerwehrleute und Sanitäter zeigt sich eine besonders niedere Gesinnung.

Wir haben hier bereits debattiert und auf die massiven Krawalle bei den Blockupy-Protesten hingewiesen. Der verzweifelte Aufruf des DRK via Facebook lautete damals:

An die Demonstrationsteilnehmer: Bitte greift unsere Einsatzkräfte und Rettungswagen nicht an.

Meine Damen und Herren, das ist sehr besorgniserregend, bedenklich und verwerflich zugleich.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Deutsche Feuerwehrverband verurteilt in einer Pressemitteilung vom 19. März dieses Jahres diese Angriffe auf Feuerwehrangehörige. Zitat:

Es ist untragbar, dass Menschen, die anderen helfen, bei der Ausübung ihrer Tätigkeit angegriffen und behindert werden und Einsatzmittel zur Menschenrettung zerstört werden.

So DFV-Vizepräsident Ackermann. Zwei Feuerwehrfahrzeuge wurden demoliert und zwei Feuerwehrangehörige durch Reizgas verletzt. Der Direktor der Branddirektion Frankfurt am Main sagte: Wir haben hier eine neue Dimension der Gewalt erfahren. Das ungeschriebene Gesetz, Feuerwehr und Rettungsdienste nicht anzugreifen, wurde gebrochen. Er zeigte sich tief erschüttert.

Meine Damen und Herren, wer umgangssprachlich – wie das häufig LINKEN-Politiker tun – Polizisten als „Bullen“ diffamiert, der zerstört damit zugleich den Respekt und die Anerkennung unserer Polizei, die sie für ihren täglichen Dienst zum Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger braucht.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Meine Damen und Herren, es entspricht unserer Überzeugung, dass, wer Polizisten tätlich angreift, nicht mit einer Geldstrafe davonkommen soll. Das gilt insbesondere für Angriffe auf die, die wie Feuerwehr und Rettungsdienste oftmals ehrenamtlich in einem schwierigen und belastenden Einsatz zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger Hilfe leisten. Alle, die ehrenamtlich oder beruflich ihren Mitmenschen in diesen Funktionen dienen, haben ein Anrecht darauf, dass ihnen die Politik auch auf diesem Wege den Rücken stärkt.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))