Protokoll der Sitzung vom 27.05.2015

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Ganz egal, ob sie das Versammlungsrecht schützen oder ein Menschenleben retten: Ein tätlicher Angriff auf Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste ist ein Angriff auf unsere Gesellschaft, unseren Rechtsstaat und unsere Werte, den wir nicht akzeptieren werden.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. Allen muss klar sein: Wer meint, gesellschaftliche Grenzen ausloten und Autoritäten herausfordern zu können, indem er Beamte angreift, der wird strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. Wir müssen und wir werden die schützen, die uns schützen. – Besten Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Vielen Dank, Herr Kollege Bauer. – Als Nächster spricht Kollege Greilich, FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der heutige Setzpunkt der CDU-Fraktion stellt – wir haben es gerade gehört – eine Reaktion der Regierungsfraktionen auf die steigende Anzahl von Übergriffen auf Polizei- und Rettungskräfte in den letzten Jahren dar. Dies ist, so weit sind wir uns einig, eine Entwicklung, der Gesellschaft und Politik nicht tatenlos zusehen dürfen.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Alexander Bau- er und Uwe Serke (CDU))

Ihren traurigen vorläufigen Höhepunkt hat diese Entwicklung kürzlich bei Blockupy-Krawallen am 18. März dieses Jahres genommen. Die Bilder, wie ein Polizeifahrzeug in Brand gesteckt wurde, in dem noch Beamte saßen, kennt in Deutschland mittlerweile wahrscheinlich jeder. An diesem verhängnisvollen Tag ging auch schon früh die TwitterMeldung des Frankfurter Roten Kreuzes um mit der Bitte, Rettungsfahrzeuge bitte nicht mit Steinen zu bewerfen und sie bei den Einsätzen nicht zu behindern.

Darüber hinaus gab es gezielte Angriffe auf Polizeikräfte, und dabei nicht einmal nur gegen solche, die in verbunde

nen Einheiten unterwegs gewesen sind, sondern – das ist eine ganz neue Qualität der linksextremistischen Gewalt – ganz gezielt gegen Polizistinnen und Polizisten, die beispielsweise zur Regelung des Verkehrs eingesetzt waren und damit quasi schutzlos dem gewaltbereiten Mob gegenüberstanden und um ihr Leben laufen mussten.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich kann für meine Fraktion und auch ganz persönlich sagen, dass das schlicht schockierend war. Man kann sich die Todesangst, die der Einzelne dabei empfunden haben muss, wohl nicht einmal im Ansatz vorstellen. Richtig ist: Niemand – das gilt zumindest für vier von fünf Fraktionen in diesem Hause – möchte solche Szenen noch einmal auf Hessens Straßen sehen, möchte den Betroffenen und deren Familien noch einmal diese Angst zumuten oder gar solche Übergriffe in irgendeiner Weise rechtfertigen oder auch nur relativieren.

Wenige Wochen nach den Blockupy-Krawallen hat sich die Landesregierung entschieden, im Bundesrat eine Initiative zur Einführung eines sogenannten Schutzparagrafen 112 in das Strafgesetzbuch einzuführen. Das Ziel ist es – und das ist auch im Antrag von CDU und GRÜNEN so formuliert –, durch diese Strafvorschrift diejenigen hart zu sanktionieren, die wie z. B. in Frankfurt, Polizei- oder Rettungskräfte nur aufgrund dessen, dass sie Polizisten und Rettungssanitäter sind, tätlich angreifen. Dieses Ziel – nämlich Straftäter, die einen anderen Menschen aufgrund seines Berufes oder vielleicht sogar seines Ehrenamtes auf eine Uniform reduzieren und zum Objekt ihres Hasses auf „den Staat“ degradieren, hart zu bestrafen – teilen wir Freie Demokraten ausdrücklich.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Dennoch wirft Ihre Initiative einige Fragen auf, Fragen, die man ganz grundsätzlich stellen muss, gerade wenn ein neuer Straftatbestand geschaffen werden soll.

Die erste Frage ist: Besteht denn überhaupt eine Strafbarkeitslücke für tätliche Angriffe auf Polizei- und Rettungskräfte, die ein Tätigwerden des Gesetzgebers notwendig macht?

Sie wissen, dass in § 113 des Strafgesetzbuches der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bereits strafbewehrt ist. Hierbei geht es jedoch, wie beschrieben – Herr Kollege Bauer hat das bereits ausgeführt –, vor allem um Fälle, in denen aus Anlass von konkreten Vollstreckungshandlungen Gewalt gegen Beamte ausgeübt wird; z. B. Rettungskräfte sind dabei überhaupt nicht erfasst, da sie auch keine Träger von hoheitlichen Vollstreckungsrechten sind.

Aber man muss dazu sagen: Auch alle anderen diskutierten Übergriffe werden vom geltenden Strafrecht erfasst, und zwar vom Tatbestand der Beleidigung über die ausdifferenzierten Tatbestände bei Körperverletzungsdelikten bis zu den Regelungen in Fällen versuchten Totschlags oder Mordes.

Dennoch lässt sich durchaus darüber diskutieren, ob eine Rechtsordnung dem besonderen Tatunwert der Angriffe auf Mitglieder der sogenannten Blaulichtszene nicht mit einem besonderen Tatbestand begegnen sollte. Diese Form menschenverachtender, anlassloser Gewalt gegen Personen, die irgendeine Art von Uniform tragen – neben den Polizisten insbesondere Rettungssanitäter und Feuerwehr

leute –, hat eine ganz besondere Qualität. Das steht für uns Freie Demokraten außer Frage.

(Beifall bei der FDP)

Doch selbst wenn man zu dem Schluss käme, ein spezieller Tatbestand sei notwendig, muss man sich doch eine zweite Frage stellen, nämlich ob das vorgeschlagene Gesetz geeignet ist, dem beschriebenen gesellschaftlichen Missstand effektiv zu begegnen. Auf dieser Ebene erheben sich ganz erhebliche Zweifel. Meines Erachtens wäre dies der erste Fall, bei dem eine höhere Strafandrohung zu einem Rückgang der Zahl entsprechender Taten führen würde. Jeder von uns weiß, dass den Blockupy-Krawallmachern sehr wohl bewusst war, dass ihr Verhalten mit Strafe bedroht ist.

(Beifall bei der FDP)

Wie realistisch ist es denn dann, zu glauben, dass sich jemand, der aus vermeintlich politischer Motivation Uniformträger als Vertreter des Staates attackiert, von einer höheren Strafandrohung abhalten lässt? Eine gründlichere Abwägung durch die Koalitionsfraktionen, als das bisher erfolgt ist, wäre sicherlich angezeigt.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Stephan Grüger (SPD))

Nehmen wir einmal an, diese beiden ersten Fragen seien unstrittig oder nach umfassender ideologiefreier Abwägung sinnvoll positiv, d. h. zugunsten einer Regelung, zu entscheiden, dann bleibt eine grundlegende dritte Frage, nämlich die nach der Verhältnismäßigkeit des Vorschlages der Hessischen Landesregierung. Sie wollen in Zukunft denjenigen, der Polizei- oder Rettungskräfte tätlich angreift, schon bei Erfüllung des Grundtatbestands mit einer Freiheitsstrafe von einem halben Jahr bis zu fünf Jahren, bei qualifizierten Angriffen, z. B. mit einer Waffe, mit einer Freiheitsstrafe von einem halben Jahr bis zu zehn Jahren belegen. Eine Geldstrafe soll künftig nicht mehr in Betracht kommen, wie dies bei Körperverletzungsdelikten sonst häufig der Fall ist.

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Union, ganz besonders aber von den GRÜNEN, ich habe nicht das Gefühl, dass Sie sich detailliert vor Augen geführt haben, was dies bedeutet. Die einschlägigen Kommentierungen zum Strafgesetzbuch definieren einen tätlichen Angriff wie folgt: Ein tätlicher Angriff ist die in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende Einwirkung, ohne Rücksicht auf ihren Erfolg. – Das ist die abstrakte Definition, wie das in der Juristerei üblich ist.

Lassen Sie mich Ihnen deshalb einige Beispiele für Aktionen geben, die schon als tätlicher Angriff qualifiziert werden bzw. bei denen eine Abwägung nach derzeitiger Rechtslage äußerst streitig geführt wird; Sie können das in den Kommentierungen nachlesen. Bereits die Frage, ob das Abfeuern eines Knallkörpers in unmittelbarer Nähe einen tätlichen Angriff darstellt, ist in der Literatur höchst umstritten. Gleiches gilt für die Abgrenzung, ob schon in dem Wurf von Eiern ein tätlicher Angriff zu sehen ist, oder erst dann, wenn es objektiv wirklich gefährlich wird, wie bei einem Wurf von Flaschen oder Steinen. Wollen Sie das Werfen eines Eies, was sicherlich unappetitlich und auch unangemessen ist, wirklich mit einer Mindeststrafe von sechs Monaten Gefängnis belegen?

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Meine Damen und Herren, man könnte das noch vertiefen, aber um sich ein Bild vom Tatunwert zu machen, Herr Kollege Pentz, müssen Sie sich das schon einmal anhören. Um eine strafrechtliche Bewertung vorzunehmen, sollte man zumindest einen kurzen Blick auf andere Strafnormen werfen, welche die gleiche Strafandrohung vorsehen.

(Manfred Pentz (CDU): Fragen Sie einmal die Polizisten und die Kollegen von der Feuerwehr, wie die sich fühlen!)

Herr Kollege Pentz, wenn man nichts von der Sache versteht, macht es wenig Sinn, sich möglichst lautstark dazwischenzuwerfen.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP sowie bei Abge- ordneten der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Sie müssen sich schon einmal klarmachen, in welchem Rahmen Sie sich bewegen. Sie wollen eine Mindeststrafe von sechs Monaten für in der Tat nicht hinzunehmende, aber minimale tätliche Übergriffe einführen.

(Holger Bellino (CDU): Unerhört, lieber Freund!)

Herr Kollege Pentz, sexuelle Handlungen an Schutzbefohlenen bedroht unser Strafrecht mit einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten, also einem geringeren Strafmaß als das, was Sie für das Werfen eines Eies auf einen Polizisten ansetzen wollen.

(Manfred Pentz (CDU): Was vergleichen Sie denn da? – Weitere Zurufe von der CDU)

Herr Kollege Pentz, es ist Ihr Problem, dass Sie meinen, Sie müssten Ihre Rolle als Generalsekretär einer großen Partei dafür nutzen, unqualifizierte Zwischenrufe zu Themen zu machen, von denen Sie nichts verstehen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Manfred Pentz (CDU): Sie haben ein Problem!)

Das passt einfach nicht.

(Zurufe von der CDU)

Wenn Sie hier über das Strafrecht reden, dann sollte es Ihnen nicht darum gehen, irgendjemandem einen Gefallen tun zu wollen, sondern Sie sollten sich die Frage stellen, ob Sie im System dieses Strafrechts ausgewogen handeln.

(Manfred Pentz (CDU): Reden Sie einmal zur Sache! – Weitere Zurufe von der CDU)

Dann können Sie z. B. nicht sagen, das Werfen eines Eies auf einen Polizisten sei, strafrechtlich gesehen, das Gleiche wie gewerbsmäßiger Handel mit Kindern, wofür eine Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten ausgeworfen ist.

(Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, es tut mir leid, dass ich hier etwas lauter werden muss. Aber wenn man so provoziert wird, dann ist das leider nicht zu vermeiden.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU)

Wenn Sie sich einmal bei denen erkundigen, die etwas von Strafrecht verstehen – davon gibt es in Ihrer Fraktion und Ihrer Landesregierung den einen oder anderen –, und bei genauerem Nachdenken müssten Sie zumindest verstehen, dass wir Ihrer Initiative daher nicht zustimmen können. Ei

gentlich müssten Sie Ihre Initiative gründlich überarbeiten, wenn Sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, populistische Schaufensterpolitik zu betreiben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)