Guten Morgen, Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle die Beschlussfähigkeit fest und eröffne die 127. Plenarsitzung.
Noch eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP betreffend Familiennachzug zu subsidiär geschützten Personen, Drucks. 19/5988. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 59 und kann mit Tagesordnungspunkt 35 aufgerufen werden. – Dem wird nicht widersprochen.
Außerdem eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Masterplan Wohnen und Bauland-Offensive sorgen für wirkungsvolle und stärkere Unterstützung bei der Schaffung von bezahlbarem und bedarfsgerechtem Wohnraum, Drucks. 19/5989. – Auch hier wird die Dringlichkeit bejaht. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 60 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, mit Tagesordnungspunkt 47 aufgerufen werden. – Das ist so.
Zum Ablauf der Sitzung. Vereinbarungsgemäß tagen wir heute bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von zwei Stunden. Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 47. Hiermit werden Tagesordnungspunkt 20 und Tagesordnungspunkt 60 aufgerufen. Dann folgt Tagesordnungspunkt 8. Nach der Mittagspause beginnen wir mit Tagesordnungspunkt 35 zusammen mit Tagesordnungspunkt 59.
Heute fehlen entschuldigt Herr Ministerpräsident Volker Bouffier ganztägig, Herr Staatsminister Axel Wintermeyer ganztägig, Frau Staatsministerin Lucia Puttrich ganztägig, Herr Staatsminister Dr. Thomas Schäfer ab 12:30 Uhr, Herr Staatsminister Boris Rhein von 12:45 bis 15:15 Uhr und Herr Staatsminister Stefan Grüttner ganztägig. Wegen Erkrankung fehlen heute die Abg. Frank Lortz, Christian Heinz und Angela Dorn.
Heute Abend, im Anschluss an die Plenarsitzung, kommt der Haushaltsausschuss im Sitzungsraum 501 A zusammen, sofern der entsprechende Gesetzentwurf vom Plenum überwiesen wird.
Antrag der Fraktion der SPD betreffend endlich Politik für bezahlbares Wohnen umsetzen – Alarmsignale ernst nehmen – Drucks. 19/5960 –
Antrag der Abg. Siebel, Gremmels, Löber, Lotz, Müller (Schwalmstadt) , Schmitt, Warnecke (SPD) und Fraktion betreffend Kommunen beim Wohnungsbau unterstützen – für eine aktive Bodenpolitik und Bewirtschaftung – Drucks. 19/4894 –
Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Masterplan Wohnen und Bauland-Offensive sorgen für wirkungs
volle und stärkere Unterstützung bei der Schaffung von bezahlbarem und bedarfsgerechtem Wohnraum – Drucks. 19/5989 –
Vereinbart worden ist eine Redezeit von zehn Minuten. Als Erster spricht Kollege Schäfer-Gümbel, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Einen schönen guten Morgen Ihnen allerseits. Es ist ein wichtiges Thema, das wir heute Morgen aufrufen, nämlich bezahlbares Wohnen als die neue soziale Aufgabe in Hessen endlich ernst zu nehmen.
In Hessen wachsen zahlreiche Städte überdurchschnittlich. Dieses Wachstum muss aus unserer Sicht gestaltet werden. Immer weniger Menschen können sich das Wohnen in unseren Städten leisten. Sozialwohnungen haben einen dämpfenden Einfluss. Es geht aber längst nicht mehr nur um Sozialwohnungen, sondern um Wohnungen für Menschen mit ganz normalen Einkommen in fast allen Regionen unseres Bundeslandes.
Die Lage im Rhein-Main-Gebiet ist besonders dramatisch. Bezahlbares Wohnen ist in vielen Landesteilen mittlerweile ein Problem, aber im Rhein-Main-Gebiet ist die Lage inzwischen besonders extrem.
Allein für Frankfurt – ich habe das im Hessischen Landtag wiederholt ausgeführt – erwarten die Planer ein Wachstum der Bevölkerung bis zum Jahr 2030 um etwa 14,5 % bzw. – um es konkreter zu machen – um etwa 100.000 Menschen, die in diesen Großraum zuziehen werden. In den gesamten Großraum Frankfurt/Rhein-Main von Aschaffenburg bis Mainz und von Gießen bis nach Bensheim erwarten die Forscher und Planer einen Zuzug bis 2030 von bis zu 250.000 Menschen. Deshalb brauchen wir für den Kernbereich von Frankfurt, wenn wir das irgendwie bewältigen wollen, 90.000 neue Wohnungen.
Die Marktlogik der Union hat allerdings dazu geführt, dass immer mehr Einkommensgruppen genau mit diesem Thema überfordert sind. Preise von 5.000 €/m² gelten in Wiesbaden, Frankfurt und Darmstadt mittlerweile als normal und können sogar eher als niedrig angesehen werden. Umgerechnet bedeutet das für eine Dreizimmerwohnung mit 90 m² Wohnfläche einen Kaufpreis von 450.000 €. Für eine Vierzimmerwohnung mit 110 m² Wohnfläche sind es schon 550.000 €.
Ich will das einmal herunterbrechen auf die reale Lage von Menschen, die über kein exorbitant hohes Einkommen verfügen. Ein Polizeivollzugsbeamter verdient in der Besoldungsgruppe A 9, Stufe 5, netto 2.479 € und muss davon noch seine private Krankenversicherung bezahlen. Eine Erzieherin verdient in der Entgeltstufe S 9, Stufe 3, netto 1.921 €. Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich frage Sie, wie sich Menschen mit solchen Einkommen solche Kaufpreise leisten sollen.
Auch bei den Mieten zeichnet sich eine Entwicklung ab, die es vielen Normalverdienern unmöglich macht, ange
messenen und bezahlbaren Wohnraum in den Großstädten zu finden. In den hessischen Großstädten zahlen die Bürgerinnen und Bürger inzwischen bis zu 40 % und mehr ihres Einkommens für die Kaltmiete. Wer das zulässt, verdrängt Normaleinkommensbezieher, Berufseinsteiger, Familien und Menschen, die im Erwerbsleben stehen und zwar gutes Geld verdienen, aber bei der Rente Abstriche machen müssen und aus unseren Städten wegziehen. Deswegen sagen wir, dass bezahlbares Wohnen die neue soziale Frage dieses Jahrzehnts ist.
Warum ist das so? – Damit will ich zur Bilanz der CDU in Hessen kommen. Mieten und Eigentumspreise vervielfachen sich. Es gibt halb so viele Sozialwohnungen wie im Jahr 1999. Das ist die Kurzzusammenfassung Ihrer wohnungsbaupolitischen Bilanz. Jedes Jahr werden etwa 37.000 Wohnungen gebraucht. Gebaut wurden im Jahr 2016 aber nur 20.000. Es fehlen also 17.000 Wohnungen.
Die Preisentwicklung in Frankfurt ist dramatisch; in Wiesbaden ist sie teilweise noch dramatischer. Ich will Ihnen einmal einen kleinen Eindruck davon vermitteln. Ein frei stehendes Einfamilienhaus in Südhessen kostet fast zweimal so viel wie ein vergleichbares Haus in Nordhessen, und in Frankfurt ist ein vergleichbares Haus viermal so teuer.
Ich habe mir heute Morgen aktuelle Mietpreise in Frankfurt angeschaut. Eine Vierzimmerwohnung mit 95 m² wird auf dem freien Wohnungsmarkt mit einer Kaltmiete von 14,68 €/m² angeboten. Für eine Zweizimmerwohnung mit 75 m² wird eine Kaltmiete von 19,80 €/m² verlangt. Mein persönlicher Favorit von heute Morgen ist allerdings eine Zweizimmerwohnung mit 39 m² und einer Kaltmiete von 26,66 €/m².
Dazu gehört auch, festzustellen, dass sich in der Zeit der CDU-geführten Landesregierungen unter der Leitung von Roland Koch und Volker Bouffier, in der Zeit seit 1999, die Zahl der Sozialwohnungen von 180.000 auf knapp über 90.000 halbiert hat. Das ist Ihre wohnungspolitische Bilanz.
Damit es in der Debatte um Ihre Masterpläne und anderes mehr nicht vergessen wird, will ich an Folgendes erinnern. Volker Bouffier und die hessische CDU wollten vor fünf Jahren die letzte verbliebene landeseigene Wohnungsbaugesellschaft, die Nassauische Heimstätte, verkaufen. Das hätte der politischen Irrfahrt, die Sie in den letzten 19 Jahren in der Wohnungspolitik absolviert haben, die Krone aufgesetzt. Verhindert wurde das durch ein breites Bündnis aus Mieterinnen und Mietern, den Gewerkschaften, dem Mieterbund, verschiedenen Verbänden sowie der Sozialdemokratie, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und den LINKEN.
Wie lautet die Antwort auf die Probleme des Wohnungsmarktes? – Die öffentliche Hand muss vorangehen. Die Entwicklung ist umkehrbar. Bezahlbarer Wohnraum ist keine Frage der Machbarkeit, sondern des Willens. In Hes
sen hat die dramatische Erhöhung der Grunderwerbsteuer und der Grundsteuer, die Sie erzwungen haben – das ähnelt dem Thema, über das wir gestern diskutiert haben –, dazu beigetragen, dass die Bodenpreise nach oben geschnellt sind. Sie treiben mit Ihrer Politik die Bodenpreise nach oben und verschärfen damit die Lage auf dem Wohnungsmarkt.
Dazu gehört auch, dass die Umweltministerin – sie ist nebenbei auch noch Bauministerin – zwar wortreich erklärt, dass sie die Kommunen auffordere, verbilligt Bauland abzugeben, dass sich aber der Finanzminister zur gleichen Zeit im Zusammenhang mit dem Polizeipräsidium in Frankfurt als einer der größten Immobilienspekulanten betätigt – Hauptsache, die Landeskasse ist voll.
Ich will es noch einmal sagen: Eine andere Politik ist möglich. Das sehen wir derzeit in Frankfurt, wo Oberbürgermeister Peter Feldmann und der sozialdemokratische Bauund Planungsdezernent Mike Josef dafür sorgen, dass die Mietpreise bei der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft eingebremst werden, dass bei neuen Projekten ein Prozentsatz von 30 bis 40 % der Wohnungen in Sozialbindung entsteht; und sie treiben mit einer Debatte über die Begrenzung der Bodenpreise den Ankauf von neuem Bauland durch die Kommune voran. Sie von der hessischen Regierung haben hingegen außer einem Masterplan, der wortreich verkündet wurde, bisher nur wenige Taten vorzeigen können.
Deswegen will ich am Ende meiner Rede gern noch ein paar Bemerkungen zu den notwendigen Konsequenzen machen. Die Sabotage der Mietpreisbremse muss endlich beendet werden, und es muss mehr Transparenz durch Mietspiegel und Auskunftspflichten erzielt werden. Die beste Mietpreisbremse sind allerdings mehr Glas, Stein, Stahl und Beton gegen den Wucher am Markt.
Es hilft nur, zu bauen, zu bauen, zu bauen. Wir müssen die Bodenpreise als Hauptpreistreiber für den frei finanzierten Wohnungsbau in den Griff bekommen. Wie gesagt, Frankfurt hat da ein paar interessante Beispiele vorzuweisen.
Der Verkauf öffentlicher Grundstücke muss künftig nach den besten Konzepten statt nach dem höchsten Preis erfolgen. Das gilt insbesondere für das Land.
Wir halten eine partielle Senkung der Grunderwerbsteuer für den sozialen Wohnungsbau nach wie vor für richtig.
Das muss gar nicht der Bund machen. Das kann man selbst machen. Das haben wir hier mehrfach angesprochen. Sie wollen es aber nicht tun. Das war ein netter Versuch, Herr Kollege Wagner.
(Beifall bei der SPD – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist rechtlich nicht möglich! Das müssten Sie auf der Bundesebene durchsetzen!)