Ich komme darauf zurück. – 1976 Indikationsregelung, 1990 Einigungsvertrag im Rahmen der Wiedervereinigung Deutschlands, 1992 Beratungsmodell, 1993 Bundesverfassungsgericht erklärt dies erneut für verfassungswidrig, 1995 Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz, das die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt. – Seitdem herrscht ein Rechtsfrieden.
Diesen Rechtsfrieden jetzt durch einen Schnellschuss, durch einen Dringlichkeitsantrag hier im Landtag zu verändern, das halte ich gegenüber dem Thema nicht für angemessen.
Ich muss sagen: Ich finde es widerlich, dass Sie diesen Rechtsfrieden mit der Strafgesetzgebung der Nationalsozialisten vergleichen. Das ist kein Beitrag zum demokratischen Konsens in dieser sensiblen Frage.
und das Arztwerberecht genüge, um entsprechende Regelungen vorzusehen. Ich muss Ihnen sagen: Ich sehe das anders. § 219a wurde im Rahmen der Gesetzgebung angepasst. Das ärztliche Werberecht hat eine Dynamik und wird durch Urteile ständig verändert. Insofern kann in diesem Rahmen keine Rechtssicherheit geschaffen werden.
Viertens und letztens. Es bleibt für uns der Grundsatz, und wir bleiben bei dem Recht: kein Schwangerschaftsabbruch, auch keine anbahnende medizinische Beratung, ohne ein unabhängiges Beratungsgespräch mit der Zielrichtung – nicht mit der moralischen Keule, aber mit der Zielrichtung –, die Schwangerschaft zu erhalten. Das sind Grundsätze christdemokratischer Politik, das ist Konsens in unserer Gesellschaft, und dabei bleiben wir auch.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es fällt schwer, bei so einem Redebeitrag noch ruhig zu bleiben.
Ich denke, dieser Redebeitrag zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, dass wir uns heute über dieses Thema im Hessischen Landtag auseinandersetzen, und wie wichtig es ist, dass wir im Anschluss eine Debatte im zuständigen Ausschuss führen.
Zu dem, was Herr Bartelt gesagt hat, möchte ich sagen, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen worden ist,
auch noch nicht juristisch; denn die Anwältin der Ärztin hat heute angekündigt, dass sie Revision gegen dieses Urteil einlegen wird.
Sie hat auch betont, dass sie in keiner Weise eine appellative Werbung vorgenommen habe. Wenn Sie sich das einmal auf der Homepage der Ärztin angeschaut hätten, dann hätten Sie erkannt, dass diese Ärztin keine Werbung gemacht hat, sondern dass sie Informationen geboten hat für die Frauen, die selbstverständlich zuvor eine Beratungsstelle aufgesucht haben. Die Ärztin hat die Notwendigkeit einer Beratung durch eine Beratungsstelle auch gar nicht in Abrede gestellt. Sie will aber als Ärztin ihrer Verantwortung gerecht werden und den Frauen, die ihre Patientinnen sind, die Möglichkeit geben, neutrale Informationen zu erlangen.
Meine Damen und Herren, natürlich ist § 219a Strafgesetzbuch eine sehr restriktive Regelung aus dem Jahr 1933. Diese Regelung wurde zu einer Zeit eingeführt, in der Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich strafbar waren. Das ist aber schon lange nicht mehr zeitgemäß.
Wir setzen uns dafür ein, dass dieser Paragraf komplett gestrichen wird; denn es besteht aus unserer Sicht Rechtsunsicherheit in diesem Bereich. Heute – das haben wir schon mehrfach gehört – stand die Ärztin in Gießen vor Gericht, weil sie den Frauen, die sich nach der Abarbeitung aller notwendigen Schritte dazu entschieden haben, Informationen anbietet. Radikale Abtreibungsgegner haben diese Ärztin angezeigt und ihr vorgeworfen, sie hätte Werbung gemacht.
Ich finde, wenn man sich das tatsächlich anschaut, dann erkennt man, dass es eben keine Werbung war. Sie wurde aber heute zu einer Geldstrafe von 6.000 € verurteilt. Dabei hat sie lediglich – das möchte ich noch einmal betonen – über die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten informiert. Mich macht dieses Urteil sehr betroffen. Ich gestehe ein, dass ich es auch nicht nachvollziehen kann.
In meinem engsten Umfeld gibt es Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch vorgenommen haben. Frauen, die sich mit dem Gedanken befassen, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, befinden sich oft in einer sehr schweren seelischen Notlage. Herr Rock hat das angesprochen. Es ist tatsächlich eine sehr sensible Situation, mit der wir auch sensibel umgehen müssen.
In dieser sehr schwierigen und persönlichen Situation benötigen Frauen vor allen Dingen neutrale und qualifizierte Informationen. Wenn sich diese Frauen beispielsweise im Internet informieren wollen, dann treffen sie unweigerlich auf die Seiten der Abtreibungsgegner. Sie müssen sich dann von diesen einschüchtern und beschimpfen lassen. Das ist genau das Gegenteil von dem, was die betroffenen Frauen in dieser Situation brauchen.
Sie brauchen Ärztinnen und Ärzte wie Kristina Hänel, die neutral aufklären und informieren, ohne für einen Abbruch zu werben. Diejenigen zu kriminalisieren, die als Ärztinnen und Ärzte ihre Patientinnen neutral informieren wollen, ist für uns nicht nachvollziehbar.
Deswegen verstehe ich an dieser Stelle auch nicht die Haltung der CDU. Frauen haben ein Recht auf freie Arztwahl. Frauen haben auch ein Recht auf Selbstbestimmung. Es darf nicht weiter sein, dass Frauen in ihren Rechten eingeschränkt und eingeschüchtert werden. Es darf nicht sein, dass Ärztinnen und Ärzte in ihrer Aufklärungspflicht eingeschränkt und ebenfalls eingeschüchtert werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind der Auffassung, die Rechte der Frau auf Selbstbestimmung müssen dringend gestärkt werden. Ich hoffe auf eine bessere Beratung im Anschluss an die heutige Debatte im Ausschuss. – Danke schön.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Regel ist die Nachricht, dass eine Frau schwanger ist, eine freudige Botschaft für viele Familien. In den meisten Fällen löst das freudige Gefühle aus.
Es gibt aber auch Fälle – und über die reden wir jetzt –, in denen eine ungewollte, eine ungeplante oder auch im schlimmsten Fall eine durch eine Vergewaltigung ausgelöste Schwangerschaft Frauen vor nahezu unlösbare Probleme stellt. Wir reden also über die Fälle, in denen Frauen keinen Ausweg wissen. Für diese Fälle ist es gut, dass wir in Hessen eine Schwangerschaftskonfliktberatung auf einem hohen Niveau anbieten. Dort bekommen Frauen Rat und Unterstützung, wie sie mit dieser für sie schwierigen Lage umgehen können.
Eine Schwangerschaftskonfliktberatung endet nicht immer damit, dass es zu einem Abbruch kommt. Frauen bekommen dort auch Unterstützung, wie es weitergehen kann. Es ist immer ein schwerer Abwägungsprozess, in den sich viele von uns sicher hineinversetzen können. Es ist eine höchst persönliche Entscheidung der Frau: Wie gehe ich damit um? Trage ich das Kind aus? Kann ich das Kind austragen? Schaffe ich das? Oder muss ich mich für den Abbruch der Schwangerschaft entscheiden? – In dieser Entscheidung steckt sicherlich großes Konfliktpotenzial.
Wenn dieser Entscheidungsprozess abgeschlossen ist, wenn man sich für den Abbruch entscheidet, dann beginnt das Problem, weil die Frauen dann einen Arzt oder eine Klinik finden müssen, wo sie diesen Abbruch vornehmen lassen können. Dann wird es schwierig. § 219a Strafgesetzbuch ist überschrieben mit: „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“. Es ist bereits mehrfach aus diesem Paragrafen zitiert worden, und ich zitiere auch daraus:
Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise … eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs … anbietet, …
Wir haben heute erlebt, wie ein solches Strafmaß aussehen kann: Die Höchststrafe wäre eine Freiheitsentziehung bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe. Wir haben mehrfach gehört, wie die gerichtliche Entscheidung in Gießen ausgegangen ist.
Ich hätte mir als Hobbyjuristin gewünscht, dass sich das Gericht mit der Frage auseinandersetzt: Was bedeutet in dem Zusammenhang „Werbung“? Das hat es aber nicht getan. Aus unserer Sicht – und aus meiner Sicht – wird den Frauen mit dem § 219a StGB ein wichtiges Informationsrecht vorenthalten; denn sie können auf einem für sie leichten Weg nicht erfahren, wo ein legaler Abbruch vorgenommen werden kann.
Daher ist aus unserer Sicht der § 219a StGB ein Überbleibsel aus der sehr engagiert geführten Debatte um den § 218 StGB in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts. In diesem Sinne hat unser grüner Landesparteitag am Wochenende einen Beschluss gefasst, in dem es heißt, dass § 219a StGB abgeschafft werden sollte. Wenn wir versuchen, die Motivation der Klägerinnen und Kläger nachzuvollziehen, dann wird aus dem Verfahren deutlich, dass die Klägerinnen und Kläger eigentlich gar nicht das Informationsrecht angreifen wollen, sondern die Frauen angreifen wollen, die einen Schwangerschaftsabbruch ins Auge fassen.
Es geht ihnen darum, diesen Frauen, die sich in einer höchst schweren persönlichen Lage befinden, die Entscheidung noch schwerer zu machen, sie zu brandmarken und daran zu hindern, den Abbruch vorzunehmen. Wenn sie es vielleicht auch nicht immer verhindern können, wollen sie es den Frauen so schwer wie möglich machen, eine Ärztin, einen Arzt oder eine Klinik zu finden, in der ein Abbruch legal vorgenommen wird. Das unterbindet aus unserer Sicht ganz massiv das Informationsrecht der Frauen und ihr Recht, eine Ärztin oder einen Arzt zu suchen, die bzw. der ihr Vertrauen für diesen wirklich sehr sensiblen Eingriff hat. Das muss aus unserer Sicht möglich sein.
Ich will zum Schluss Folgendes sagen. Ich habe ein hohes Vertrauen in die Ärztinnen und Ärzte in unserem Land. Es gibt standesrechtliche Vorgaben, wie Ärztinnen und Ärzte auf ihre Leistungen auch in diesem sensiblen Bereich aufmerksam machen dürfen. Diese standesrechtlichen Vorgaben sind aus meiner Sicht völlig ausreichend. Ich denke, wir brauchen kein Sonderrecht für die Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch.
Ich hoffe sehr, wir finden im Ausschuss eine Lösung, wie wir mit diesem schwierigen Thema umgehen. Wir GRÜNE wissen, wie schwierig dieses Thema ist; nicht nur in unserer Partei wird es sehr engagiert diskutiert. Wir wissen auch, dass die Haltung zu diesem Thema in den verschiedenen politischen Parteien sehr unterschiedlich ist. Ein Beispiel dafür haben wir heute schon gehört. Wir würden uns freuen, wenn wir dazu beitragen könnten, im Konsens eine Lösung zu finden und Brücken für eine Entscheidung zu bauen, die nicht einfach ist und die wir in der Gesellschaft gemeinsam treffen müssen.