Protokoll der Sitzung vom 14.12.2017

dass alle jungen Menschen ihre Talente entfalten können. Das ist unser Ziel.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage ganz bewusst, das ist ein Ziel, das noch nicht in jedem Fall erreicht ist. Deswegen sagen wir: Unser Ziel ist es, keinen zurückzulassen. Unser Ziel ist es, diejenigen besonders zu fördern, die von Haus aus schlechtere Startchancen mitbringen. Dazu muss man allerdings sagen, wir wollen auch diejenigen besonders fördern, die mit besonderen Talenten gesegnet sind.

(Manfred Pentz (CDU): Auch das!)

Aber da wir gerade bei den Startchancen sind: Es ist in der Tat eine Daueraufgabe, darauf hinzuarbeiten, dass Kinder, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft und unabhängig von dem, was sie von zu Hause mitbringen, die gleichen Bildungschancen haben. Das ist für uns Bildungsgerechtigkeit, und das ist der Anspruch an die Bildungspolitik, den wir hier stellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

In der Enquetekommission zur Bildungspolitik ist das auch so herausgearbeitet worden. Der Sachverständige Prof. Dr. Spitzer hat das, als es um den Spracherwerb ging, wie folgt zusammengefasst – ich zitiere –:

Der Unterschied zwischen einem Oberschicht- und einem Unterschichtkind sind 30 Millionen Wörter bei Schulanfang. Diese hat das Oberschichtkind mehr gehört als das Unterschichtkind.

Das ist der Grund, warum wir sagen, dass sich die Bildungspolitik insbesondere um die kümmern muss, die mit schlechteren Chancen in der Schule starten.

Von daher haben wir GRÜNE in dieser Koalition in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit der CDU besondere Akzente in diesem Bereich gesetzt.

(Beifall bei dem BÜNDNNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich möchte Ihnen nur ein paar Punkte vor Augen führen. Wir haben sowohl den Pakt für den Nachmittag als auch den Ganztagsschulausbau nach Profil 3 nach vorne gebracht. Wir haben den Ausbau – teilweise haben wir ihn auch zusammen mit der SPD verhandelt – so weit vorangebracht, dass kein Antrag auf Einrichtung einer Ganztagsschule zurückgestellt werden musste.

(Beifall bei der CDU)

Einen Widerspruch zwischen dem Pakt für den Nachmittag und dem Profil 3 gibt es in der Realität gar nicht.

Lieber Kollege Degen, wenn Sie hier aber den Pakt für den Nachmittag so nachdrücklich kritisieren und verdammen, frage ich Sie: Wieso haben Sie in dem Forderungspapier, das Sie dem Landtag heute vorgelegt haben, nicht die Abschaffung des Pakts für den Nachmittag vorgeschlagen? Wieso ist das keine Position, die die SPD vertritt?

Ich finde das, was Sie hier vertreten, ziemlich inkonsequent; denn Sie wissen, dass in der Praxis der Pakt für den Nachmittag auch von Kommunalpolitikern der SPD und von Eltern sehr wertgeschätzt wird. Von daher müssen Sie sich entscheiden, welche Position Sie hier vertreten wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir haben zur Verbesserung der Bildungschancen auch von sozial Schwächeren bei der sozial indizierten Lehrerzuweisung die Stellenanzahl verdoppelt. Das haben wir gemacht, weil wir wollen, dass die Schulen, die ein besonders herausforderndes Umfeld haben, auch besonders gefördert werden.

Wir haben 700 Stellen für Schulsozialarbeiter geschaffen. Wir haben 1.600 Stellen für die Deutschförderung geschaffen. Wir haben es mit der letzten Novelle zum Schulgesetz ermöglicht – Frau Faulhaber: Thema Gesamtschulen –, dass integrierte Gesamtschulen auf die äußere Differenzierung verzichten, und wir haben für die Schulen, die sich auf diesen besonderen Weg machen, den Klassenteiler auf 25 heruntergesetzt. Es gibt also auch dort eine besondere Förderung.

Das alles machen wir, weil wir wissen, wir haben dort noch einiges zu tun. Aber wir haben das klare Ziel: Bei uns sollen alle die gleichen Startchancen haben. Wir wollen alle Talente nutzen, die es in diesem Land gibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die SPD-Fraktion hat die Beantragung ihres heutigen Setzpunkts mit der IGLU-Studie begründet, zu der es – lieber Kollege Degen – aber noch gar keinen Ländervergleich gibt. Von daher ist es ein bisschen gewagt, daraus jetzt Schlussfolgerungen für die hessische Bildungspolitik zu ziehen. Aber bitte sehr.

Ich habe da auch eine andere Meinung als Kollegin Faulhaber, die sagte, dass solche standardisierten Tests per se abzulehnen seien. Ich freue mich, dass die SPD dies zumindest zum Anlass nimmt, einen Setzpunkt zu beantragen. Ich glaube nämlich, dass wir es unseren Schulen und uns selbst zumuten müssen, gelegentlich wissenschaftlich fundiert auf das zu schauen, was dort läuft, und darauf, was für Ergebnisse die Schulen zeitigen.

(Zurufe von der LINKEN)

Das, was dabei herauskommt, ist in der Tat diskussionswürdig.

Herr Kollege Degen, Sie haben den IQB-Bildungstrend selbst eingeführt. Daran zeigt sich eher die Widersprüchlichkeit Ihrer Argumentation, weil Hessen gerade im IQBBericht, was das Fach Deutsch angeht, besonders herausragend ist. Ich darf zitieren, dass die hessischen Viertklässler im Fach Deutsch besser abschneiden als der Durchschnitt der Länder. Von daher ist es nicht so richtig stimmig, was Sie hier vorgetragen haben. Da müssen Sie noch einmal nacharbeiten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Aber ich will es mir gar nicht so einfach machen und sagen: „Der IQB-Bildungstrend sagt das Gegenteil; da sind wir besser“, sondern ich sage: Wir müssen uns genau anschauen, was bei IGLU gemessen worden ist. – Ich habe den Anspruch an uns, dass wir genauer ins Detail schauen und unsere Bildungspolitik dahin gehend orientieren, dass wir sagen: Das Leseverständnis von Grundschulkindern muss besser werden. – Das ist der Anspruch, den ich habe. Ich glaube, dass es wert gewesen wäre, hierzu eine Debatte zu führen; denn ganz vieles von dem, was in der Presse

postuliert wurde, woran das gelegen haben mag, war mir etwas zu voreilig. Es wäre eine Debatte wert gewesen, wenn die SPD hierzu etwas hätte beitragen wollen, aber das haben Sie mit Ihrem Antrag nicht gemacht.

(Heike Hofmann (SPD): Wir haben konkrete Vorschläge gemacht!)

Ihre Rede war etwas ausgefeilter; ich habe wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass Sie das Modell eines anderen Bundeslandes angeführt haben – man kann sich einmal anschauen, was die dort anders machen –; aber ansonsten sind Sie mit Ihrem Antrag in keinem Punkt auf IGLU eingegangen. Es tut doch schon fast weh, wenn Sie behaupten, dass die Befreiung von Studiengebühren – ich bin sehr gegen Studiengebühren – irgendetwas mit dem Leseverständnis von Grundschulkindern zu tun habe. Daran merkt man doch, dass das nicht zusammenpasst. Von daher hat das, was Sie fordern, mit IGLU nichts zu tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Sie haben irgendeinen Aufhänger gebraucht für die Parole, die Sie sonst immer anführen, nämlich von allem etwas mehr zu fordern. Es ist schade, dass Sie sich nicht die Mühe gemacht haben, etwas mehr ins Detail zu gehen. Dies wäre eine Debatte wert gewesen; und es ist bedauerlich, wie wenig Sie ins Detail gehen wollen.

Ich will noch ein Weiteres sagen: Sie haben in vielen Punkten Ihres Antrags mal wieder gesagt, Sie wollten von allem etwas mehr. Das heißt, im Grunde genommen sind Sie mit dem, was CDU und GRÜNE auf den Weg gebracht haben, schon einmal einverstanden. Ihr einziges Rezept ist: Es könnte noch ein bisschen mehr sein. – Ich finde auch, mehr Geld in die Bildung zu geben, ist immer eine gute Angelegenheit; das ist gar keine Frage. Bloß – heute Morgen haben wir dazu die eine oder andere Diskussionsrunde gedreht, dass derjenige, der allen alles verspricht, am Ende nichts wird halten können; Herr Degen, das will ich Ihnen auch noch einmal gesagt haben – sind unsere finanziellen Mittel bedauerlicherweise begrenzt. Ich finde, Sie sollten sich bei Ihren bildungspolitischen Anträgen gelegentlich einmal überlegen, ob es neben der Forderung nach mehr Geld noch etwas gibt, womit Sie die Koalition an anderer Stelle herausfordern wollen, womit Sie vielleicht eine inhaltliche Initiative bieten könnten.

(Christoph Degen (SPD): Wir wollen vor allem etwas anderes!)

Diesbezüglich legen Sie wiederholt überhaupt nichts vor. Sie haben inhaltlich nichts zu bieten. Sie sagen: Was CDU und GRÜNE machen, ist richtig; wir würden noch mehr Geld hineingeben, von dem wir aber nicht wissen, woher es kommt. – Aber inhaltlich haben Sie nichts zu bieten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Gabriele Faulhaber (DIE LINKE): Nein, extra nein!)

Gerade die Kommentierung der IGLU-Studie hätte sich angeboten, einmal zu fragen: Was hat sich in den letzten zehn Jahren denn geändert? – Dazu ist dann gesagt worden: Na ja, Migration könnte damit etwas zu tun haben, sowie das geänderte Mediennutzungsverhalten. – Ich glaube aber, das ist alles unterkomplex; das reicht nicht.

(Gabriele Faulhaber (DIE LINKE): Ja, eben!)

Wir sollten schon genau fragen, was sich geändert hat. Das können Aspekte sein, aber das werden sicherlich nicht alle sein. Wir sollten auch fragen: Wie müssen wir darauf reagieren? – Das muss nicht immer nur mit mehr Geld sein, sondern die Frage ist doch inhaltlich zu stellen. Es ist zu fragen: Welche Innovationen brauchen wir in Bezug auf die Unterrichtsgestaltung und die Curricula? Was sind neue Aufgaben aufgrund eines geänderten Mediennutzungsverhaltens? Was sind aber auch Aufgaben, die letztendlich nur von den Eltern zu leisten sein werden? – Das wären Fragen, die Sie hätten stellen können. Aber noch nicht einmal diese Fragen haben Sie gestellt. Von daher sage ich Ihnen: Das, was Sie heute vorgestellt haben, war etwas unterkomplex.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich komme zum Schluss. Für uns GRÜNE ist klar: Es ist unser Ziel in der Bildungspolitik, allen Schülerinnen und Schülern beste Bildungschancen zu bieten, und zwar unabhängig von ihrer Herkunft. Das ist eine Daueraufgabe, da werden wir noch vieles zu tun haben. Aber mit dem, was wir auf den Weg gebracht haben, können wir uns durchaus sehen lassen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Greilich für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde, dieses Thema ist ein sehr wichtiges und erhebliches Thema. Deswegen will ich einmal versuchen, etwas anderes zu tun als einige meiner Vorredner, die gemeint haben, man müsse hier wieder den üblichen Schlagabtausch und eine Polarisierung vornehmen. Ich denke, dieses Thema ist es wert, dass man etwas mehr auf die Sache schaut.

(Beifall bei der FDP – René Rock (FDP): Das war schon einmal sehr staatstragend!)

Deswegen will ich noch einmal auf das zurückkommen, was eigentlich die Grundlage des SPD-Antrags war, nämlich die Ergebnisse der IGLU-Studie aus dem Jahr 2016, die Anfang Dezember vorgestellt wurden. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Frau Dr. Susanne Eisenmann, die Kultusministerin in Baden-Württemberg, wies darauf hin – ich zitiere –:

Die Ergebnisse bestätigen tendenziell das, was wir aus dem im Oktober 2017 veröffentlichten IQB-Bildungstrend 2016 bereits wissen: Die zunehmend heterogene Schülerschaft stellt die Grundschulen in Deutschland vor große Herausforderungen. Der internationale Vergleich zeigt, dass es einer Reihe von Staaten im Grundschulbereich besser gelingt, die Leseleistungen zu verbessern. Diesen Fortschritt gilt es zu analysieren.

Und die Staatssekretärin für Bildung und Forschung, Frau Cornelia Quennet-Thielen fügt in ihrem offiziellen Pressestatement hinzu – auch das zitiere ich –:

Die Ergebnisse zeigen: Erfolg ist nicht selbstverständlich. Deutschland muss sich mehr anstrengen, damit die Leistungen der Grundschulkinder besser werden. Die Bildungsgerechtigkeit muss gestärkt und die Integration der Kinder mit Migrationshintergrund verbessert werden.

Meine Damen und Herren, diese Aussagen beschreiben einmal mehr die Aufgaben und Herausforderungen, die insbesondere im Grundschulbereich bewältigt werden müssen. Diese Ergebnisse zeigen auch, dass sich zwar die Leseleistungen nicht signifikant verschlechtert haben, sondern im Durchschnitt stabil sind und ungefähr das europäische Mittel treffen. Aber damit können wir uns – da sollten wir uns einig sein – nicht zufriedengeben.