Protokoll der Sitzung vom 01.02.2018

(Beifall bei der FDP)

Ich habe auch Vertrauen zu den Gewerkschaften in unserem Land. Es wird immer gern gesagt, die Freien Demokraten und die Gewerkschaften seien wie Feuer und Wasser. Das würde ich so nicht im Raum stehen lassen wollen. Wir respektieren die Arbeit der Gewerkschaften, weil die Gewerkschaften in unserem Land sehr viel dazu beigetragen haben, dass wir eine gute Lohnfindung, eine wettbewerbsfähige Industrie sowie überhaupt noch eine Industrie haben. Jeder kluge Gewerkschafter weiß ganz genau, dass er, wenn er seine Forderungen überzieht, an dem Ast sägt, auf dem er selbst sitzt.

(Manfred Pentz (CDU): Stimmt!)

Daher sollten wir den Tarifpartnern vertrauen.

(Beifall bei der FDP)

Wir tun das. Wir wissen, der Staat hat auch Herausforderungen zu bewältigen. Diese müssen wir für uns definieren. Das ist unsere Aufgabe im Landtag. Daher stehen wir dazu, dass Aufgaben des Staates auch Aufgaben des Staates bleiben und dass Aufgaben der Unternehmen auch Aufgaben der Unternehmen bleiben müssen. Wir respektieren die Tarifautonomie, und darum bedauern wir, dass Sie diese Debatte wieder dorthin geführt haben. Aber wir haben kein Problem, unsere Meinung zu sagen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Staatsminister Grüttner. Bitte schön, Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wann immer es in einer Branche oder in einem Bereich einen Streik gibt, fehlt der Antrag der LINKEN nicht – sei es in Form eines Antrags in Aktueller Stunde oder eines anderen Antrags, mit dem Sie denjenigen ihre Solidarität aussprechen, die streiken. So ist es auch klar, dass angesichts der Warnstreiks der IG Metall eine solche Aktuelle Stunde zum jetzigen Zeitpunkt nicht überraschend kommt.

(Janine Wissler (DIE LINKE): So ist es!)

Es ist schon deutlich gemacht und klar gesagt worden, welche Bedeutung die Koalitionsfreiheit und die Tarifautonomie in unserem Land sowie der grundgesetzliche Schutz von Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie haben. Ganz spannend in Bezug auf den Beitrag des Kollegen Decker ist, dass er dargelegt hat, welche Fortschritte oder Ergebnisse aufgrund von Streiks erzielt worden sind – sei es die 35-Stunden-Woche, seien es Tariferhöhungen, Lohnerhöhungen und anderes. Sie waren immer das Ergebnis der Auseinandersetzungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Die Politik tut gut daran, sich aus diesen Verhandlungen herauszuhalten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Decker (SPD): Genau, das war mein erster Satz!)

Insofern ist vollkommen klar: Als Mitglied der Landesregierung vermag ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu kommentieren – ich darf es auch nicht –, ob die Forderungen

der Gewerkschaften für alle Beschäftigten sinnvoll, ob sie im Rahmen der gegenseitigen Rücksichtnahme und des Miteinanders der Tarifpartner und zum Wohle aller Beschäftigten sind. Ich kann allerdings sagen, dass es bereits jetzt gesetzliche Regelungen zur temporären Arbeitszeitverkürzung gibt – sei es im Pflegegesetz oder durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz.

Ob die Forderung nach einer Verkürzung der Arbeitszeit auf 28 Stunden für einen begrenzten Zeitraum mit Lohnausgleich anderen Beschäftigten gegenüber diskriminierungsfrei ist, darf und kann ich nicht kommentieren. Wer für diesen Lohnausgleich aufkommen soll, ob das die Unternehmen selbst sind, ob es die Beschäftigten untereinander mittels teilweisen Lohnverzichts oder der Staat sein wird, auch das liegt nicht im Zuständigkeitsbereich des Landes Hessen – einerseits aufgrund der Tarifautonomie, andererseits durch die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Arbeits- und Tarifrecht. Was ich aber sagen kann, ist, dass wir in Zeiten eines erhöhten Fachkräftemangels sehr klug miteinander umgehen müssen und die Wirtschaft und damit unsere Lebensgrundlage nicht schwächen dürfen, damit die Zukunft des Landes Hessen nicht gefährdet wird. Das kann ich sagen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Angesichts der Vollbeschäftigung, des Konkurrierens der Unternehmen um Fachkräfte geht es auch darum, dass wir alle Unternehmen stärken müssen. Im Hinblick auf die Belange, die die Arbeitnehmer in die Tarifautonomie einbringen, haben auch die Arbeitgeber das Recht, ihre Belange mit einzubringen. Das ist das Wesen von Tarifauseinandersetzungen. Insofern ist es vollkommen klar: Die Forderung nach der Reduzierung der Arbeitszeit, ohne dass auf der anderen Seite die Arbeitszeitvolumina erhöht werden, geht mit dem Verlust von Produktivität einher. Das ist für Unternehmen, die eine volle Auslastung haben, ein existenzielles Problem und kann letztendlich den Erfolg eines Unternehmens gefährden. Am Ende, bei der Gefährdung des Erfolgs eines Unternehmens, leiden alle – hierunter leidet der Staat, hierunter leidet das Unternehmen, aber in allererster Linie leiden die Arbeitnehmer, die dann keinen Arbeitsplatz mehr haben. Dieser Verantwortung müssen sich beide Seiten auch in einer Tarifauseinandersetzung bewusst sein.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Grüttner. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich stelle fest, dass diese Aktuelle Stunde damit abgehalten wurde.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 56 auf:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Eintracht statt Ausgren- zung – Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung in Hessen braucht starke Stimmen aus der Zivilgesell- schaft) – Drucks. 19/5978 –

mit Tagesordnungspunkt 57:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend eine Aktuelle Stunde (Peter Fischer, Präsident von Eintracht Frank- furt, zeigt Courage, dafür verdient er den Respekt hes- sischer Bürgerinnen und Bürger) – Drucks. 19/5979 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt 7,5 Minuten. Als erster Redner hat sich Herr Kollege Frömmrich vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet. Bitte, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Hessen ist ein weltoffenes und tolerantes Land. Wir stehen damit in guter Tradition von Georg August Zinn, der einmal gesagt hat: „Hesse ist, wer Hesse sein will.“

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Wir fügen aber noch hinzu: Wir fragen nicht, wo du herkommst, sondern wo du hin willst. – Deshalb sagen wir auch ganz klar: Wir treten entschieden denen entgegen, die Hass und Gewalt, Rassismus und Diskriminierung verbreiten. Ich hoffe, dass wir in dieser Frage in diesem Hause auch eine Eintracht haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der SPD)

In Hessen leben Menschen unterschiedlichster Nationen, Religionen und Hautfarben, Menschen mit unterschiedlichsten Lebensentwürfen, die unterschiedlichste Einstellungen haben. Wir sagen all denen, die hier die ewiggestrigen Theorien verbreiten: Wir haben Frankfurt als Bankenmetropole. Es ist der Standort der Europäischen Zentralbank und der Sitz internationaler Institutionen. Wir haben den Flughafen als internationales Drehkreuz. Wir haben Darmstadt mit der ESA und ESOC, mit der Technischen Hochschule und mit vielen Studenten aus vielen unterschiedlichen Ländern dieser Welt. Wir haben Kassel, den documenta-Standort, mit wichtigen Museen, mit einer Universität und mit großen Unternehmen; alles ist international aufgestellt. Hessen lebt mit und von Vielfalt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Deshalb kann in Hessen auch kein Platz für Rassismus und Diskriminierung sein. Aus diesem Grund, auch der Titel dieser Aktuellen Stunde „Eintracht statt Ausgrenzung – Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung in Hessen braucht starke Stimmen aus der Zivilgesellschaft“ verdeutlicht dies, brauchen wir eine starke Stimme aus der Zivilgesellschaft; und ein Verein wie die Eintracht Frankfurt mit 50.000 Mitgliedern ist diese starke Stimme, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Die Eintracht macht gerade Schlagzeilen – einmal wegen des guten Tabellenplatzes, Platz 4 in der Bundesliga, worüber wir uns natürlich alle freuen, aber auch weil die Eintracht klare Kante gegen Rassismus und Diskriminierung zeigt. Das ist für uns ein gutes Zeichen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Es ist gut, dass sich große Vereine in dieser Form positionieren.

Der Kampf gegen Diskriminierung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, also eine Aufgabe von Politik und Zivilgesellschaft. Dazu gibt es in ganz Hessen vielfältige Initiativen und Programme. Der Beitritt zur Koalition gegen Diskriminierung im Jahr 2014 war ein wichtiger Schritt. Wir haben eine Antidiskriminierungsstelle im Sozialministerium eingerichtet. Wir haben Kai Klose als Staatssekretär und Bevollmächtigten für Integration und Antidiskriminierung.

Wir brauchen aber vor allem die vielen Menschen, die sich ehrenamtlich in Vereinen und Verbänden organisieren und engagieren. Wir brauchen die Zivilgesellschaft als Multiplikator, der diesen Kampf auch in die Gesellschaft trägt. Deshalb ist es wichtig, dass gerade sie sich auch äußert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es ist gut, dass sich ein großer Verein wie die Eintracht mit 50.000 Mitgliedern, aber auch andere Vereine wie der BVB, der HSV und St. Pauli in dieser Frage klar positionieren und ein Bekenntnis gegen Rassismus und Diskriminierung setzen.

(Holger Bellino (CDU): Auch Bayern!)

Die Eintracht zieht damit auch klare Konsequenzen aus der eigenen Geschichte des Vereins. Wenn man die Geschichte des Vereins betrachtet, erklärt sich, dass auch dies die klare Haltung begründet. Die klare Haltung ist ein Auftrag und eine Verpflichtung zugleich. Der Auftrag kommt aus der heutigen Vereinssatzung, und die Verpflichtung ist denen geschuldet, die während der Nazidiktatur verfolgt und ermordet wurden. Nach der Machtergreifung der Nazis, 1933, wurden Spieler und Funktionäre jüdischen Glaubens aus dem Verein entfernt. Sie mussten untertauchen, sie mussten flüchten. Viele von Ihnen wurden in den KZs der Nazis drangsaliert und kamen dort um.

Deshalb heißt es in der Satzung des Vereins auch: gegen Ausgrenzung, Demütigung, Herabsetzung und Diskriminierung. Der Verein hat damit ein klares Bekenntnis aus den Lehren der Nazidiktatur gezogen. Deswegen ist es auch gut, dass man sich so positioniert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Es ist gut, dass der Verein seine Stimme so laut gegen Rassismus und Diskriminierung erhebt. Eine laute Stimme der Zivilgesellschaft, genau das ist es, was wir gegen Intoleranz, Antisemitismus und Ausgrenzung brauchen. Das ist ein hörbares Signal. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, das ist ein gutes Zeichen.

Wir leben in einer gefestigten Demokratie. Wir verteidigen die Meinungsfreiheit, wir verteidigen die Prinzipien unseres Wahlrechts: frei, gleich und geheim. – Natürlich kann ein Verein sagen, dass er keine Mitglieder haben will, die diese Grundsätze unserer Verfassung infrage stellen, die Hass, Gewalt und Ausgrenzung das Wort reden. Deswegen hat sich der Verein auch so klar positioniert.

Sport verbindet. Sport integriert. Sport trägt zum Verständnis der Kulturen bei. Die Integrationskraft des Sports ist enorm. Wir nutzen diese Integrationskraft des Sports in vielfältiger Art und Weise.

Weil der Vereinssport so vielfältige Angebote macht, weil dort viel ehrenamtliches Engagement unterwegs ist, weil viele Menschen zu Spitzensportlern, zu Profisportlern aufschauen, ist es wichtig, dass sich auch Vereine, die Spitzensport im Programm haben, so klar und eindeutig gegen Rassismus und Diskriminierung positionieren.

Aber auch die Spieler, Trainer, Vorstände, Manager tun das. Damit geben sie der Zivilgesellschaft eine klare und laute Stimme. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Unterstützung brauchen wir im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU, der SPD und der LINKEN)