Das Zweite ist, liebe Kollegin Wissler: Die in Hessen bestehenden Wert- und Freigrenzen für die Durchführung von freihändigen Vergaben bis 100.000 € beschränkte Ausschreibung, bis 1 Million € für Bauleistungen, bis 207.000 € für Lieferungen und Leistungen haben sich aus meiner Sicht bewährt. Das sehen die Vergabestellen des Landes so, das sehen die Vergabestellen der Kommunen so, und das sehen auch die Unternehmen so.
(Hermann Schaus (DIE LINKE): Schauen Sie doch einfach mal nach oben, dann sehen Sie das Kopfschütteln der Betroffenen! – Zuruf von der CDU)
Warten Sie doch mal ab. – Im Baubereich gilt sowieso etwas ganz anderes, Stichwort: Entsendegesetz und Allgemeinverbindlichkeit. Wir reden über das gesamte Vergabegesetz, Herr Schaus. Das haben Sie vielleicht bei dem Gesetzentwurf, den Sie eingebracht haben, nicht verstanden.
Der nächste Punkt ist die Frage zum Mindestlohn. Sie fordern so etwas wie einen eigenen Landesmindestlohn in Höhe von 12 €, der dann aber nur für die öffentlichen Vergaben gelten soll.
Ich will an dieser Stelle sagen: Vergabeverfahren machen nicht an den Grenzen Hessens halt. In Hessen sind wir umzingelt von Deutschen ohne Zugang zum Meer. Wir haben in vielen Bereichen, auch aus Nachbarbundesländern, Unternehmen, die sich beteiligen mit allem, was dazugehört. Ich glaube, ein hessischer Mindestlohn, der dann nur bei öffentlichen Auftragsvergaben gilt, würde an dieser Stelle im Bundesgebiet zu einem Flickenteppich von vergaberechtlichen Forderungen und Regelungen beitragen.
Ich befürchte, dass in der Konsequenz dazu – wegen einer ziemlich unklaren Rechtslage – viele Bieter nicht mehr bereit wären, an öffentlichen hessischen Auftragsvergaben teilzunehmen. Ob das sinnvoll wäre, kann sich jeder selbst überlegen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich bin mir sicher, dass das, was wir gemacht haben, richtig ist, indem wir uns nämlich auf das Bundesmindestlohngesetz bezogen haben. Sie wissen, dass die Kommission, in der Wirtschaft, Politik und Gewerkschaften vertreten sind, in diesen Fragen munter diskutiert. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass angesichts der Reallohnentwicklung insgesamt bald der nächste Schritt der Anhebung des Mindestlohns bevorsteht.
Ich muss an dieser Stelle zum Mindestlohn generell anmerken: Herr Lenders, all das, was vorher so gesagt worden ist, was angeblich alles zusammenbricht, hat sich in der Realität nicht bewahrheitet. Das gehört zur Wahrheit dazu.
Ein letzter Punkt zu Ihrem Gesetzentwurf. Darin stehen auch ein paar Sachen, bei denen man sich überlegen muss, wie es in der Wirklichkeit umgesetzt würde. Wenn Sie z. B. schreiben, man solle bei der Bewertung der Wirtschaftlichkeit der Angebote die volkswirtschaftlichen Kosteneinsparungen bewerten, muss man bedenken: Das ist ein Gesetz, das auch für 423 Städte und Gemeinden in Hessen gelten würde. Ich stelle mir einen Mitarbeiter in einer kleinen Gemeindeverwaltung vor, der dann die volkswirtschaftlichen Kosteneinsparungen anwenden soll bei der Frage, welches Angebot einen Zuschlag bekommt. Denken Sie das bitte einmal in der Realität. Meine Damen und Herren, so funktioniert es nicht.
Dann zur Prüfbehörde. Ich will Ihnen an dieser Stelle sagen: Ja, wir haben lange darüber gestritten. Wir haben uns für den Weg des subjektiven Rechtsschutzes entschieden. Das bedeutet, die Nachprüfungsstellen werden dann tätig, wenn ein Bieter das beantragt, wenn also dieser eine Rechtsschutzverletzung durch den Auftraggeber geltend macht.
Darüber kann man reden. Wir werden auch darüber reden. Wir haben unter anderem deshalb die Bewertung vorgesehen. Frau Kollegin Barth, manchmal ist es so, dass ein Blick ins Gesetz die Rechtsfindung erleichtert. In § 21 steht – da wird übrigens auch erklärt, wer was zu überprüfen hat; da sind auch die unterschiedlichen Ministerien aufgeführt –, dass „die Auswirkungen der Tariftreueregelung nach § 4 … nach einem Erfahrungszeitraum von drei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes durch die Landesregierung überprüft“ werden.
Das Gesetz ist am 1. März 2015 in Kraft getreten. Damit sind die drei Jahre seit dem 1. März 2018, also seit drei Wochen, um. Zur Wahrheit gehört: Der ÖPNV-Teil ist im September 2015 in Kraft getreten. Damit sind die drei Jahre in diesem Bereich erst dann um. Nach diesem Erfahrungszeitraum beginnen wir mit der Auswertung der Erfahrungen. Wie könnte man zu einer Bewertung kommen, wenn man schon vor Ablauf des Erfahrungszeitraums weiß, wie die Erfahrungen sind? Das ist denklogisch unmöglich.
Moment. – Im nächsten Absatz des Paragrafen steht dann, wer für was zuständig ist. Da steht dann „das für das Tarifwesen zuständige Ministerium“, dann wird das für „das öffentliche Auftragswesen zuständige Ministerium“ erwähnt und auch das „für den öffentlichen Personennahverkehr zuständige Ministerium“. – Für das Tarifwesen zuständig ist das Sozialministerium, sonst niemand.
Insofern sage ich: Das wird ausgewertet, ganz klar. Aber das Ergebnis kann denklogisch noch nicht da sein, wenn die drei Jahre Erfahrungszeitraum gerade erst um sind.
Jetzt zu den Punkten, über die vor allem öffentlich berichtet wurde. Sie merken, alles hat mit vielem zu tun. Ich will an dieser Stelle nur so viel sagen: Der öffentliche Sektor ist für vieles verantwortlich, aber er ist nicht der Hauptauftraggeber im Baubereich, über den vor allem berichtet wird. Er ist ein Auftraggeber. Er ist kein unwichtiger Auftraggeber. Aber er ist nicht der Hauptauftraggeber.
Das heißt, für die Gesamtsituation auf dem Bau ist nicht die öffentliche Hand alleine verantwortlich. Die weit überwiegende Anzahl der Baumaßnahmen wird nicht vom Land oder von den Kommunen in Auftrag gegeben, sondern von Privaten, egal ob es um Wohnungen oder, noch viel mehr, um Gewerbebauten geht.
Was muss man also tun? – Man muss dafür sorgen, dass die geltenden Regeln angewandt werden, und zwar nicht nur im öffentlichen Bereich, sondern insgesamt. 2016 hat die SOKA-BAU Durchschnittslöhne veröffentlicht und kam auch da zu der Aussage, dass es in Hessen unterdurchschnittlich sei. Ich habe daraufhin den Bundesfinanzminister angeschrieben und die Frage gestellt, wie es um die Kontrollen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, also des Zolls, auf hessischen Baustellen im Vergleich zu anderen Bundesländern bestellt ist. Die Antwort kam, dass die Kontrollen im Durchschnitt liegen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann Ihnen nur sagen: Ich bin sehr dafür, dass wir an dieser Stelle mehr kontrollieren. Das hat aber nichts mit einer Prüfbehörde allein für den öffentlichen Bereich zu tun. Das hat etwas damit zu tun, dass wir auf den Baustellen durch den Zoll dafür sorgen, dass die geltenden Regeln, egal ob im öffentlichen oder im privaten Bereich und egal in welchem Bundesland, angewandt werden.
Ich bin gespannt – ein kurzer Blick in Richtung SPD –; denn seit letztem Mittwoch ist Olaf Scholz dafür zuständig. Die erste Amtshandlung war, glaube ich, unbesetzte Stellen beim Zoll in Richtung Ministerium umzuschichten. Das ist nicht das, was ich mir vorgestellt habe. Aber das wird sicherlich mit dem Bundeshaushalt korrigiert. Ich bin sehr dafür, dass es mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zolls gibt, die genau dafür sorgen, dass die Regeln eingehalten werden.
Ein zweiter Punkt – ich weiß, ich bin über der Redezeit –, der mir noch wichtig ist. Es geht an dieser Stelle bei aller Wichtigkeit dessen, was im staatlichen Bereich passiert, vor allem darum, dass wir Regeln setzen, dass die Regeln von staatlicher Seite aus umgesetzt werden, dass wir aber vor allem auch dafür sorgen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Lage versetzt werden, ihre Rechte wahrzunehmen, wenn ihnen etwas Schlechtes geschieht. Deswegen ist der Baubereich mit einer der Ersten gewesen, in dem es eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung gab, weil da die Konkurrenz immer schon am größten war und weil da am Ende die Macht der Gewerkschaften gerade im Sinne europäischer Entsendungen beschränkt war.
Ich habe damals mit Kollegin Buntenbach darüber diskutiert, was wir dafür tun können, damit gerade die ausländischen Arbeitnehmer, die weder der deutschen Sprache mächtig sind noch sich im deutschen Rechtssystem auskennen, in die Lage versetzt werden, ihre Rechte wahrzunehmen.
Schauen Sie einmal: Das ist der Flyer der Beratungsstelle, die in Frankfurt im Gewerkschaftshaus sitzt. Er fängt an mit Willkommen, Welcome, Bun venit, Witamy und – mein Kyrillisch ist nicht so gut – Dobre doshul; das ist bulgarisch. Das finanziert das hessische Sozialministerium mit, weil wir der Auffassung sind, dass wir an dieser Stelle die Gewerkschaften dabei unterstützen müssen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nicht bei ihnen organisiert sind, in die Lage zu versetzen, sich zu wehren, wenn sie unfair behandelt werden. Daher auch das Wort „Faire Mobilität“.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein letzter Punkt. Das Allerwichtigste, was in diesem Bereich passiert ist, hat hier keiner erwähnt. Vor drei Wochen hat man sich auf europäischer Ebene über eine Neufassung der Entsenderichtlinie verständigt. Dort hat man sich unter anderem darauf verständigt, dass in Zukunft das Prinzip gelten soll: gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort, und zwar nicht nur im Baubereich, sondern auch in Bereichen, in denen teilweise noch ganz andere Zustände herrschen – Stichwort: Pflege, Landwirtschaft, aber auch Schlachtereien.
Es ist eine Einigung zwischen Europaparlament, Ratspräsidentschaft und EU-Kommission. Man hat sich darauf verständigt, in Zukunft Entsendungen zu befristen, d. h., sie nicht für ewig zu ermöglichen. Das wird noch viel Kampf werden, weil die Haltung, die Polen, Rumänien und Bulgarien dazu haben, eine ganz andere ist als die, die wir haben.
Aber ich glaube, dass für die Frage von fairen Arbeitsbedingungen in ganz Europa diese Frage hundertmal entscheidender ist, ohne uns geringschätzen zu wollen, als die Frage, wie viele Aufträge das Land Hessen oder Kommunen in Hessen vergeben; denn das sorgt am Ende dafür, dass es für alle faire Bedingungen gibt, egal in welchem Bereich, übrigens auch egal in welchem Land.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen haben wir noch viel zu tun. Einfach ist es nicht, aber der Gesetzentwurf der Linksfraktion hilft uns da nicht weiter.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Frau Kollegin Wissler von den LINKEN hat sich zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich ein paar Dinge hier nicht so stehen lassen möchte. Deswegen möchte ich zu ein paar Punkten Stellung beziehen, angefangen bei Ihnen, Herr Minister. Sie haben gesagt, vergabespezifische Mindestlöhne, das gehe nicht, das gebe einen Flickenteppich, das könne man nicht machen.
Ja, ich habe es richtig verstanden: auf Landesebene. – Sie sagten, das könne man nicht machen. Ich will Sie darauf hinweisen, dass es drei Bundesländer gibt, die einen vergabespezifischen Mindestlohn in ihren Vergabegesetzen haben. Das ist Berlin, das ist Schleswig-Holstein. Frau Schwesig hat zumindest angekündigt, dass die Koalition in Mecklenburg-Vorpommern das machen wird. Ich glaube, es ist nicht eingeführt. Denn da geht es gerade auch um den Schutz der Menschen, die in Bereichen arbeiten, in denen die Gewerkschaften schwächer sind. Dort hat die Tarifbindung abgenommen.
Das gibt es also sehr wohl. Offensichtlich ist das möglich. Man muss natürlich eines sagen: Wenn wir in Hessen über den Bau oder über die Tariflöhne im öffentlichen Personennahverkehr reden, dann sind das in der Regel Löhne, die ohnehin über 12 € liegen.
Ich komme zum Thema Schwellenwert. Herr Minister, die Europäische Union schreibt doch vor, ab wann ausgeschrieben werden muss. Aber sie schreibt doch nicht vor, dass man niedrigere Werte festlegen kann. Genau das haben andere Bundesländer gemacht. Wir haben in anderen Bundesländern niedrigere Schwellenwerte. Das haben wir in der Anhörung zu Ihrem Vergabegesetz gehört. Da wurde gesagt, in anderen Bundesländern sei ein Schwellenwert von 500 € festgelegt worden.
Von daher gibt es selbstverständlich keinen Hinderungsgrund, einen niedrigeren Schwellenwert festzulegen. Wenn man 10.000 € festlegt, wie das im Vergabegesetz der Fall ist, dann weiß man, dass 80 % der Aufträge damit faktisch