Protokoll der Sitzung vom 22.03.2018

Verantwortlich sind wir ganz klar für Geld in den Kassen, also für die finanzielle Ausstattung der Kommunen. Diese haben wir in den letzten Jahren wirklich deutlich verbessert: mit dem Schutzschirm zur Entschuldung, mit dem Kommunalinvestitionsprogramm KIP, mit KIP II, dem Zweiten Kommunalinvestitionsprogramm, also der Stärkung der Schulinfrastruktur. Auch sind die KFA-Mittel, die an Gemeinden im ländlichen Raum fließen, gestiegen, und zwar von 2009 bis 2016 von 546 Millionen auf 746 Millionen €. Wir haben in den KFA zwei Ergänzungsansätze eingeführt, die nur Kommunen im ländlichen Raum zugutekommen. Auch gibt es z. B – das muss man auch erwähnen – das Förderprogramm Interkommunale Zusammenarbeit. Damit fließen 90 % der Mittel tatsächlich in den ländlichen Raum, in die Kommunen im ländlichen Raum. Das sind etwa 15 Millionen €.

(Norbert Schmitt (SPD): Der Monopolzuschlag für Frankfurt sagt mehr aus als diese ganzen Ansätze!)

Mit dem Investitionsprogramm Hessenkasse machen wir so weiter. Von diesem Investitionsprogramm profitieren vor allem strukturschwache oder finanzschwache Kommunen, und diese liegen oft im ländlichen Raum.

In dieser Woche haben wir die neuesten Finanzierungssalden bekommen. Im Jahr 2017 übersteigt der Saldo zum ersten Mal die Einmilliardengrenze. Im Jahr 2010 betrug

der Finanzierungssaldo aller hessischen Kommunen minus 2,2 Milliarden €. Das heißt, 75 % der kreisangehörigen Kommunen erwirtschaften jetzt Überschüsse. Wenn man das alles zusammen betrachtet, muss man doch konstatieren: Die finanzielle Situation der Kommunen im ländlichen Raum hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Allein die Gebührensteigerung von 620 Millionen €, die die Bürger jetzt mehr zu zahlen haben!)

Ich sage es noch einmal: Wir brauchen Geld in den Kassen und Ideen in den Köpfen. Über das Geld in den Kassen habe ich eben gesprochen. In Bezug auf die Kassenlage sieht es gut aus.

Kommen wir einmal zu den Ideen. Wir sind davon überzeugt, dass dort, wo die Menschen auf Probleme stoßen, auch die Ideen entstehen, wie diese zu lösen sind. In den ländlichen Kommunen gibt es eine Vielzahl von solchen Ideen. Diese Projekte verbessern nicht nur die Daseinsbedingungen für die Bürgerinnen und Bürger, sondern die Orte werden so aufgewertet, dass sie wieder für Zuzügler interessant werden. Damit haben wir weitgehend positive Effekte. Wenn z. B. das letzte Lebensmittelgeschäft zugemacht hat und anstelle dessen ein Dorfladen entsteht – dafür haben wir viele Beispiele –, der ganz viele Funktionen erfüllt, wo man sich also trifft, wo eine Poststelle ist, wo man Kaffee trinken und ein paar Lebensmittel kaufen kann, dann ist das wirklich eine deutliche strukturelle Verbesserung. Das Dorf wird einfach attraktiver; und die Leute ziehen dort wieder hin, weil sie ein Angebot haben, das sie brauchen. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, solche Initiativen zu unterstützen, mit Fördergeld, mit Beratung und – das ist ganz wichtig – mit Vernetzung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Kommen wir einmal zu den Ideen. Es gibt z. B. die Idee der Gemeinde Lautertal im Vogelsbergkreis, die ein sehr langes Kanalnetz mit wenigen Anliegern hat. Wir wissen ja, das längste Kanalnetz hat die Gemeinde Schotten im Vogelsbergkreis und nicht Frankfurt, Wiesbaden oder Darmstadt. Das heißt, die Belastung der einzelnen Anlieger ist sehr hoch. Was haben die gemacht? – Sie haben gesagt: „Wir entwerfen ein Konzept“, und haben Ideen entwickelt, wie man in Zukunft eine dezentrale Abwasserbeseitigung machen könnte. Gefördert wird dies vom Land Hessen. Das ist genau der Punkt; das wurde im Rahmen des MORO-Programms, auch ein gefördertes Programm, gemacht.

Die Kommune setzt sich also hin und sagt: „Lasst uns einmal überlegen, wie wir für die Zukunft andere Lösungen finden“. Und wir fördern das – finanziell und mit Beratung. Dann entsteht Vernetzung; denn andere Kommunen haben das gleiche Problem. Wir wollen diese informieren und sagen: Hier gibt es eine gute Idee; das könnt ihr auch so machen. – Das ist Teil unserer Strategie zur Förderung des ländlichen Raums.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Sie hatten in Ihrer Anfrage auch nach Backhäusern gefragt. Sie hatten also gefragt, wie viele Backhäuser und wie viele größere Backöfen es noch gebe. Das ist eine interessante Frage; ich finde Backhäuser klasse. Im Dorfentwicklungs

programm werden beispielsweise Sanierungen von Backhäusern gefördert – z. B. in Willingshausen, Amöneburg und Ranstadt. Damit haben Sie eine kleine Antwort auf eine der Fragen.

(Kurt Wiegel (CDU): Und Frischborn!)

Und Frischborn. Danke, Kurt, das ist nämlich unser Heimatdorf.

Dann haben wir die Initiative: Kommunen schließen sich zusammen. Kommunen schließen ihre Verwaltungen zusammen und versuchen in ihren Verwaltungen, besser, effektiver und qualitativ hochwertiger zu arbeiten. Es haben sich vier Gemeinden zu einem Gemeindeverwaltungsverband zusammengeschlossen. Zum einen gab es hierfür vom Land Hessen eine IKZ-Förderung von 600.000 €. Darüber hinaus verbessern wir die Rahmenbedingungen oder schaffen sie überhaupt erst. Ein Problem war nämlich, dass die Gemeinden nach dem Personenstandsrecht die Standesamtsaufgaben nicht auf den Gemeindeverwaltungsverband übertragen konnten. Das musste bisher originär die Gemeinde machen. Ich danke Ihnen allen sehr, dass Sie in dieser Woche für die Veränderung des Personenstandsrechts im Gesetzentwurf gestimmt haben; denn genau dort verändern wir diese Sache. Wir ermöglichen jetzt, dass diese Aufgabe auch vom Gemeindeverwaltungsverband erfüllt werden kann. Auch hiermit unterstützen wir die Kommunen, wo wir dies können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielleicht noch ein paar Worte zur Mobilität im ländlichen Raum. Auch hier geht es vor allem darum, Initiativen, die vor Ort entstehen, zu unterstützen. Ich fand die Debatte vom letzten Mal, was die Mitfahrbänke anging, ein bisschen schräg, weil es so dargestellt wurde, als würden wir vom Landtag aus sagen: „Stellt euch doch Mitfahrbänke auf, und schaut mal, ob euch jemand mitnimmt.“

(Wiebke Knell (FDP): Ja, genau, Sie sitzen doch neben Herrn Al-Wazir!)

Es ist genau umgekehrt: Ich habe mehrere Anfragen von Kommunen, und diese fragen nach Förderung und Beratung für dieses Konzept. Ich sage Ihnen einmal, wie einfach das vor Ort passiert. Im Mittelzentrum sagen die Leute z. B.: „Okay, die Wallenröder wollen hier eine Mitfahrbank aufstellen.“ Die Wallenröder stellen die dann auf; und es kommt ein großes Schild dran mit „Wallenrod“. Dann sitzt dort manchmal jemand, und jemand kommt vorbei; denn im ländlichen Raum kennt man sich noch weitgehend. Das ist bürgerschaftliches Engagement, mehr nicht. Wenn wir die Anfrage bekommen, ob wir das unterstützen, machen wir das natürlich.

Das heißt aber nicht, dass wir das ersetzen. Wir ersetzen nicht den ÖPNV durch solche Konzepte. Wir werden im ländlichen Raum – da sind wir uns, glaube ich, alle einig – niemals ein Angebot von Bussen, S-Bahnen, U-Bahnen und vielleicht noch Flughäfen haben, wie wir das im Ballungszentrum haben. Dort ist es viel schwieriger. Wir haben ein Netz von ganz vielen Lösungen und Lösungsansätzen, und das werden wir weiterhin ausbauen und unterstützen, und zwar zusammen mit den Kommunen und deren Ideen, die sie vor Ort entwickeln.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Die Förderung des ländlichen Raums heißt für uns, Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Menschen vor Ort Möglichkeiten geben und sie unterstützen, ihre Initiativen und Ideen umzusetzen. Wenn die Menschen spüren, dass ihre Ideen Früchte tragen, dass sie wirklich zu einer Verbesserung im täglichen Leben führen, dann wächst auch das Gemeinschaftsgefühl, und zwar bei uns allen. Das heißt, es wächst die Überzeugung: Das Land hat Zukunft. – Daran werden wir weiterhin arbeiten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich erteile Frau Abg. Knell für die Fraktion der FDP das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Frau Kollegin Goldbach hat eben diese Broschüre beworben

(Die Rednerin hält eine Broschüre hoch.)

und einen Teil Ihrer Rede einfach wortwörtlich herauskopiert. Gerade die letzten Sätze sind wortwörtlich der Seite 5 der Broschüre entnommen.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Für eine Doktorarbeit hätte es nicht gereicht!)

Ich habe mir lustigerweise genau dieselben Sätze angestrichen, aber nicht, um sie zu zitieren und als positiv zu benennen, sondern genau im Gegenteil.

(Norbert Schmitt (SPD): Für eine Doktorarbeit hätte es nicht gereicht!)

Sie haben es gerade eben vorgelesen:

Förderung im ländlichen Raum heißt, Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Menschen vor Ort die Möglichkeit und den Freiraum geben, das Beste aus ihrer Lage zu machen.

Ich finde, das klingt nicht positiv. Das klingt so, als sei die Lage sehr bedauerlich und nicht so toll und als müsse für die Menschen erst einmal etwas geschaffen werden. Ich finde, das klingt nicht positiv.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Dann geht es weiter, das haben Sie eben auch vorgelesen:

Sobald die Menschen spüren, dass ihre Eigeninitiative zu Verbesserungen führt, dass dadurch andere zum Mitmachen bewegt werden und das Gemeinschaftsgefühl wächst, haben sie die wichtigste Nachricht verstanden: Das Land hat Zukunft.

Das klingt nett, das haben Sie so vorgetragen. Aber mit dieser Landesregierung hat der ländliche Raum keine Zukunft.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wir beraten erneut das Thema ländlicher Raum. Dieses Mal beraten wir das Thema auf

der Grundlage der Großen Anfrage der SPD. Herr Kollege Warnecke hat eben schon dargestellt, dass diese Große Anfrage älter ist und kürzer beantwortet wurde, in vielen Teilen gar nicht beantwortet wurde. Wir sind der SPD aber dankbar, dass sie mit ihrer Großen Anfrage etliche Zahlen auf den Tisch gebracht hat.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben das schon sehr schön erläutert. Zu den großen Zahlen müssen wir noch einmal zurückkommen, über die wir die letzten Male schon gesprochen haben. Sie feiern sich mit den 1,8 Milliarden € und behaupten, Sie investierten sie in den ländlichen Raum. Wir haben schon entlarvt, dass diese Rechnung eben nicht sauber ist.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Von diesen 1,8 Milliarden € sind allein 1,3 Milliarden € Mittel aus dem Kommunalen Finanzausgleich. Das ist keine Neuheit, das ist allenfalls kreative Addition, wenn man das nett formuliert.

(Heiterkeit bei der FDP und der SPD)

Meine Damen und Herren, die Fragen und die Antworten bieten eigentlich nicht die Gelegenheit, jetzt eine intensive Debatte um die Antworten zu führen. Ich nutze jedoch die Gelegenheit, um erneut über die Politik rund um den ländlichen Raum zu sprechen.

Die Interessen des ländlichen Raums drohen immer öfter zum ideologischen Spielball zu werden. Das betrifft sowohl die zum Teil vernachlässigte Verkehrs- und Dateninfrastruktur als auch Fragen der örtlichen Schul- und Gesundheitsversorgung, als auch die Zukunft unserer Kulturlandschaften, zu deren Erhaltung die Land- und Forstwirtschaft ebenso wie die Jagd und Fischerei einen wertvollen Beitrag leisten. Die Landesregierung leistet aber wenig, um diese Bereiche zu fördern.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger im ländlichen Raum ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben führen können, ohne Broschüren. Aus Sicht der FDP-Fraktion ist der ländliche Raum weitaus mehr als nur das Naturschutzgebiet und die Windkraftpotenzialfläche, wie es die GRÜNEN sehen.