Protokoll der Sitzung vom 23.05.2018

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Digitalisierung erfasst unverändert alle Lebensbereiche: ob Mobilität, Wohnen, Wirtschaft und Arbeit bis hin zum Kontakt zwischen dem Bürger und der öffentlichen Hand. Wenn die große Anhörung hier im Hessischen Landtag rund um das Thema Digitalisierung im letzten Jahr eines gezeigt hat, dann dies: Es wurde sehr deutlich, in wie vielen unterschiedlichen Bereichen wir in Hessen einen dringenden Nachholbedarf haben.

Herr Minister, Sie haben es in Ihrer Einbringungsrede schon gesagt: Sie sind schon lange an dem Thema dran – zumindest an dem Bemühen, überhaupt einen Gesetzentwurf vorlegen zu können. Ich kann aus Ihren Antworten auf diverse mündliche Fragen des Kollegen Dr. Wilken, auf die Fragen in meiner Kleine Anfrage aus dem März 2015 und auf andere Initiativen zitieren, wo Sie immer wieder betont haben: Wir sind an dem Thema dran; wir arbeiten daran, zum einen die Regelungen des Bundes zu übernehmen und zum anderen – Zitat – „weit darüber hinausgehende Themen aufzugreifen“. Herr Minister, wenn ich mir den vorgelegten Gesetzentwurf anschaue, dann muss ich sagen, Sie haben zumindest den zweiten Teil Ihrer Ankündigung leider nicht wahr gemacht.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Um Verfahrensbestimmungen analog zu denen des Bundes zu formulieren, braucht man diese lange Vorlaufzeit eigentlich nicht. Es wäre aber spannend geworden, andere Themen anzupacken, z. B. die Implementierung eines Lebenslagen-Modells im Bürger-Staat-Verhältnis und die Orientierung der Verwaltung an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger statt am Zuständigkeitsprinzip gemäß der Verwaltungshierarchie.

Ich freue mich – vielleicht im Gegensatz zum Kollegen Greilich –, wenn der Bund diese Themen aufgreift und uns ein Stück weit hilft, an der Stelle voranzukommen; denn ganz ohne Hilfe aus Berlin scheint es in Hessen nicht voranzugehen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren der FDP-Fraktion, Sie beschreiben in Ihrem Antrag völlig richtig, dass das Handeln der Landesregierung im Bereich E-Government völlig unambitioniert ist. Daran ändert der vorgelegte Gesetzentwurf in der Tat nichts. Ich würde die Aussage aber noch weiter fassen: Nicht nur beim Thema E-Government ist das Handeln der Landesregierung unambitioniert.

Meine Damen und Herren von der Koalition, wenn Sie schon nicht auf uns hören, wenn wir Ihnen Hilfestellungen anbieten, um in diesem Bereich voranzukommen, dann schauen Sie doch einmal in andere Bundesländer. Schauen Sie nach Baden-Württemberg, das mit einem digitalen Zukunftsfonds die Kommunen, die mit Abstand die meisten Bürger-Staat-Kontakte haben, beim Thema „Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung“ voranbringt. In diesem Bereich gäbe es wirklich viel zu erledigen. Die „Smart City Cloud“ und digitale Bürgerkontos sollen vermeiden, dass man mehrmals zu Behörden gehen muss. Die Verwaltung soll sich an den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer orientieren und sich auf diese einstellen. Bei uns in Hessen fehlen leider solche Ansätze. Wieder einmal fehlt beim Handeln der Regierung das, was eigentlich nötig wäre.

(Beifall bei der SPD)

Ich will jetzt nicht zu sehr in die Details gehen. Wir werden bei der Anhörung sicher noch viele Themen aufrufen, z. B. die Frage, warum Sie Bescheide, die Sie online zustellen, nach zehn Tagen von der Plattform löschen, statt sie in einer Cloud dauerhaft abrufbar zu speichern. Über alle diese Fragen können wir diskutieren.

Frau Kollegin Heitland, Sie haben das Thema E-Justice angesprochen. Auch hierzu empfehle ich Ihnen das Protokoll der Anhörung im Hessischen Landtag zu dem Thema. Der Anwaltverein und andere Anzuhörende haben damals deutlich gemacht, dass es völlig lächerlich ist, dieses Thema ins Schaufenster zu stellen, weil in diesem Land die Infrastruktur in der Fläche gar nicht vorhanden ist, die notwendigen Datenmengen zu transportieren.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Sie haben im Gesetzentwurf ganz wichtige Dinge geregelt, z. B. dass Behörden künftig eine eigene Internetseite haben müssen. In § 7 geht es um die elektronische Aktenführung. Herr Minister, wenn Sie erwähnen, dass Sie schon ganz lange an dem Thema dran sind, empfehle ich Ihnen, auf dem Feld ganz kleine Brötchen zu backen. Wenn nämlich das Thema E-Akte in Hessen eines gezeigt hat, dann die Tatsache, dass Sie das nicht auf die Kette bekommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der FDP)

Ein Gesetzentwurf entledigt Sie in der Tat nicht guten Handelns. Davon sind Sie aber noch meilenweit entfernt. Das wundert mich aber nicht wirklich. An der Spitze der Landesregierung steht nämlich ein Ministerpräsident, der sich noch heute rühmt, noch nie in seinem Geschäftsleben

mit E-Mail-Kontakten zu tun gehabt zu haben, der keinen Rechner brauche, und Ähnliches mehr.

(Zurufe von der CDU)

Am Ende des Tages ist daher klar: Wer mit einer solchen Haltung an das Thema herangeht, der zeigt, dass er weder verstanden hat, was es mit dem Thema Digitalisierung in der Verwaltung auf sich hat, noch wird er gewillt sein, die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der FDP – Zurufe von der CDU)

Herr Kollege Greilich, deswegen werde ich Sie leider enttäuschen müssen. Sie haben nämlich gesagt, Sie wollten den Ministerpräsidenten beim Wort nehmen, dass er an neuen Ministerienstrukturen arbeiten will. Wir arbeiten daran, dass Sie nie erleben werden, dass er sich in diesem Bereich tatsächlich betätigen muss.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die FDP-Fraktion überschreibt ihren Antrag mit der Frage: „Redet ihr noch oder digitalisiert ihr schon?“ – Herr Kollege Greilich, selbst der Ministerpräsident redet neuerdings darüber, aber von der Umsetzung der Ideen des E-Government, von der konkreten Organisation einer wirklich zukunftsfähigen Verwaltung in diesem Land sind wir noch meilenweit entfernt.

Ich will abschließend sagen: Auch der Hessische Landtag hat noch gewaltige Hausaufgaben zu machen; das wurde eben in einer Seitenbemerkung schon angesprochen. Die Tatsache, dass die Eilausfertigung des E-Government-Gesetzes zweimal ausgedruckt in unseren Fächern liegt, zeigt, wie prähistorisch wir manchmal auch in der Verwaltung des Hessischen Landtags unterwegs sind.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der CDU)

Ich glaube, dagegen können wir alle gemeinsam etwas tun. Von daher wird das eine spannende Debatte. Ich freue mich in der Tat auf die Anhörung und die Debatte, damit wir den Blick über die Notwendigkeiten dieses Gesetzentwurfs und über das hinaus weiten können, was seit 2013 auf der Bundesebene festgeschrieben ist. Die Landesregierung aber lässt eigene Ansätze vermissen. Ich bleibe dabei: Bei dem Vorlauf, den Sie sich für diesen Gesetzentwurf gegönnt haben, ist ein sehr überschaubares Ergebnis herausgekommen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Vielen Dank, Kolleg Eckert. – Das Wort hat der Abg. Hermann Schaus von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben lange auf diesen Gesetzentwurf gewartet – nicht nur wir, sondern auch viele Praktikerinnen und Praktiker in den Kommunalverwaltungen. Es ist daher durchaus berechtigt – der Minister hat das eher beschönigt –, noch einmal nachzufragen, warum es fünf Jahre seit dem Inkrafttreten des Bundesgesetz und mehr als zwei Jahre seit der Vorlage eines

internen Referentenentwurfs in Hessen gedauert hat, bis ein Gesetzentwurf in den Hessischen Landtag gekommen ist.

Jetzt erst – auf den letzten Drücker, kann man sagen – wird vor den Landtagswahlen endlich ein Gesetzentwurf vorgelegt, der nicht nur das Thema E-Government, sondern auch Änderungen am Vollstreckungsrecht und am Glücksspielrecht beinhaltet. Ich will mich aber auf den wesentlichen Punkt konzentrieren.

Warum so spät, warum so knapp vor der Landtagswahl? Warum konnte diese wichtige Diskussion nicht viel früher hier im Plenum geführt werden? Herr Minister, Sie haben gesagt, Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit. – Dann kommt es aber auch auf das Ergebnis an. Dann erwarte ich in der Tat ein Ergebnis, das diese Gründlichkeit widerspiegelt.

Der umfangreiche Gesetzentwurf ist, was die Zusammenarbeit mit den Kommunen angeht, meiner Ansicht nach sehr weich formuliert. Ich glaube, das ist eine entscheidende Schwachstelle, weil die Städte und Kommunen schon seit Langem auf eine Regelung warten und auch in den Städten und Kommunen ein Abstimmungsprozess in der öffentlichen Verwaltung stattfinden muss. Von daher ist das meiner Ansicht nach kein Gesetzentwurf, der die Interessen der Kommunen ausreichend mit berücksichtigt.

(Beifall bei der LINKEN)

Bis auf die elektronische Rechnungsstellung, deren Grundlage im Übrigen eine EU-Verordnung war, ist hier wenig Verbindliches geregelt. Es stellt sich die Frage, warum das so ist. Es sieht so aus, als ob vor der Landtagswahl noch schnell ein Thema abgeschlossen werden sollte. Das ist unzureichend.

Was die finanzielle Seite betrifft: Notwendige Investitionen werden nicht beschrieben. Ich will das hier einmal aus der Sicht der Kommunalverwaltungen betrachten. Schließlich geht es darum, dass vom Land sozusagen Basiskomponenten geschaffen werden, die dann in allen Verwaltungen in Hessen genutzt werden können. Es geht also um die Unterstützung bei der Entwicklung einer gemeinsamen Software und möglicherweise auch um eine finanzielle Unterstützung bei deren Umsetzung.

Meine Damen und Herren, wir wissen, dass das Fortschreiten der Digitalisierung zu wesentlichen Veränderungen bei den Abläufen und den Aufgaben und auch zu einem Wegfall von Stellen führen wird. Ich finde, auch dies gehört berechtigterweise in die Diskussion.

Die Bürgersicht auf Behörden ist meiner Ansicht nach in diesem Gesetzentwurf sehr mangelhaft berücksichtigt; denn der Bürger und die Bürgerin entscheiden nicht zwischen Aufgaben der Kommunalverwaltung, der Landesverwaltung oder gar der Bundesverwaltung, sondern sie wollen, so, wie es die FDP in ihrem Antrag beschrieben hat, einen einzigen Zugang zu allen behördlichen Vorgängen haben sowie die entsprechende Unterstützung. Das, was hier vorgelegt wurde, ist ein Gesetzentwurf, der ausschließlich aus der Landesperspektive erstellt wurde. Das ist es auch, worauf sich meine Kritik bezieht.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, das, was Sie beschrieben haben, nämlich die elektronische Aktenführung in der Landesverwaltung, ein digitaler Zugang für die Landesverwaltung oder das elek

tronische Erlassen von Verwaltungsakten, ist nicht ausreichend. Das ist nicht das, was Bürgerinnen und Bürger sowie die Kommunen hier fordern.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, Sie haben das so beschrieben, als ob Hessen vorne mit dabei wäre. Herr Minister, ich konnte überhaupt nicht nachvollziehen, wie Sie zu diesem blumigen Ergebnis gekommen sind.

(Holger Bellino (CDU): Lesen Sie die Rede noch einmal digital! Vielleicht geht es dann besser! – Weitere Zurufe von der CDU)

Ich habe eher den Eindruck, die Hessische Landesregierung ist im Hinblick auf die Digitalisierung genauso hintendran wie der Hessische Landtag bei der Abschaffung des Livestreams. Während andere den Livestream einführen, wird er hier abgeschafft – aus welchen Gründen auch immer. So kommt mir auch dieser Gesetzentwurf vor: Andere sind in ihrer Entwicklung viel weiter und fordern eine Zusammenarbeit mit ihren kommunalen Behörden.

Herr Minister, da reicht es nicht aus, den Kommunalen Spitzenverbänden einen Sitz im Beirat zuzugestehen und von einer großen Mitsprache bei der Weiterentwicklung zu reden. Der Einfluss, den man in diesem Beirat hat, ist sehr beschränkt. Ich kenne Experten aus der Kommunalverwaltung, die seit Jahren händeringend darauf warten und sich fragen: Was macht die Landesregierung? Wie können wir uns da einbringen? Wie können wir was gemeinsam entwickeln? – All dies hat offensichtlich bei der Formulierung dieses Gesetzentwurfs nicht stattgefunden.

(Zurufe von der Regierungsbank)

Doch, Herr Minister, das stimmt. Man erzählt Ihnen in Ihrem Mitarbeiterkreis offensichtlich etwas anderes. – Ich kann das sogar belegen. Es gibt seitens der Kommunen entsprechende Arbeitskreise – die auch zusammengeschlossen sind –, von deren Mitgliedern ich seit drei Jahren gefragt werde: Wann kommt endlich das Gesetz? – Ich habe ihnen den Entwurf geschickt, und sie haben gesagt: Darin steht gar nichts über die Kommunen. Wo ist denn hier die Zusammenarbeit?

Herr Kollege Schaus, Sie müssen zum Schluss kommen.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Wo kommt denn in diesem Gesetzentwurf die Bürgersicht zum Ausdruck? – Nein, das ist aus Sicht der Landesverwaltung geschrieben worden. Die Kommunen und die Bürger hat man außen vor gelassen. Darüber müssen wir in der Anhörung in der Tat intensiv diskutieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Kollege Schaus. – Das Wort hat Herr Kollege Jürgen Frömmrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte.