Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mit etwas Heiterem beginnen. Als Mitglied der FDP-Fraktion habe ich die Gnade der späten Geburt der Mitgliedschaft in diesem Ausschuss. Ich sage das für all diejenigen, die nicht an den Sitzungen des Ausschusses – ob nun intern oder öffentlich – teilgenommen haben. Bei den Obleuten war es eigentlich immer vernünftig.
Da hat sich ganz offensichtlich zu Beginn bei dem einen oder anderen Kollegen und der einen oder anderen Kollegin eine etwas große Emotion aufgebaut, die leider nicht bis zum Ende vollkommen abgebaut werden konnte.
Ich will gestehen, dass ich aber froh darüber bin, dass wir trotz dieser hohen Emotionalität – Sie merken das ja an den Redebeiträgen – mit der Arbeit des Ausschusses zu einer in vielen Punkten – das lasse ich mir auch nicht wegdiskutieren – gemeinsamen Einschätzung gekommen sind.
Ich bedanke mich dafür, dass wir es geschafft haben, uns zusammenzuraufen. Ja, es war auf dem Hessentag in Korbach. Ich sage noch einmal Entschuldigung, weil ich dich, Nancy, da auch ein bisschen geärgert habe, was ich gar nicht wollte und nicht wusste, aber ich habe dich getroffen. Aber das sind die Emotionen, von denen ich gesprochen habe. Da haben wir uns dann unter den Obleuten zusam
Ich behaupte, ohne die Vorarbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wäre das nicht geglückt. Aber es ist geglückt. Wir haben ein gemeinsames Vorwort. Wir haben in den ersten Teilen der Berichte jedenfalls erkannt, dass die Mehrheitsfraktionen gemerkt haben, dass sie noch eine Reihe von Ergänzungen zu dem – ich nenne ihn jetzt einmal so – Frömmrich-Bericht hinzupacken sollten.
Ja, dann ist es eben so, wie es ist, dass man nämlich in manchen Punkten im Zusammenhang mit der Bewertung immer noch anderer Auffassung ist. Bei den Handlungsempfehlungen sind wir eigentlich auch wieder fast deckungsgleich – mit der einen oder anderen Nuance.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, die nicht die Arbeit mitmachen durften – ich bin jetzt euphemistisch –: Sie können sicher sein, dass viel Herzblut und auch viel Zeit, aber letztlich auch viel gemeinsames Verstehen in diese Abschlussberichte hineingeflossen ist. Ich sage zu Beginn ganz herzlichen Dank an Jürgen Frömmrich und an unseren Vorsitzenden, Herrn Honka, und ihre Mannschaften. Wir haben es geschafft – jedenfalls seitdem ich dabei sein durfte, konnte oder musste –, unsere Arbeit ordentlich zu gewichten und durchzuführen. Ich bedanke mich für die FDP ganz ausdrücklich bei René Rock. Denn drei Viertel der Zeit hat er investiert und nicht ich.
Das soll der versöhnliche Beginn des Beitrages der FDPFraktion zum Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses 19/2 sein.
Mit einer Mär möchte ich auch aus meiner ehemaligen Verantwortung heraus, aber auch ganz persönlich endgültig einmal Schluss machen. Ich würde mich ärgern, wenn das anders gelaufen wäre. Ich bin so froh, dass die „HNA“ eine besondere Art des Zitierens hat, sodass ich Ihnen jetzt etwas vorlesen kann, was aus der „HNA“ vom 1. Oktober 2012 herausgenommen wurde. Ich zitiere:
Der stellvertretende Ministerpräsident bat die Familie von Halit Yozgat im „Namen der Landesregierung“ um Entschuldigung. Einerseits, weil „unsere Mitarbeiter“ es nicht geschafft hätten, den 21-Jährigen vor den Terroristen zu schützen, anderseits, weil nach dem Mord Verdächtigungen gegenüber der Familie ausgesprochen worden seien. Zu Unrecht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dabei ist es völlig egal, wer zu diesem Zeitpunkt stellvertretender Ministerpräsident war. Die Landesregierung hat sich bekannt. Natürlich habe ich das auch im Zusammenhang mit der Absprache mit dem Ministerpräsidenten gesagt.
Sie hängen immer wieder das Bild hoch, dass sich die Landesregierung – das ist für mich wichtig, egal ob ich Oppositions- oder Regierungsmitglied bin – damit nicht beschäftigt habe.
(Manfred Pentz (CDU): Ja! – Janine Wissler (DIE LINKE): Das hat aber keiner gesagt! – Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))
Ich halte noch einmal fürs Protokoll fest: Die Hessische Landesregierung hat spätestens einen Tag vor dem 1. Oktober 2012 bei der „Einweihung“ – das sage ich in Gänsefüßchen, denn das Wort ist eigentlich auch falsch – des Halitplatzes vor dem Hauptfriedhof in Kassel eindeutig Farbe bekannt. Sie hat sich unzweifelhaft entschuldigt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Entschuldigung möchte ich gern für meine Fraktion wiederholen.
Zweitens: War der Staat optimal aufgebaut? – Klare Antwort auch aus diesem Untersuchungsausschussbericht: Nein.
Dritte Frage: Haben wir, die dafür im Parlament bzw. in der Verwaltung verantwortlich sind, Änderungen vorgenommen? – Antwort: Ja.
Wenn man das einigermaßen nüchtern herunterbricht, kann man sich viel intensiver mit dem beschäftigen, was wir in diesem Ausschuss lernen mussten. Da sage ich, liebe Kolleginnen und Kollegen – das ist von Frau Faeser angesprochen worden –: Ja, wir haben nicht zu den Antragstellern gehört. Ich will auch bekennen, dass ich daran in den internen Gesprächen in der Fraktion garantiert nicht unschuldig gewesen bin, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass der x-te Untersuchungsausschuss – damals lief schon die Verhandlung vor dem OLG München – noch etwas Zusätzliches herausholen kann.
Ich habe mich geirrt; wir haben uns geirrt. Es war gut, dass dieser Ausschuss eingesetzt worden ist, da wir nur so die Grundlage hatten, um in den Handlungsempfehlungen noch viel konkreter darauf hinzuweisen, was nicht nur, aber auch beim Landesamt für Verfassungsschutz noch weiter geändert werden muss.
Die Erwartungshaltung an diesen Ausschuss war und ist, wie ich gerade einer Pressemitteilung entnehme, immer noch immens. Ich weiß nicht, woher es kommt, aber es gibt offensichtlich Menschen, die meinen, dass der Staat – egal, durch welche seiner Institutionen – auf den letzten Punkt der letzten Wahrheit kommt. Ich muss diese Bürgerinnen und Bürger enttäuschen. Man schafft es nicht. Man schafft es auch nicht in einem Strafverfahren, das umfänglicher als das Verfahren vor dem Senat des OLG in München fast gar nicht mehr geht. Das hat auch eine ganz andere Aufgabenstellung. Denn „strafprozessual“ bedeutet eigentlich, zu schauen, ob die Menschen, die dort auf der Anklagebank sitzen, schuldig sind und, wenn ja, wofür sowie welche Strafe auszusprechen ist. Aber das hat der Senat schon sehr weit ausgedehnt – zu Recht, bitte verstehen Sie mich richtig.
Aber natürlich sind dort Fragen offengeblieben. Natürlich sind auch Fragen in unserem Ausschuss offengeblieben. Uns wird heute vorgeworfen – ich finde das ein bisschen gemein –, dass wir es nicht geschafft hätten, die Frage zu
Durch den Verfassungsschutz? – Das war die qualifizierteste Äußerung, die ich in diesem Zusammenhang gehört habe, liebe Kollegin. Der Verfassungsschutz hatte damals überhaupt noch eine etwas andere Auffassung und eine etwas andere Aufgabe. Er war auch etwas anders aufgestellt. Er kann uns dazu nichts sagen.
Wir haben uns bemüht – die Kollegen wissen, dass ich immer wieder versucht habe, gemeinsam mit anderen Anwaltskollegen forensische Erfahrungen einzubringen –, aber wir haben es nicht geschafft. Wir sind daran gescheitert, weil jeder Zeuge – auch vor einem Untersuchungsausschuss – das Recht hat, die Aussage zu verweigern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das finde ich auch gut so. Das ist ein Teil unseres Rechtsstaats. Nur darf man uns dann nicht vorwerfen, wie es heute wieder geschehen ist – schöne Grüße an diejenigen, die diese Pressemitteilung verfasst haben –,
Wir haben nichts verpasst, sondern wir haben uns die Mühe gemacht. Das war teilweise mühselig und geschah teilweise mit Dingen, bei denen ich jedenfalls als Justizminister mit einem grünen Stift drangeschrieben hätte: Ist das noch mit der StPO vereinbar? – Das hatte ich nicht gemacht, aber das sind die Hinweise, bei denen die Mitarbeiter wissen: Da muss noch einmal geprüft werden.
Wie kommt man z. B. an Adressen? – Was haben wir nicht alles gemacht? – Trotzdem werden wir die letzte Wahrheit nicht herausfinden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wahr ist, dass eine Reihe von gravierenden Stockfehlern gemacht worden ist. Ich will mich nicht darüber streiten, welches der gravierendste war. Aber ich will Ihnen sagen: Nach unserer Erfahrung sowohl als Anwälte – bis vor zwei Wochen waren drei forensisch aktive Anwälte bei der FDP in diesem Raum vertreten – als auch als viele andere haben wir es noch nie erlebt, dass ein Ort, an dem ein Beschuldigter gefunden wird, ohne Sicherung der Beweise verlassen wird. In jedem Handbuch für Polizeianwärter steht: Wenn ihr jemanden festnehmt und mit auf die Wache nehmt, sichert das Umfeld.
Auch jeder Nichtjurist kann sich vorstellen, warum das so ist. Aber die Kasseläner haben es nicht gemacht. Die Polizei hat sogar noch die Staatsanwaltschaft angerufen – ich hoffe, ich habe das richtig im Kopf; ansonsten, Jürgen, verbessere mich – und gefragt: Was sollen wir tun? – Dann wurde gesagt: schnellstens den Temme auf die Wache. – Wir haben nicht genug Menschen dabei. – Schnellstens den Temme auf die Wache.
Das geht nicht, und das ist hoffentlich abgestellt – so jedenfalls die Aussagen des heutigen Landespolizeipräsidenten, aber auch einiger seiner Amtsvorgänger. Ich bin dankbar dafür, dass die Mehrheit unserem Wunsch entsprechend diesen Teil noch in den Bericht aufgenommen hat, sodass er jetzt jedenfalls Meinung einer großen Zahl von Mitgliedern dieses Ausschusses ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt schließt sich der Kreis mit Blick auf die Thematik: War das, was wir hier gemacht haben, überhaupt sinnvoll? – Ja, allein diesen Punkt haben wir herausgefunden – alle Untersuchungsausschüsse vorher nicht, auch die in Berlin nicht. Wir haben das herausgefunden; okay, es war unsere hessische Polizei, die diesen Fehler gemacht hat, der mit Blick auf die Zukunft hoffentlich abgestellt ist.
Wann und wo Temme nun wirklich gewesen ist, werden wir nie erfahren. Wir haben in einem Abwägungsprozess – das hat Jürgen Frömmrich in meinen Augen im Abschlussbericht gut gemacht – zur Kenntnis nehmen müssen, dass es jedenfalls niemanden gibt, der als Zeuge sagt: Temme war da. – Mit „da“ meine ich: zum Zeitpunkt der Tat in diesem Café.
Wir kennen die Aussagen von Menschen, die da waren. Sie haben gesagt: Wir haben ein – ich sage es mit meinen Worten – komisches Geräusch gehört; wir konnten zunächst nicht so wirklich einschätzen, was es ist. – Aber auch daraus können wir nicht schlussfolgern, ob Temme in dieser Zwischenzeit herausgelaufen ist oder nicht.
Ich kann den Vater sehr gut verstehen; ich habe mich darüber vorhin noch mit Herrn Bauer unterhalten. Der Vater ist im Untersuchungsausschuss gewesen, und es gab die für alle Anwesenden beeindruckende Szene, als er die Tische umgestellt hat, um zu dokumentieren, wie nach seiner Erinnerung der Tatort aussah, als er nach wenigen Sekunden oder höchstens einer Minute oder zwei Minuten seinen toten Sohn dort gefunden hat.
Daraus kann man aber auch nicht das schlussfolgern. Nehmen Sie z. B. das Thema mit der Münze. Hat Temme beim Herausgehen, möglicherweise nach dem Schuss, den andere als komisches Geräusch identifiziert haben, das Geld hingelegt und nichts gesehen, oder doch?