Protokoll der Sitzung vom 15.10.2014

Diesen Schritt zu mehr Demokratie wollten und wollen die Regierungsfraktionen offensichtlich nicht gehen.

In manchen Lebenssituationen sind es ausgerechnet die Vorschriften des Härtefallkommissionsgesetzes selbst, die zu Härtefallsituationen führen können. Hier sind insbesondere die Ausschlussgründe zu nennen, die unter anderem überflüssige Anforderungen an die finanzielle Situation der Antragstellenden stellen, die in der Lage sein müssen, ihren Lebensunterhalt voll zu bestreiten.

Wir haben in unserem Änderungsantrag die komplette Streichung dieser Ausschlussgründe gefordert und auf die Diskrepanz zwischen der humanitären Zielsetzung des Gesetzes und der Ausgrenzung der Personen hingewiesen, die ihren Lebensunterhalt nicht sichern können. Denn eine Anerkennung als Härtefall darf es nicht nur für Personen geben, die sich das finanziell leisten können. Das meinen wir jedenfalls.

Wenn die Regierungsfraktionen diese Bedingung dahin gehend umformulieren wollen, dass der Lebensunterhalt nunmehr überwiegend gesichert sein müsse, wird die Situation nur teilweise entschärft werden. Denn – und davor hat auch Amnesty International in seiner Stellungnahme gewarnt – dann wird ein breiter Interpretationsspielraum und Unsicherheitsfaktor verbleiben.

Wir hatten gehofft, dass auch die Landesregierung die Chance erkennt, mit einer solchen Novelle Anspruch und Wirklichkeit der Härtefallkommission ein Stück weit zusammenzuführen.

Durch die Stellungnahmen in der Anhörung haben wir den Eindruck gewonnen, dass auch die angehörten Organisationen und Fachverbände gerne solche Reformen gesehen hätten und dass sie daher unsere in diese Richtung weisenden Vorschläge unterstützt haben.

Leider geht der halbherzige Vorstoß der Landesregierung die notwendigen Reformen nicht ausreichend an. Es bleibt dabei, dass überzogene Anforderungen an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Antragstellenden zur Bedingung des Bleiberechts gemacht werden, dass die durch das Aufenthaltsgesetz eingeräumten Ermessensspielräume teils gar zum Nachteil der Antragstellenden eingeschränkt sind und bleiben.

Dadurch trägt das Härtefallkommissionsgesetz in nicht wenigen Lebenssituationen nicht nur nicht zur Lösung von Lebenshärten bei – es kann sie sogar verursachen.

Meine Damen und Herren, einem Gesetzentwurf, der die Augen vor diesen Realitäten verschließt, können wir nicht zustimmen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Cárdenas. – Als nächster Redner spricht nun Kollege Greilich von der FDP-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Anfang der Aussprache zu diesem Tagesordnungs

punkt sollte man eigentlich einmal feststellen, dass sich das, was wir vor fünf Jahren nach durchaus kontroverser Diskussion in diesem Hause verabschiedet haben, im Großen und Ganzen bewährt hat. Wir haben ein gutes Härtefallkommissionsgesetz. Nach fünf Jahren Gültigkeit aber gibt es natürlich Anlass, die Inhalte einmal zu überprüfen und die eine oder andere Korrektur vorzunehmen. Insoweit geht der Gesetzentwurf der Koalition durchaus in die richtige Richtung.

Im Ausschuss haben wir den Gesetzentwurf schon diskutiert. Es gibt dort einige Ansätze, die zur Verbesserung führen und die die Praxis entwickelt hat. Sie haben sich in der Praxis als sinnvoll bestätigt, aber leider bleibt der Gesetzentwurf dann doch an manchen Stellen auf halber Strecke stehen. Ich will das im Einzelnen ausführen.

Es gibt den Vorschlag, und den tragen wir mit, dass es nach den Erfahrungen der letzten fünf Jahre durchaus ausreicht, wenn in Zukunft in der Kommission mit einfacher Mehrheit entschieden wird. Zur Erinnerung: In der Vergangenheit brauchte es eine Zweidrittelmehrheit. Die Praxis der Entscheidungen hat gezeigt: Es geht auch mit einfacher Mehrheit – zumal ganz überwiegend die Kommission ohnehin einvernehmlich entscheidet.

Die zweite Änderung, die wir begrüßen, ist, dass künftig nach den gemachten Erfahrungen die Anordnung zur Verlängerung oder Erteilung der Aufenthaltserlaubnis auch dann möglich sein soll, wenn der Lebensunterhalt nicht vollständig, sondern nur überwiegend gesichert ist. Das ist eine Erleichterung aus humanitären Gesichtspunkten, die wir begrüßen und mittragen.

Das Gleiche gilt in diesem Zusammenhang für die Einführung eines weiteren Ausnahmetatbestands: Wenn nämlich die Voraussetzungen der Unterhaltssicherung nicht vorliegen, dann kann die Aufenthaltserlaubnis dennoch erteilt werden, wenn die Erwerbsfähigkeit aufgrund von Alter, nachgewiesener Krankheit, Behinderung oder aus familiären Gründen nicht oder nur eingeschränkt gegeben ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Koalition, das bestätige ich Ihnen ausdrücklich: Dies sind Punkte, die sinnvoll sind, die überfällig sind und die man deswegen auch ins Gesetz einfügen sollte.

Aber wenn man das schon tut, dann sollte man auch den Rest zur Kenntnis nehmen, der sich in den letzten Jahren ergeben hat. Das ist z. B. die Tatsache, dass wir keinen mir bekannten Fall hatten – ich selbst war nicht in der Kommission, aber alles, was mir aus der Kommission oder aus dem Petitionsausschuss berichtet worden ist, bedeutet das –, in dem die Vorschaltung des Petitionsausschusses, die Durchführung des Petitionsverfahrens, einen Sinn ergeben hat.

Das haben uns auch schon vor fünf Jahren verschiedene Anzuhörende in der Anhörung gesagt. Herr Kollege Frömmrich ist jetzt gerade nicht hier. Aber er hat uns im Innenausschuss entgegengehalten: Nein, nein, das hätten die GRÜNEN nie so gesehen.

(Heiterkeit des Abg. Ernst-Ewald Roth (SPD))

Wir haben es einmal überprüft. Es gab die Anhörung am 24. September 2009. Dort sagt ein Anzuhörender, Herr Dr. Wais:

Ich gehe nun auf die vorgeschlagene Änderung in § 6a ein. In keinem anderen Bundesland ist vorgesehen, dass eine Petition eingereicht werden muss, be

vor der Fall von der Härtefallkommission behandelt wird.

(Ernst-Ewald Roth (SPD): Ja!)

Im Übrigen kann ich den Hintergrund dieses Vorschlags nicht nachvollziehen.

Dann vermerkt das Protokoll:

Abg. Jürgen Frömmrich: Wir auch nicht.

Wenn das keine klare Positionierung ist,

(Beifall bei der FDP und der SPD)

dann möchte ich wissen, was unter einer klaren Positionierung zu verstehen ist. Wir haben aus den letzten fünf Jahren gelernt und in der Tat erkannt: Das vorgeschaltete Petitionsverfahren ist verzichtbar. Deswegen kann man das auch so, wie es die SPD beantragt hat, entfallen lassen, und deswegen werden wir dem Änderungsantrag der SPDFraktion zustimmen.

Auch bei einem zweiten Punkt bleiben Sie auf halber Strecke stehen, und sogar sehr inkonsequent: Einerseits weichen Sie die Kriterien für die Anerkennung eines Härtefalls auf – ich habe das schon erwähnt, hier stimmen wir Ihnen zu –, nämlich bei der Unterhaltssicherung; aber Sie sagen nicht, wie das bezahlt werden soll. Das sagen Sie nicht. Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion sagt dazu: Wenn wir A sagen, müssen wir auch B sagen, nämlich den Härtefallfonds einführen. – Das ist die unvermeidliche Konsequenz aus Ihrem Handeln.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Es ist schon angesprochen worden: Auch da kann ich mich über die Haltung der GRÜNEN nur wundern. Offensichtlich haben sie ihre Erkenntnisse von vor fünf Jahren vergessen. In diesem Fall war es Frau Kollegin Öztürk. In der Beratung hier im Landtag am 9. Dezember 2009 hat sie gesagt – und, wie ich heute zugeben muss, völlig zu Recht –:

(Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heute!)

Wenn man in dieser Situation ernsthaft eine Lösung schaffen will, dann hätten Sie unserem Antrag, einen Härtefallfonds einzurichten, durchaus zustimmen können. Denn der Härtefallfonds hätte für all jene Personen, die krank sind, die traumatisiert sind, die alt sind und aufgrund dessen, obwohl ein Härtefall vorliegt, ihren Lebensunterhalt nicht selbst sichern können, eine mögliche Unterstützung oder Lösung geboten. Aber nein, stattdessen haben Sie unseren Antrag abgelehnt. Das zeigt, dass Sie überhaupt kein Interesse an ernsthaften Lösungen haben. Das bedauere ich sehr

(Heiterkeit der Abg. Ernst-Ewald Roth und Gerhard Merz (SPD))

und möchte es hier noch einmal festhalten.

Frau Kollegin Öztürk, ich will diesen Ball jetzt nicht so zurückspielen, aber ich wundere mich schon über die mangelnde Konsequenz Ihres Verhaltens. Das passt nicht zusammen. Da hätten Sie sich gegenüber Ihrem Koalitionspartner durchsetzen sollen.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich kann es dabei belassen. Wie ich jetzt gehört habe, werden wir ohnehin noch eine dritte Lesung haben. Ich hätte sie nicht gebraucht, denn ich hoffe nicht darauf, dass es in der Koalition zu besseren Einsichten kommt. Bei dem noch kurzfristig vorgelegten weiteren Änderungsantrag zum Widerspruchsverfahren habe ich mich im Ausschuss zurückgehalten, weil ich das in der Fraktion noch besprechen wollte. Dem stimmen wir zu.

Ansonsten wünschen wir uns, dass dieser Gesetzentwurf der Koalition mit dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion beschlossen wird.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Greilich. – Als nächste Rednerin spricht nun Frau Kollegin Wallmann von der CDUFraktion. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem nun die Anhörung stattgefunden hat, steht heute die Änderung des Härtefallkommissionsgesetzes erneut auf der Tagesordnung. Nach dieser Anhörung kann man feststellen: Die von den Regierungsfraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU vorgeschlagenen Änderungen sind bei den Anzuhörenden auf ein positives Echo gestoßen. Auch bei den Abgeordneten – und zwar aller Fraktionen – habe ich das eben so gehört: Unsere Absicht, das Quorum abzusenken, und die Erleichterungen bei den Ausschlussgründen werden positiv bewertet.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In der Anhörung wurden aber auch weiter gehende Forderungen formuliert. Zum Teil werden diese auch von den Oppositionsfraktionen geteilt. Daher möchte ich auf den einen oder anderen Aspekt der Anhörung und auch auf die Anträge der Oppositionsfraktionen eingehen.

So wird etwa gefordert – das ist eine Forderung der LINKEN; Frau Cárdenas ist gar nicht mehr hier, okay, so wichtig scheint ihr dieses Thema nicht zu sein –, dass der Härtefallkommission künftig Vertreter aller im Hessischen Landtag vertretenen Fraktionen angehören sollen.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Nach unserer Auffassung ist das nicht erforderlich, und es entspricht auch nicht dem Charakter dieser Kommission. Die evangelischen Kirchen und die Diakonie haben in der Anhörung zu Recht erkannt und festgestellt: Die Härtefallkommission ist kein Ausschuss des Hessischen Landtags. Insofern ist es völlig in Ordnung, wenn die Vertreter entsprechend ihrer Stärke im Parlament dort Mitglied sind.

In der Anhörung gab es auch Stellungnahmen, die eine Entsendung von Abgeordneten in die Härtefallkommission gänzlich ablehnen und sie für entbehrlich halten. Vor diesem Hintergrund und in dieser Gemengelange haben wir einen guten Kompromiss gefunden, und im Übrigen hat sich das Verfahren auch bewährt.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Unter den jetzigen Bedingungen wäre ich auch dafür!)