Protokoll der Sitzung vom 05.03.2015

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Nun warten Sie doch erst einmal ab!)

Ich will ausdrücklich sagen, dass Informationen und Praxistipps in dieser Frage sehr wichtig sind; denn es herrscht eine große Verunsicherung bei den Bürgerinnen und Bürgern hinsichtlich der Frage, welche Maßnahmen man machen kann, wie teuer manche Maßnahmen sind, welche Maßnahmen sich zuerst amortisieren. Soll man das Dach machen? Soll man die Fenster machen? Soll man an die Gebäudedämmung gehen? Soll man an die Geschossdecken gehen? Soll man an die Kellerdecke gehen, usw. usf.?

Die Beratung ist wichtig, aber es ist klar: Beratung alleine wird nicht reichen, weil die energetische Modernisierung in Deutschland nicht so vorangekommen ist, wie wir es uns gewünscht haben und wie wir es uns vorgenommen haben.

Ich will darauf hinweisen: 40 % des Energieverbrauchs entfallen auf den Gebäudebereich, und wir sind weiterhin bei einer Sanierungsquote von unter 1 % der Gebäude pro Jahr. Das reicht nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich will ausdrücklich sagen, dass die bestehenden Instrumente – es gibt Instrumente, vor allem die Programme der KfW – gut, richtig und wichtig sind. Aber ganz offensichtlich reichen sie nicht aus. Das könnte etwas damit zu tun haben, dass in Zeiten, in denen man als Privathausbesitzer Modernisierungskredite für den Baubereich für 1,3 % bekommt, eine Zinsverbilligung vielleicht nicht mehr die Wirkung hat, die man sich wünscht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Vizepräsident Wolf- gang Greilich übernimmt den Vorsitz.)

Wenn man sich das anschaut, stellt man fest, die Fallzahlen und die verausgabten Mittel bei den KfW-Sanierungsprogrammen sinken seit 2012. Deswegen habe ich eine gewisse Skepsis, ob die angekündigte Antwort von Sigmar Gabriel, dass er die Ausstattung der KfW-Programme erhöhen will, am Ende ausreicht.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Nein! Das reicht nicht aus! Wir sind uns völlig einig!)

Denn, wie gesagt, die sind schon vergleichsweise attraktiv. Wir brauchen offensichtlich andere Instrumente. Genau deswegen denken wir seit Jahren über die steuerliche Absetzbarkeit von energetischen Modernisierungsmaßnahmen nach, weil wir es für ein sehr wichtiges Instrument halten. Genau deswegen haben wir es in unseren Koalitionsvertrag aufgenommen. Genau deswegen haben wir im Jahr 2014 – –

Herr Minister, ich darf Sie an die Redezeit erinnern.

Vielen Dank, Herr Präsident. Am Anfang meiner Rede war es noch eine Präsidentin, aber gut. – Deswegen haben wir uns dafür eingesetzt, zu einer Lösung zu kommen. Bei dem gegenwärtigen Entwurf, über den wir uns alle einmal einig waren – 16 Bundesländer im letzten Dezember –, konnten wir auch nicht alles durchsetzen, was wir wollten. Wir hätten z. B. gerne gehabt, dass man ein KfW-Programm einerseits und eine steuerliche Absetzbarkeit andererseits kombinieren kann. Aber wir haben auch da einen Kompromiss in Kauf genommen, damit das Programm überhaupt kommt. Deswegen ist das so unglaublich schade.

Ich will an dem Punkt darauf hinweisen: Wir haben vieles verändert im Vergleich zu dem, was vor zwei Jahren schon einmal im Vermittlungsausschuss war. Wir haben uns beispielsweise dafür eingesetzt, dass man die Förderung der Einzelmaßnahmen durch den Abzug von der Steuerschuld anstelle eines progressionsabhängigen Steuervorteils einsetzt, weil es klar ist: Das wirkt besonders auf diejenigen, die nicht besonders viel haben, weil sie es dann von der Steuerschuld absetzen können. Das kann genau der Punkt sein, wo sie anfangen, darüber nachzudenken.

Deswegen ein letzter Punkt zur Gegenfinanzierung. Ich finde weiterhin, dass eine Gegenfinanzierung über die Einführung eines Sockelbetrags beim Steuerbonus für Handwerkerleistungen das richtige Instrument ist.

(Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Auch das hessische Handwerk hat gesagt, dass sie bereit wären, für die steuerliche Absetzbarkeit der energetischen Gebäudesanierung einen solchen Sockelbetrag hinzunehmen. Herr Kollege Lenders, man müsste einmal wahrnehmen, dass selbst das Handwerk sagt, es ist in Ordnung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Abgeordneten der CDU)

Schließlich haben wir den Bundesrechnungshof und mehrere Forschungsgutachten, die gesagt haben, dass es beim Handwerkerbonus gute Wirkungen gibt – Stichwort: Verhinderung der Schwarzarbeit –, aber gerade bei niedrigen Rechnungsbeträgen auch große Mitnahmeeffekte. Dabei liegt 50 % dessen, was dort angemeldet wird, unterhalb der 300 €. Das bedeutet, dass es einen großen Beitrag zur Vereinfachung im Steuerverfahren liefern würde, wenn man einen solchen Sockelbetrag einführte. Es wäre eine wirkliche Win-win-Situation gewesen: Klimaschutz, Energiesparen, Verwaltungsvereinfachung und Konjunkturbelebung.

Ich bin sicher, die Handwerker würden insgesamt deutlich stärker profitieren, wenn man die steuerliche Absetzbarkeit der energetischen Gebäudesanierung erreichen könnte, als sie von dem gegenwärtigen Handwerkerbonus profitieren können.

Deswegen sage ich ausdrücklich – letzter Punkt –: Es bleibt dabei, wir brauchen die steuerliche Förderung von energetischen Gebäudesanierungsmaßnahmen. Wer einen durchdachten Vorschlag – das in Richtung CSU in Bayern und Bundesregierung – zur Gegenfinanzierung ablehnt, der soll, bitte schön, einen neuen machen, weil wir am Ende an

diesem Punkt zum Erfolg kommen müssen, wenn wir unsere Klima- und Energiesparziele erreichen wollen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Die Redezeit der Fraktionen wurde um 3:41 Minuten überschritten. Damit sind den Oppositionsfraktionen jeweils 1:15 Minuten Redezeit zugewachsen.

Bevor ich Herrn Schäfer-Gümbel für die SPD Fraktion das Wort erteile, begrüße ich auf der Zuschauertribüne eine ehemalige Kollegin, Frau Neipp. Schön, dass Sie wieder einmal den Weg in den Landtag gefunden haben.

(Allgmeiner Beifall)

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, Sie haben das Wort für insgesamt 6:15 Minuten.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die sechs Minuten werde ich sicherlich nicht brauchen. Ich habe ganz bewusst entschieden, erst nach dem Minister zu reden, weil ich nach zwei Erklärungen von der Regierungsseite, die sich heute Morgen bemüßigt gefühlt haben, zum Thema NSU, aber auch zum Thema SuedLink zum eigentlichen Gegenstand möglichst lange wenig zu sagen, sehr gespannt war, wie die Debattenanlage seitens der Regierung zu diesem Punkt sein wird.

Ich will gleich am Anfang einen Punkt klarstellen. Wir sind uns völlig einig, Herr Al-Wazir, dass das, was in der vergangen Woche passiert ist, ausgelöst durch die bayerische CSU, den Ministerpräsidenten und den Diadochenkampf der Kronprinzessin und des Kronprinzen in Bayern, nicht nur ärgerlich ist, sondern es ist schädlich mit Blick auf die verlässliche Umsetzung der Energiewende in Deutschland.

(Beifall bei der SPD)

Es war von Anfang an klar: Sie versuchen, wie die ganze Zeit, wenn es irgendwelche kritischen Punkte in der Großen Koalition gibt, das immer auf den einen Teil des Hauses zu schieben, während der andere Teil keine Rolle spielt.

(Günter Rudolph (SPD): Genau!)

Der Versuch ist legitim. Ob das immer durchkommt, daran habe ich meine erheblichen Zweifel. Herr Stephan hat wiederum versucht, auf der anderen Seite zu sagen: Eigentlich ist das Problem nicht die Große Koalition, sondern die CSU, und eigentlich ist das Problem Rot-Grün aus der Vergangenheit, die dem vor vielen Jahren nicht zugestimmt haben.

Jetzt reden wir einmal über die objektiven Probleme. Erstens sind wir uns alle einig, dass die energetische Sanierung nicht nur geboten und notwendig ist mit Blick auf die Energiewende, sondern auch ein großes Konjunkturprogramm.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zweitens sind wir uns auch einig, dass die Gegenfinanzierung der steuerlichen Förderung zu erheblichen Beteiligungen der Bundesländer führt. Deswegen haben die Bundesländer mit Blick auf ihre dramatische Finanzsituation, die deutlich anders ist als die des Bundes, gesagt: Wir erwarten eine angemessene Gegenfinanzierung, weil wir nicht in der Lage sind, das jenseits der Sinnhaftigkeit der energetischen Gebäudefinanzierung hinzukriegen.

Drittens will ich festhalten: Am Ende ist es gelungen, in intensiven Verhandlungen zwischen SPD-geführten Bundesländern, CDU-geführten Bundesländern, dem CSU-geführten Bundesland Bayern, dem grün-geführten Bundesland Baden-Württemberg – Thüringen hatte zu der Zeit noch keine große Rolle gespielt – und der Bundesregierung einen Kompromiss zu finden, der im Übrigen, Herr Lenders, mit der Spitze des Handwerks abgestimmt war.

Dann gab es etwas, was ich eben schon einmal angedeutet habe. Es gab in einem Landesverband erhebliche Gegenbewegungen. Daraufhin hat die Spitze des Handwerks kalte Füße bekommen und die Zustimmung auf den letzten Metern zurückgezogen. Wegen der kritischen Situation für die bayerische CSU, der inneren Verhältnisse, hat sich dann Horst aus München wieder einmal dazu entschieden, das Rumpelstilzchen zu machen und an dieser Stelle zu sagen, er macht es nicht mit.

Dieses erneute Foul der Bayern – oder besser: der bayerischen CSU unter Führung des Ministerpräsidenten aus Bayern – ist wirklich mittlerweile nur noch schwer erträglich.

(Beifall bei der SPD – Clemens Reif (CDU): Sie aber auch!)

Herr Reif, ja, Sie dürfen sagen, dass ich für Sie auch schwer erträglich bin. Das akzeptiere ich sogar. Ehrlich gesagt, wenn es anders wäre, hätte ich auch etwas falsch gemacht.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Damit will ich den letzten Punkt ansprechen. An der Stelle wird es am Ende keine Frage der Bundesregierung sein. Wegen der steuerlichen Ausfälle ist es auch eine Bundesangelegenheit. Deswegen werden wir die Bayern brauchen. Zum Schluss meiner Bemerkung will ich ein zentrales Mitglied des CDU-Präsidiums nicht namentlich, aber in der Sache zitieren, der neulich in einer vertraulichen Runde einmal den wunderbaren Satz gesagt hat: „Koalitionspartner kann man sich aussuchen, Schwestern nicht.“

Genau so ist es. Deswegen hoffen wir, dass das die CDU/ CSU in ihrer Familie in der zweiten Runde bis zum Sommer klärt – im Sinne des Handwerks, im Sinne der Energiewende und am Ende zum Wohl aller. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Vielen Dank, Kollege Schäfer-Gümbel. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit stelle ich fest, dass die Aktuelle Stunde abgehalten worden ist.

Wir kommen dann zu Tagesordnungspunkt 47:

Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (Hessen beim Impfsystem gut aufgestellt – Impfschutz ist wichtig – Ausbruch von Krankheiten verhindern) – Drucks. 19/1662 –

Frau Kollegin Ravensburg, bitte sehr, für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, liebe Kollegen und Kolleginnen! Der Masernausbruch in Berlin ist für meine Fraktion ein ganz wichtiger Anlass, um die Impfsituation hier in Hessen im Rahmen dieser Aktuellen Stunde zu beleuchten. Ich selbst bin als Kind an Masern mit einem sehr schweren Verlauf erkrankt. Ich sehe heute noch den schwarzen Regenschirm über dem Wohnzimmersofa, weil ich Licht nicht ertragen konnte, und auch die sorgenvollen Blicke meiner Eltern, dass Masern keine Hirnschädigung bei mir verursachen würden.

Deshalb war es ganz selbstverständlich für meinen Mann und für mich, unsere Kinder impfen zu lassen. Aber ich denke natürlich auch an die Diskussionen zwischen uns Eltern, ob das Impfrisiko nicht zu hoch sei, denn Masern wären doch schließlich in Deutschland ausgestorben.

Wenn die Impfquoten sehr hoch sind, sind natürlich die Erkrankungen gering, und dann verlieren Kinderkrankheiten auch an Schrecken. Dann führen Berichte über Impfschäden zu Ängsten und Verunsicherung bei Eltern, ob sie ihr Kind wirklich impfen lassen sollten. Die berühmte Impfmüdigkeit droht sich breitzumachen.