Protokoll der Sitzung vom 06.02.2014

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es erweckt den Eindruck, dass FDP und SPD mit diesem Setzpunkt sozusagen an einem Strang ziehen. Das ist schon so: Wir ziehen an einem Strang, aber in unterschiedliche Richtungen. Denn wir haben einen grundsätzlichen Dissens bei dem, was wir für Hessen an dieser Stelle für richtig halten. Herr Schmitt, noch einmal ein Hinweis: Ich kann Sie sehr gut verstehen, dass Sie hier noch einmal auf ein ordnungsgemäßes Verfahren hingewiesen haben, nachdem wir Ihnen als SPD gestern vorgeworfen haben, dass Sie Mitverantwortung tragen. Das kann ich an dieser Stelle nachvollziehen. Ich kann zu Ihrem Beitrag nur sagen: klug vorausgedacht.

Aber für uns als FDP war es in der letzten Legislaturperiode immer ganz klar: Wir wollen keine zusätzlichen Castoren in Biblis. Wir waren uns auch in der damaligen Landesregierung einig. Die GRÜNEN haben hier jetzt einen neuen Akzent gesetzt. Herr Al-Wazir hat im Januar verkündet: Hessen bietet Zwischenlager für Atommüll an – irgendwo muss das Zeug ja hin. – Das ist eine relativ flapsi

ge Bemerkung für solch ein Thema, das die Menschen, so denke ich, so sehr bewegt.

(Beifall bei der FDP)

Begleitet wurde das, wie schon immer, von Frau Dorn. Sie hat gesagt: Wenn man nicht dem zustimmt, was die GRÜNEN wollen, komme man aus dem Tollhaus, lasse bürgerliche Tugenden vermissen; es sei ein Armutszeugnis, wenn man diesen Überlegungen nicht folge, und es zeuge von Borniertheit.

Wer also der Meinung ist, dass wir in Biblis keine zusätzlichen Castoren einlagern sollten, für den trifft all das zu. Das ist die Sichtweise der GRÜNEN.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir haben die Aktuelle Stunde natürlich deshalb beantragt, weil wir wissen wollen, wo denn jetzt die Landesregierung steht. Wir haben den Koalitionsvertrag gelesen und waren entsetzt über das, was da drinsteht.

(Widerspruch bei der CDU)

Die GRÜNEN haben sich an dieser Stelle durchgesetzt. Man kann dazu sagen: schön für die GRÜNEN, schlecht für Hessen. So ist das zumindest aus unserer Sicht.

(Beifall bei der FDP)

Herr Bouffier, ich muss Sie bitten, stellen Sie das hier endlich klar. Tun Sie das nicht nur in den Medien, sondern hier im Plenum, sodass es im Protokoll dieses Plenums steht: Wo steht Hessen in dieser Frage, und was gilt in Hessen?

Wir haben erlebt, dass Herr Bouffier schon einmal 2010 im hr eine Äußerung getan hat, die wir als FDP nicht geteilt haben. Er hat gesagt, wenn man nach Zwischenlagern sucht, dann kann man in Hessen nicht Nein sagen, und wir können uns da nicht raushalten. – Das war damals im hr. Ich weiß nicht, ob das so gesagt worden ist. Ich kann nur zitieren, was der hr an dieser Stelle veröffentlich hat. Dann haben wir das hier im Parlament wieder glatt gezogen. Wir haben ganz klar deutlich gemacht, dass wir das nicht wollen. Ich habe dann auch – nicht zu meiner Freude, wie bereits gesagt – gelesen, dass im Koalitionsvertrag steht, dass es nicht mehr ausgeschlossen ist und dass man jetzt hier eine Öffnung eingebaut hat, dass sehr wohl Castoren nach Biblis kommen können, auch wenn der Ministerpräsident dann erklärt hat: Castorenlager in Hessen – das ist völliger Unsinn.

Das hat mich jetzt völlig verwirrt. Das ist auch zum Teil der Hintergrund für diese Aktuelle Stunde. Wahrscheinlich war das auch bei der SPD der Hintergrund. Die Castoren, die an der Küste landen, von Tausenden Polizisten begleitet, über Hunderte von Kilometern durch Deutschland hier nach Hessen zu bringen, das kann nicht sinnvoll sein. Das ist meine feste Überzeugung.

(Beifall bei der FDP – Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lesen Sie es doch!)

Das ist das, was Herr Bouffier erklärt hat; es steht aber komischerweise im Widerspruch zu dem, was man im Koalitionsvertrag mit den GRÜNEN vereinbart hat. Da wäre es wichtig für Hessen, Klarheit zu schaffen, Herr Ministerpräsident. Wir müssen das heute Morgen gar nicht lange machen. Wir bekommen bestimmt noch eine Redezeitausweitung. Sie könnten hier nach vorn gehen und mit zwei oder

drei Sätzen klar sagen, für was diese Landesregierung steht. Gibt es zusätzliche Castoren in Biblis, ja oder nein? Was gilt? Haben sich die GRÜNEN durchgesetzt? Gilt die alte Linie von FDP und CDU in diesem Land? – Das ist entscheidend für die Menschen in Hessen. Geben Sie eine klare Stellungnahme ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Herr Abg. Stephan für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zu Beginn möchte ich aus dem wichtigsten Papier der nächsten fünf Jahre, nämlich aus unserer schwarz-grünen Koalitionsvereinbarung, zitieren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 89/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der SPD)

Ich zitiere den gesamten Absatz:

Die Lagerung zusätzlicher Castoren aus La Hague und Sellafield sollte unter dem Vorrang fachlicher Gesichtspunkte erfolgen. Sollte es nach sorgfältiger Prüfung erforderlich sein, auch in Biblis zwischenzulagern, weil es in Deutschland keine anderen Möglichkeiten gibt, so werden wir eine Lagerung in Biblis dulden.

Wenn Sie sich noch einmal den Antrag, den wir als CDU und FDP noch im Juli 2013 zu diesem Thema eingebracht haben, anschauen, dann sehen Sie, dass im letzten Absatz auch drinsteht, dass die Lagerung von Castoren nach fachlich-sachlichen Gesichtspunkten und nicht nach parteitaktischen Gesichtspunkten erfolgen soll. Wir haben uns damals sehr stark auf die Transporte konzentriert.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Das zum letzten Absatz dieses Antrages.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, eine zweite Vorbemerkung: Biblis ist ein Zwischenlager, aber kein Endlager, und es wird auch kein Endlager dort geben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 89/DIE GRÜNEN)

Die Zeit des Zwischenlagers ist begrenzt auf das Jahr 2046. Eine Klage des Kreises Bergstraße, mit dem Herunterfahren des Reaktors dort auch die Zwischenlagerung zu beenden, ist vor Gericht gescheitert.

Die neue Bundesumweltministerin der SPD hat gleich bei ihrem ersten Auftritt zum Thema Kernenergie ihre mangelnde Kompetenz und ihr mangelndes Fingerspitzengefühl bewiesen. Sie hat in der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ vom 26. Dezember 2013 gefordert, die Lagerung von derzeit noch im Ausland befindlichen Castoren nicht nach sachlich-fachlichen Gesichtspunkten,

(Timon Gremmels (SPD): Sachliche Feststellungen!)

sondern nach Parteifarben vorzunehmen, wörtlich:

Es kann nicht sein, dass nur sozialdemokratisch geführte Regierungen Atommüll aufnehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sagt eine Ministerin – zwar neu im Amt, aber da hätte man auch anders handeln können. Im Übrigen hat sie übersehen, dass Baden-Württemberg grün und nicht rot geführt ist; von daher ist der Satz schon völlig falsch.

Zweitens. Daraufhin erfolgte eine Reaktion von Ministerpräsident Volker Bouffier am 5. Januar 2014 in der „Welt“ – und jetzt lese ich Ihnen den ganzen Absatz vor, nicht nur den ersten Satz –:

Auch dazu haben wir in unserem Koalitionsvertrag mit den GRÜNEN eine Lösung gefunden. Es erscheint mir allerdings nicht zielführend, Castortransporte aus dem britischen Sellafield, die wir mit Tausenden Polizeibeamten absichern müssen, von der Küste aus Hunderte von Kilometer durchs Land zu schicken, nur damit auch ein unionsregiertes Land von der Zwischenlagerung betroffen ist.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das ist der Kern dieses Absatzes. Weiter führt er aus: „Das ist doch völliger Unsinn!“ – Er fordert sachliche Prüfung.

Frau Ministerin Hinz erklärt am 30. Januar bei der dpa:

Wir haben uns bereit erklärt, wenn es sachlich und fachlich geboten ist, auch in Biblis eine Zwischenlagerung von Castoren zu ermöglichen.

Wie in der Koalitionsvereinbarung.

Minister Al-Wazir sagt einen Tag später zur „FAZ“:

Wenn eine fachliche Prüfung am Ende ergäbe, dass es helfen würde, wenn Castoren in Biblis zwischengelagert werden, würden wir uns dem nicht entgegenstellen.

Wiederum genau, was im Koalitionspapier steht.

(Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau! – René Rock (FDP): Sie wollen also einlagern!)

Liebe Opposition, die Koalition ist in diesem Punkt geschlossen – geschlossener, als Sie es gern hätten, und es gibt keine Abweichungen.

Jetzt kommt das Schönste an dem Ganzen: Frau Hendricks, die Umweltministerin in Berlin, hat es inzwischen begriffen und erklärt dem „Spiegel“:

Der Atommüll kennt keine Parteigrenzen, sondern muss nach fachlichen Kriterien möglichst sicher gelagert werden. Ich appelliere an die Solidarität der Bundesländer, in denen es standortnahe Zwischenlager gibt.

Was sind denn „standortnahe Zwischenlager“? Das sind die mit den geringsten Transportwegen. Dann sind wir auch wieder bei dem, was eigentlich schon lange Konsens ist. Frau Hendricks ist, glaube ich, inzwischen vernünftig geworden.

Biblis, das können wir hier sagen, ist nicht standortnah. Aber wir wollen ja nicht allein die Transportwege, sondern die gesamte Sicherheit prüfen. Die Opposition hat es noch nicht verstanden. Abschließend: Wir stehlen uns nicht aus der Verantwortung, wenn es denn fachliche Gründe gibt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS/DIE GRÜNEN)