Protokoll der Sitzung vom 25.03.2015

Aber bei diesem Punkt halte ich es für richtig, dass wir uns an die Reihenfolge halten.

Ich will damit beginnen, dass in unserem Antrag – Herr Kollege Lenders, das bezieht sich auf Ihre Bemerkung – im ersten Absatz steht, dass der Landtag die Unterzeichnung des „Bündnisses Ausbildung Hessen“ begrüßt und in diesem Schritt eine wichtige Vereinbarung sieht, um jedem Jugendlichen in Hessen eine qualifizierte Ausbildung zu ermöglichen. Dies beinhaltet, dass diese 15 Seiten

(Der Redner hält eine Unterlage hoch.)

„Bündnis Ausbildung Hessen“ 2015 bis 2019 und diese 25 Seiten

(Der Redner hält eine weitere Unterlage hoch.)

mit Maßnahmen, die festgelegt wurden und in diesem Zeitraum zu realisieren sind, natürlich Bestandteil dieses Antrags sind. Das relativiert so manche Aussage, die Sie in Ihrem Beitrag gemacht haben, und auch manche – das will ich am Anfang sagen –, die die Kollegin Gnadl hier gemacht hat.

(Vizepräsidentin Ursula Hammann übernimmt den Vorsitz.)

Ich glaube, wir sind uns alle einig: Die Fachkräftesicherung ist eine der großen Zukunftsaufgaben im Land Hessen und in Deutschland zur Sicherung des sozialen und wirtschaftlichen Wohlstands.

Eine zentrale Säule ist und bleibt die Berufsausbildung. Das wird auch in Zukunft so sein. Wenn wir über das „Bündnis Ausbildung Hessen“ 2015 bis 2019 reden, dann müssen wir bedenken, dass die Hessische Landesregierung ein Gesamtkonzept „Fachkräftesicherung Hessen“ hat, das aus drei strategischen Handlungsfeldern besteht: erstens „Aus- und Weiterbildung“ – darüber reden wir heute –, zweitens „potenzialorientierte Arbeitsmarktpolitik“ und drittens „Internationalisierung als Standortfaktor – Zuwanderung und Integration gestalten“. Das sind die drei Bestandteile des Gesamtkonzepts „Fachkräftesicherung Hessen“, dessen Umsetzung sich die Landesregierung zum Ziel gesetzt hat.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vor diesem Hintergrund hier auszuführen, dass das Thema Integration und Zuwanderung keine Rolle spiele, geht schlicht und einfach an der Sache vorbei.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das „Bündnis Ausbildung Hessen“ und die Vereinbarungen, über die wir heute sprechen, sind ein wesentlicher Baustein des Handlungsfeldes „Aus- und Weiterbildung“. Dabei wird die Bedeutung der beruflichen Ausbildung in den Vordergrund gestellt – ich glaube, diesem Punkt müssen wir eine viel höhere Aufmerksamkeit widmen –, und es wird deutlich gemacht, dass die berufliche Ausbildung gleichwertig – ich wiederhole: gleichwertig – neben der akademischen Ausbildung steht. Wir alle sollten uns vornehmen, dass wir das Bewusstsein dafür, dass eine berufliche Ausbildung und eine akademische Ausbildung gleichwertig sind, noch viel stärker in die Gesellschaft, den Bürgerinnen und Bürgern kommunizieren, weil in diesem Bereich noch erheblicher Nachholbedarf besteht.

(Beifall bei der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb ist es gut und richtig, dass diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe von allen Unterzeichnern – welche das sind, wurde gesagt, deshalb brauche ich das nicht zu wiederholen – angenommen wird und dass sie sich dieser Aufgabe stellen. Damit knüpfen wir an das an, was frühere Landesregierungen auf den Weg gebracht haben. Ich will exemplarisch das Programm QuABB und das Programm OloV nennen. Weil das Thema Integration angesprochen wurde, erinnere ich daran, dass es in der vergangenen Legislaturperiode auf Initiative des damaligen Ministers Boddenberg eine Anwerbeaktion im Zusammenhang mit spanischen Jugendlichen gegeben hat, die zu einem gewissen Erfolg führte. Insofern ist es selbstverständlich, dass Anknüpfungspunkte an diese Programme vorhanden sind. Wichtig ist in dem Zusammenhang die Verbindung von beruflicher Praxis und theoretischer Ausbildung, die ein wesentliches Erfolgsgeheimnis dieses Systems ist.

Daher ist es wichtig – ich will in Kurzform noch ein paar Punkte ansprechen –, dass das duale Berufsausbildungssystem gestärkt wird und seine Attraktivität gesteigert wird, um den Erfolg dieses Systems auch für die Zukunft zu sichern.

Die Berufs- und Studienorientierung ist ein wesentlicher Punkt, über den wir auch in der Arbeitsgruppe 4 des Bildungsgipfels sehr intensiv diskutieren. Ich halte es für richtig und wichtig – es ist notwendig, dass dies konsequent umgesetzt wird –, in den letzten drei Schuljahren in allen Bildungseinrichtungen, ob das Haupt- und Realschulen, reine Realschulen, integrierte Gesamtschulen oder Gymnasien sind, vertieft über Berufs- und Studienorientierung zu informieren und vertieft über dieses Thema zu sprechen. Eine Reihe diesbezüglicher Maßnahmen finden Sie in dem Maßnahmenpaket. Dort sind sie aufgelistet. Insofern will ich es mir ersparen, einzelne Maßnahmen herauszugreifen.

Bei der Neuausrichtung des Übergangs von der Schule in den Beruf geht es darum, dass die Integration in die Ausbildung Vorrang hat und anstelle schulischer Warteschleifen stattfindet. Dass das kein einfaches Thema ist, sehen wir auch an der Diskussion in der Arbeitsgruppe 4 des Bildungsgipfels. Dort wurde gefordert, dass das Land in den entsprechenden Gesetzen eine Garantie für eine vollschulische Ausbildung der Bewerberinnen und Bewerber übernimmt, die keinen Ausbildungsplatz finden. Ich halte diese Forderung im Zusammenhang mit der Aussage, dass die

Integration in die Ausbildung Vorrang hat, für kontraproduktiv, und ich will dies hier wenigstens angemerkt haben.

Die Verbesserung des Ausbildungsangebotes mit 1.500 zusätzlichen Ausbildungsstellen wurde angesprochen. Noch nicht angesprochen wurde, dass das Bündnis auch vereinbart hat, dass mindestens 1.500 zusätzliche Plätze für die Einstiegsqualifizierung geschaffen werden.

Man muss in dieser Diskussion der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Hessen, Dank dafür aussprechen, dass sie ihre Bereitschaft erklärt hat, jedem Jugendlichen, der keinen Ausbildungsplatz erhält, drei Ausbildungsplatzangebote zu unterbreiten, um damit zu zeigen, dass es an anderer Stelle noch freie Ausbildungsplätze gibt, um den einen oder anderen – idealerweise alle – zusätzlich in Ausbildung zu bringen. Ich glaube, auch diesen Punkt sollten wir bei dieser Diskussion nicht vergessen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Über die Vertiefung der Berufs- und Studienorientierung an den Schulen habe ich einige Sätze gesagt. Sie wissen, dass es gerade bei diesem Thema eine sehr engagierte Diskussion in der Arbeitsgruppe 4 des Bildungsgipfels gegeben hat und dort ein entsprechendes Papier – de facto auch redaktionell – schon gefertigt worden ist und in der nächsten Sitzung der Arbeitsgruppe hoffentlich zur Verabschiedung kommt.

Das Programm „Qualifizierte berufspädagogische Ausbildungsbegleitung in Berufsschule und Betrieb“, QuABB, wird fortgeführt und weiterentwickelt. Es gibt professionelle Ausbildungsbegleiter.

Am Ende sind all das Maßnahmen, die dazu dienen, das Ziel zu verwirklichen, möglichst alle, die das wollen, in eine berufliche Ausbildung zu bringen. Ich glaube, auch das „Bündnis Ausbildung Hessen“ wird einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass sich in der Bevölkerung manifestiert, dass eine berufliche Ausbildung, eine berufliche Qualifikation genauso viel wert ist wie eine akademische Ausbildung. Deswegen ist dieses Bündnis ein gutes Papier, und wir alle sollten gemeinsam daran arbeiten, dass die Maßnahmen, die darin stehen, tatsächlich verwirklicht werden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schork. – Für die Landesregierung spricht nun Staatsminister Al-Wazir. Bitte schön, Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als in der Vergangenheit an den Hauptschulen, den Realschulen und den Gymnasien zentrale Abschlussprüfungen eingeführt wurden, gab es in der Öffentlichkeit sehr unterschiedliche Wahrnehmungen. Es gab eine sehr unterschiedliche Heftigkeit der Debatte und ein sehr unterschiedliches Pro und Kontra. Um es einmal so herum zu sagen: In den Hauptschulen und in den Realschulen hat das in der öffentlichen Wahrnehmung fast keinen interessiert,

aber über das Zentralabitur gab es monatelange Diskussionen. Woran liegt das? Es könnte daran liegen, dass sowohl die Abgeordneten als auch die Journalisten in aller Regel eher ein Abitur haben und die Kinder der Abgeordneten und der Journalisten in aller Regel eher den gymnasialen Bildungsgang einschlagen.

Ich will darauf hinweisen, es ist jetzt als große Neuigkeit dargestellt worden, dass wir letztes Jahr erstmals mehr Studienanfänger hatten als Jugendliche, die eine duale Berufsausbildung begonnen haben. Aber das heißt, dass in allen Jahrzehnten zuvor immer mehr Jugendliche in Richtung duale Berufsausbildung gegangen sind als an die Hochschulen. Das war umgekehrt proportional zur öffentlichen Wahrnehmung.

Ich will ausdrücklich sagen: Die duale Berufsausbildung ist aus meiner Sicht der Grund, warum, erstens, Deutschlands Wirtschaft wettbewerbsfähig ist

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und wir, zweitens, eine vergleichsweise niedrige Jugendarbeitslosigkeit haben. Sie ist auch einer der Schlüssel zur sozialen Teilhabe an der Gesellschaft. Deswegen haben wir im letzten Jahr mit allen Beteiligten so heftig daran gearbeitet, das „Bündnis Ausbildung Hessen“ hinzubekommen. Ich bin wirklich dankbar, dass alle mitgearbeitet haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Ziel ist, dass in Hessen kein ausbildungswilliger Jugendlicher mehr ohne Ausbildungsplatz bleibt. Das ist das Hauptziel. Das ist es, worauf wir uns geeinigt haben: mit der Wirtschaft, mit den Gewerkschaften, mit der Arbeitsverwaltung und mit den Kommunalen Spitzenverbänden. Die enge Verzahnung von Theorie und betrieblicher Praxis ist aus meiner Sicht eine der Voraussetzungen für eine am Bedarf der Wirtschaft orientierte und qualitativ hochwertige Ausbildung.

Auch das ist einer der Gründe, warum wir gesagt haben: Vorrang soll die duale Berufsausbildung haben. Das Übergangssystem soll nur dann zum Zug kommen, wenn es nicht gelingt, jemanden direkt in die duale Ausbildung zu vermitteln.

Warum das so wichtig ist, ist klar: Eine abgeschlossene berufliche Ausbildung ermöglicht soziale Teilhabe, und sie gibt Sicherheit im späteren Erwerbsleben. Gleichzeitig ist sie eine – eine, Herr Lenders – der Säulen der zukünftigen Fachkräftesicherung, ebenso wie die Ausweitung der Erwerbsarbeit, das Zurückgreifen auf die sogenannte stille Reserve, womit vor allem die gut ausgebildeten Frauen gemeint sind und die Zuwanderung. Man soll nicht glauben, dass eine allein funktionieren würde, sondern wir brauchen alle drei Säulen. Aber wir reden heute über die erste Säule, und das sind die Ausbildung und die Nachqualifizierung.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will ausdrücklich sagen, dass beides wahr ist. Es gibt unbesetzte Ausbildungsstellen. Dort hat man es nicht mit irgendwelchen unwilligen Menschen zu tun, die die Jugendlichen alle für blöd halten, sondern das sind Ausbildungsstellen, auf die sich wirklich niemand bewirbt.

Gleichzeitig gibt es Jugendliche, die wollen und auch qualifiziert sind, aber keinen Ausbildungsplatz bekommen.

Deswegen ist es unsere Aufgabe, das Problem des Matching – wie man auf Neudeutsch sagt; „wie der eine zum annern find“, würde der Hesse sagen – zu lösen. Deshalb müssen wir dafür kämpfen, dass die duale Ausbildung für alle Jugendlichen attraktiver wird und dass allen Jugendlichen, die das möchten, ein dualer Ausbildungsplatz angeboten werden kann.

Ich begrüße ausdrücklich die Zusage der Wirtschaft, in diesem Jahr 1.500 zusätzliche Ausbildungsstellen, mindestens 1.500 Plätze für die Einstiegsqualifizierung und darüber hinaus ausreichend Praktikumsplätze zur Verfügung zu stellen. Dafür sind wir dankbar.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kollegin Gnadl hat in ihrer Rede behauptet, das Land würde keine konkreten Maßnahmen ergreifen. Das ist einfach falsch.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Gnadl, ich bin Ihnen dankbar für diesen Vorwurf; denn ich kann Ihnen nun ausführlich sagen, was wir machen. Die qualifizierte Ausbildungsbegleitung – das Projekt QuABB – wird weiter ausgebaut und in Hessen zukünftig flächendeckend angeboten. Wir wollen die Methode der Früherkennung weiterentwickeln. Ziel ist es, Ausbildungsabbrüche zu verhindern. Die flächendeckende Ausweitung ist eine Neuigkeit.

Die Zahl der Ausbildungsgänge in Teilzeit soll erhöht werden, um besonders Menschen mit Familienverantwortung oder Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen die Ausbildung zu erleichtern.

Frau Gnadl, wir starten eine neue Initiative – ich werde sie nach Ostern vorstellen –, die „Pro Abschluss“ heißt. Wir wollen damit mehr Menschen dazu bringen, dass sie einen Berufsabschluss nachholen. Dafür wollen wir ebenfalls eine flächendeckende Beratungsstruktur aufbauen.

Um Ihnen zu zeigen, wie nötig das ist: Wir haben in Hessen 400.000 Menschen zwischen 15 und 65 Jahren, die nicht in Ausbildung sind und trotzdem keinen Berufsabschluss haben. 60.000 davon bilden den harten Kern der Langzeitarbeitslosen. Die anderen 340.000 arbeiten. Sie sind aber tendenziell viel gefährdeter als andere, langzeitarbeitslos zu werden. Deswegen wollen wir in dieser Legislaturperiode einen großen Schwerpunkt auf die nachholende Qualifizierung setzen. Deswegen starten wir die Initiative „Pro Abschluss“.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Übergang von der Schule in den Beruf soll mehr Jugendlichen gelingen. Unser Ziel ist, dass wir bis 2020 höchstens noch 10.000 – 2013 waren es 17.270 – Schulabgängerinnen und Schulabgänger eines Jahrgangs im Übergangssystem haben. Ich will ausdrücklich sagen: Wir diskutieren auf dem Bildungsgipfel gerade darüber. Wir wollen bis zum Sommer 2015 ein mit dem Bildungsgipfel abgestimmtes Konzept zur Neugestaltung des Angebots von Übergangsmaßnahmen vorlegen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich setze auch auf Ihre konstruktive Mitarbeit.