Das schreit nicht nach einem ominösen Pakt für den Nachmittag, sondern – Sie wissen es schon – nach echten Ganztagsschulen, nach Profil 3.
Also bitte keine weiteren Scheinangebote, die als innovative Lösungen verkauft werden sollen, sondern nehmen Sie sich dieses Problems doch bitte tatsächlich an.
Nach wie vor sind es in ganz Hessen – das haben schon meine Vorredner betont – von fast 1.100 Grundschulen lediglich fünf, die nach dem Profil 3 arbeiten. In den Ausbau von echten Ganztagsschulen – die, wie Sie wissen, von einem Drittel der Eltern gewünscht werden – müssen die Ressourcen gesteckt werden, nicht aber in einen Pakt, der diesen Ausbau auch noch, wie wir es sehen, verhindert.
Unter Punkt 1 f wird sogar wird sogar auf Ihr lahmes Dauergegenargument eingegangen, nämlich darauf, dass nicht alle Eltern eine gebundene Form wünschen. Auch dies lässt sich doch mit Profil-3-Schulen regeln, wie es in Wiesbaden in Ihrer derzeitigen Vorzeigeschule auch gezeigt wird, die den Kindern und Eltern in der teilgebundenen Ganztagsschule beides anbietet.
100 Grundschulen pro Jahr, zehn Jahre lang, das ist nicht nur wünschenswert, sondern auch machbar. Ich muss an dieser Stelle betonen, dass ich mir zu Beginn des Bildungsgipfels gewünscht habe, ein Papier mit dem Inhalt dieses Antrags als eines der Ergebnisse des Bildungsgipfels an dessen Ende vorgestellt zu bekommen.
Lieber Herr Kultusminister, letzte Woche haben Sie sich in Ihrer Pressekonferenz für Ihre unglaubliche Kompromissbereitschaft auf dem Bildungsgipfel selbst gelobt und feiern lassen. Ich will an dieser Stelle gar nicht inhaltlich auf den dort vorgestellten Punkt eingehen und denke, die massive Kritik dort haben Sie zur Kenntnis genommen. Aber Ihre Zusicherung, Sie seien allem gegenüber offen und gingen auf jeden zu, würde ich nun gerne einlösen.
Alles, was in diesem Antrag steht, hätte zumindest auf dem Bildungsgipfel besprochen werden müssen. Wir reden nämlich gerade über ein ganz zentrales schulpolitisches Problem. Warum findet hier keine wirkliche Bewegung statt? Warum nehmen Sie sich nicht der wirklich drängenden schulpolitischen Fragen an, die an der Ungerechtigkeit unseres Bildungssystems substanziell etwas verändern könnten?
Warum müssen diese Dinge hier, unter uns, und nicht auch auf dem Bildungsgipfel, zentral mit den Beteiligten und Experten, besprochen werden? Das ist bisher auch in der Arbeitsgruppe 2 noch nicht ausreichend geschehen.
Wenn wir wirklich etwas bewegen wollen, wenn wir soziale Benachteiligungen ausgleichen wollen, wenn wir wirklich ein inklusives Schulsystem schaffen wollen, in dem Kinder unabhängig von deren Herkunft und Glauben, Kinder mit und ohne Beeinträchtigungen gemeinsam lernen, wenn wir die Nöte von berufstätigen Eltern ernst nehmen und wenn wir den Leitsatz „Schule muss gebührenfrei sein“ wirklich umsetzen wollen, dann kommen wir an echten Ganztagsschulen nicht vorbei.
Meine Damen und Herren, es geht um echte Ganztagsschulen mit rhythmisiertem Unterricht, gern unter Beteili
gung von Vereinen und sozialen Institutionen. Erst letzte Woche hatten wir Besuch vom Musikschulverband. Dort hat man bereits Konzepte für eine Ganztagsbeteiligung entworfen. Die müssten Sie nicht einmal neu entwickeln. Dort ist man schon so weit und hat erkannt, dass auch Hessen langfristig um echte Ganztagsschulen nicht herumkommen wird.
Herr Kultusminister, noch eine Bitte an Sie: Kollege Schwarz hat eben gesagt, es werde einen Ausbau nur der teilgebundenen Ganztagsschulen geben und nur dann, wenn bereits flächendeckende Angebot vorgehalten werden können – wenn ich ihn richtig verstanden habe. Meines Erachtens klingt das analog zu Ihrer Ankündigung, und ich möchte Sie bitten, darauf gleich in Ihrer Antwort einzugehen.
Meine Damen und Herren, wir werden diesen Antrag der SPD auf jeden Fall unterstützen und werben sehr dafür, dass das gesamte Haus dies tut und sich Aufgaben vornimmt, die auch bewältigbar sind. Mit einem solchen Vorhaben aus dem Bildungsgipfel schließlich herauszugehen, das wäre wirklich einmal ein Erfolg, für den sich der Kultusminister und die schwarz-grüne Landesregierung berechtigt feiern lassen könnten. – Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem wir uns heute früh schon mit Innenpolitik und Strafrecht befasst haben, kommen wir jetzt zum bildungspolitischen Teil dieses Vormittags – und damit auf die größte Baustelle dieser Landesregierung: die Bildungspolitik, die Schulpolitik, die im Hinblick auf den Bildungsgipfel – um im Bild zu bleiben – zur Bauruine zu verkommen droht.
Heute steht als Erstes auf der Tagesordnung – dankenswerterweise von der SPD darauf gesetzt – das Thema Ganztagsschule. Ich will unterstreichen: Dieses Thema ist sehr wichtig für die Zukunft unserer Kinder, für die Entwicklung unserer Schulpolitik. Sie steht auch ein ganzes Stück weit als Symbol für das, was auf diesem Bildungsgipfel passiert oder auch nicht passiert. Insbesondere die hektischen Rettungsversuche der Koalition und des Kultusministers aus den letzten Tagen unterstreichen die Wichtigkeit, die Bedeutsamkeit dieses Themas. Es lohnt sich, sich das etwas genauer anzuschauen.
Worum geht es denn? Zunächst geht es um das, was diese Koalition, diese Landesregierung als Großtat verkauft, nämlich den Pakt für den Nachmittag.
Letztlich ist das kein Ganztagsschulangebot im eigentlichen Sinn, jedenfalls in dem Sinne, wie es in der Schulpolitik gebraucht wird, sondern das ist ein Ausbau des Betreuungsangebotes, nicht mehr und nicht weniger.
Ich stehe nicht an, einzuräumen: Es ist gut, dass es diese zusätzlichen Betreuungsangebote gibt. Dafür haben wir schon in der letzten Wahlperiode gearbeitet. Das haben wir kontinuierlich ausgebaut. Dort haben wir kontinuierlich mit den Kultusministerinnen Doris Henzler und Nicola Beer zusätzliche Stellen zur Verfügung gestellt.
Dazu kommt jetzt – auch das begrüße ich ausdrücklich –, dass man versucht, die kommunalen Angebote, die Angebote vor Ort, ein Stück weit stärker mit den Ressourcen des Landes und der Schulen zu verzahnen. Das ist insoweit in Ordnung. Es ist auch schön, wenn Sie da ein paar Stellen mehr hineingeben. Insofern sind Sie auf einem guten Weg, wenn Sie das weitermachen, was wir begonnen haben.
Nur: Sind es wirklich ein paar Lehrerstellen mehr? Sie haben versprochen, dass es bei einer 105-prozentigen Lehrerversorgung bleibt. Sie haben sogar zusätzlich versprochen, dass die demografische Rendite im System bleibt und dort eingesetzt werden soll. Das Dumme ist nur: So, wie Sie das versprochen haben, haben Sie dieses Versprechen auch gebrochen. Es gibt keine zusätzlichen Stellen, jedenfalls nicht in nennenswertem Umfang, nicht in dem Maße, wie sie gebraucht werden. Das, was es gibt, ist vielmehr eine Umverteilung von der rechten in die linke Tasche, um jetzt mehr Betreuung zu ermöglichen und zu finanzieren.
In den Briefen, die vom Kultusministerium an die Schulleiter in Hessen verschickt wurden, zuletzt am 12. Mai 2015, wird es sehr deutlich formuliert: Für das Ganztagsschulangebot, also letztlich für den Pakt für den Nachmittag, werden bis zu 230 Stellen zusätzlich gebraucht. Das wissen wir. Diese Stellen sollen, wenn man dieser Koalition glauben darf, zusätzlich in das System kommen. Dann heißt es in diesem Schreiben des Kultusministerium verräterisch, aber auch eindeutig: „Die Stellenressourcen, die hierfür benötigt werden, müssen wir“ – nein, nicht aus der demografischen Rendite – „aus anderen Bereichen umlenken.“ – So nennt man das jetzt.
Somit wird ab dem Schuljahr 2015/2016 der bisher pauschale Zuschlag zum Grundunterricht bei den Grundschulen in Höhe von 1,5 Wochenstunden pro Sollklasse durch einen klassengrößenabhängigen Zuschlag abgelöst, der wie folgt zugewiesen wird.
Dieser Zuschlag fällt geringer aus: bis einschließlich 17 Schülerinnen und Schüler statt 1,5 nur noch 0,5 Wochenstunden, bei 18 bis 21 Schülerinnen und Schülern statt 1,5 nur noch 1,0 Wochenstunden. So müssen die Grundschulen den Pakt für den Nachmittag bezahlen.
Der zweite Punkt, der in dem Schreiben ausdrücklich aufgeführt wird, betrifft die gymnasiale Oberstufe. Ich habe schon gestern nach den Zahlen gefragt; da waren sie dem Kultusminister – jedenfalls bei der Nachfrage – nicht so ganz präsent. Das kann ich verstehen, weil das, was Ihnen Ihre Leute da aufschreiben, sehr kompliziert ist. Das Entscheidende ist aber: Die Senkung des Zuweisungsfaktors für die gymnasialen Oberstufen bedeutet letztlich eine Erhöhung um einen Schüler pro Klasse – das muss man sich
einmal klarmachen – mit der Folge einer höheren Arbeitsbelastung für die Lehrerinnen und Lehrer. Das birgt natürlich die Gefahr, dass das Kurs- und Leistungsangebot entsprechend eingeschränkt werden muss, weil weniger Lehrerressourcen vorhanden sind. Das ist eine Konsequenz, die man sich an fünf Fingern abzählen kann. Damit fahren Sie einen Angriff auf die Substanz der gymnasialen Oberstufen – eine Substanz, die wir in den fünf Jahren, als wir mit an der Regierung waren, verbessert haben.
Es passiert also Folgendes. Sie schließen einen Pakt für den Nachmittag, die Grundschulen müssen einen Teil davon selbst finanzieren, und für den Rest machen Sie die Gymnasien zum Steinbruch Ihrer Finanz- und Bildungspolitik.
Man muss sich auch noch Folgendes vor Augen führen: Das machen Sie nicht etwa für echte Ganztagsschulen. Das tun Sie ausschließlich für den Ausbau des Betreuungsangebotes.
Die Gymnasien zum Steinbruch zu machen, um die Betreuung auszubauen, und noch nicht einmal Ganztagsschulen zu schaffen, das ist für diese Landesregierung schon ein Armutszeugnis. Ich sage sehr deutlich: Was wir brauchen, sind echte Ganztagsschulen – nicht flächendeckend, sondern freiwillig, gar keine Frage –,
aber natürlich mehr rhythmisierte Ganztagsschulen. Wenn ich sehe, wie sich der Kultusminister dafür feiert, dass er einer einzigen Wiesbadener Schule jetzt den Weg dafür freigemacht hat, eine rhythmisierte Ganztagsschule zu werden, dann sage ich dazu ganz deutlich: Herr Minister, das ist ein guter Anfang, aber leider nicht mehr. Ich sehe nicht so wirklich, wie das vorangehen kann. Dieses eine Beispiel einer Schule in Wiesbaden passt zu dem etwas kühlen und nicht ganz angemessenen Wetter im Wonnemonat Mai. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer; das gilt auch bei Ihnen.
Von daher erwarte ich mehr. Ich habe gehofft, dass Sie mit dem Antrag, den Sie gestern Abend formuliert haben und der heute verteilt worden ist, zeigen wollen, dass es vorangehen soll. Unter Punkt 6 Ihres Antrages steht, dass der Vorschlag, neben dem Pakt für den Nachmittag verstärkt auch teilgebundene oder rhythmisierte Ganztagsschulen zu genehmigen, eine Grundlage für die Arbeit der Schulen sein könnte. „Könnte“ ist aber ein Konjunktiv.
Meine Damen und Herren, wir warten ab, was uns der Kultusminister heute noch sagt. Wir haben auch die Pressekonferenzen der letzten Tage verfolgt. Wenn wirklich Bewegung ins Spiel kommt, dann werden wir uns nicht dagegen sperren, Teileinigungen zu dokumentieren und festzuhalten, wie ich auch schon an anderer Stelle gesagt habe. Man sollte wenigstens die Minimalkonsense sichern, die auf dem Bildungsgipfel an der einen oder anderen Stelle herausgearbeitet werden konnten, damit die ehrenamtliche Arbeit der Teilnehmer aus den Verbänden am Bildungsgipfel nicht einfach nur für die Katz war.