Noch eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Kommunalfinanzen bleiben im Aufwärtstrend – Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs auf der Zielgeraden, Drucks. 19/2106. Die Dringlichkeit wird bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 78 und wird zusammen mit Tagesordnungspunkt 47 zu diesem Thema aufgerufen.
Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion signalisiert Einverständnis. Ich gehe davon aus, die anderen auch.
Außerdem eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Sanktionen im Leistungsbezug SGB II, Drucks. 19/2107. – Auch hier wird die Dringlichkeit bejaht. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 79 und zusammen mit Tagesordnungspunkt 49 diskutiert.
Weiterhin eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Bundesratsinitiative zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, Drucks. 19/2108. – Auch dieser Antrag wird dringlich auf die Tagesordnung genommen und wird zu Tagesordnungspunkt 80 und mit Tagesordnungspunkt 54 zu diesem Thema aufgerufen.
Zum Ablauf der Sitzung. Wir tagen vereinbarungsgemäß heute bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von zwei Stunden und beginnen mit Tagesordnungspunkt 50: Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend 60 Jahre documenta sind ein großer Erfolg für Hessen, Drucks. 19/2076. Danach folgt Tagesordnungspunkt 47: Antrag der Fraktion der SPD betreffend kommunale Finanzausstattung endlich verbessern anstatt durch neuen KFA verschlechtern, Drucks. 19/2073. Er wird zusammen mit Tagesordnungspunkt 78 diskutiert. Nach der Mittagspause beginnen wir mit Tagesordnungspunkt 51, Drucks. 19/2077.
Es fehlen heute entschuldigt Herr Staatsminister Peter Beuth ab 17 Uhr, Herr Staatsminister Dr. Thomas Schäfer ab 15 Uhr, Herr Staatsminister Stefan Grüttner ganztägig und die Abg. Nancy Faeser, Stephan Grüger und Thomas Spies ebenfalls ganztägig.
Ich möchte Sie noch zu einer Ausstellungseröffnung einladen. Die Eröffnung der Ausstellung „Politik macht Kunst – Ein partizipatorisches Kunstprojekt von Jens Lay“ wird heute in der Mittagspause ab ca. 13 Uhr in der Ausstellungshalle stattfinden. Zur Information: Abgeordnete, Mitglieder der Landesregierung und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landtags wurden zur Beteiligung an diesem Kunstprojekt aufgerufen. Sie erstellten Fotografien, die
von dem Künstler abstrahiert und künstlerisch verändert wurden. Die veränderten Fotografien werden nun in der Ausstellung präsentiert.
Noch ein Hinweis. Heute Abend um 19:30 Uhr wird die Fußballmannschaft des Hessischen Landtags gegen die Sportredaktion der „Offenbach-Post“ in Offenbach antreten. Ich wünsche ein gutes Ergebnis, egal welcher Mannschaft, und werde dem Spiel auch beiwohnen.
Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend 60 Jahre documenta sind ein großer Erfolg für Hessen – Drucks. 19/2076 –
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Kunst am Rande dessen, was unser Kunstbegriff noch umfasst; Kunst am Rande der Kunst; Kunst im Grenzbereich, diese Grenzen verschiebend – das ist alle fünf Jahre die documenta in Kassel. Eine Kunst, die nicht affirmativ ist, sondern verstörend; Kunst, die bewusst nicht gefällig sein will, sondern innovativ, und manchmal vielleicht sogar bewusst als Nicht-Kunst wahrgenommen wird – das ist alle fünf Jahre die documenta in Kassel.
Einen manchmal nur verstandesgemäßen Zugang zum Kunstwerk, manchmal vielleicht sogar einen emotionalen – damit ist nicht gesagt: positiv oder negativ – Zugang zum Künstler selbst als Teil des Verstehens von Kunst eröffnet diese Ausstellung seit 1955, seit nunmehr 60 Jahren. Stand und Stellung der Gesellschaft soll ihr Gegenstand sein. Das und die nunmehr feste Entscheidung, das documenta Archiv weiterzuentwickeln, wollen wir heute mit dieser Debatte sichtbar machen.
Was einmal begonnen hat als Beiprogramm zur Bundesgartenschau in Kassel mit einem aus heutiger Sicht bescheiden anmutenden Etat von 379.000 DM, davon 200.000 DM als Zuschüsse, fand damals breiten Anklang. 130.000 Besucher wollten die 670 Werke von 148 Künstlern besichtigen. Der Kasseler Maler und Akademieprofessor Arnold Bode wollte damit der unter nationalsozialistischer Gewaltherrschaft verfemten modernen Kunst der Zwanziger- und Dreißigerjahre, aber auch der sich seit 1905 entwickelnden neuen Kunst gemeinsam mit engagierten Kasseler Bürgerinnen und Bürgern eine Plattform geben und sie in Erinnerung rufen. Er schuf damit den Beginn eines Ausstellungsformats, das heute zu Recht als Seismograf zeitgenössischer Kunst wahrgenommen wird.
Wie sollte man aber vier Jahre später an diesen Erfolg anknüpfen? Wie soll man dieses Aufarbeitungsforum für die Geschichte der Moderne weiterentwickeln? Dazu möchte
Unüberhörbar mischt sich in den Stolz der Veranstalter die Sorge, ob diese zweite documenta den Erfolg der ersten vor vier Jahren wiederholen wird. Sie wissen es selbst, dass die Voraussetzungen nicht ebenso günstig sind wie damals. In breitem Ausmaß wurde 1955 in Kassel vorgeführt, was sich bereits heimlich durchgesetzt hatte und nun in Deutschland nach rascher Erholung von den Schrecken der Nazizeit der Zustimmung weiter Kreise, auch der bisher noch zögernden, sicher sein durfte. Man konnte mit Recht sprechen von einer gewonnenen Schlacht für die Kunst unserer Zeit. Diesmal ist es anders. Das Wagnis ist größer.
Und es ist ein Wagnis, das auch gelingt – bis zum heutigen Tag. Der Schwerpunkt dieser zweiten Ausstellung liegt nun auf der Gegenwartskunst, und erstmals waren auch US-amerikanische Künstler unter den Teilnehmern. Das Museum of Modern Art hatte allein 100 Werke, unter anderem von de Kooning und Pollock, nach Kassel geschickt.
Mit der documenta III im Jahr 1964, der letzten Präsentation unter der Leitung von Arnold Bode und Werner Haftmann, ist das Ausstellungsformat endgültig etabliert. Erstmals taucht im Katalog die noch heute geläufige Bezeichnung der documenta als ein „Museum der 100 Tage“ auf.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der documenta 5 sollte die Kunst aus ihren musealen Zusammenhängen herausgerissen werden. „Fluxus“ und „Happening-Kunst“ erhielten ebenso Raum wie die sogenannte Nicht-Kunst und Bildbeiträge aus der Psychiatrie. Inhalt und Konzepte blieben nicht ohne Kritik. Aber im Nachhinein gilt diese documenta vielen als eines der wichtigsten Kunstereignisse des 20. Jahrhunderts.
1977 führt die Einbeziehung von offiziellen Künstlern der DDR zu teilweise ganz heftigen Protesten, und Wahrzeichen der documenta 7 wurden Joseph Beuys mit seinen „7.000 Eichen“ und Claes Oldenburg mit der „Spitzhacke“ am Fuldaufer, Anziehungspunkte bis heute.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, 1987 hatte sich die documenta über das gesamte Stadtgebiet ausgedehnt, und die Besucherzahlen erreichten erstmalig nicht die anfänglichen 130.000, sondern knapp eine halbe Million.
Die documenta 13 im Jahr 2012 hat sich mit einem Rekord von 860.000 Besucherinnen und Besuchern verabschiedet. Damals wurden Arbeiten von mehr als 300 Künstlern und anderen Teilnehmern an gut 60 verschiedenen Orten in Kassel und erstmals in der documenta-Geschichte auch an Außenstandorten gezeigt, Außenstandorten in Kabul in Afghanistan, in Kairo und in Alexandria in Ägypten, in Banff in Kanada.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die documenta 14, die im Jahr 2017 bevorsteht, ist also nicht völlig neu, was den Ausstellungsort Athen angeht, gleichwohl mit der Eröffnung dort.
Ein wesentlicher Grund für den Erfolg der documenta ist stets, dass die Politik die Freiheit der Kunst in einer Weise achtet, die ohne Beispiel ist. Die Vorstellung dessen, was eine documenta sein kann und was sie leisten soll, liegt im Bereich der Kunst. Und dies hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert.
Mit ihrer temporären Verlagerung und Verdoppelung der räumlichen Perspektiven wird die documenta 14 auf ihre Art das internationale Gespräch über Kunst in neue Bahnen lenken und den globalen Anspruch der Ausstellung realisieren. Ich bin recht zuversichtlich, aber auch gespannt, dass die documenta 14 unter der künstlerischen Leitung von Adam Szymczyk ein weiteres Kapitel zu unserem neuen Verständnis und unseren Erfahrungen mit zeitgenössischer Kunst hinzufügt. Der kommenden Ausstellung sehe ich zuversichtlich entgegen, aber ich bin auch gespannt, wie es den Konzeptmachern gelingt, die Kasseler und die Hessen zu überzeugen, dass das Herz der documenta nach wie vor in Kassel und damit in Hessen schlägt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Land unterstützt die Weiterentwicklung dieser ganz bedeutenden Marke documenta in der hessischen Kulturlandschaft und wird gemeinsam mit der Stadt Kassel das documenta Archiv als Teil der documenta und Museum Fridericianum Veranstaltungs-GmbH tragen. Durch diesen wesentlichen Schritt und diese grundlegende Entscheidung, die Weiterentwicklung des documenta Archivs zu einem außeruniversitären Forschungsinstitut einzuleiten, werden die documenta und ihre Geschichte sowie der künstlerische Einfluss auch zwischen den alle fünf Jahre stattfindenden Ausstellungen erlebbar gemacht.
Hierzu wird das Land ab 2016 zusätzlich in jedem Jahr 500.000 € für diese GmbH bereitstellen. Und das ist in diesen Zeiten eine sehr wesentliche Entscheidung.
Ich will schon sagen, dass es einer besonderen Feststellung wert ist, dass die gesamte Landesförderung für die Jahre 2014 bis 2018 in Höhe von 10,3 Millionen € für die documenta und Museum Fridericianum Veranstaltungs-GmbH bereitgestellt wird. Das sind verlässliche Rahmenbedingungen für die kommende documenta 14 in unserem Land.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit 60 Jahren ist die documenta ein Jubilar mit Tradition mittlerweile, aber es bleibt dabei, dass die documenta immer wieder aufs Neue innovative Sichtweisen eröffnet, einen Blick auf das Schaffen zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler ermöglicht, und es bleibt auch in Zukunft mit Sicherheit dabei, dass Kunst etwas Disruptives in sich trägt. Die Gefahr, dass die documenta in Zukunft auch gefällige Kunst präsentieren könnte, halte ich für relativ ausgeschlossen.
Meine Damen und Herren, deswegen schließe ich mit einem Satz des Bundespräsidenten anlässlich der documenta 13:
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Wolff, herzlichen Dank für diesen sehr anschaulichen Abriss der Historie von 60 Jahren documenta – auch mit dem Ausblick auf die documenta 14. Damit kann ich mich auf das konzentrieren, was meines Erachtens die documenta exemplarisch für Kunst und Kultur nicht nur in unserem Land Hessen, sondern insgesamt für Menschen ausmacht.
Kunst und Kultur sind nämlich von zentraler Bedeutung für die Lebenserfüllung und auch für die Selbstfindung von Menschen. Künstlerinnen und Künstler haben sich zu allen Zeiten durch selbst gewählte, durch selbst gestaltete – im wahrsten Sinne des Wortes: selbst gestaltete – Tätigkeiten mit dem Sein, mit ihrem Leben in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auseinandergesetzt und insbesondere – dafür ist die documenta ein wahrlich beredtes Beispiel – das Leben fernab von Normen, von allgemeinen Dogmen oder gar Schablonen dargestellt.
Damit dient Kunst also der Selbstvergewisserung, zum einen natürlich der Künstlerin oder des Künstlers in ihrer oder in seiner aktuellen Auseinandersetzung, aber auch der Selbstvergewisserung, der Selbstbesinnung und damit auch der Standortbestimmung der die Kunstwerke, die Performances betrachtenden, zuhörenden oder miterlebenden Zuschauer. Damit sind Kunst und künstlerische Arbeit Teil der Selbstreflexion unserer Gesellschaft.
Gerade weil Kunst und künstlerisches Schaffen in dieser Art und Weise nicht nur individuelle, sondern auch soziale Identität sichern, ist es richtig, an dieser Stelle zu investieren.
Kunst und Kultur sind nämlich wesentlich für die menschliche Verständigung, und die Sprache der Kunst ist eine, die auch das Verständnis und den Austausch zwischen den Kulturen und den Nationen fördert. Sie wird da besonders kraftvoll, wo es neben dem Schutz und der Weitergabe des kulturellen Erbes auch um das Prinzip der Kultur als innovativer, als eigenständiger, ja insbesondere experimenteller und revolutionärer Kraft geht.