(Günter Rudolph (SPD): Die Rede von Herrn Bauer müsste man an alle Polizeibeamten verteilen! Dann verzichten die bestimmt gern auf Besoldungserhöhungen!)
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon einigermaßen erstaunlich, aus wie wenig man eine Aktuelle Stunde machen kann.
Um bei den Worten von Herrn Kollegen Rudolph zu bleiben, der seine Sätze mit „Trifft es zu“ eingeleitet hat – ich will das fortführen –: Trifft es zu, dass die SPD zu einem bestimmten Bereich wieder kein Konzept vorzulegen hat?
Trifft es zu, dass die SPD wieder einmal mehr Geld ausgeben will, ohne auch nur einen Hinweis darauf zu geben, wo das Geld herkommen soll?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, man kann sich über solche Zeitungsartikel, die natürlich nicht besonders erquicklich sind, streiten, man kann über sie kontrovers diskutieren. Ich finde aber, man sollte auch in dieser Sache die Kirche im Dorf lassen und sich die Fakten einmal genauer anschauen, Herr Kollege Rudolph. Das will ich jetzt tun.
Ich verüble es keinem Gewerkschafter, der für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kämpft, wenn er in dieser Auseinandersetzung hart mit der Landesregierung umgeht und auch ein bisschen unfair spielt, um auf die Situation aufmerksam zu machen. Gewerkschaften haben insbesondere die Aufgabe, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Bestmögliche herauszuholen. Es ist aber die Aufgabe der Politik, es ist Aufgabe des Hessischen Landtags als Haushaltsgesetzgeber, alles gegeneinander abzuwägen: die Situation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, den Haushalt des Landes, die Verschuldungssituation des Landes und die Verantwortung, die wir für die nächsten Generationen tragen. Dieser Verantwortung müssen wir gerecht werden.
Herr Kollege Rudolph, das tun Sie leider nicht. Ich finde es schon bezeichnend, dass Sie auf die Faktenlage eigentlich gar nicht eingehen. Wir haben bei der hessischen Polizei insgesamt 13.764 Stellen. So viele Stellen gab es bei der hessischen Polizei noch nie. Der Kollege Bauer hat es gerade gesagt: Als wir uns im Koalitionsvertrag – nicht aus Freude, sondern weil es wegen der Finanzsituation notwendig ist – darauf verständigt haben, insgesamt 1.800 Stellen abzubauen, haben wir uns gleichzeitig darauf verständigt, dass wir im Bereich der Schulen, also im Bereich Bildung, und bei der Polizei keine Stellen abbauen. Von daher sehen Sie, welch eine Kraftanstrengung diese Regierung unternimmt, um das Einsparziel zu verfolgen und dabei den Bereich innere Sicherheit auszunehmen. Ich finde, das sollte man einmal erwähnen.
Von einer „Schließung von Polizeidienststellen“ zu reden, ist absurd. Es ist ja nicht so, dass wir uns das hier im Land
tag in einer Aktuellen Stunde geben, uns gegenseitig verbal verprügeln und wieder nach Hause gehen. Es gibt in Nordhessen Menschen, die glauben in der Tat, dass Polizeidienststellen geschlossen werden. Um was geht es, meine Damen und Herren? Es geht um ganze fünf Stellen. Zwischen der Zahl derer, die in Pension gehen, und der Zahl derer, die eingestellt werden, haben wir ein Delta von fünf Stellen – bei einem Personalkörper von 1.660 Stellen im Polizeipräsidium Nordhessen. Fünf Stellen im Vergleich zu 1.660 Stellen: Sich vor diesem Hintergrund hierhin zu stellen und davon zu reden, dass Polizeidienststellen geschlossen werden müssten, ist nicht nur absurd, sondern sogar unglaublich.
Ich will an der Stelle nur die Ausstattung, die Besoldung und die Qualität der Schutzausrüstung der hessischen Polizei erwähnen. Andere Bundesländer würden sich freuen, wenn sie in der Lage wären, wie wir im Lande Hessen dies für ihre Polizei sicherzustellen. Nehmen Sie das doch einfach einmal zur Kenntnis.
Zu den Bewerberzahlen. Herr Kollege Rudolph, ich weiß, dass Sie sich da auskennen und dass Sie viele Kontakte zur Polizei haben. Wir hatten im Jahr 2012 5.133 Bewerberinnen und Bewerber, im Jahr 2013 5.712 Bewerberinnen und Bewerber und im Jahr 2014 5.744 Bewerberinnen und Bewerber. 2015 haben wir bislang – die Bewerbungsfrist läuft noch bis September – 5.060 Bewerberinnen und Bewerber.
Wir haben noch zwei Monate Zeit, in denen weitere Bewerbungen eingehen können. Was Sie hier in der Öffentlichkeit erzählen, nämlich dass die hessische Polizei nicht mehr genügend Bewerberinnen und Bewerber hat, ist geradezu absurd. Wir nehmen sogar zur Kenntnis, dass sich Menschen aus anderen Bundesländern in Hessen bewerben, weil sich die hessische Polizei in einer besseren Situation befindet. Das sollten Sie vielleicht einmal zur Kenntnis nehmen.
Man könnte noch mindestens eine halbe Stunde lang über dieses Thema reden. Ich neige dazu, dieses Thema ernst zu nehmen, weil es die Menschen im Lande sehr betrifft. Die Polizei, ihre Versorgung, die Polizeidienststellen – das ist ein sehr emotionales Thema.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! An der Stelle kann ich in der Tat an den Kollegen Frömmrich anknüpfen: Man sollte mit dem Thema Polizei kein Schindluder treiben. Das heißt, es geht hier weniger um stark emotionalisierte Reden, sondern darum, dass wir uns ein bisschen mit den Fakten befassen. Das ist wichtig, und deswegen hat die SPD-Fraktion den Punkt wohl auf die Tagesordnung gesetzt.
Das ist in der Tat eine spannende Frage, und darauf hat der Kollege Frömmrich sicherlich keine Antworten gegeben.
Meine Damen und Herren, die Situation der Polizei in Hessen hat uns hier in den letzten Monaten schon sehr häufig beschäftigt, sei es in den Haushaltsberatungen, bezüglich der personellen Ausstattung oder wegen der Intensiv- und Mehrbelastungen aufgrund der zahllosen Einsätze, die sie im Zusammenhang mit PEGIDA, KAGIDA, den „Freien Bürgern für Deutschland“ – vor allem aber auch mit den Gegendemonstrationen – sowie mit Blockupy und mit Salafisten zu bewältigen hatte. Auch heute gab es wieder einen Großeinsatz in Frankfurt. Dafür gebührt den Polizeibeamtinnen und -beamten in der Tat nicht nur Dank, sondern auch unser aller Respekt.
Das ist nicht nur so, weil sie ihren Job erledigen, für den sie natürlich bezahlt werden, sondern auch, weil dies immer im Spannungsfeld zwischen den sich tangierenden Grundrechten der einen und der anderen erfolgt, die die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten selbst in schwierigen Situationen – Stichwort: Blockupy – im Blick behalten mussten und im Blick behalten haben. Sie haben mit großer Besonnenheit reagiert, und das, obwohl sie im wahrsten Sinne des Wortes immer wieder ihren Kopf hinhalten mussten für Dinge, die andere zu verantworten hatten.
Vor diesem Hintergrund verstehe ich den Titel der Aktuellen Stunde der SPD „Polizei in Not – was tut die Hessische Landesregierung?“ als rhetorische Frage. Wir wissen schließlich sehr genau, was die Landesregierung macht. Der Kollege Rudolph hat das im Einzelnen ausgeführt. Das Thema Besoldung und das Thema Beihilfe sind genauso zu nennen.
Ich will allerdings einen Punkt aufgreifen – Herr Kollege Bauer, das ist mir sehr wichtig, ich habe Ihnen genau zugehört –: Wir haben bis jetzt die Botschaft „1 % ab dem nächsten Jahr“ gehört.
Sie haben in Ihrem Beitrag erklärt, Sie wollten die Bezüge in Zukunft „alimentationsbezogen“ – das war das Wort, das Sie gebraucht haben – erhöhen. Wenn das so ist, erklären Sie uns bitte sehr deutlich, dass diese schwarz-grüne Festlegung auf eine Erhöhung um 1 % bis zum Ende der Wahlperiode dahin ist und dass Sie zu verfassungsrechtlichen Grundsätzen zurückkehren wollen. Das wäre in der Tat eine neue Aussage in dieser Debatte.
(Beifall bei der FDP – Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Das steht so im Koalitionsvertrag! Das kann man nachlesen!)
In der Tat, die haben wir geschaffen. Aber Sie vernichten sie; Sie bauen sie ab. Wenn Sie sagen, die 39,5 Stellen jährlich – insgesamt rund 150 Stellen – ziehen Sie nur aus der Verwaltung ab: Kolleginnen und Kollegen von CDU und GRÜNEN, wer soll denn bei der ohnehin überbordenden Arbeitsbelastung unserer Beamtinnen und Beamten die Arbeit machen, die diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei bislang erledigt haben?
Die Polizeikräfte müssen im Polizeidienst sein. Deswegen dürfen sie nicht so sehr mit Verwaltungsaufgaben belastet werden, dass sie nicht das machen können, wofür wir sie brauchen: den Dienst auf der Straße und die Wahrnehmung ihrer vielen verantwortungsvollen Aufgaben.
Herr Kollege Frömmrich, natürlich ist das richtig: Man muss überall sparen. Man muss auch im Bereich der öffentlichen Sicherheit nachschauen, wo es Einsparmöglichkeiten gibt. Nur, das muss man intelligent machen und nicht, indem man einfach Polizeibeamte von der Straße abzieht und im Keller mit Verwaltungsaufgaben beschäftigt. Vielmehr muss man schauen: Wo sind echte Einsparmöglichkeiten vorhanden, bei denen es keine Auswirkungen auf die Sicherheit unserer Bürger gibt?
Was ist z. B. mit der Reiterstaffel? Dazu haben wir Ihnen einen Haushaltsantrag vorgelegt. Was ist mit der nach den Feststellungen des Rechnungshofs von der Zahl her überflüssigen Polizeidruckerei? Wir haben Ihnen Vorschläge vorgelegt, wo Sie intelligent sparen können. Aber dazu sind Sie nicht bereit; dazu haben Sie keine Lust.
Meine Damen und Herren, die ersten Auswirkungen dieser Politik zeigen sich jetzt in den Bewerberzahlen. Sie zeigen sich in dem, was schon in dem zitierten „HNA“-Artikel dargelegt wurde. Wir stellen fest: Wenn es um die Praxis und um die Ausstattung der Polizei geht – technisch ist alles wunderbar. Aber wenn es um die personelle Ausstattung und um die Wertschätzung der Beamten geht, sind Ihnen nicht nur die Interessen der betroffenen Polizeibeamten egal, sondern dann ist Ihnen, wie ich schon oft genug ausgeführt habe, letzten Endes auch die Verfassung egal: Hauptsache, es wird gekürzt, und Sie sparen Geld ein.
Auf der anderen Seite wird versucht, Trostpflästerchen zu verteilen und die Polizeibeamten mit dem Schutzparagrafen 112 oder mit dem verstärkten Einsatz von Bodycams
zu beruhigen. Man kann über vieles reden; aber das einzig Gute an dieser Diskussion ist: Die Polizistinnen und Polizisten in diesem Land sind nicht so naiv und blauäugig, wie Sie glauben. Sie durchschauen dieses Spiel. Das zeigt sich eindeutig in dem Stimmungsbild, das man in den Gesprächen immer wieder gewinnen kann.
Letzter Satz. Das Fazit, das wir nach einem Jahr SchwarzGrün für die hessische Polizei ziehen, sieht so aus: Es gibt ein bisschen Symbolpolitik und eine deutliche Deattraktivierung des Polizeiberufs. Das Einzige, was bleibt, ist die grundsätzlich ordentliche sachliche Ausstattung der hessischen Polizei. Die ist aus der vergangenen Legislaturperiode übrig geblieben. Wir werden genau beobachten, ob Sie dort auch noch herangehen.