(Günter Rudolph (SPD): Also alles, was die Gewerkschaften wollen, wird gemacht? – Gegenruf des Abg. Holger Bellino (CDU): Nein, wir können ja differenzieren!)
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben diesen Komplex am Dienstag hier ausgiebig diskutiert. Am Dienstag hatten wir zur Vorbereitung der dritten Lesung noch eine Ausschusssitzung.
Wir haben über die Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen geredet. Dabei kam heraus, dass wir beim Meldegesetz einen Änderungsvorschlag unterbreitet haben, wonach wir bei der Weiterleitung von personenbezogenen Daten an
die Religionsgemeinschaften nicht über das hinausgehen, was im Gesetz des Bundes geregelt ist. Das ist eine gute Regelung.
Auch die Zuverlässigkeitsprüfung haben wir geregelt. Im Hinblick auf die vielen Einrichtungen, die wir gerade haben, auch die Flüchtlingseinrichtungen, müssen wir die Zuverlässigkeitsprüfung dafür regeln, auch für andere öffentliche Stellen. Ich glaube, auch das war unstrittig.
Die Aufzeichnung von Notrufen haben wir so geregelt, dass wir sie nicht für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nutzen.
Das alles sind Anregungen aus der Anhörung. Dann verstehe ich den Vorwurf nicht, die Koalitionsfraktionen werten die Anhörung nicht aus und übernehmen keine Anregungen in Gesetzentwürfe.
Wir haben einen weiteren Bereich neu geregelt – die Kollegen sind darauf eingegangen –, nämlich den Einsatz der Bodycam. Aber auch da haben wir uns auf den Teil der Regelungen beschränkt, der schon im Gesetz steht, nämlich die Bestimmungen betreffend die Identitätsfeststellung. Ich will es noch einmal zu erläutern versuchen, wie ich es auch im Ausschuss getan habe. Wir haben bei der Erprobung der Bodycam gemerkt, dass sie präventiv wirkt, dass Menschen, die gewisse Handlungen vornehmen oder auch gewalttätig werden wollen, von ihrem Tun ablassen, wenn ein Aufzeichnungsgerät in der Nähe ist. Da die Bodycam präventiv wirkt, gehört die entsprechende Regelung in das „Gefahrenabwehrgesetz“, das HSOG, das der Gefahrenabwehr dient. Deswegen haben wir diesen Passus unverändert gelassen.
Wir haben auch mit den Beamtinnen und Beamten selbst geredet, die auf Streifen gehen. Frau Kollegin Goldbach hat sogar einmal eine gesamte Nachtschicht mitgemacht und die Beamtinnen und Beamten begleitet. Es ist uns aufgefallen – das ist auch intensiv diskutiert worden –: Tonaufzeichnungen sind deswegen von Belang, weil aggressivem Verhalten meist verbale Verunglimpfungen, Beschimpfungen vorangehen. Deshalb ist es wichtig, dass diejenigen, die einer Beamtin oder einem Beamten gegenübertreten, nicht nur sehen, dass da eine Kamera ist, sondern auch wissen, dass der Ton aufgezeichnet wird. Von daher ist es auch zum Zweck der Gefahrenabwehr notwendig, dieses Mittel einzusetzen.
Ich denke, wir sind uns alle einig, dass wir alles unternehmen müssen, damit solche Handlungen gegen Beamtinnen und Beamte unserer Polizei erst gar nicht unternommen werden. Ich denke, dass Maßnahmen, die präventiv wirken, die unsere Beamten schützen, damit es erst gar nicht zu Übergriffen kommt, sinnvoll sind. Deshalb wollen wir diesen Bereich so regeln.
Drittens. Das Prerecording. Herr Kollege Greilich, an der Stelle ich verstehe Sie wirklich nicht. Die Eingriffsbefugnis für das Prerecording ist die gleiche wie die für das Aufzeichnen der Maßnahme. Daher kann der Eingriff beim Prerecording gar nicht schwerer sein als bei der Aufzeich
nung. Vielleicht muss man Jurist sein, um Ihre Argumentation zu verstehen, aber ein normaler Mensch versteht das nicht. Zumindest mir leuchtet das nicht ein.
Wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, wir haben eine umfangreiche Anhörung dazu durchgeführt, wir haben viele Anregungen der Verbände aufgenommen, wir sind auf die Einlassungen der Gewerkschaften eingegangen. Deswegen glaube ich, dass wir am Ende einen guten Gesetzentwurf zur Abstimmung vorlegen. Ich kann Sie nur bitten, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! In der dritten Lesung sind keine neuen Argumente vorgetragen worden. Deswegen will ich mich auf das Wesentliche konzentrieren.
Fakt ist, dass bei der Anhörung zu diesem Sammelsuriumgesetz zu allen drei Teilbereichen – zu den Änderungen des Meldegesetzes, des Glücksspielgesetzes und insbesondere zu den Änderungen am HSOG – seitens der Sachverständigen erhebliche Bedenken geäußert wurden. Dem haben die Koalitionsfraktionen jetzt insofern nachgegeben, dass sie in einem Teilbereich Änderungen vorgenommen haben, die aber im Wesentlichen, im Kern gar keine Änderungen darstellen.
Ich will das an einem Beispiel darstellen. Wenn man jetzt – zugegebenermaßen auf Anregung des Hessischen Datenschutzbeauftragten – in das Gesetz schreiben will, dass das Grundrecht auf Wahrung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses im Zusammenhang mit der Bodycam und ihren Aufzeichnungen eingeschränkt wird, dann ist das eine Tatsache, dann ist das ein wichtiger Hinweis, der im Gesetz steht, aber das ändert nichts an den Fakten.
Es ist schon vorgetragen worden, dass der zentrale Punkt dieses Gesetzentwurfs die Bodycam und insbesondere die Frage der Tonaufzeichnung und des sogenannten Prerecording sind. Sie haben gesagt, dass es unbedingt notwendig ist, beide Instrumente einzuführen. Ich habe endlich verstanden, warum das jetzt in das Gesetz aufgenommen wird. Sie haben gesagt: „Dann hat Hamburg“ – ich nehme an, unter SPD-Alleinregierung – „ein Gesetz gemacht, mit dem man die Ton- und Bildaufzeichnungen erlaubt hat. Es geht ja nicht, dass Hamburg uns rechts überholt.“ Das waren Ihre Worte. Ich kann nachvollziehen, dass Sie das jetzt in das Gesetz schreiben müssen, wenn die Gefahr besteht, von einer SPD-Alleinregierung rechts überholt zu werden.
Das reicht uns aber als Begründung nicht aus. An der Stelle will ich mich ausdrücklich auf Herrn Greilich beziehen, der – wie ich finde, richtigerweise – ausgeführt hat, dass eine permanente Aufzeichnung des Tons in den jeweils letzten 30 Sekunden, also eine Aufzeichnung während des gesamten Einsatzes, eine verfassungswidrige Vorratsdaten
speicherung darstellt. Weil immer argumentiert wird, es seien doch nur 30 Sekunden, will ich hinzufügen: Seit der aktuellen VW-Affäre wissen wir, das man überall, wo eine Digitalisierung zur Anwendung kommt – auch hier geht es ja um eine Form der Digitalisierung –, nur ein Knöpfchen zu drücken braucht, und auf einmal sind es nicht mehr nur 30 Sekunden, sondern weitaus mehr, was da aufgezeichnet wird. Die Kontrolle darüber bleibt im Unklaren.
Der Kern unserer Ablehnungsgründe, was die Bodycams angeht, ist aber ein anderer. In der Anhörung wurde klar, dass die Probeläufe in den Testphasen nicht unter normalen Bedingungen durchgeführt wurden. So wurde ausgeführt, dass in den ersten beiden Testphasen in FrankfurtSachsenhausen jeweils drei oder vier Polizisten gemeinsam Streife gelaufen sind. Auf der Zeil in Frankfurt waren es nach Aussage der Polizisten bis zu zehn Beamte. Das sind aber keine realen Bedingungen; die Zwei-Mann-Streife ist bisher der Standard bei der hessischen Polizei. Das ist auch ausgeführt worden. Insofern kann ich nur sagen: Die Testphasen sind nie in wissenschaftlicher Art und Weise begleitet und ausgewertet worden. Wir hatten immer nur Presseerklärungen des Ministers, in denen es hieß, dass alles toll und wunderbar sei. In der Realität ist das nicht belegt und nicht nachgewiesen. Dadurch, dass man die Behauptung, es sei alles gut, wiederholt, wird sie nicht richtiger. Es gibt keine Dokumente dafür – –
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Letzter Satz: Wenn mehr Polizisten zusammen auf Streife gehen, dann kann allein dies schon präventiv, abschreckend wirken und die Zahl der Angriffe auf Polizisten reduzieren. Das hat mit dem Einsatz von Bodycams nichts zu tun. Die bisher vorgelegten Ergebnisse der Probeläufe reichen uns nicht, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch in der dritten Runde bleibt es dabei: Das vorgelegte Gesetzespaket, mit dem insgesamt drei verschiedene Gesetze geändert werden sollen, ist inhaltlich nicht verbunden, sondern zusammengestrickt. Es wurde eine Eilbedürftigkeit herbeigeredet, die allein darauf beruht, dass das Ministerium das Notwendige links liegen gelassen hat.
Die Änderung des HSOG hat mit der Änderung des Hessischen Glücksspielgesetz, der Einführung einer Umweltlotterie, inhaltlich nichts zu tun. Auch eine weitere Runde im Ausschuss hat nicht mehr Klarheit gebracht, worin da der logische Zusammenhang bestehen soll.
Wenn der Kollege Bauer auf die Anhörung eingeht und deutlich macht, man sei ja mit den Praktikern im Gespräch gewesen, dann muss ich erwidern: Spätestens bei der Frage, ob der Gewerkschaftsfunktionär Polizeimeister oder Ähnliches war, ist es verwunderlich, dass der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion offenbar ein paar Probleme hat und die Dienstgrade bei der Polizei durcheinanderbringt.
Herr Bauer, wenn Sie nicht nur in der Anhörung des Ausschusses mit Gewerkschaftsvertretern reden würden, sondern auch einmal in einer anderen Situation, wüssten Sie, welche Dienstgrade die haben, und könnten da mitmachen.
dass dies der Einwurf der Praktiker sei und die Polizeibeamtinnen und -beamten das mit gefordert und gesagt hätten: Deswegen machen wir das. – Herr Boddenberg, diese Beliebigkeit – mal so, mal so; dann nehmen sich die Gewerkschafter das als Vorbild und sagen, dass sie sich daran orientieren oder daran gar nicht, was das Thema Besoldungserhöhung und andere Fragen betrifft – dürfen wir Ihnen auch nicht durchgehen lassen.
Alles in allem haben Sie in der Tat – das ist eben schon angesprochen worden – die eine oder andere Änderung an Ihrem Gesetzentwurf vorgenommen, die völlig richtig und notwendig war. Die Festschreibung der Eingriffsschwelle beim Einsatz von Bodycams und Ähnliches mehr – das war notwendig und richtig. Es ist recht und billig, dass das in dem Gesetzentwurf mit festgeschrieben wird.
Die Anhörung hat deutlich gemacht, dass es auf der einen Seite – dazu stehen wir als SPD-Landtagsfraktion seit der gesamten Diskussion rund um die Bodycams – um den Schutz von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten geht. Andererseits geht es – das haben Sie in dem Gesetzentwurf beschrieben – um den Schutz der Rechte Dritter. Die Frage, wie das praktikabel umgesetzt werden kann, wie es organisiert werden kann, dass Dritte ihre Rechte geltend machen können, ist auch in diesem Gesetzentwurf noch nicht beantwortet worden. Das ist nicht festgeschrieben worden.
Nächster Punkt. Jetzt sind wir bei der Praktikabilität. Ich empfehle Ihnen, mit den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zu reden, so, wie es die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Landtagsfraktion ohnehin permanent tun, die auch Praxistermine wahrnehmen und sozusagen vor Ort unterwegs sind – das nächste Mal sogar in kompletter Mannschaftsstärke, davor immer einmal wieder. Wenn Sie sich das anschauen würden, würden Sie nämlich feststellen, wie die Situation der hessischen Polizei im Jahr 2015 tatsächlich ist.
Es stellt sich die Frage, ob die Bodycam von einer Dreierstreife oder von einer Doppelstreife eingesetzt wird – so könnte es nachher in der Praxis aussehen –, die in Hessen nun einmal der Normalzustand ist. Gerade die Gewerkschaftsvertreter haben gesagt: Bei dem gesamten Thema
brauchen wir noch ein bisschen mehr Futter, um deutlich zu machen, wie wir das nachher auswerten können. – Bei all dem zusammen hätten uns Zeit und Ruhe sicherlich geholfen.
Aber an dem Punkt haben Sie sich selbst unter Druck gesetzt. Sie haben entsprechende Bundesregelungen im Melderecht links liegen lassen und deswegen das Gesetzgebungsverfahren erst jetzt beendet. Sie haben Themen zusammengefügt, die nichts miteinander zu tun haben.
Zu dem Thema Glücksspielgesetz: Darüber haben wir schon am Dienstag diskutiert. Es ist ein Ammenmärchen, dass das Aufkommen am Glücksspielmarkt beliebig steigerbar ist, sodass man nachher alles, was man noch hineinschreiben möchte, auch noch über Lotto-/Toto-Mittel fordern kann.
All das zeigt mir, dass es anders ist, als der Innenminister in der zweiten Lesung gesagt hat, nämlich dass die Krümel im Raume schwebten und wir sie suchen würden: Sie sind zumindest so groß, dass es erstens keine Krümel sind und sie zweitens hinreichend begründen, warum wir sagen: Das ist leider ein Schnellschuss. Das hätten wir anders und ordentlich machen können. – Deswegen können wir zu diesem Zeitpunkt, also nach den Ausführungen, die Sie hier gemacht haben, dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. – Herzlichen Dank.